Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 V 265



116 V 265

40. Urteil vom 17. September 1990 i.S. E. gegen Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste

    Art. 96 ff. und Art. 105 ff. UVG: Fristenstillstand. Das
Unfallversicherungsgesetz schliesst die Anwendung kantonalrechtlicher
Fristenstillstandsbestimmungen im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren
nicht aus.

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 7. Juli 1988 lehnte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die Ausrichtung von Leistungen an die
Erben ihres Versicherten K. E. ab.

    B.- "Innert durch die Gerichtsferien erstreckter Frist" erhob
der Rechtsvertreter der Hinterlassenen Beschwerde mit dem Antrag auf
Zusprechung der gesetzlichen Leistungen.

    Mit Beschluss vom 3. Oktober 1989 trat das Versicherungsgericht des
Kantons Zürich wegen Verspätung auf die Beschwerde nicht ein.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen die Kinder von K. E. die
Aufhebung des vorinstanzlichen Nichteintretensentscheides beantragen.

    Während die SUVA beantragt, es sei auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde "nicht einzutreten" und der vorinstanzliche
Nichteintretensentscheid "zu bestätigen", schliesst das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV) auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
in dem Sinne, dass der kantonale Nichteintretensentscheid aufgehoben und
die Sache an die Vorinstanz zur materiellen Entscheidung zurückgewiesen
werde.

    Auf den vorinstanzlichen Entscheid und die Rechtsschriften der
Verfahrensbeteiligten wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen
eingegangen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Kognition)

Erwägung 2

    2.- a) Angefochten mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid. Folglich ist
einzig als Frage des Bundesrechts frei zu prüfen (Art. 104 lit. a
OG), ob das kantonale Gericht zu Recht oder zu Unrecht auf die
vorinstanzliche Beschwerde nicht eingetreten ist. Warum auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten sei, wie die SUVA
beantragt, ist unerfindlich. Ergibt nämlich die richterliche Beurteilung,
dass der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid rechtmässig ist, so ist
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen als unbegründet abzuweisen,
andernfalls ist sie gutzuheissen. Das Eidg. Versicherungsgericht hat
somit - was die SUVA übersieht - selbstverständlich in der Sache zu
urteilen; doch ist eben diese Sache, entsprechend der prozessualen Natur
des angefochtenen Entscheides, einzig die Frage der Bundesrechtmässigkeit
des vorinstanzlichen Nichteintretensbeschlusses.

    b) Der angefochtene Gerichtsentscheid beruht auf Bundesrecht, nämlich
auf den Art. 96, 97 und 106 Abs. 1 UVG, anderseits auf der Rechtsprechung
des Eidg. Versicherungsgerichts zu Art. 96 AHVG (BGE 105 V 106). Unter
dem Gesichtspunkt der bundesrechtlichen Verfügungsgrundlage (Art. 128
in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 Abs. 1 lit. c in fine
VwVG) ist somit Eintreten gegeben. Daran ändert nichts, dass das
Beschwerdebegehren an sich der Rüge gleichkommt, das kantonale Gericht
habe zu Unrecht Bundesverwaltungsrecht statt, wie es die Beschwerdeführer
für richtig halten, kantonales Prozessrecht angewendet. Wenn mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde praxisgemäss gerügt werden kann, es hätte
kraft Bundesrecht kein auf kantonales Recht gestützter Beschwerdeentscheid
ergehen dürfen (BGE 110 V 56 Erw. 1b), so muss auch die gegenteilige
Rüge zwangsläufig zulässig sein, andernfalls die Zulässigkeit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon abhinge, wie die Vorinstanz
entscheidet. Die Anwendung kantonalen Prozessrechts, wo bundesrechtlich
kein Raum bleibt, ist genau gleich eine Bundesrechtswidrigkeit wie
die Anwendung von Bundesverwaltungsrecht dort, wo es nicht angewendet
werden darf.

Erwägung 3

    3.- Das 1. Kapitel des Achten Titels über "Verschiedene Bestimmungen"
enthält in den Art. 96-102 UVG verschiedene Vorschriften betreffend das
"Verfahren". Gemäss Art. 96 UVG sind die Verfahrensbestimmungen dieses
Gesetzes anwendbar, soweit das VwVG für Versicherer nicht gilt oder dieses
Gesetz eine abweichende Regelung enthält (vgl. dazu BGE 115 V 299 Erw.
2b im Zusammenhang mit Art. 98 UVG über die Akteneinsicht). Was die
Fristen anbelangt, enthält Art. 97 UVG folgende Regelung:

    Abs. 1: Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag
der Frist
   dem Versicherer eingereicht oder zu dessen Handen der schweizerischen
   Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen
   Vertretung übergeben werden. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag,
   Sonntag oder einen am Wohnsitz oder Sitz des Betroffenen vom
   kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endigt die Frist am nächsten
   Werktag. Gelangt die

    Eingabe rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherer oder eine
   unzuständige Behörde, so gilt die Frist als gewahrt.

    Abs. 2: Wiederherstellung einer Frist kann erteilt werden, wenn der

    Betroffene unverschuldet abgehalten worden ist, innert der Frist zu
   handeln; das begründete Begehren um Wiederherstellung ist innert 10
   Tagen nach Wegfall des Hindernisses einzureichen und die versäumte
   Handlung nachzuholen.

    Auf der anderen Seite enthält der Neunte Titel über die "Rechtspflege-
und Strafbestimmungen" im 1. Kapitel betreffend die "Rechtspflege",
soweit hier von Interesse, folgende Bestimmungen:

    Art. 105 Einsprachen und Verwaltungsbeschwerden

    Abs. 1: Gegen Verfügungen nach diesem Gesetz sowie gegen die auf
solchen

    Verfügungen beruhenden Prämienrechnungen kann innert 30 Tagen bei der
   verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden.

    Art. 106 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an kantonale Gerichte

    Abs. 1: Gegen Einspracheentscheide nach Art. 105 Abs. 1, ausgenommen
jene
   über die Zuteilung der Betriebe und der Versicherten zu den Klassen und

    Stufen der Prämientarife, kann der Betroffene beim zuständigen
kantonalen

    Versicherungsgericht Beschwerde erheben. Die Beschwerdefrist beträgt
bei

    Einspracheentscheiden über Versicherungsleistungen drei Monate, in den
   übrigen Fällen 30 Tage.

    Art. 107 Gerichtsstand

    Abs. 1: Für die Beurteilung von Streitigkeiten nach Art. 106 bestellen
   die Kantone Versicherungsgerichte.

    Art. 108 Verfahrensregeln

    Abs. 1: Die Kantone regeln das Verfahren ihrer
Versicherungsgerichte. Es
   hat folgenden Anforderungen zu genügen: (lit. a-i).

Erwägung 4

    4.- a) Das kantonale Gericht ist zunächst von BGE 105 V 106
ausgegangen, wonach Art. 96 AHVG ("Die Art. 20-24 des Bundesgesetzes
über das Verwaltungsverfahren sind anwendbar", dies unter der Marginalie
"Fristen" im 8. Abschnitt betreffend "Verschiedene Bestimmungen")
die Anwendung kantonalrechtlicher Bestimmungen über den Stillstand der
Fristen ausschliesst. Für den Bereich der Unfallversicherung gelangte
die Vorinstanz zum gleichen Ergebnis. Wohl stehe der Art. 96 UVG vor den
Rechtspflegebestimmungen der Art. 105 ff. UVG (und somit insbesondere vor
der Bestimmung des Art. 106 Abs. 1 UVG betreffend die dreimonatige Frist
zur Beschwerde gegen Einspracheentscheide über Versicherungsleistungen). Da
aber - so die Vorinstanz - "dort wie auch im Achten Titel der UVV über
die Rechtspflege keine weiteren Bestimmungen über die Fristen enthalten
(seien), (seien) die diesbezüglichen Regelungen in Art. 97 UVG sinngemäss
anwendbar". Da dieser Gesetzesartikel nach seinem Wortlaut den Bestimmungen
der Art. 20 Abs. 3, 21 und 24 VwVG entspreche und ebenfalls keine mit
Art. 34 Abs. 1 OG betreffend Fristenstillstand vergleichbare Bestimmung
enthalte, sei "auch im UVG-Recht ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzes
anzunehmen, woraus sich ergibt, dass das Bundesrecht mit Bezug auf die
Frage des Fristenstillstandes keinen Raum für kantonales Verfahrensrecht
offenlässt".

    Die SUVA pflichtet in ihrer Vernehmlassung der vorinstanzlichen
Auffassung bei, indem sie hervorhebt, Art. 96 UVG erkläre bezüglich
Verfahrensbestimmungen diejenigen "dieses Gesetzes", somit generell
Verfahrensbestimmungen des UVG für anwendbar. Da das UVG eine zu Art. 34
Abs. 1 OG betreffend Fristenstillstand analoge Regelung nicht kenne,
bleibe für die Anwendung der Fristenstillstandsbestimmungen des kantonalen
Verfahrensrechts kein Raum. Diese Regelung entspreche auch der Forderung
nach einem raschen Verfahren in Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG.

    b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Annahme eines
qualifizierten Schweigens des Gesetzes durch die Vorinstanz bestritten,
weil für diese Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts keine Anhaltspunkte
vorhanden seien. Vielmehr sei den Kantonen mit Art. 108 UVG aufgegeben
worden, das Verfahren vor ihren Versicherungsgerichten zu regeln. Soweit
es nicht um die "neun Anforderungen an diese Verfahrensgestaltung"
gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. a-i UVG gehe, komme die kantonale
Rechtssetzungszuständigkeit zum Tragen.

    c) Das BSV macht unter Hinweis auf Wortlaut und Systematik geltend,
Art. 97 UVG betreffend das Fristenwesen beziehe sich auf das Verfahren
vor der SUVA oder den übrigen registrierten Versicherern, dagegen
nicht auf den Prozess vor den kantonalen Versicherungsgerichten. Die
Frage sei in der Doktrin umstritten, indem MAURER (Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, S. 600) ohne weitere Begründung annehme, Art. 97
UVG sei auch für die Frist anwendbar, innert der eine Beschwerde beim
kantonalen Versicherungsgericht eingereicht werden müsse, während FREIVOGEL
(Das Basler Versicherungsgericht, in BJM 1983 S. 284) die gegenteilige
Auffassung vertrete. Das BSV würde es durchaus begrüssen, wenn für
alle Zweige der Sozialversicherung im Verfahren vor den kantonalen
Beschwerdeinstanzen die gleichen Fristenregelungen zur Anwendung
kämen. Art. 96 AHVG verfolge dieses Ziel, und eine identische Lösung
finde sich auch in den Entwürfen 1984 und 1989 zu einem Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts. Das BSV bezweifelt jedoch, "dass
sich diese Lösung auf Bereiche ausweiten lässt, wo die Anwendbarkeit
des kantonalen Verfahrensrechts nicht ausdrücklich eingeschränkt wurde,
da vor allen kantonalen Beschwerdebehörden grundsätzlich das kantonale
Verfahrensrecht gilt, wenn es nicht durch die Bundesgesetzgebung derogiert
wurde". Was nun die Fristenregelung nach den Art. 20-24 VwVG angehe,
so gehöre der Ausschluss des Fristenstillstandes "weder zum Katalog der
Mindestanforderungen gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. a-i UVG noch zu den
bisher durch die Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen
des Sozialversicherungsrechts, noch gehören die Fristenbestimmungen
zu den für das letztinstanzliche kantonale Verfahren massgeblichen
VwVG-Bestimmungen". Zusammenfassend sprächen gegen die Anwendung des
Art. 97 UVG auf das Verfahren vor den kantonalen Beschwerdeinstanzen
der Wortlaut, die systematische Stellung im Gesetz und die Tatsache,
dass er nicht ausdrücklich auf das kantonale Verfahren anwendbar
erklärt worden sei; für die Anwendung spreche das Bestreben, den
Sozialversicherungsprozess zu vereinheitlichen. Dem Argument der SUVA,
die Beschwerdefrist gemäss Art. 106 Abs. 1 UVG sei eine bundesrechtliche
Vorschrift, welche kantonalen Bestimmungen über die Gerichtsferien
vorgehe, entgegnet das BSV, zwar sei die Frist, innert welcher gegen einen
Einspracheentscheid Beschwerde erhoben werden müsse, bundesrechtlich
geregelt; der Modus der Fristberechnung jedoch sei "mit der Frist
selber nicht identisch" und sollte aus den dargelegten Gründen "gemäss
dem kantonalen Recht erfolgen"; nur "wenn das kantonale Prozessrecht
die Verwirklichung des Bundesrechts übermässig erschweren oder hindern
sollte, wäre es bundesrechtswidrig". Da der Kanton Zürich von der ihm an
sich zur Verfügung stehenden Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe,
bei längeren bundesrechtlichen Fristen keine Gerichtsferien vorzusehen,
was hier nicht zu beanstanden sei, hält das BSV die vorinstanzliche
Beschwerde für rechtzeitig eingereicht.

Erwägung 5

    5.- Der Standpunkt der Beschwerdeführer im Ergebnis und die Auffassung
des BSV weitgehend auch in der Begründung sind stichhaltig:

    a) Unter dem Gesichtspunkt der praxisgemässen Auslegungselemente
Wortlaut, Systematik, Zweck und Entstehungsgeschichte (BGE 114 V 220
Erw. 3a und 250 Erw. 8a) ist klar, dass Art. 97 UVG nicht die gleich
weittragende Bedeutung hat wie Art. 96 AHVG im AHV/IV-Bereich. Art. 97
UVG ist eine Bestimmung, welche sich nach ausdrücklichem Wortlaut und
Einordnung im Gesetz auf das Verfahren vor dem Versicherer bezieht, und
nicht auf den Prozess vor den kantonalen Versicherungsgerichten. Dass
sich aus den Materialien schliessen liesse, der UVG-Gesetzgeber habe das
Fristenwesen in den kantonalen Beschwerdeverfahren uniform und unter
Ausschluss kantonalrechtlicher Fristenstillstandsbestimmungen regeln
wollen, wird von keiner Seite behauptet; davon abgesehen, hätte eine solche
Absicht im geltenden Gesetzestext auch keinen Niederschlag gefunden,
was für die Massgeblichkeit des historischen Auslegungselementes nach
ständiger Rechtsprechung von ausschlaggebender Bedeutung ist (BGE 115 V 296
Erw. 4 in fine, 114 V 250 Erw. 8a in fine). Die Auslegung nach Sinn und
Zweck schliesslich ergibt nichts anderes, weil dieses Auslegungselement
nicht etwa mit der Wünschbarkeit einer einheitlichen Fristenregelung
gleichgesetzt werden darf und im weiteren nichts an der Rechtstatsache zu
ändern vermag, dass die kantonale Rechtspflege in Sozialversicherungssachen
de lege lata uneinheitlich und zersplittert geregelt ist. Dass das Institut
des Fristenstillstandes dem Sozialversicherungsprozess wesensmässig fremd
wäre, sich also schlechterdings mit ihm nicht vertrüge, so dass von einem
allgemeinen Grundsatz gesprochen werden müsste - wie dies die Praxis
dem Fristwiederherstellungsgrundsatz zugemessen hat (BGE 108 V 109) -,
kann schon deswegen nicht gesagt werden, weil zumindest vor dem Eidg.

    Versicherungsgericht - somit in Sozialversicherungssachen -
die Fristenstillstandsbestimmung von Art. 34 OG massgeblich ist
(in Verbindung mit Art. 135 OG). Davon abgesehen kommen kantonale
Fristen(stillstands)bestimmungen auch in Sozialversicherungsbereichen
auf der Ebene des kantonalen Beschwerdeverfahrens zur Anwendung, wo die
bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen rudimentär ausgestaltet sind,
z. B. in der Arbeitslosenversicherung (vgl. Art. 103, besonders Abs. 6
AVIG; so ausdrücklich GERHARDS, AVIG-Kommentar, N. 35 zu Art. 103).

    b) Dass Art. 97 UVG, welche Fristenregelung den Fristenstillstand
nicht kennt, in kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren
nicht massgeblich sein kann, ergibt sich ferner aus einer von
den Verfahrensbeteiligten bisher nicht erwähnten Überlegung: Die
Massgeblichkeit der Verfahrensbestimmungen gemäss Art. 97 ff. UVG
folgt, wie in BGE 115 V 299 Erw. 2b ausgeführt wird, für die übrigen
registrierten Versicherer ausschliesslich daraus, dass Art. 96 UVG den
Anwendungsbereich der UVG-Verfahrensbestimmungen wesentlich durch die
Nichtanwendbarkeit des VwVG umschreibt. Diese Art der Anwendbarerklärung
der UVG-Verfahrensbestimmungen macht nur für die Versicherer einen
Sinn, nicht aber für die kantonalen Rechtspflegebehörden, weil für
letztere von vornherein nur die in Art. 1 Abs. 3 VwVG vorbehaltenen
Bestimmungen massgeblich sind. Indem Vorinstanz und SUVA die
Verfahrensbestimmungen der Art. 97 ff. UVG und die Bestimmungen über
die Rechtspflege nach Art. 105 ff. UVG auf die gleiche Ebene stellen,
verkennen sie den Charakter des Art. 96 UVG als für das Verfahren vor
den Versicherern massgebliche und überhaupt sinnvolle Verweisungsnorm,
welche hinsichtlich des kantonalen Rechtsmittelverfahrens obsolet ist:
Bei den Versicherungsträgern geht es einzig darum, dass diese kraft
Art. 96 UVG gewisse Verfahrensbestimmungen der Art. 97 ff. UVG zu
beachten haben; bei der kantonalen Rechtspflege dagegen steht die
von SUVA und Vorinstanz mit keinem Wort erwähnte verfassungsmässige
Kompetenzausscheidung zwischen den Rechtssetzungszuständigkeiten des
Bundes und der Kantone auf dem Spiel. Wenn die Bundesverfassung ein
bestimmtes Sachgebiet (wie in Art. 34bis die Unfallversicherung) zur
Bundesaufgabe erklärt, so heisst dies nicht, dass der Bund deswegen
auch zuständig wäre, die Rechtspflege zu regeln (Art. 3 BV; SALADIN, in
Kommentar zur Bundesverfassung, N. 65 ff. und 104 f. zu Art. 3). Auch
unter diesem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung hält
die Annahme eines qualifizierten Schweigens durch die Vorinstanz nicht
stand. Denn dem Bundesgesetzgeber können dort nicht unter Berufung auf
qualifiziertes Schweigen Rechtssetzungszuständigkeiten zugestanden werden,
wo er von Bundesverfassungs wegen zur Rechtsetzung gerade nicht zuständig
ist, sondern einer Grundlage bedürfte, die er sich bisweilen in für die
Gerichte verbindlicher Weise effektiv nimmt (Art. 113 Abs. 3 und 114bis
Abs. 3 BV), was aber hier gerade nicht der Fall ist. Der vorinstanzliche
Entscheid verletzt daher die verfassungsmässige Organisations-
und Verfahrensautonomie, welche den Kantonen auch hinsichtlich der
Rechtspflege in Unfallversicherungssachen gewährleistet bleibt, soweit
der Bundesgesetzgeber darin nicht eingegriffen hat. Dies trifft hier,
im Unterschied zum AHV/IV-Bereich, wie dargelegt nicht zu.