Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 80



116 IV 80

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs vom 15. März 1990 i.S. X. und
Y. gegen Z. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 268 ff. BStP; Eintritt der absoluten Strafverfolgungsverjährung
nach Ausfällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils; prozessuale
Konsequenzen für die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde.

    Bei Eintritt der absoluten Strafverfolgungsverjährung nach Ausfällung
eines freisprechenden letztinstanzlichen kantonalen Urteils kann mangels
eines rechtlich geschützten Interesses des Beschwerdeführers auf die
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 178 Abs. 1 StGB verjährt die Verfolgung der Vergehen
gegen die Ehre abweichend von der fünfjährigen Verjährungsfrist gemäss
Art. 70 letzter Absatz StGB nach zwei Jahren. Die Verjährungsfrist kann
zwar unterbrochen werden, doch tritt nach Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
bei Ehrverletzungen die absolute Verjährung nach insgesamt vier Jahren ein.

    Zu beachten ist bei der Prüfung des Eintritts der Verfolgungsverjährung
allerdings, dass diese nach ständiger Rechtsprechung während der
Behandlung kassatorischer Rechtsmittel gegen ein verurteilendes
Erkenntnis ruht (BGE 115 Ia Nr. 49 E. 3e; 111 IV 90 f. E. a und b
mit Hinweisen). Anders verhält es sich hingegen, wenn sich, wie im
vorliegenden Fall, das kassatorische Rechtsmittel gegen einen Freispruch
richtet; hier fällt ein Ruhen der Verfolgungsverjährung nach der Praxis
ausser Betracht (vgl. BGE 97 IV 157). Bezogen auf den vorliegenden Fall
bedeutet dies, dass die Verfolgungsverjährung bis zum ersten Urteil des
Kantonsgerichtsausschusses vom 7. März 1989 schon deshalb weiter lief,
weil die Berufung an das Kantonsgericht Graubünden ein ordentliches
Rechtsmittel darstellt. Ebensowenig ruhte die Verjährung aber nach
Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde gegen das erste Urteil
des Kantonsgerichtsausschusses vom 7. März 1989 bzw. nach Erhebung
der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde gegen das zweite Urteil des
Kantonsgerichtsausschusses vom 13. September 1989. Staatsrechtliche
Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde sind zwar kassatorische Rechtsmittel;
sie richteten bzw. richten sich in casu indessen gegen freisprechende
Urteile. Da seit dem 30. September bzw. dem 18. November 1985 inzwischen
vier Jahre verstrichen sind, ist demnach festzustellen, dass bezüglich
der dem Beschwerdegegner zur Last gelegten Äusserungen die absolute
Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.

Erwägung 2

    2.- Zu prüfen bleiben die sich aus dem Verjährungseintritt ergebenden
prozessualen Konsequenzen für die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde.

    a) Der Eintritt der Strafverfolgungsverjährung bildet ein dauerndes
Prozesshindernis (vgl. SCHMID, Strafprozessrecht, Zürich 1989, § 34
Rn. 539 und § 33 Rn. 534 sowie HAUSER, Kurzlehrbuch des Schweizerischen
Strafprozessrechts, 2. Aufl., S. 102 f.). Als solches ist er in jedem
Verfahrensstadium von Amtes wegen zu berücksichtigen (vgl. HAUSER, aaO,
S. 103 sowie SCHMID, aaO, § 33 Rn. 532). Dies gilt auch im Verfahren
der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde. Eine materielle Prüfung der
vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde fällt damit ausser Betracht. Zwar ist
einzuräumen, dass ein Nichtüberprüfen des vorinstanzlichen Urteils auf
seine Bundesrechtsmässigkeit die Interessen der Beschwerdeführer insofern
berührt, als eine allfällige Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde
wenn auch nicht zu einer Verurteilung des Beschwerdegegners, so doch
allenfalls zu einer Änderung der Kostenverlegung im kantonalen Verfahren
führen könnte. Dieses Interesse der Beschwerdeführer an einer Änderung
der Verlegung der kantonalen Verfahrenskosten ist im Verfahren auf
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde rechtlich aber nicht geschützt. Im
Verfahren auf eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde entfällt ein rechtlich
geschütztes Interesse an der materiellen Überprüfung des letztinstanzlichen
kantonalen Entscheids, wenn eine Änderung im angefochtenen Strafpunkt
nicht mehr erfolgen kann. Eine solche Änderung ist vorliegend, wo eine
Verurteilung des Beschwerdegegners infolge Verjährung nicht mehr möglich
ist, aber ausgeschlossen (BGE 78 IV 129 f.). Ob im Rahmen einer gegen die
Verlegung der kantonalen Verfahrenskosten gerichteten staatsrechtlichen
Beschwerde eine materielle Überprüfung des kantonalen Entscheids zulässig
wäre, was in BGE 109 Ia 91 verneint worden ist, kann offen bleiben.

    b) Zu beantworten bleibt die Frage, ob in casu das Verfahren
einzustellen oder auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten ist.

    In BGE 97 IV 157 wurde angenommen, bei Eintritt der absoluten
Strafverfolgungsverjährung nach Ausfällung des letztinstanzlichen
kantonalen Urteils habe der Kassationshof auf Nichtigkeitsbeschwerde hin
das Verfahren einzustellen. Daran kann nicht festgehalten werden. Eine
Verfahrenseinstellung stellt einen Entscheid in der Sache selber
dar. Ein solcher Entscheid in der Sache selber lässt sich aber mit der
kassatorischen Natur der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht
vereinbaren. Der Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung nach
Ausfällung des letztinstanzlichen Urteils bewirkt deshalb im Verfahren
auf eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, dass mangels eines rechtlich
geschützten Interesses des Beschwerdeführers auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden kann.