Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 50



116 IV 50

10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. März
1990 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 110 Ziff. 5, Art. 251 StGB. Urkundenfälschung.

    Urkundeneigenschaft einer in einem Lieferschein enthaltenen Quittung
betreffend den Empfang der Ware trotz Unleserlichkeit der Unterschrift des
für den angeblichen Warenbesteller auftretenden angeblichen Unterzeichners
des Dokuments im konkreten Fall bejaht.

Sachverhalt

    A.- Am 18. Februar 1986 ging auf das Postscheck-Konto ... der Fa. Y.,
Basel, deren Inhaber X. war, eine Zahlung von Fr. 23'500.-- der Fa. Z.,
Famille G., in B., ein. Zum Beweis dafür, dass diese Zahlung an die Fa. Y.
entgegen der Darstellung von G. nicht irrtümlich, sondern zu Recht
erfolgt war, legte X. einen Lieferschein betreffend die Lieferung von
Acrylglas-Halbfabrikaten (Platten und Stäbe) zum Preis von Fr. 24'064.20
vor. Dieser enthielt den mit Schreibmaschine geschriebenen Vermerk:

    "Bez. Ware vollständig & einwandfrei erhalten, bestätigt: Für G ...,

    B ..."  und darunter eine unleserliche Unterschrift.

    B.- Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte X. am 5. Mai 1988
wegen Urkundenfälschung zu neun Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar
bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es verpflichtete ihn zur Zahlung
von Fr. 23'500.-- Schadenersatz nebst 5% Zins ab 4. März 1987 an die
Fa. Z. Der Appellationsgerichtsausschuss des Kantons Basel-Stadt bestätigte
am 26. April 1989 diesen Entscheid.

    C.- Der Verurteilte ficht den Entscheid des
Appellationsgerichtsausschusses des Kantons Basel-Stadt vom 26. April
1989 sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit eidgenössischer
Nichtigkeitsbeschwerde an. Mit der letzteren beantragt er die Aufhebung des
angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur neuen Entscheidung
an die Vorinstanz.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, der fragliche Lieferschein sei
mangels Erkennbarkeit des Ausstellers nicht zum Beweis von darin genannten
rechtlich erheblichen Tatsachen geeignet. Er wirft den kantonalen Instanzen
vor, sie hätten sich mit dem nach der Lehre (vgl. STRATENWERTH, BT II,
§ 37, N. 20 ff. mit Hinweisen) erforderlichen Merkmal der Erkennbarkeit
des Ausstellers des Dokuments nicht auseinandergesetzt. Er hält dafür,
dass vorliegend nicht die Fa. Z. bzw. deren Inhaber G., sondern der
(angebliche) Unterzeichner des Lieferscheins als Aussteller zu betrachten
und dass dieser Aussteller infolge Unleserlichkeit der Unterschrift nicht
erkennbar sei.

    a) Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Schriftstück nur dann
eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 und 251 StGB sei, wenn der
Aussteller erkennbar ist. Auch wenn man mit dem Beschwerdeführer davon
ausgeht, dass vorliegend nicht der angeblich vertretene G., sondern
der angebliche Vertreter als Aussteller der dem Lieferschein angefügten
Empfangsbestätigung (Quittung) zu betrachten sei, ist dieser Aussteller
trotz Unleserlichkeit der Unterschrift hinreichend erkennbar. Aussteller
ist eine angeblich "für G ..., B ...", handelnde Person. Das reicht unter
den gegebenen Umständen zur Bejahung der Erkennbarkeit des Ausstellers aus.

    b) Urkunden sind gemäss Art. 110 Ziff. 5 StGB unter anderem
Schriften, die bestimmt und (vgl. BGE 101 IV 279) geeignet sind, eine
Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Ob und inwieweit einer
Schrift Beweiseignung zukommt, bestimmt sich nach dem Gesetz und nach
der Verkehrsübung. Der Lieferschein bzw. die Quittung mit dem darin
enthaltenen Vermerk "für G ..., B ..." und der unmittelbar darunter
angebrachten unleserlichen Unterschrift ist nach der Verkehrsübung
jedenfalls geeignet zu beweisen, dass die darin genannte Ware irgendeiner
Person übergeben wurde, die angeblich als für G. handelnd auftrat.
Allein schon diese Tatsache ist von rechtlicher Bedeutung bzw. rechtlich
erheblich; denn sie ist die erste, wenn auch allenfalls nicht die
einzige Voraussetzung zur Begründung des Anspruchs der Unternehmung des
Beschwerdeführers auf den ihr von der Fa. Z. überwiesenen Betrag von Fr.
23'500.--. Aus diesem Grunde ist es unerheblich, dass aus dem Lieferschein
bzw. aus der Quittung infolge Unleserlichkeit der Unterschrift nicht
erkennbar ist, welche angeblich für G. handelnde Person das Dokument
unterzeichnete, und dass somit aus dem Dokument nicht hervorgeht, ob der
(angebliche) Unterzeichner berechtigt gewesen wäre, für G. den Empfang der
Ware zu bestätigen. Es kann in einem Fall der vorliegenden Art nicht darauf
ankommen, ob die Unterschrift des (angeblichen) Unterzeichners leserlich
ist oder nicht. Es gehörte gerade zum Tatplan des Beschwerdeführers, eine
unleserliche Unterschrift anzufertigen; dadurch wurde es für G. schwieriger
zu beweisen, dass der angeblich für ihn handelnde Unterzeichner des
Dokuments in Tat und Wahrheit nicht für ihn gehandelt haben konnte.

    Der Lieferschein bzw. die Quittung ist demnach trotz der
Unleserlichkeit der darauf angebrachten Unterschrift nach der Verkehrsübung
geeignet, die rechtlich erhebliche Tatsache zu beweisen, dass eine
angeblich für G. handelnde Person den Empfang der Ware bestätigte. Das
Dokument war unbestrittenermassen bestimmt, unter anderem diese Tatsache
zu beweisen. Es ist somit eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 und
Art. 251 StGB.