Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 338



116 IV 338

63. Urteil des Kassationshofes vom 22. November 1990 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 198 f. StGB; Kuppelei, Vorschubleisten.

    1. Nicht jede noch so entfernte oder geringfügige Form der
gewinnsüchtigen Begünstigung oder Förderung der Unzucht stellt strafbare
Kuppelei dar. Die sexuellen Handlungen müssen durch das Vorschubleisten
erst ermöglicht oder zumindest wesentlich erleichtert werden. Überdies
muss zum Zeitpunkt der Kuppelei das Zustandekommen sexueller Kontakte
praktisch ermöglicht und in einem gewissen Umfang nach Ort und Zeit
konkretisiert sein.

    2. Kuppelei bei einem schweizerischen Verbindungsmann zum ausländischen
Milieu bejaht, der mit der Vermittlung von Bürgerrechtsehen und weiteren
Hilfeleistungen bezweckte, dass sich ausländische Dirnen legal in der
Schweiz aufhalten konnten, um hier unbehelligt von fremdenpolizeilichen
Massnahmen der Gewerbsunzucht nachzugehen.

Sachverhalt

    A.- X. vermittelte von Ende 1985 bis Anfang 1987 fünf österreichischen
Dirnen gegen ein Entgelt von insgesamt über Fr. 10'000.-- heiratswillige
Schweizer Männer. In keinem der Fälle beabsichtigten die Eheleute,
eine wirkliche Ehe zu führen. X. gab ihnen Anweisungen, wie sie sich zu
verhalten hätten, damit die Bürgerrechtsehen nicht als solche erkannt
würden, erledigte Pass- und Anmeldeformalitäten und stellte sich teilweise
als Trauzeuge zur Verfügung. Zusätzlich verschaffte er den Dirnen Wohnungen
und in einem Fall eine Absteige. X. wird vorgeworfen, mit seinem Verhalten
beabsichtigt zu haben, dass die Dirnen Schweizerinnen wurden und hier
unter Umgehung der Vorschriften des Bundesgesetzes über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG) der Gewerbsunzucht nachgehen konnten.

    Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 1. Dezember 1989
im Berufungsverfahren (nebst hier nicht interessierenden Delikten)
der fortgesetzten Kuppelei im Sinne von Art. 198 Abs. 1 StGB schuldig
und bestrafte ihn mit acht Monaten Gefängnis und einer Busse von
Fr. 500.--. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben und in bezug
auf die Busse die vorzeitige Löschbarkeit des Eintrags im Strafregister
gewährt. Die Probezeit wurde auf vier Jahre festgesetzt.

    Gegen dieses Urteil führt X. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er
beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zum
Freispruch vom Vorwurf der Kuppelei an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich gegen
den Schuldspruch wegen Kuppelei. Der Beschwerdeführer geht davon aus,
dass ihm die kantonalen Vorinstanzen ausschliesslich das Vermitteln
der Scheinehen zur Last gelegt hätten, nicht aber die übrigen in
der Anklageschrift erwähnten Verhaltensweisen. Er macht geltend, der
Straftatbestand der Kuppelei sei nicht erfüllt, weil zwischen der ihm
vorgeworfenen Vermittlung der Scheinehen und dem Ausüben der Gewerbsunzucht
kein direkter Zusammenhang bestehe. Nicht jede Handlung, die im weitesten
Sinn eine Prostituierte unterstütze, stelle ein "Vorschubleisten" im Sinne
von Art. 198 StGB dar. Vielmehr müsse sich die Unterstützungshandlung
konkret auf die Ausübung des Unzuchtsgewerbes, d.h. auf eine nach Ort
und/oder Zeit konkretisierte Gelegenheit zu sexuellen Handlungen, beziehen.

Erwägung 2

    2.- Was die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachen betrifft,
ist zunächst festzuhalten, dass die Vorinstanz ausdrücklich den gesamten
Sachverhalt, auf den sich die Anklage stützte, als erstellt betrachtete. Es
trifft also nicht zu, dass alle Handlungen des Beschwerdeführers,
die über die eigentliche Vermittlung der Ehen hinausgingen, für die
Beurteilung des Falles ohne Bedeutung sind. Entgegen der Auffassung
des Beschwerdeführers wird ihm nicht einfach vorgeworfen, er habe
Bürgerrechtsehen mit ausländischen Dirnen vermittelt. Wie sich aus dem
Urteil des Bezirksgerichtes, auf welches die Vorinstanz verweist, ergibt,
wird dem Beschwerdeführer angelastet, er habe mit der Vermittlung der Ehen
den österreichischen Dirnen ermöglicht, dass sie Schweizerinnen wurden
und somit keine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung benötigten, um in
der Schweiz der Gewerbsunzucht nachgehen zu können. Die Ermöglichung
der Gewerbsunzucht (und nicht die Bürgerrechtsehen als solche) war
das eigentliche Ziel der Aktionen des Beschwerdeführers. Genau dieser
Vorwurf ist auch ausdrücklich in der Anklageschrift enthalten, wonach
der Beschwerdeführer "in der Absicht (gehandelt habe, den Dirnen) zu
ermöglichen, in der Schweiz der Gewerbsunzucht nachzugehen", und "mit
dem Ziel (vorgegangen sei), die Vorschriften des BG über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer zu umgehen". Der strafrechtliche
Vorwurf an den Beschwerdeführer umfasst klarerweise auch die weiteren
in der Anklageschrift genannten Tätigkeiten, wie das Erteilen von
Verhaltensanweisungen und das Erledigen von Anmeldeformalitäten. Soweit das
Bezirksgericht schliesslich eher am Rande feststellt, der Beschwerdeführer
habe mindestens in einem Fall einer Dirne auch einen Arbeitsplatz
verschafft, ist allerdings einzuräumen, dass weder aus der Anklageschrift
noch aus der Begründung der kantonalen Entscheide hervorgeht, dass er
dafür noch speziell entschädigt worden wäre. Dies hat aber nur zur
Folge, dass das Vermitteln einer Absteige für sich allein nicht zu
einem Schuldspruch wegen Kuppelei führen könnte, nicht aber, dass dieser
Umstand im Zusammenhang der gesamten Handlungen des Beschwerdeführers
von vornherein keine Bedeutung hätte (s. unten E. 3b).

Erwägung 3

    3.- a) Der Kuppelei gemäss Art. 198 StGB macht sich schuldig, wer aus
Gewinnsucht der Unzucht Vorschub leistet, sie also begünstigt und fördert,
indem er z.B. Voraussetzungen dazu schafft oder Hindernisse beseitigt
(BGE 98 IV 257 E. 2; HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, Zürich 1989, S. 48;
PAUL USTERI, Strafwürdigkeit der Kuppelei, Diss. Zürich 1972, S. 78). Im
deutschen Recht (§ 180 dtStGB) ist das Vorschubleisten konkretisiert
als Vermittlung, Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit zu sexuellen
Handlungen (ebenso für das schweizerische Strafrecht STRATENWERTH,
Schweizerisches Strafrecht BT II, 3. Aufl. Bern 1984, § 26 N 8).

    Nun kann aber klarerweise nicht jede noch so entfernte oder
geringfügige Form der gewinnsüchtigen Begünstigung oder Förderung der
Unzucht strafbare Kuppelei im Sinne von Art. 198 StGB darstellen. Ein zu
weit gedehnter Begriff des Vorschubleistens würde zu geradezu "unsinnigen"
Ergebnissen führen (PAUL USTERI, aaO, S. 80). Es liegt auf der Hand,
dass sich z.B. ein Architekt, der einen besonders lukrativen Auftrag
zum Bau eines Hauses in einem Vergnügungsviertel übernimmt, selbst
dann nicht der Kuppelei schuldig macht, wenn er annehmen muss, dass im
Gebäude mit einiger Wahrscheinlichkeit irgendwann auch Massagesalons
eingerichtet werden. Sowohl die Putzfrau, die gegen ein erhöhtes Entgelt
einen Salon reinigt, als auch der Coiffeur, der eine Dirne für einen etwas
höheren Preis verschönt, damit sie bei ihren Kunden bessere Chancen hat,
begünstigen zwar in gewisser Weise die Gewerbsunzucht, aber dennoch ist
offensichtlich, dass deren Handlungsweisen noch keine strafwürdige Kuppelei
darstellen. Die Beispiele zeigen, dass der Begriff des Vorschubleistens
nach zwei Richtungen eingeschränkt werden muss. Zum einen muss zum
Zeitpunkt der angeblichen Kuppelei die Möglichkeit des Zustandekommens
des sexuellen Kontakts in greifbare Nähe gerückt und in einem gewissen
Umfang nach Ort und Zeit konkretisiert sein (SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER,
Kommentar zum Deutschen Strafgesetzbuch, 23. Aufl. München 1988, N
6 zu § 180). Zum zweiten muss die Vornahme der sexuellen Handlungen
durch das Vorschubleisten erst ermöglicht oder zumindest wesentlich
erleichtert werden (SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, aaO, N 9 zu § 180). Völlig
untergeordnete oder mit der Unzucht in keinem unmittelbaren Zusammenhang
stehende Beihilfehandlungen sind strafrechtlich ohne Bedeutung.

    b) Im vorliegenden Fall ist nicht zu untersuchen, ob das reine
Vermitteln von Bürgerrechtsehen bereits Kuppelei darstellen kann. Aufgrund
der Feststellungen der kantonalen Gerichte ist davon auszugehen, dass es
dem Beschwerdeführer darauf ankam, den ausländischen Dirnen durch die
Vermittlung der Scheinehen zu ermöglichen, sich "legal" in der Schweiz
aufzuhalten, um hier unbehelligt von fremdenpolizeilichen Massnahmen
der Gewerbsunzucht nachzugehen. Er wusste, dass sich die Ausländerinnen
zu diesem Zweck in der Schweiz aufhalten wollten, durch die strengen
fremdenpolizeilichen Vorschriften und Kontrollen daran aber gehindert
oder zumindest stark behindert würden. Er beseitigte dieses Hindernis
nicht nur durch das blosse Vermitteln von heiratswilligen Schweizern,
sondern auch durch die Erteilung von Verhaltensanweisungen und durch die
Erledigung von Pass- und Anmeldeformalitäten. Indem er den Dirnen derart
half, die Vorschriften des ANAG zu umgehen, machte er es ihnen möglich,
in der Schweiz ungestört und damit jedenfalls entsprechend intensiver
als Prostituierte tätig zu sein. Wie gesagt, war genau dies auch seine
Absicht. Damit aber hat er nicht nur irgendeinen völlig untergeordneten
Beitrag zur Ausübung der Gewerbsunzucht geleistet, sondern das Betreiben
der Gewerbsunzucht bis zu einem gewissen Grad überhaupt erst ermöglicht,
jedenfalls aber wesentlich gefördert.

    Im übrigen kannte sich der Beschwerdeführer nach den Feststellungen
der kantonalen Richter nicht nur im österreichischen Milieu sehr
gut aus und hatte er dort zu führenden Leuten Kontakt, sondern war
er gewissermassen deren Verbindungsmann in Zürich. Zum Zeitpunkt
der Vermittlung der Scheinehen musste ihm also bewusst sein, dass die
Ausübung der Gewerbsunzucht durch die gerade zu diesem Zweck Schweizerinnen
gewordenen Dirnen in nächste Nähe gerückt war, nicht aber bloss in ferner,
unbestimmter Zukunft lag. Nachdem er überdies den Dirnen Wohnungen
bzw. eine Absteige vermittelte und ihre Anmeldeformalitäten erledigte,
ist schliesslich davon auszugehen, dass deren künftige Unzuchtstätigkeit
auch in örtlicher Hinsicht ausreichend konkret feststand.

    Nach dem Gesagten bejahte die Vorinstanz das Tatbestandsmerkmal des
Vorschubleistens zu Recht. Die übrigen Tatbestandsmerkmale, insbesondere
die Gewinnsucht, blieben unbestritten.