Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 335



116 IV 335

62. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember
1990 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft
c. L. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 137 Ziff. 1bis StGB. Gewerbsmässiger Diebstahl.

    Gewerbsmässigkeit im Sinne der neuen Rechtsprechung im konkreten
Fall verneint.

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft verurteilte L. am
3. Juli 1990 zweitinstanzlich wegen bandenmässigen Diebstahls und wegen
einfachen Diebstahls, einmal Gehilfenschaft dazu, sowie wegen weiterer
Delikte zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten
und zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 100.-- bei einer
Probezeit von zwei Jahren, wobei es gemäss Art. 64 letzter Absatz StGB
strafmildernd berücksichtigte, dass der Verurteilte zur Zeit der Taten
noch nicht 20 Jahre alt gewesen war.

    B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde unter anderem mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung von
L. auch wegen gewerbsmässigen Diebstahls an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der im August 1970 geborene Beschwerdegegner verübte in der
Zeit vom Sommer 1987 bis Ende 1988 zusammen mit seinem Kollegen Z.
zahlreiche Diebstähle, und zwar vor allem Laden-, aber auch einzelne
Entreissdiebstähle. In der im erstinstanzlichen Urteil wiedergegebenen
Anklageschrift werden 21 Fälle aufgelistet, wobei sieben dieser Fälle
ihrerseits mehrere fortgesetzt oder wiederholt begangene Diebstähle
zusammenfassen. Gemäss den Feststellungen im erstinstanzlichen Entscheid,
auf den im angefochtenen Urteil verwiesen wird, konnte in vier Fällen
die Täterschaft des Beschwerdegegners nicht nachgewiesen werden. Der
Deliktsbetrag beläuft sich somit auf total gegen Fr. 7'000.--. Der
Beschwerdegegner stahl vor allem Schallplatten, CDs, Schokolade, aber
auch Fahnen, Autoembleme, Taschencomputer.

    Das Obergericht verneint die Gewerbsmässigkeit im Sinne von Art. 137
Abs. 1bis StGB. Es räumt ein, dass vorliegend auch die Gewerbsmässigkeit,
wie sie in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung definiert wird, gegeben
sein könnte, es kann aber der diesbezüglichen Bundesgerichtspraxis mit
der Lehre und verschiedenen kantonalen Gerichten nicht folgen.

    Das Obergericht hält zur Begründung unter Berufung auf STRATENWERTH
(Gewerbsmässigkeit im Strafrecht, Festgabe Schultz, ZStrR 94/1977,
S. 88 ff.) fest, die Anwendung der bundesgerichtlichen Kriterien führe
bei Vermögensdelikten im Ergebnis fast zwangsläufig dazu, dass beinahe jede
mehrfache Begehung des Grundtatbestandes die Bejahung der Gewerbsmässigkeit
zur Folge habe, da es auf dem Boden dieser Praxis kaum möglich sei, die
gewerbsmässige von der wiederholten oder gar der fortgesetzten Verübung
zu unterscheiden; damit greife die im Vergleich zum Grundtatbestand sehr
hohe Mindeststrafdrohung Platz, beim Diebstahl z.B. drei Monate Gefängnis
statt drei Tage Gefängnis, was im krassen Widerspruch dazu stehe, dass bei
wiederholtem Diebstahl die Mindeststrafe lediglich vier Tage Gefängnis
(vgl. Art. 68 StGB), bei fortgesetztem Diebstahl gar bloss drei Tage
Gefängnis beträgt. Das Obergericht ist mit STRATENWERTH (op.cit., S. 104
f.) der Ansicht, dass die Verurteilung wegen gewerbsmässiger Verübung
der Tat grundsätzlich nur denjenigen Täter treffen soll, der im Sinne
eigentlicher Berufskriminalität professionell delinquiert und infolge
Fixierung auf diese Berufsrolle einem gewissen Zwang zur Fortsetzung
der strafbaren Aktivität ausgesetzt ist. Es hält fest, dass in der
Lehre ausser der engeren Umschreibung der Erwerbsabsicht etwa auch ein
planmässig organisiertes, gewinnstrebiges Vorgehen gefordert wird und
dass nach einhelliger Auffassung in der Lehre bei Gelegenheitstätern
Gewerbsmässigkeit zu verneinen sei. Eine Verurteilung des Beschwerdegegners
wegen gewerbsmässigen Diebstahls, für welchen Art. 137 Ziff. 1bis StGB
eine Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis androht, stünde nach den
Ausführungen im angefochtenen Urteil in keiner Relation bzw. in einem
krassen Missverhältnis zur Schwere des begangenen Unrechts. Das Obergericht
weist ferner darauf hin, dass es sich bei den dem Beschwerdegegner zur
Last gelegten Diebstählen mit wenigen Ausnahmen um solche mit einem
geringen Deliktsbetrag von unter Fr. 100.-- handelt, die daher, je für
sich betrachtet, blosse Entwendungen (Art. 138 StGB) darstellen dürften
und deren rechtliche Qualifikation als Diebstahl lediglich die Folge
des offenkundig gegebenen Fortsetzungszusammenhangs und der dadurch
bedingten Zusammenrechnung der Deliktssummen sei. Es hält schliesslich
unter Berufung auf ein psychiatrisches Gutachten fest, dass die Straftaten
des Beschwerdegegners neurotisch bedingt seien und mit dessen schweren
Beziehungsstörung zusammenhingen, dass der Beschwerdegegner zwar dennoch in
Übereinstimmung mit dem Gutachten als voll zurechnungsfähig zu betrachten
sei, dass er aber im wesentlichen aus pubertär anmutender Abenteuerlust
und nicht zwecks Erlangung eines Erwerbseinkommens gehandelt habe.

Erwägung 3

    3.- a) (Siehe BGE 116 IV 329 E. 3a)

    b) (Siehe BGE 116 IV 329 E. 3b) Gewerbsmässigkeit darf daher nur
bejaht werden, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, zu denen
insbesondere auch der Deliktsbetrag gehört, die Ausfällung der im Gesetz
angedrohten Mindeststrafe - bei gewerbsmässigem Diebstahl drei Monate
Gefängnis - überhaupt gerechtfertigt sein kann. Zu beachten ist überdies,
dass der Richter auch im Rahmen des Grundtatbestandes eine Strafe von
beispielsweise über drei Monaten aussprechen kann, wenn Unrechts- und
Schuldgehalt der Tat dies erfordern.

Erwägung 4

    4.- (Siehe BGE 116 IV 330 E. 4)

Erwägung 5

    5.- Im Lichte der neuen Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall
die Gewerbsmässigkeit im Sinne von Art. 137 Ziff. 1bis StGB nach der
zutreffenden Auffassung der Vorinstanz zu verneinen.

    Der Beschwerdegegner hat zwar während recht langer Zeit, nämlich vom
Sommer 1987 bis Ende 1988, in regelmässigen zeitlichen Abständen ziemlich
viele Diebstähle, vor allem Ladendiebstähle, zum Nachteil verschiedener
Personen verübt. Dennoch kann keine Rede davon sein, dass er sich darauf
eingerichtet habe, mittels Diebstählen Einkünfte zu erzielen, die einen
namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung
darstellen. Der im Jahre 1970 geborene Beschwerdegegner hat gemäss
den Feststellungen im angefochtenen Entscheid vorwiegend aus pubertär
anmutender Abenteuerlust delinquiert. Er ging nicht planmässig bzw. nach
einer bestimmten Methode vor, sondern stahl allem Anschein nach ziemlich
spontan, nach Lust und Stimmungslage, zusammen mit seinem gleichaltrigen
Kollegen Waren ganz verschiedener Art (Schallplatten, Schokolade,
Autoembleme usw.). Angesichts der Tatmotive, des Tatvorgehens, der
Art des Diebesguts und nicht zuletzt auch des Gesamtwerts der während
rund anderthalb Jahren gestohlenen Waren (gegen Fr. 7'000.--) ist
Gewerbsmässigkeit im Sinne von Art. 137 Ziff. 1bis StGB klarerweise zu
verneinen. Die dem Beschwerdegegner zur Last gelegten Taten manifestieren
nicht jenes Mass an krimineller Energie einerseits und sozialer
Gefährlichkeit anderseits, wie sie einem gewerbsmässigen Dieb eigen sind.