Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 31



116 IV 31

8. Urteil des Kassationshofs vom 23. April 1990 i.S. Udo Proksch gegen X
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 173 StGB; Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Ehrverletzung durch
Vorverurteilung in der Presse, Auswirkungen der Unschuldsvermutung auf
Presseberichterstattungen über hängige Strafverfahren.

    Ein Ausschluss vom Entlastungsbeweis kommt gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB
nur in Betracht, wenn kumulativ einerseits eine begründete Veranlassung
für die Äusserung fehlt und andererseits der Täter in der überwiegenden
Absicht, Übles vorzuwerfen, gehandelt hat (E. 3; Bestätigung der
Rechtsprechung).

    Die Presse hat bei Berichterstattungen über hängige Strafverfahren
der in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung Rechnung zu
tragen. Daraus folgt insbesondere, dass bei der Schilderung einer nicht
rechtskräftig beurteilten Straftat nur eine Formulierung zulässig sein
kann, die hinreichend deutlich macht, dass es sich einstweilen nur um
einen Verdacht handelt und die Entscheidung des zuständigen Strafgerichts
noch offen ist. Dies ist bei der Auslegung von Art. 173 StGB, insbesondere
von dessen Ziffer 2, zu berücksichtigen (E. 5a).

Sachverhalt

    A.- Am 5. Juni 1986 veröffentlichte die Y-Zeitung einen von
ihrem damaligen Chefredaktor X verfassten Artikel mit dem Titel
"Lucona-Versicherungsskandal: Prokschs Schweizer Freunde" und dem
Untertitel "Versicherungsbetrug steuert auf Mordanklage zu". X schilderte
darin den sogenannten "Lucona-Versicherungsskandal" und befasste sich
insbesondere mit Schweizer Bürgern und Firmen, die darin verwickelt sind.
Der Artikel enthielt zudem Äusserungen über Udo Proksch.

    B.- Am 4. September 1986 reichte Udo Proksch beim Bezirksgericht
Zürich gegen X Klage wegen Ehrverletzung durch die Presse ein. Mit Urteil
vom 16. Februar 1989 sprach das Bezirksgericht Zürich X indessen frei.

    C.- Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte diesen Freispruch
mit Urteil vom 31. Oktober 1989.

    D.- Eine gegen dieses Urteil des Obergerichts von Proksch eingereichte
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons
Zürich mit Beschluss vom 22. März 1990 ab, soweit darauf eingetreten
werden konnte.

    E.- Gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich erhebt
Proksch auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des X an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

    F.- Mit Vernehmlassung vom 20. April 1990 beantragt X die Abweisung
der Nichtigkeitsbeschwerde. Eventualiter sei er zum Wahrheitsbeweis
zuzulassen und die Sache zur Beurteilung des Wahrheitsbeweises an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im Artikel des Beschwerdegegners - Haupt- und Untertitel wurden
im Sachverhalt bereits erwähnt - finden sich unter anderem folgende
Abschnitte:

    "Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Vor allem, wenn es sich um
   internationale Rechtshilfe handelt. Aber aus den Zuckermillionen,
   die sich der Zuckerbäcker Udo Proksch mit einem der grössten
   Versicherungscoups in

    Europa bei der Bundesländer-Versicherung in Wien und bei der Helvetia

    Feuer in St. Gallen unter den Nagel reissen wollte, wird wohl
nichts. Der

    Untergang der 'Lucona' im fernen Indischen Ozean mit der
vermeintlichen,
   hochversicherten Fracht, einer 'wohlverpackten' Uranmühle, hat nicht nur

    Versicherungen und Gerichte in Österreich wachgerüttelt. Um Udo Proksch
   ziehen sich die Fäden nicht nur in Österreich enger, sondern auch die

    Beweise in der Schweiz werden immer drückender, denn nun
   stehen auch seine Freunde in Sursee und in Sense in Tafers (Fribourg)
   vor den Gerichtsschranken ..."

    "Aus den Äusserungen der 'Produktions'- und Augenzeugen des Untergangs
   lässt sich unschwer der Schluss ziehen, dass es vor den Gerichte(n)
   schon lange nicht mehr einfach um einen handfesten Versicherungsbetrug
   geht, sondern weit mehr um einen sich immer deutlicher abzeichnenden
   Verdacht auf Mord, denn schliesslich kamen beim Schiffsuntergang sechs
   Personen nicht grundlos ums Leben."

    Das Obergericht lässt offen, ob und inwieweit sich der Beschwerdegegner
unter den gegebenen Voraussetzungen auf den Wahrheitsbeweis berufen
könne, da er jedenfalls den Gutglaubensbeweis erbracht habe. In diesem
Zusammenhang führt es aus:

    "Anfangs Januar 1977 hatte die schweizerische Z. AG in Chioggia
eine als
   'Uranerz-Aufbereitungsanlage' deklarierte Fracht zum Transport nach

    Hongkong verladen. Die Fracht war für 31 Mio. Schweizerfranken bei der
   Österreichischen Bundesländer-Versicherung versichert. Beim

    Versicherungsabschluss war der Ankläger für die Z. AG aufgetreten.

    Transportiert wurde die Fracht auf der eigens dafür gecharterten
'Lucona'.

    Diese sank am 23. Januar 1977 in der Nähe der Malediven innert nicht
   einmal zwei Minuten, wobei sechs Seeleute ihr Leben verloren. In der
   Folge kam der Verdacht auf, die 'Lucona' habe lediglich wertlosen
   Schrott geladen gehabt, weshalb die Versicherungssumme bis heute nicht
   ausbezahlt wurde. Der Ankläger wurde erst am 15. Februar 1985 verhaftet
   und bereits am 28. Februar 1985 wieder auf freien Fuss gesetzt. Weil
   hohe und höchste österreichische Politiker und Regierungsangehörige
   dabei Einfluss auf die

    Justiz genommen hatten, wurde später ein parlamentarischer

    Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dessen Ermittlungen führten zum

    Rücktritt des damaligen Aussenministers und späteren
Parlamentspräsidenten
   sowie des Innenministers, weil sie auf offenbar unakzeptable Weise
   auf das

    Verfahren eingewirkt hatten. Glaubt man den Ausführungen des
   österreichischen Recherchier-Journalisten Hans Pretterebner, so wurde
   der in die Schweiz reichende Ableger der Untersuchung im Kanton Freiburg
   (offenbar wegen Überforderung) verschleppt. 'Kurzfristig ein wenig in

    Bewegung' sei die Untersuchung erst gekommen, als sich der Angeklagte X
   des Falles 'Lucona' anzunehmen begonnen habe (...). Tatsache ist,
   dass die

    Anklagekammer des Kantonsgerichtes Freiburg ... und eine Mittäterin
erst
   am

    23. Juni 1989 dem Kriminalgericht des Sensebezirks zur Aburteilung
   überwiesen hat."

    Die Vorinstanz geht also davon aus, dass notwendige Erhebungen der
zuständigen Justizbehörden, sei es wegen politischem Protektionismus, sei
es wegen Überforderung, nicht oder nicht rechtzeitig vorgenommen wurden,
und sie hält dafür, bei der Beurteilung, ob der Beschwerdegegner die nach
seinen persönlichen Verhältnissen zumutbaren Schritte unternommen habe,
um die Richtigkeit seiner Äusserung zu prüfen, sei der Wächterfunktion
der Presse Rechnung zu tragen. Für die Details des Gutglaubensbeweises
verweist sie auf die einlässliche Begründung des Bezirksgerichtes.

Erwägung 2

    2.- Die inkriminierten Äusserungen sind ohne Zweifel geeignet,
den Ruf des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB
zu schädigen. Fragen kann sich einzig, ob der Beschwerdegegner zum
Entlastungsbeweis gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB zugelassen werden durfte
und, dies vorausgesetzt, ob er den Entlastungsbeweis in der Form des
Gutglaubensbeweises gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB erbracht hat.

    a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe bei der
Frage der Zulassung des Beschwerdegegners zu den Entlastungsbeweisen
und bei der Festsetzung der Anforderungen an dessen Sorgfaltspflicht dem
Wächteramt der Presse zuviel Gewicht beigemessen. Die Medien vermöchten
ihr Wächteramt auch dann auszuüben, wenn sie darauf verzichteten,
Verdächtige so darzustellen, als seien sie bereits überführt. Würde
anders entschieden, bestünde die Gefahr voller Ehrverletzungsfreiheit und
vor allem der Freiheit zur Vorverurteilung. Im vorliegenden Fall hätte
der Beschwerdegegner zur Vermeidung des Eindrucks einer Vorverurteilung
zumindest auch darstellen müssen, dass angesichts der einzigen gerichtlich
aufgenommenen Sachverhaltsschilderungen, die unmittelbar nach der Havarie
der "Lucona" erfolgt seien, zumindest erhebliche Zweifel an der Theorie
bestünden, das Schiff sei vom Beschwerdeführer gesprengt worden; der
Kapitän und dessen Ehefrau sowie der erste Offizier hätten eine Explosion
praktisch ausgeschlossen, und dies sei dem Beschwerdegegner im Zeitpunkt
der Abfassung seines Artikels bekannt gewesen.

    Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Unschuldsvermutung, die
insbesondere auch durch eine Pressekampagne verletzt werden könne. Zu
den erforderlichen positiven Massnahmen des Staates gegen eine solche
Verletzung der Unschuldsvermutung gehöre, dass die Gerichte bei der
Prüfung der Zulässigkeit des Entlastungsbeweises und der Erfüllung
der Sorgfaltspflicht der Schwere der möglichen Verletzung durch die
Presseäusserung im Falle eines Freispruchs Rechnung trügen. Im übrigen
könnten derartige Pressekampagnen auch eine verheerende Wirkung auf den
Richter haben.

    Im inkriminierten Artikel sei gegen diese Prinzipien in schwerer
Weise verstossen worden: Der Beschwerdegegner habe den schweren
Versicherungsbetrug als Gewissheit und die Mordthese als gewissermassen
unausweichlich dargestellt, vor allem aufgrund des Satzes, der
Beschwerdeführer stehe im Zentrum undurchsichtiger Geschäfte, bei denen
es "nicht mehr einfach um einen handfesten Versicherungsbetrug geht,
sondern weit mehr um einen sich immer deutlicher abzeichnenden Verdacht
auf Mord, denn schliesslich kamen beim Schiffsuntergang sechs Personen
nicht grundlos ums Leben".

    Diese Formulierung gehe zu weit. Der Leser müsse den Eindruck gewinnen,
der Beschwerdeführer sei des Versicherungsbetruges praktisch überführt
und überdies ohne jeden vernünftigen Zweifel auch des sechsfachen
Mordes schuldig. Die dem Beschwerdegegner bekannten Zweifel an der
Sprengstoffexplosion seien demgegenüber überhaupt nicht zur Darstellung
gelangt. Anstelle eines Rätsels, das der Unschuldsvermutung noch Raum
gelassen hätte, sei dem Publikum eine Lösung präsentiert worden, welche
die Täterschaft und die Schuld des Beschwerdeführers voraussetze. Dass
nebenbei davon gesprochen werde, die Gerichte müssten noch tätig werden,
ändere daran nichts, weil dies den beschriebenen Eindruck nicht aufzuheben
vermöge.

    Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass aufgrund der Akten auch
andere Gründe als ein Verbrechen für den Untergang der "Lucona" in Betracht
kämen. Im übrigen unterstreicht er, dass er die Ehrverletzung nicht darin
sehe, dass ihm gegenüber der Verdacht des Versicherungsbetruges und des
sechsfachen Mordes geäussert werde; er wisse, dass er einstweilen mit
diesem Verdacht leben müsse. Die Ehrverletzung bestehe vielmehr in der
Äusserung des Verdachts in der Weise, dass dieser bereits zur Gewissheit
geworden sei.

    b) Der Beschwerdeführer macht im weiteren geltend, die Vorinstanz habe
Bundesrecht verletzt, indem sie den Beschwerdegegner zum Entlastungsbeweis
zugelassen habe. Gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB dürfe zu diesem Beweis nicht
zugelassen werden, wer Äusserungen ohne Wahrung öffentlicher Interessen
oder sonstwie ohne begründete Veranlassung gemacht habe. Der Begriff der
Äusserung im Sinne von Art. 173 Ziff. 3 StGB beziehe sich auch auf das,
was gewissermassen zwischen den Zeilen stehe. Überdies sei entgegen Lehre
und Praxis der Entlastungsbeweis nicht nur beim kumulativen Vorliegen der
negativen Voraussetzungen ausgeschlossen. Die Vorinstanz habe im übrigen
das öffentliche Interesse zu Unrecht bejaht; denn ob dieses gegeben
sei, beurteile sich nicht nach dem gesamten Inhalt eines Artikels,
sondern es müsse sich allein auf jenen Aspekt eines Artikels beziehen,
der vom Betroffenen als ehrenrührig empfunden worden sei. Dies sei hier
die Darstellung, welche es praktisch ausschliesse, dass als Ursache für
den Untergang der "Lucona" etwas anderes als ein vom Beschwerdeführer
geplanter und durchgeführter handfester Versicherungsbetrug in Frage
komme. Ein öffentliches Interesse könne nur daran bestehen, einen
Versicherungsbetrug als eine mögliche Lösung des "Lucona-Rätsels"
darzustellen. Hingegen sei das öffentliche Interesse zu verneinen für
einen Artikel, der den Beschwerdeführer als praktisch überführten Täter
hinstelle. Weil die Vorinstanz hier nicht richtig differenziert habe,
habe sie Bundesrecht verletzt.

    c) Nach Auffassung des Beschwerdeführers wäre überdies der
Entlastungsbeweis keineswegs erbracht. Der Gutglaubensbeweis müsse
scheitern, weil es kein legitimes Interesse gebe, den Beschwerdeführer vor
dem Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils eines zuständigen Gerichts als
praktisch feststehenden Täter eines gigantischen Versicherungsbetruges
und eines sechsfachen Mordes zu bezeichnen. Jedenfalls hätten die
Anforderungen an den Sorgfaltsbeweis wesentlich höher geschraubt werden
müssen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf den hohen Verbreitungsgrad
einer Zeitung.

Erwägung 3

    3.- Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Beschwerdegegner zu Recht
zum Entlastungsbeweis zugelassen hat.

    Die Zulässigkeit des Entlastungsbeweises ist geregelt in Art. 173
Ziff. 3 StGB. Dabei besteht Einigkeit, dass die Formulierung dieser
Bestimmung missglückt ist (LIONEL FREI, Der Entlastungsbeweis bei
übler Nachrede und Beschimpfung, Bern 1976, 66 ff., 67; SCHUBARTH,
Kommentar Strafrecht, Bd. 3, Art. 173 N 66 ff.). Denn das Gesetz sagt
nicht positiv, wann der Entlastungsbeweis zulässig ist; zudem ist die
Verwendung doppelter Negationen in Art. 173 Ziff. 3 StGB dem Verständnis
der Vorschrift abträglich.

    Nach der Rechtsprechung, die grundsätzlich von der Doktrin gebilligt
wird, kommt ein Ausschluss vom Entlastungsbeweis nur dann in Betracht,
wenn kumulativ die beiden vom Gesetz genannten Kriterien gegeben sind
(BGE 82 IV 96; ebenso BGE 101 IV 294, 98 IV 95, 89 IV 191; STRATENWERTH,
BT I S. 130; SCHUBARTH, Art. 173 N 67 ff.; TRECHSEL, Kurzkommentar
Art. 173 N 15). Diese beiden kumulativen Voraussetzungen für den
Ausschluss des Entlastungsbeweises sind einerseits das Fehlen einer
begründeten Veranlassung und andererseits die überwiegende Absicht,
jemandem Übles vorzuwerfen. Dabei darf weder aus dem Fehlen einer
begründeten Veranlassung auf die genannte Absicht geschlossen werden
noch umgekehrt aus dem Vorliegen einer üblen Absicht auf das Fehlen einer
begründeten Veranlassung.

    An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Beschwerdeführer
räumt selbst ein, dass sie vom Wortlaut des deutschen Gesetzestextes
ohne weiteres gedeckt ist. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers
drängt sich eine Praxisänderung auch nicht im Blick auf die romanischen
Gesetzestexte auf. Es ist nicht ersichtlich, weshalb gestützt auf diese
Texte bei Vorliegen eines animus iniurandi der Entlastungsbeweis auch
dann unzulässig sein soll, wenn der Täter im öffentlichen Interesse
gehandelt hat. Im übrigen beschlägt die Frage, ob der Beschwerdegegner
mit der Darstellung der Verdachtsgründe gegen den Beschwerdeführer zu
weit gegangen ist, indem er, wie der Beschwerdeführer behauptet, von einer
praktisch sicher feststehenden Täterschaft in bezug auf Versicherungsbetrug
und sechsfachen Mord ausgegangen ist, nicht die Frage der Zulässigkeit des
Entlastungsbeweises, sondern die nachstehend zu prüfende Frage, ob und
inwieweit eine derartige Darstellung in der Presse ohne rechtskräftige
Verurteilung des Beschwerdeführers vom Entlastungsbeweis gedeckt
sein kann. Bei der Anwendung von Art. 173 Ziff. 1-3 StGB ist ohnehin
zu berücksichtigen, dass diese drei Ziffern in einem wechselseitigen
Zusammenhang stehen. So dürfen die Anforderungen an den Entlastungsbeweis
dann höher geschraubt werden, wenn es sich um einen Grenzfall der
Zulässigkeit zum Entlastungsbeweis handelt. Entsprechend wird die Frage,
ob der Beschwerdegegner im Hinblick darauf, dass gegen den Beschwerdeführer
bis heute keine strafrechtliche Verurteilung wegen der "Lucona-Vorgänge"
vorliegt, zu grösserer Zurückhaltung verpflichtet war, eine entscheidende
Rolle bei der Beurteilung des Entlastungsbeweises spielen.

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz lässt offen, ob der Beschwerdegegner den
Wahrheitsbeweis erbracht hat. Es erübrigt sich deshalb, auf die
entsprechenden Ausführungen in der Beschwerdeschrift einzutreten. Angemerkt
sei immerhin, dass es im Hinblick auf die Unschuldsvermutung (Art. 6
Ziff. 2 EMRK) gute Gründe für die Rechtsprechung gibt, der Beweis für
die Richtigkeit der Behauptung, jemand habe ein Delikt begangen, könne
prinzipiell nur durch eine entsprechende Verurteilung erbracht werden (BGE
106 IV 115 ff.). Ob und inwieweit von diesem Prinzip Ausnahmen zu machen
sind, etwa wenn ein Strafverfahren zufolge Verjährung nicht durchgeführt
werden kann (so BGE 109 IV 36 ff.), braucht vorliegend nicht erörtert
zu werden. Festzuhalten ist aber, dass das öffentliche Interesse an der
Aufdeckung von Missständen, worauf sich der Beschwerdegegner beruft,
auch mit der Nennung von Verdachtsmomenten befriedigt werden kann
(vgl. E. 5c hiernach).

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen bleibt, welche Anforderungen unter den vorliegenden
Gegebenheiten an den Gutglaubensbeweis zu stellen sind und ob der
Beschwerdegegner diesen Anforderungen genügt. In diesem Zusammenhang
ist auch auf das Grundanliegen des Beschwerdeführers einzugehen, dass
der Unschuldsvermutung auch im Rahmen von Pressedarstellungen über
hängige Strafverfahren Rechnung zu tragen ist und dass insbesondere
Vorverurteilungen durch die Presse zu unterbleiben haben.

    a) Gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK wird bis zum gesetzlichen Nachweis
seiner Schuld vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte
unschuldig ist.

    aa) Gerade die jüngste Zeit hat gezeigt, dass Presseveröffentlichungen,
die auf der vorgefassten Meinung der Schuld eines einstweilen bloss
Beschuldigten beruhen, einerseits eine falsche Erwartungshaltung der
Öffentlichkeit und damit die Gefahr eines unerwünschten indirekten Drucks
auf die verantwortlichen Justizbehörden bewirken können (BGE 116 Ia 22
E. 7, sowie nicht publiziertes Urteil der I. öffentlichrechtlichen
Abteilung vom 18.2.1985 i.S. K. R. E. 4, ferner die Sendung des
deutschschweizer Fernsehens am Vorabend der Urteilsberatung im sogenannten
Kopp-Prozess) und andererseits stets mit der Gefahr einer Vorverurteilung
verbunden sind, die einen nachträglichen Freispruch durch die Justiz,
der prinzipiell immer als eine Möglichkeit in Rechnung zu stellen ist,
illusorisch zu machen droht. Daraus folgt, dass dem Grundgedanken der
Unschuldsvermutung bei Pressedarstellungen über hängige Strafverfahren
prinzipiell Rechnung zu tragen ist. Ob man dies direkt aus Art. 6
Ziff. 2 EMRK herleitet oder im Sinne der Lehre von der indirekten
Drittwirkung annimmt, dass es sich bei der Unschuldsvermutung wie
bei anderen Grundrechten um fundamentale Wertprinzipien handelt,
die prinzipiell überall, gegebenenfalls modifiziert im Hinblick auf
die Umstände des jeweiligen Regelungsbereiches, Geltung haben müssen
(vgl. BGE 111 II 255, zustimmend KÖLZ, ZBJV 1987, 351), oder ob man
den Gesichtspunkt der Unschuldsvermutung bei der Konkretisierung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Beschuldigten heranzieht (vgl. dazu
SCHUBARTH, Zur Tragweite des Grundsatzes der Unschuldsvermutung, Basel
1978 S. 12; EBERHARD SCHMIDT, Justiz und Publizistik, Tübingen 1968 S. 55),
kann im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben: Würde der Grundgedanke der
Unschuldsvermutung bei der Beurteilung von Presseveröffentlichungen nicht
berücksichtigt, könnte die Unschuldsvermutung in Fällen, die Gegenstand
eines grösseren publizistischen Interesses sind, faktisch aus den Angeln
gehoben werden. Deshalb wird die Auffassung vertreten, eine indirekte
Drittwirkung sei auch bei Art. 6 Ziff. 2 EMRK zu beachten. In Verbindung
mit Art. 8 EMRK, welcher das Privatleben und damit das Persönlichkeitsrecht
schützt, ergebe sich die Verpflichtung des Staates, zivilrechtliche
Möglichkeiten zum Schutz gegen Presseveröffentlichungen zur Verfügung
zu stellen, die es dem einzelnen ermöglichen, Vorverurteilungen in der
Presse abzuwehren (FROWEIN, Zur Bedeutung der Unschuldsvermutung in
Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Festschrift
für Hans Huber, Bern 1981, S. 553 ff.). Es rechtfertige sich, aus dem
Prinzip der Unschuldsvermutung ein Gebot gegenüber dem Staat abzuleiten,
durch positive Massnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Presse bei der
Berichterstattung über anhängige Strafverfahren sich in den Grenzen der
gebotenen Sachlichkeit halte (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar 1985, Art. 6
N 114; vgl. auch TRECHSEL, SJZ 1981, S. 335 und HAUSER, Kurzlehrbuch des
schweizerischen Strafprozessrechts S. 90).

    Aus diesen Gründen ist bei der Auslegung von Art. 173 StGB,
insbesondere von dessen Ziff. 2, dem Grundgedanken der Unschuldsvermutung
Rechnung zu tragen.

    bb) Aus dem Prinzip der Unschuldsvermutung folgt zunächst, dass eine
identifizierende Kriminalberichterstattung jedenfalls so lange unzulässig
ist, als dem jeweiligen legitimen Informationsbedürfnis auch mit einer
Berichterstattung ohne Namensnennung Rechnung getragen werden kann
(vgl. auch die Hinweise zu dieser Problematik in BGE 112 Ib 451 f., wo im
Zusammenhang mit einer von der Polizei durchgeführten Pressekonferenz,
die bereits aus formellen Gründen illegal war, die Frage offenbleiben
konnte, inwieweit und unter welchen besonderen Voraussetzungen an einer
Pressekonferenz Informationen über konkrete Beschuldigte abgegeben werden
dürfen). Ebenso ergibt sich aus der Unschuldsvermutung, dass - entgegen
einer Tendenz in gewissen Medien - eine zurückhaltende Ausdrucksweise
am Platze ist (vgl. KLAUS MARXEN, Medienfreiheit und Unschuldsvermutung,
Goltdammers Archiv 1980, S. 365 ff., 380).

    Andererseits ist einzuräumen, dass bei der Berichterstattung über
hängige Strafverfahren der besonderen Aufgabe der Presse Rechnung zu tragen
ist, wenn etwa im konkreten Fall zu befürchten ist, die Strafverfolgung
werde beispielsweise wegen politischen Einflüssen oder wegen Überforderung
der Strafverfolgungsbehörden nicht mit dem nötigen Druck durchgeführt. Im
Rahmen der verfassungskonformen Auslegung von Art. 173 StGB ist allen,
teilweise konfligierenden verfassungsrechtlichen Wertgesichtspunkten
- Pressefreiheit, Wächteramt der Presse; Persönlichkeitsschutz,
Unschuldsvermutung - Rechnung zu tragen (vgl. PETER SALADIN, Grundrechte
im Wandel, 3. A., Bern 1982, 62; SCHUBARTH, Art. 173 N 98).

    b) Vorliegend ist aufgrund der Feststellungen im angefochtenen
Urteil, das insoweit teilweise auf das erstinstanzliche Urteil verweist,
von folgendem auszugehen: Gegen den Beschwerdeführer liegen erhebliche
Verdachtsgründe bezüglich Versicherungsbetrug und gegebenenfalls auch Mord
vor. Der Beschwerdeführer räumt denn auch ein, dass er einstweilen mit
diesem Verdacht leben muss. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt,
sind die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden in Österreich aber
verschiedentlich durch politische Instanzen beeinträchtigt worden;
das im Kanton Freiburg durchgeführte Strafverfahren, welches in einem
sachlichen Zusammenhang mit dem Hauptverfahren in Österreich steht,
hat sich seinerseits offenbar wegen Überforderung der zuständigen
Strafverfolgungsinstanzen verzögert. Daraus folgt, dass eine
Berichterstattung über den "Lucona-Komplex", den im Zusammenhang
damit auftauchenden Verdacht des Versicherungsbetruges und - da beim
Untergang der "Lucona" auch sechs Seeleute umgekommen sind - sogar
des Mordverdachts zulässig war. Wieweit es überdies anging, einzelne
Beschuldigte, insbesondere den Beschwerdeführer, in diesem Zusammenhang
mit Namen zu nennen, kann offenbleiben, da sich der Beschwerdeführer gegen
eine identifizierende Berichterstattung nicht wehrt. Zu prüfen bleibt
somit einzig, ob der Beschwerdegegner mit der Art und Weise, wie er die
gegen den Beschwerdeführer erhobenen Beschuldigungen darstellt, zu weit
gegangen ist. Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass der Untertitel des
inkriminierten Artikels: "Versicherungsbetrug steuert auf Mordanklage"
in bezug auf den Versicherungsbetrug in keiner Weise den Vorbehalt
macht, dass es sich auch insoweit einzig um einen Verdacht handelt. Der
Versicherungsbetrug wird in diesem Untertitel als feststehend hingestellt,
und aus dem Textzusammenhang ergibt sich, dass der Beschwerdeführer einer
der Hauptbeteiligten an diesem Versicherungsbetrug sein soll. Auch im
Schlussabsatz wird in bezug auf den Versicherungsbetrug kein Vorbehalt
in der Hinsicht gemacht, es handle sich insoweit bloss um einen Verdacht;
vielmehr ist die Rede von einem "handfesten Versicherungsbetrug". Auch wenn
bei einer sorgfältigen Lektüre des ganzen, beinahe eine Seite umfassenden
Textes erkennbar wird, dass noch kein rechtskräftiges Strafurteil in
bezug auf den Versicherungsbetrug vorliegt, ist der Beschwerdegegner
mit dieser Darstellung zu weit gegangen. Denn zum einen wird der
Leser, der sich nicht die Mühe nimmt oder nicht die Zeit dafür hat,
den Artikel in allen Einzelheiten sehr genau durchzulesen, bereits durch
den Untertitel irregeführt. Zum andern ergibt sich aus dem Prinzip der
Unschuldsvermutung, dass auch im Rahmen eines grösseren Artikels stets,
d.h. an jeder Stelle, wo der Verdacht einer Straftat erwähnt wird, nur
eine Formulierung zulässig sein kann, die hinreichend deutlich macht,
dass es sich einstweilen nur um einen Verdacht handelt und dass eine
abweichende Entscheidung des zuständigen Strafgerichtes durchaus noch offen
ist. In casu hätte deutlich werden müssen, dass es sich beim Untergang der
"Lucona" um ein Rätsel handelt, für das die Lösung noch nicht gefunden ist,
und die Antwort der dafür zuständigen Justiz noch aussteht. Hinzuweisen
wäre auch darauf gewesen, dass auch andere Umstände als ein Verbrechen
zum Untergang der "Lucona" geführt haben könnten. Es ist nämlich nicht zu
verkennen, dass auch dann, wenn man die zahlreichen Verdachtsmomente, wie
sie insbesondere das Bezirksgericht im vorliegenden Verfahren aufgelistet
hat, berücksichtigt, im Zusammenhang mit dem Untergang des Schiffes
noch verschiedene Fragen ungeklärt sind. Auch die subjektive Überzeugung
eines Journalisten, man müsse vom Beweis einer Straftat ausgehen, darf
nicht dazu führen, dass es zu einer entsprechenden Vorverurteilung in
einem Presseartikel kommt. Im Rahmen einer objektiven Berichterstattung -
insbesondere bei einem derart ausführlichen Artikel wie hier - darf man
erwarten, dass Gegengesichtspunkte ausdrücklich genannt werden.

    Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, der Beschwerdegegner
sei auch in bezug auf den Mordvorwurf zu weit gegangen. Hiezu ist zu
bemerken, dass im Zentrum des Artikels die Frage des Versicherungsbetruges
steht. Im Untertitel wird nur festgehalten, der Versicherungsbetrug
steuere auf Mordanklage zu, und im letzten Absatz mit dem Zwischentitel
"der Mordschatten" ist lediglich die Rede von einem "sich immer
deutlicher abzeichnenden Verdacht auf Mord, denn schliesslich kamen
beim Schiffsuntergang sechs Personen nicht grundlos ums Leben". Diese
Formulierung ist nicht zu beanstanden. Hier wird genügend deutlich, dass
die Frage eines Mordes noch offen ist. Dass die Äusserung im Zusammenhang
mit dem behaupteten handfesten Versicherungsbetrug gemacht wird, ändert
daran nichts; ebensowenig die Formulierung, die sechs Personen seien nicht
grundlos ums Leben gekommen. Im Gegenteil: Indem der Beschwerdegegner in
bezug auf den "handfesten Versicherungsbetrug" keinerlei Vorbehalte macht,
jedoch ausdrücklich nur vom Verdacht des Mordes spricht, wird beim Leser
der Eindruck verstärkt, dass der Versicherungsbetrug als sicher hinzunehmen
ist, das Ergebnis des Strafverfahrens wegen Mordes aber noch aussteht.

    c) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Beschwerdegegner
in bezug auf den Vorwurf des Mordverdachtes eine Darstellung gewählt hat,
die mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung zu vereinbaren ist. Dass
er insoweit den Gutglaubensbeweis erbracht hat, wird mit der Beschwerde
nicht in Frage gestellt.

    In bezug auf seine Behauptung des Versicherungsbetruges ist der
Beschwerdegegner hingegen, wie dargelegt, zu weit gegangen. Er hat eine
Vorverurteilung vorgenommen, was aufgrund des prinzipiell immer offenen
Ausgangs eines Strafverfahrens nicht angeht. Er kann sich insoweit
auch nicht auf das Wächteramt der Presse berufen. Ein Aufrütteln der
Öffentlichkeit gegen eine zu grosse Lethargie der Strafverfolgungsbehörden
oder gegen eine politische Behinderung des Strafverfahrens hätte auch
erreicht werden können, ohne dass deswegen der Versicherungsbetrug als
feststehend hätte dargestellt werden müssen. Da auch die Vorinstanz davon
ausgeht, dass der Beschwerdegegner nur den guten Glauben in bezug auf
den Verdacht des Versicherungsbetruges bewiesen hat, ist die Beschwerde
insoweit gutzuheissen. Wenn sie den Entlastungsbeweis als erbracht
betrachtete, verletzte sie Bundesrecht.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit auf sie eingetreten werden
kann, teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes vom 31. Oktober
1989 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.