Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 218



116 IV 218

41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. April 1990 i.S. X.
gegen Eidgenössische Alkoholverwaltung, Schweizerische Bundesanwaltschaft
und Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 14 VStrR, Art. 52 Ziff. 1 und Art. 54 Abs. 1 AlkG.

    Wer bei der Einreise in die Schweiz alkoholische Getränke in einem
raffinierten Versteck mitführt und nicht deklariert und dadurch bewirkt,
dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine
Abgabe vorenthalten wird, macht sich des Abgabebetrugs im Sinne von Art. 14
VStrR schuldig, wenn der Zollbeamte nach abgabepflichtigen Waren gefragt
und nach solchen Waren gesucht hat. Fragt der Beamte nicht nach Waren,
liegt mangels Täuschung kein Betrug vor. Begnügt sich der Beamte mit der
verneinenden Antwort und sucht er nicht nach Waren, liegt vollendeter
Versuch des Abgabebetrugs vor.

Sachverhalt

    A.- In der Zeit vom 19. Dezember 1984 bis zum 12. April 1985 führte
X. auf zahlreichen Fahrten in einem Teil des mit einer Trennwand versehenen
Benzintanks seines PW Alfa Romeo 1979 Liter Rum 80 Vol.% ohne Bewilligung
und ohne Zollanmeldung sowie 1824 Liter Weinbrand 34,8 Vol.% und 294 Liter
Whisky 40 Vol.% ohne Zollanmeldung in St. Margrethen in die Schweiz ein,
wodurch dem Staat Monopolgebühren in den Beträgen von Fr. 89'853.50 (Rum)
bzw. Fr. 98'696.76 (Weinbrand und Whisky), total (leicht aufgerundet) Fr.
188'550.30, entfielen.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er durch die Einfuhren
von Rum, Weinbrand und Whisky in einem Teil des mit einer Trennwand
versehenen Benzintanks seines Personenwagens in der Zeit vom 19. Dezember
1984 bis zum 12. April 1985 bei St. Margrethen entgegen der Auffassung
der Vorinstanz nicht den Tatbestand des Abgabebetrugs im Sinne von
Art. 14 VStrR, sondern lediglich die Tatbestände der Verletzung von
Hoheitsrechten des Bundes (Art. 52 Ziff. 1 AlkG) und der Hinterziehung
von Abgaben (Art. 54 Abs. 1 AlkG) erfüllt habe. Seines Erachtens fehlt es
an der Arglist. Im kantonalen Verfahren hatte er zudem, wie sich aus dem
angefochtenen Entscheid ergibt, geltend gemacht, er sei beim Überqueren
des Zolls nie danach gefragt worden, ob er Alkohol mit sich führe, und
er habe somit niemanden getäuscht.

    Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch
Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt
oder deren Irrtum arglistig benutzt und so für sich oder einen andern
unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent,
einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben, eine andere Leistung des
Gemeinwesens erschleicht, oder bewirkt, dass der Entzug einer Konzession,
einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Gefängnis
oder Busse bestraft (Art. 14 Abs. 1 VStrR). Bewirkt der Täter durch sein
arglistiges Verhalten, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem
erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung
vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird, so ist
die Strafe Gefängnis bis zu einem Jahr oder Busse bis zu 30'000 Franken
(Art. 14 Abs. 2 VStrR).

    Der Beschwerdeführer hat durch sein Verhalten unter anderem
bewirkt, dass dem Gemeinwesen die Monopolgebühren auf den von ihm im
zweigeteilten Benzintank seines Personenwagens eingeführten gebrannten
Wassern (vgl. Art. 27, 32 Abs. 1, 35 Abs. 1 AlkG) vorenthalten wurden,
die von den Zollorganen für Rechnung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung
erhoben werden (Art. 34 Abs. 1 AlkG), wobei auf Veranlagung, Bezug und
Sicherstellung dieser an der Grenze zu erhebenden Gebühren die Vorschriften
der Zollgesetzgebung Anwendung finden (Art. 34 Abs. 2 AlkG).

    a) Eine Irreführung der Verwaltung im Sinne von Art. 14 VStrR ist
nicht schon dann und deshalb gegeben, wenn und weil der Meldepflichtige
(vgl. Art. 9 ZG) seine Deklarationspflichten (vgl. Art. 29 f. ZG) verletzt;
die Verletzung dieser Pflichten bedeutet nur, dass eine allfällige
Irreführung durch Unterlassen rechtswidrig ist. Eine Irreführung
des Beamten kommt erst dann in Betracht, wenn der Meldepflichtige
überhaupt mit dem Beamten in Kontakt kommt und von diesem nach Waren
gefragt wird. In den Fällen, in denen der Beamte sich um die die Grenze
überquerenden Personen nicht kümmert bzw. diese "durchwinkt", entsteht
- wie etwa beim Überschreiten der grünen Grenze - keine Situation, in
welcher der Beamte getäuscht werden könnte, und fällt eine Verurteilung
wegen Betrugs schon mangels Täuschung ausser Betracht. Zudem hat das
Überqueren der Grenze vorbei an einem den Verkehr durchwinkenden Beamten
nicht einen Erklärungswert des Inhalts, dass man keine Waren, auf denen
beim Grenzübertritt Abgaben zu entrichten sind, mit sich führe. In diesen
Fällen werden durch die Verletzung der Deklarationspflicht lediglich
die Tatbestände der Hinterziehung nach den einschlägigen Spezialgesetzen
erfüllt, welche im Unterschied zum Abgabebetrug nach Art. 14 VStrR nicht
die Täuschung eines andern voraussetzen.

    Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betrugs fällt also
mangels Täuschung eines andern von vornherein insoweit ausser Betracht,
als der Beschwerdeführer beim Grenzübertritt nicht nach irgendwelchen Waren
gefragt wurde. Wie es sich damit in tatsächlicher Hinsicht verhält, geht
aus dem angefochtenen Urteil nicht deutlich genug hervor. Die Vorinstanz
hält lediglich fest, angesichts der vom Beschwerdeführer unternommenen
"gegen 100 Schmuggelfahrten" sei es "völlig ausgeschlossen, dass er nie
beim Überqueren des Zolls danach gefragt wurde, ob er Alkohol mit sich
führe". Damit wird bloss festgestellt, dass der Beschwerdeführer mindestens
einmal nach Waren gefragt wurde. Ob er aber einmal oder beispielsweise
30mal nach Waren (und damit auch nach alkoholischen Getränken) gefragt
wurde und wie oft er somit den Zollbeamten täuschte, kann indessen - auch
bei Annahme von Fortsetzungszusammenhang - für die Bemessung der Strafe
von Bedeutung sein. Soweit mangels Täuschung die Anwendung von Art. 14
VStrR ausser Betracht fällt, sind, wie auch in der Nichtigkeitsbeschwerde
anerkannt wird, die Tatbestände von Art. 52 Ziff. 1 und 54 Abs. 1 AlkG
erfüllt. Die Sache ist daher gemäss Art. 277 BStP zur Ergänzung des
Sachverhalts und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt arglistig,
wer sich zur Täuschung eines andern besonderer Machenschaften oder Kniffe
bedient oder ein ganzes Lügengebäude errichtet, aber auch jener, der bloss
falsche Angaben macht, wenn deren Überprüfung besondere Mühe erfordert,
unmöglich oder nicht zumutbar ist; ferner ist Arglist auch gegeben, wenn
der Täter den Getäuschten von der Überprüfung der falschen Angaben abhält
oder wenn er voraussieht, dass der andere die Überprüfung unterlassen wird,
sofern sich diese Voraussicht aus einem besonderen Vertrauensverhältnis
ergibt, auf klaren Regelungen oder Zusicherungen beruht und nicht nur
eine auf gewissen Beobachtungen beruhende Erwartung darstellt (BGE 107
IV 169 ff., 108 Ib 298 mit Hinweisen, 111 Ib 247 E. b).

    Ob der zum allgemeinen Betrugstatbestand entwickelte Arglistbegriff
unverändert auf den Abgabebetrug gemäss Art. 14 VStrR übertragen
werden kann oder ob insoweit im Hinblick auf die Existenz einfacher
Hinterziehungstatbestände auf das letzte Merkmal des Arglistkatalogs
zu verzichten ist (so SCHULTZ, ZStW 1985, S. 400 Fn. 105; vgl. auch
MEINRAD BETSCHART, ASA 1990, S. 545 ff.), kann offenbleiben. Denn soweit
in tatsächlicher Hinsicht von einer Täuschung auszugehen ist, bediente
sich der Beschwerdeführer jedenfalls besonderer Machenschaften. Denn die
Zweiteilung des Benzintanks, die der Beschwerdeführer speziell zu diesem
Zweck durch einen Garagisten in Varese/I hatte vornehmen lassen, stellt
einen geradezu klassischen Fall einer Machenschaft dar. Zudem erfordert
das Auffinden eines derart raffinierten Verstecks eine eingehende
und umfassende Durchsuchung, welche den Beamten schon angesichts des
verfügbaren Personals und im Interesse des Verkehrsflusses an der Grenze
jedenfalls in der Regel nicht zumutbar ist.

    c) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen vollendeten Betrugs
setzt im weiteren voraus, dass zwischen der arglistigen Täuschung, also
der täuschenden Erklärung des Beschwerdeführers und dem Verstecken der
Ware im zweigeteilten Benzintank, und der Vorstellung des Beamten,
der Beschwerdeführer führe tatsächlich keine Waren mit sich, ein
Kausalzusammenhang besteht. An diesem erforderlichen Kausalzusammenhang
fehlt es, wenn der Beamte überhaupt keine Durchsuchung vornahm,
also beispielsweise nicht einmal einen Blick in den Kofferraum warf,
sondern sich auf seine Frage hin mit der Erklärung des Beschwerdeführers
begnügte, er führe keine Waren mit; denn dann hat sich das raffinierte
Versteck im zweigeteilten Benzintank nicht auf die Vorstellung des Beamten
ausgewirkt. In den Fällen, in denen der Beamte nicht nach Waren suchte,
liegt mangels Kausalzusammenhangs zwischen der arglistigen Täuschung durch
das raffinierte Verstecken der Ware und dem Irrtum des Beamten lediglich,
aber immerhin versuchter Betrug vor.

    Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, ob bzw. wie
oft der Beschwerdeführer bzw. sein Gepäck und sein Fahrzeug bei den gegen
100 Schmuggelfahrten von den Beamten nach Waren durchsucht wurden. Die
Sache ist daher auch insoweit gemäss Art. 277 BStP zur Ergänzung des
Sachverhalts und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    d) Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betrugs im Sinne
von Art. 14 VStrR als vollendete Tat ist mithin nur insoweit möglich,
als erstens der Beschwerdeführer beim Grenzübertritt vom Beamten nach
Waren gefragt wurde (E. 3a) und zweitens der Beamte auf die negative
Antwort des Beschwerdeführers erfolglos nach Waren suchte (E. 3c). Soweit
sich der Beamte mit der negativen Antwort des Beschwerdeführers begnügte
und also auf eine Durchsuchung verzichtete, liegt lediglich versuchter
Betrug vor (E. 3c). Soweit der Beamte überhaupt nicht nach Waren fragte,
ist Art. 14 VStrR nicht anwendbar (E. 3a).