Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 177



116 IV 177

34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Juli
1990 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 41 Ziff. 1 und Ziff. 3 Abs. 2 StGB.

    Bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten im Rahmen von Art. 41
Ziff. 3 Abs. 2 StGB darf nicht nur, sondern muss die mögliche Warnwirkung
der neuen zu vollziehenden Strafe mitberücksichtigt werden. Das gleiche
gilt auch umgekehrt in bezug auf die Wirkung des Vollzuges einer Strafe
aufgrund des Widerrufes des bedingten Strafvollzuges (Bestätigung der
Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- S. wurde vom Kantonsgerichtsausschuss Graubünden am 21.  Februar
1990 im Berufungsverfahren wegen Handels mit insgesamt ca. 1825 g Haschisch
und Marihuana (begangen im Oktober 1987 und Oktober/November 1988) und
eines versuchten Einbruchdiebstahls (begangen im Februar 1989) zu fünf
Monaten Gefängnis unbedingt und zu einer Busse von Fr. 300.-- verurteilt;
gleichzeitig wurde der bedingte Vollzug für je eine Gefängnisstrafe
von drei Tagen und eine solche von zwei Monaten aus den Jahren 1986 und
1987 widerrufen.

    Das Bundesgericht weist eine dagegen erhobene eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde bezüglich des Widerrufs der beiden früheren Strafen
(zufolge Verneinung eines leichten Falles im Sinne von Art. 41 Ziff. 3
Abs. 2 StGB) ab, heisst sie hingegen bezüglich der Verweigerung des
bedingten Vollzuges für die neue Strafe gut, aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- d) Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, das angefochtene Urteil
verletze Bundesrecht, wenn ihm für die neu ausgefällte Strafe von 5
Monaten Gefängnis und einer Busse von Fr. 300.-- der bedingte Strafaufschub
bzw. die bedingte vorzeitige Löschung im Strafregister verweigert wurde. Er
führt an, inwiefern dies nach seiner Auffassung der Fall ist, und genügt
damit seiner Begründungspflicht nach Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP. An diese
Begründung ist das Bundesgericht nicht gebunden (Art. 277bis Abs. 2 BStP),
d.h. es hat das Recht von Amtes wegen anzuwenden (iura novit curia).

    Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht, weil die Vorinstanz
es zu prüfen unterliess, ob eine günstige Prognose für das künftige
Verhalten des Beschwerdeführers gestellt werden könne, wenn die beiden
Gefängnisstrafen von 3 Tagen und von 2 Monaten infolge Widerrufs des
bedingten Strafvollzuges vollzogen werden. Bei der Beurteilung der
Bewährungsaussichten im Rahmen von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB darf nicht
nur, sondern muss die mögliche Warnungswirkung der neuen zu vollziehenden
Strafe mitberücksichtigt werden (BGE 107 IV 91 mit Hinweisen). Das gleiche
muss in bezug auf die Wirkung des Vollzuges einer Strafe aufgrund des
Widerrufes des bedingten Strafaufschubes, wie dies hier der Fall ist,
gelten (so bereits BGE 100 IV 196).

    Das angefochtene Urteil des Kantonsgerichtsausschusses Graubünden
ist daher aufzuheben. Die Vorinstanz hat die Frage der Gewährung des
bedingten Strafvollzugs im dargelegten Sinne (Art. 277ter Abs. 2 BStP)
neu zu beurteilen und wird dabei insbesondere in bezug auf die Bewährung
des Beschwerdeführers am Arbeitsplatz auf die Verhältnisse im Zeitpunkt
des neuen Urteils abzustellen haben, so dass offenbleiben kann, ob die
in der Nichtigkeitsbeschwerde vorgebrachte entsprechende Rüge heute zu
schützen wäre oder nicht; das gleiche gilt für die Dauer der Probezeit.