Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 161



116 IV 161

30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. August 1990 i.S. X.
gegen Statthalteramt des Bezirks Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 2 Abs. 1 AV. Veranstaltung des Detailverkaufs.

    Offengelassen, ob die Umschreibung des Begriffs des Detailverkaufs
im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AV in den BIGA-Empfehlungen vom 1. März 1988
unter Berücksichtigung der ratio legis zweckmässig sei (E. 3a).

    Es hängt vom Eindruck des unbefangenen Durchschnittslesers des Inserats
ab, an wen sich die öffentliche Ankündigung richtet und ob es sich bei der
angekündigten Veranstaltung um eine solche des Detailverkaufs handelt.
Massgebend sind insoweit einerseits die Art der Ware, wie sie in der
öffentlichen Ankündigung umschrieben wird, und anderseits die Art der
öffentlichen Ankündigung (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Mac Henry Computers AG, Baden, warb in je einem
ganzseitigen Inserat in der "Neuen Zürcher Zeitung" und im "Tages Anzeiger"
vom 6. Dezember 1988 unter anderem für ihren "Weihnachts-Verkauf" im
"Showwagon der SBB" in der Zeit vom 7. bis zum 10. Dezember 1988 im
Bahnhof Zürich-Oerlikon. Sie pries in den Zeitungsinseraten in auffälliger
Form unter Verwendung des Brustbildes eines "Samichlaus" mit dem Slogan
"Mac Rabatt in Saus und Braus? Nur beim Mac Henry Nikolaus." verschiedene
Produkte aus dem EDV-Bereich an, so unter anderem die Konfigurationen
"SCHMUTZLI" zum Preis von Fr. 5'600.-- und "SAMICHLAUS" zum Preis
von Fr. 6'500.--. Sie hielt im Text des Inserates, teilweise unter
Verwendung von Zeichnungen, unter anderem folgendes fest: "... Wer den Mac
(Computer) bei Mac Henry kauft, macht sich grosse Freude für viel weniger
money. Dank unserem prompten Service sind unsere Kunden überall: In den
Verwaltungen. In der Forschung. In Druckereien und Werbeagenturen. Im
Gastgewerbe. Architekten und Konstrukteure. Dichter und Denker. Ein
Macintosh von Mac Henry heisst einfach Computer, Know-how und Rabatt dazu?"

    B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Zürich sprach
die für die Zeitungsinserate verantwortliche Geschäftsführerin X. am
17. Oktober 1989 in Bestätigung der Strafverfügung des Statthalteramtes
des Bezirks Zürich vom 30. August 1989 der Übertretung von Art. 25
lit. a AV und Art. 25 Abs. 1 UWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3
und Art. 4 AV schuldig und büsste sie mit Fr. 300.--. Die I. Strafkammer
des Obergerichts des Kantons Zürich wies die von der Gebüssten erhobene
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss vom 31. Mai 1990 ab.

    C.- Die Gebüsste führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit
dem Antrag, der Beschluss des Zürcher Obergerichts vom 31. Mai 1990 sei
aufzuheben und sie sei entweder direkt freizusprechen oder die Sache sei
zu ihrer Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 25 UWG in Verbindung mit Art. 25 lit. a AV wird bestraft,
wer eine unter die Ausverkaufsverordnung fallende, nicht bewilligte
Verkaufsveranstaltung öffentlich ankündigt oder durchführt oder entgegen
der Weisung der zuständigen Behörde nicht einstellt. Ausverkäufe und
ähnliche Veranstaltungen im Sinne der Verordnung sind gemäss Art. 2
Abs. 1 AV Veranstaltungen des Detailverkaufs, bei denen dem Käufer durch
öffentliche Ankündigung vorübergehend besondere Vergünstigungen in Aussicht
gestellt werden, die der Verkäufer sonst nicht gewährt. Sie bedürfen nach
Art. 4 Abs. 1 AV einer Bewilligung der zuständigen Behörde.

    Im vorliegenden Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
ist einzig noch umstritten, ob es sich bei der unter der Verantwortung der
Beschwerdeführerin in der "Neuen Zürcher Zeitung" und im "Tages Anzeiger"
vom 6. Dezember 1988 angekündigten Veranstaltung um eine Veranstaltung des
"Detailverkaufs" im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AV gehandelt habe.

    Das Obergericht hat die Frage, ob ein Detailverkauf vorliege, mit
sehr ausführlicher und erschöpfender Begründung bejaht und es dabei,
im Unterschied zur ersten Instanz, als nicht notwendig erachtet,
auf die technischen Eigenschaften der in den Inseraten angepriesenen
Konfigurationen näher einzugehen. Die Beschwerdeführerin macht im
wesentlichen geltend, verschiedene tatsächliche Annahmen des Obergerichts
namentlich betreffend die Verwendungsmöglichkeiten der angepriesenen
Produkte bzw. den Kreis der potentiellen Käufer seien in Missachtung der
von ihr eingereichten Stellungnahmen von Experten willkürlich und unter
Verweigerung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör getroffen worden.

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss den im angefochtenen Entscheid zitierten Empfehlungen
des BIGA vom 1. März 1988 betreffend den Vollzug der Verordnung vom
14. Dezember 1987 über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen ist unter
"Detailverkauf" im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AV nur "der Verkauf von Waren
für den Bedarf des letzten Verbrauchers zu verstehen, nicht aber für den
spezifischen Bedarf wirtschaftlicher Unternehmen" (Ziff. 1321). Diese
Formulierung ist einem Entscheid des BIGA vom 9. Juni 1953, wiedergegeben
in VEB 23/1953 Nr. 95 S. 187 f., entnommen. In den BIGA-Empfehlungen
wird zudem festgehalten, dass kein Detailverkauf im Sinne von Art. 2
Abs. 1 AV vorliegt beim "Verkauf von Waren zum gewerblichen Gebrauch"
(Ziff. 1322). Es ist vorliegend nicht darüber zu entscheiden, ob diese
einschränkende Auslegung des Begriffs des Detailverkaufs gemäss Art. 2
Abs. 1 AV tatsächlich dem Sinn der Ausverkaufsverordnung gerecht
werde. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass nach der allgemeinen
Lebenserfahrung mancher Unternehmer bzw. Gewerbetreibende, der sich
entschliesst, für seinen Betrieb einen Computer anzuschaffen, von Computern
weniger versteht und daher eher des Schutzes bedarf als mancher Konsument,
der Computer nur als Hobby bzw. für den privaten Gebrauch verwendet. Die
Kriterien des "spezifischen Bedarfs wirtschaftlicher Unternehmen" bzw. des
"gewerblichen Gebrauchs" gemäss den BIGA-Empfehlungen erscheinen gerade
unter Berücksichtigung der "ratio legis", welcher das BIGA Rechnung tragen
will, nicht als besonders zweckmässig. Der Unternehmer und Gewerbetreibende
bedarf insoweit keines besonderen Schutzes, als er gerade in dieser
Eigenschaft von den Waren, die er einkauft, etwas versteht; das trifft
vermutungsweise für Waren zu, die er einkauft, um sie gewerbsmässig
weiterzuveräussern oder zu verarbeiten bzw. zu bearbeiten, nicht aber für
Produkte, die ihm dabei, wie etwa Schreibmaschinen oder Computer, lediglich
als arbeitserleichternde Hilfsmittel dienen. Unter Berücksichtigung der
"ratio legis" erscheint etwa die im Kreisschreiben des EVD vom 16. April
1947 zur damaligen Ausverkaufsverordnung enthaltene Erläuterung, wonach
kein Detailverkauf vorliege beim "Verkauf an Wiederverkäufer sowie an
Produzenten (z.B. Verkauf des Viehhändlers an den Landwirt)" (BBl 1947
II 77), als zweckmässiger.

    b) Die in den inkriminierten Inseraten angekündigte
Verkaufsveranstaltung ist nach den zutreffenden Ausführungen im
angefochtenen Beschluss auch dann eine Veranstaltung des Detailverkaufs im
Sinne von Art. 2 Abs. 1 AV, wenn man diesen Begriff im Sinne der zitierten
BIGA-Empfehlungen einschränkend auslegt.

    aa) Ob die in einem Inserat enthaltene öffentliche Ankündigung einer
Verkaufsveranstaltung im Sinne von Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 AV
bewilligungspflichtig sei oder nicht, entscheidet sich danach, wie die
Ankündigung vom Leser des Inserates verstanden wird. Das ist eine vom
Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
zu überprüfende Rechtsfrage. Massgebend ist insoweit der Eindruck
des unbefangenen Durchschnittslesers des Inserats und nicht der Sinn,
den ihm der Inserent (angeblich) beigelegt hat. Nach dem Eindruck des
unbefangenen Durchschnittslesers entscheidet sich nicht nur, ob die in der
öffentlichen Ankündigung in Aussicht gestellte Vergünstigung eine besondere
und vorübergehende sei (siehe dazu BGE 112 IV 49 mit Hinweisen), sondern
auch, an wen sich die Ankündigung und damit das in Aussicht gestellte
Angebot richtet.

    bb) Es hängt nach den im Ergebnis zutreffenden Ausführungen im
angefochtenen Beschluss einerseits von der Art der angepriesenen Ware,
wie sie in der öffentlichen Ankündigung umschrieben wird, und anderseits
von der Art der öffentlichen Ankündigung ab, an wen sich diese nach dem
massgebenden Eindruck des unbefangenen Durchschnittslesers richtet.

    Zweifellos gibt es viele Waren, bei denen es nach der allgemeinen
Erfahrung allein schon aufgrund ihrer Art und Beschaffenheit, wie sie
in der Ankündigung beschrieben werden, praktisch als ausgeschlossen
erscheint, dass sie zum privaten Gebrauch gekauft werden, und deren
Anpreisung in öffentlicher Ankündigung daher solche potentiellen Käufer
von vornherein nicht ansprechen kann; seltene Ausnahmen, welche die Regel
bestätigen, können dabei ausser Betracht bleiben. Bei der Konfiguration
"SCHMUTZLI", deren Anpreisung (zum Preis von Fr. 5'600.--) in den
fraglichen Inseraten allein Gegenstand des angefochtenen Beschlusses und
des erstinstanzlichen Urteils bildet, handelt es sich nach den zutreffenden
Ausführungen der Vorinstanz nicht um ein Produkt, welches - von seltenen
Ausnahmen abgesehen - nur zum gewerblichen Gebrauch erworben wird. Zwar
mag es durchaus zutreffen, dass die Konfiguration "SCHMUTZLI", wie die
Beschwerdeführerin einwendet, nach ihrem Leistungsvermögen und ihrer
Konzeption insbesondere unter Berücksichtigung der damit angebotenen
Software auf den betrieblich/gewerblichen Einsatz ausgerichtet
ist, was auch im angefochtenen Entscheid, anders als offenbar im
erstinstanzlichen Urteil, anerkannt wird, und dass die Anschaffung der
Konfiguration "SCHMUTZLI" zum privaten Gebrauch, zum Spielen und Pröbeln,
im Vergleich zu andern Angeboten als wenig attraktiv bzw. sinnvoll
erscheint. Es ist indessen erstens nach den zutreffenden Ausführungen
im angefochtenen Beschluss allgemein bekannt, dass in der heutigen
sogenannten Wohlstandsgesellschaft Produkte aus dem Computerbereich -
wie etwa auch Produkte aus den Bereichen Hifi, Film, Video - zum privaten
Gebrauch erworben werden, obschon viele Käufer nur einen Bruchteil der
Leistungsfähigkeit dieser Erzeugnisse nutzen bzw. zu nutzen überhaupt
imstande sind. Es kommt zweitens jedoch gar nicht entscheidend darauf
an, wie viele Personen schliesslich gerade das angepriesene Produkt zum
privaten bzw. nichtgewerblichen Gebrauch kaufen und wie viele Personen
sich letztlich, etwa nach einer Beratung durch den Verkäufer, für den
Erwerb eines andern Erzeugnisses, das ihren Bedürfnissen besser entspricht,
entscheiden. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AV ist die öffentliche Ankündigung
des vorübergehenden besonderen Vorteils wesentliche Voraussetzung der
bewilligungspflichtigen Verkaufsveranstaltung, und nach Art. 25 lit. a
AV ist nicht erst die Durchführung, sondern schon die öffentliche
Ankündigung einer nicht bewilligten Verkaufsveranstaltung strafbar.
Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser Bestimmung kann daher
nicht massgebend sein, wie viele Personen, die den Erwerb eines Produkts
der fraglichen Art zum privaten Gebrauch ins Auge fassen, das in der
öffentlichen Ankündigung angepriesene Erzeugnis schliesslich kaufen,
sondern ist vielmehr entscheidend, ob sich diese Personen durch die
in der öffentlichen Ankündigung enthaltene Beschreibung des Produkts
angesprochen fühlen und daher mit dem Anbieter Kontakt aufnehmen, womit
dieser ein erstes Ziel erreicht hat.

    Da somit das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Veranstaltung
entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht schon aufgrund
der Art des angepriesenen Produkts bzw. des Kreises der potentiellen
Käufer verneint werden kann, ist nach den zutreffenden Ausführungen
im angefochtenen Beschluss vorliegend auch die Art der öffentlichen
Ankündigung für die Beantwortung der Frage nach der Bewilligungspflicht
wesentlich.

    Die fraglichen Inserate erschienen am Nikolaustag, zur Zeit des
Weihnachtsgeschäfts, in zwei Tageszeitungen in ganzseitiger Aufmachung
unter Verwendung eines mit verhältnismässig lustigen Zeichnungen
angereicherten, relativ originellen Textes. Aufgrund von Erscheinungszeit
und -ort, Form, Gestaltung und Text der Inserate kann kein Zweifel
daran bestehen, dass dadurch auch Personen angesprochen wurden, welche
die Anschaffung eines Produkts von der Art des angepriesenen nicht zum
gewerblichen, sondern zum privaten Gebrauch ins Auge fassten.

    Allerdings wird in den fraglichen Inseraten auch darauf hingewiesen,
wo dank des prompten Services der Firma Mac Henry deren Kunden überall zu
finden seien: "In den Verwaltungen. In der Forschung. In Druckereien und
Werbeagenturen. Im Gastgewerbe. Architekten und Konstrukteure. Dichter
und Denker." Ob es sich bei allen diesen Personen um Personen handelt,
die das Produkt im Sinne der BIGA-Empfehlungen "gewerblich" gebrauchen,
was im angefochtenen Beschluss verneint wird, kann vorliegend dahingestellt
bleiben. Trotz oder vielmehr gerade auch aufgrund des zitierten Hinweises
auf den - angeblich dank des prompten Services gewonnenen - grossen
Kundenkreis konnten sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung durch das
Inserat auch Personen angesprochen fühlen, welche die Anschaffung eines
Computers einzig zum privaten Gebrauch ins Auge fassten und denen ein
prompter Service ebenfalls wichtig ist. Der unbefangene Durchschnittsleser
versteht das Inserat auch unter Berücksichtigung des zitierten Hinweises
auf den dank des prompten Services erworbenen Kundenkreis offensichtlich
nicht in dem Sinn, dass die im Inserat unter anderem angepriesene
Konfiguration "SCHMUTZLI" nur für den gewerblichen Gebrauch sinnvoll
bzw. für den privaten Gebrauch wenig attraktiv sei.

    Die in den Inseraten der Firma Mac Henry Computers AG in der "Neuen
Zürcher Zeitung" und im "Tages Anzeiger" vom 6. Dezember 1988 angekündigte
Verkaufsveranstaltung durfte demnach ohne Verletzung von Bundesrecht als
Veranstaltung des Detailverkaufs im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AV und der
diesen Begriff einschränkend auslegenden BIGA-Empfehlungen vom 1. März
1988 qualifiziert werden.