Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IV 134



116 IV 134

25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. März
1990 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 141 StGB.

    Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht auf die Aneignung
körperlicher Sachen beschränkt. Der Unterschlagung macht sich auch
schuldig, wer in der Absicht unrechtmässiger Bereicherung über ein Guthaben
verfügt, das, wie er weiss, seinem Konto irrtümlich gutgeschrieben wurde
(Bestätigung von BGE 87 IV 115).

Sachverhalt

    A.- Am 18. Februar 1987 überwies die Firma A. den Betrag von
Fr. 222'988.55 irrtümlich auf das Postcheckkonto von X. anstatt auf das
Postcheckkonto von Y. X. merkte nach Eingang der Gutschriftsanzeige sofort,
dass die Zahlung nicht für ihn bestimmt sein konnte. Dennoch liess er
am 24. Februar 1987 durch seine Ehefrau auf dem Postamt Kriegstetten
den Betrag von Fr. 17'000.-- abheben. Am 26. Februar und am 2. März 1987
hob er dann selber auf dem Postamt Solothurn-Stadt weitere Fr. 65'000.--
bzw. Fr. 140'000.-- ab. Die Firma A. bemerkte ihren Irrtum, als sie
am 24. April 1987 von Y. für den ausstehenden Betrag gemahnt wurde. Sie
nahm mit X. Kontakt auf. Dieser gab zu verstehen, er habe wohl bemerkt,
dass die Überweisung auf sein Postcheckkonto auf einem Irrtum beruhe. Er
weigerte sich aber, den ihm überwiesenen Betrag zurückzuerstatten. Im Laufe
der folgenden Strafuntersuchung konnten Fr. 170'000.-- sichergestellt
werden. Den Rest des Geldes hat X. seinen Angaben zufolge verbraucht.

    B.- Das Amtsgericht von Bucheggberg-Kriegstetten sprach X. am
18. August 1987 der wiederholten Unterschlagung schuldig und verurteilte
ihn zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten, unter Gewährung des bedingten
Strafvollzugs bei einer Probezeit von 3 Jahren. Das Obergericht des Kantons
Solothurn wies die vom Verurteilten erhobene Appellation am 18. Januar
1989 ab, bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und im
Strafpunkt und stellte fest, dass X. die Forderung von Fr. 52'988.55,
zuzüglich 5% Zins seit 1. Mai 1987, gegenüber der Firma A. anerkannt hat.

    C.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit
dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Solothurn vom
18. Januar 1989 sei mit Ausnahme der Ziffer betreffend die Feststellung
der Anerkennung der Zivilforderung aufzuheben und die Sache zu seiner
Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wer eine fremde, bewegliche Sache, die ihm durch Naturgewalt,
Irrtum, Zufall oder sonst ohne seinen Willen zugekommen ist, oder ein
fremdes Tier, das in seinen Gewahrsam geraten ist, sich aneignet, um sich
oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, wird gemäss Art. 141 StGB
auf Antrag wegen Unterschlagung mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

    a) Gemäss BGE 87 IV 115 ff. macht sich der Unterschlagung
auch schuldig, wer in Bereicherungsabsicht über ein Bankguthaben
verfügt, das, wie er weiss, seinem Konto irrtümlich gutgeschrieben
wurde. Nach den Ausführungen in diesem Entscheid ist das Strafrecht
vom Zivilrecht unabhängig und steht es ihm frei, zivilrechtlichen
Begriffen, etwa dem Begriff der Sache, einen abweichenden Inhalt zu
geben, der dem strafrechtlichen Bedürfnis, auf die wirtschaftlichen
Gegebenheiten abzustellen, gerechter wird (S. 117). Den Begriff Sache
im Unterschlagungstatbestand in einem die veränderten wirtschaftlichen
Verhältnisse berücksichtigenden weiteren Sinn aufzufassen, als ihn
der historische Gesetzgeber, der vom zivilrechtlichen Sachbegriff
ausging, verstanden hat, steht Art. 1 StGB - wonach strafbar nur
ist, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe
bedroht - nicht entgegen. Diese Bestimmung lässt jede Auslegung zu,
die dem wahren Sinn des Gesetzes entspricht, wie er sich aus den dem
Gesetz innewohnenden Wertungen und seinem Zweckgedanken logisch ergibt
(S. 118, mit Verweisungen). Art. 1 StGB verbietet bloss, über den dem
Gesetz bei richtiger Auslegung zukommenden Sinn hinauszugehen, also neue
Straftatbestände zu schaffen oder bestehende derart zu erweitern, dass
die Auslegung durch den Sinn des Gesetzes nicht mehr gedeckt wird (S. 118,
mit Hinweisen). Art. 141 StGB will vor allem die rechtswidrige Aneignung
(zu viel) gezahlten Geldes bei Kauf, Lohnzahlung, Geldwechsel usw.
treffen. Eine ebenso typische Unterschlagungshandlung liegt aber vor,
wenn die irrtümliche Zahlung im Giroverkehr erfolgt und der Empfänger sie
bösgläubig nicht zurückerstattet (S. 119). Dass der Inhaber des Kontos,
auf dem das Guthaben gutgeschrieben wird, zivilrechtlich nicht in den
Besitz des Geldes gelangt, sondern nur eine Forderung erwirbt, ist
nicht entscheidend (S. 119). Die unrechtmässige Verwendung irrtümlich
geleisteter Girozahlungen nicht unter Art. 141 StGB zu subsumieren,
wäre mit Sinn und Zweck des Gesetzes um so weniger vereinbar, als
der bargeldlose Zahlungsverkehr, nicht nur gesamthaft, sondern auch
bezüglich der Höhe der im einzelnen überwiesenen Beträge, im modernen
Wirtschaftsleben eine bedeutende und immer grössere Rolle spielt (S. 120).

    b) BGE 87 IV 115 hat bei einzelnen Autoren Zustimmung gefunden
(SCHULTZ, ZBJV 99/1963 S. 52 f.; PERRIN, ZStrR 78/1962 S. 136 f.;
wohl auch GERMANN, ZStrR 78/1962 S. 410 ff.), wird aber von der heute
herrschenden Lehre abgelehnt (STRATENWERTH, BT I, 3. Aufl., § 8 N 4,
S. 172; SCHWANDER, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Nr. 533a, 548b;
REHBERG, Strafrecht III, 4. Aufl., S. 65; NOLL, BT, S. 147; SCHUBARTH, Die
Systematik der Aneignungsdelikte, Diss. Basel 1968, S. 18 ff., SCHUBARTH,
Reformbedürftigkeit der Vorschriften über die Aneignungsdelikte? ZStrR
88/1972 S. 282 ff., 293 ff.; TRECHSEL, Kurzkommentar, N 2 vor Art. 137
StGB). Nach dieser herrschenden Lehre liegt dem Unterschlagungstatbestand
im Sinne von Art. 141 StGB nach der Systematik des Gesetzes und auch
nach dem Willen des historischen Gesetzgebers der zivilrechtliche
Sachbegriff (Art. 713 ZGB) zugrunde und verstösst die Subsumtion der -
an sich strafwürdigen - "Unterschlagung von Forderungen", die auch eine
Umdeutung des Fremdheits- und des Aneignungsbegriffs notwendig macht,
gegen Art. 1 StGB. Auch verschiedene kantonale Instanzen sind der vom
Bundesgericht in BGE 87 IV 115 vertretenen Auffassung nicht gefolgt (vgl.
insbesondere SJZ 84/1988 S. 122 f. [Obergericht Zürich]; ferner PKG 1988
S. 138 Nr. 35 [Kantonsgericht Graubünden]; Einstellungsbeschluss der
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 7. Dezember 1987 i.S. H.).

    c) Das Bundesgericht hat in BGE 103 IV 87 ff., der eine angebliche
Veruntreuung einer Grundpfandverschreibung betraf, festgehalten, dass das
Strafgesetzbuch "den Begriff der Sache, den es bei den Aneignungsdelikten
(Art. 137-141), andern Vermögensdelikten (Art. 143-145, 147) und bei den
Betreibungs- und Konkursdelikten im Tatbestand des Verstrickungsbruchs
(Art. 169 StGB) verwendet", nicht näher umschreibt (S. 89). Es
hat ausgeführt, dass "nach der in der Literatur und Rechtsprechung
vorherrschenden und vom Kassationshof in BGE 81 IV 158 bei der Auslegung
des Hehlereitatbestandes (Art. 144) übernommenen Auffassung ... darunter
nur körperliche Gegenstände zu verstehen (sind), nicht auch Forderungen,
soweit diese nicht in einem Wertpapier verkörpert sind. Sowohl der
herkömmliche Wortsinn wie die Ansicht des historischen Gesetzgebers
beruhen auf dem Sachbegriff, wie ihn das Zivilrecht (Art. 713 ZGB)
geprägt hat" (S. 89). SCHULTZ wirft in der Besprechung dieses Urteils
in ZBJV 114/1978 S. 469 f. die Frage auf, ob damit der vielumstrittene
BGE 87 IV 115 preisgegeben worden sei. STRATENWERTH hält unter Berufung
auf BGE 103 IV 89 sowie 100 IV 31 ff. (betreffend Hehlerei in bezug auf
ein Zertifikat über Namenaktien) dafür, dass das Bundesgericht mit diesen
Entscheiden zu dem auf körperliche Gegenstände beschränkten Sachbegriff
zurückgekehrt sei (op. cit., S. 172). Dieser Meinung ist offenbar auch
das Zürcher Obergericht (SJZ 84/1988 S. 123).

    Es ist nicht auszumachen, welche Bedeutung der Kassationshof der
zitierten Erwägung in BGE 103 IV 89 beimass. Es ist indessen höchst
unwahrscheinlich, dass durch diesen Entscheid, der eine Veruntreuung
betraf, die in BGE 87 IV 115 vertretene Auffassung betreffend den
Sachbegriff bei der Unterschlagung aufgegeben werden sollte. Dagegen
spricht insbesondere, dass BGE 103 IV 89 sich mit BGE 87 IV 115 überhaupt
nicht auseinandersetzt und ihn nicht einmal erwähnt. Hinzu kommt, dass
die zitierte Erwägung in BGE 103 IV 89 schon insoweit ungenau ist, als
neben "Art. 137-141" unter anderem auch Art. 169 StGB (Verstrickungsbruch)
aufgeführt wird, bei dem jedoch unbestrittenermassen nicht nur Sachen im
zivilrechtlichen Sinne Tatobjekt sein können (vgl. TRECHSEL, Kurzkommentar,
N 3 zu Art. 169 StGB).

Erwägung 2

    2.- Der Kassationshof hält im wesentlichen aus den in BGE 87 IV
115 dargelegten Gründen, die vorstehend zusammenfassend wiedergegeben
worden sind, daran fest, dass den Tatbestand der Unterschlagung im
Sinne von Art. 141 StGB auch erfüllt, wer in Bereicherungsabsicht über
ein Bankguthaben verfügt, das, wie er weiss, seinem Konto irrtümlich
gutgeschrieben wurde.

    a) Die Abgrenzung zwischen zulässiger Auslegung einer Strafbestimmung
zu Ungunsten des Beschuldigten und unzulässiger Schaffung neuer
Straftatbestände durch Analogieschlüsse (vgl. BGE 103 IV 129, 95 IV
72 E. 3a mit Hinweisen) ist schwierig. Der Kassationshof hat es etwa
in BGE 110 IV 21, 111 IV 135 und 112 IV 80 abgelehnt, die Verwendung
von durch Checkkarte garantierten Eurochecks bzw. von Kreditkarten ohne
Deckung als Betrug zu qualifizieren, da in diesen Fällen unter anderem das
Tatbestandsmerkmal des Irrtums nicht erfüllt ist und auf dieses Merkmal bei
Art. 148 StGB nicht kurzerhand verzichtet werden kann; er hat dabei in BGE
112 IV 82 E. 2d ausdrücklich festgehalten, es sei Sache des Gesetzgebers,
den Check- und Kreditkartenmissbrauch allenfalls allgemein unter Strafe zu
stellen. Der Kassationshof hat anderseits in BGE 111 IV 119 erkannt, dass
die mittels eines Computers auf magnetischen Datenträgern gespeicherten
Daten Schriften oder Zeichen im Sinne der Urkundendefinition (Art. 110
Ziff. 5 StGB) sind, obwohl sie nur mit einem technischen Hilfsmittel
gelesen werden können.

    Das Bestreben, ein strafwürdiges Verhalten tatsächlich auch zu
bestrafen, darf nicht mit dem Sinn und Zweck einer bestimmten Strafnorm
vermengt bzw. gleichgesetzt werden (vgl. SCHUBARTH, Reformbedürftigkeit
..., ZStrR 88/1972 S. 295). Anderseits ist nicht zu übersehen, dass sich
die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten unter einen - auslegungsfähigen -
Straftatbestand des geltenden Gesetzes fällt, eben gerade dann stellt,
wenn das Verhalten als strafwürdig erscheint (siehe etwa STRATENWERTH,
AT I, § 4 N 38). Im Rahmen der Auslegung ist auch der Analogieschluss,
wie der Umkehrschluss, als Auslegungsmethode zulässig (WAIBLINGER, Die
Bedeutung des Grundsatzes "nullum crimen sine lege" ..., ZBJV 91bis/1955
S. 212 ff., 254 ff.).

    b) Das Strafgesetzbuch definiert den Begriff der Sache nicht
und verweist auch nicht ausdrücklich etwa auf den zivilrechtlichen
Sachbegriff. Es ist dem Richter unbenommen, den Begriff der Sache in
einem bestimmten Straftatbestand anders zu definieren als er im Zivilrecht
definiert ist. Es ist ihm auch nicht verwehrt, den Begriff der Sache in
einem bestimmten Straftatbestand anders auszulegen als in einem andern
Straftatbestand. Massgebend ist nach dem Gesagten der wahre Sinn einer
Bestimmung, wie er sich aus den ihr innewohnenden Wertungen und ihrem
Zweck ergibt.

    aa) Die Unterschlagung ist im Abschnitt "Strafbare Handlungen gegen
das Eigentum" geregelt. Es mag insoweit der Systematik des Gesetzes
widersprechen, auch die - nicht in einem Wertpapier verkörperte -
Forderung als Sache im Sinne von Art. 141 StGB zu qualifizieren; denn an
einer Forderung kann, da sie keine Sache im zivilrechtlichen Sinne ist,
kein Eigentum bestehen. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass etwa auch
der Tatbestand der Sachentziehung (Art. 143 StGB) und der Tatbestand der
Veruntreuung und des Entzugs von Pfandsachen und Retentionsgegenständen
(Art. 147 StGB) im Abschnitt "Strafbare Handlungen gegen das Eigentum"
enthalten sind, obschon sie sich keineswegs (nur) gegen das Eigentum
richten und auch vom Eigentümer selber erfüllt werden können.

    bb) In Art. 140 Ziff. 1 StGB wird neben der Aneignung einer
anvertrauten fremden, beweglichen Sache (Abs. 1) die unrechtmässige
Verwendung anvertrauten Gutes, namentlich von Geld (Abs. 2), ausdrücklich
mit Strafe bedroht. Dies legt auf den ersten Blick die Auffassung nahe,
dass die unrechtmässige Verwendung eines dem Täter durch Irrtum oder
sonst ohne seinen Willen zugekommenen Gutes nicht unter Art. 141 StGB
subsumiert werden kann, da es in Art. 141 StGB an einer dem Abs. 2 von
Art. 140 Ziff. 1 StGB entsprechenden Bestimmung fehlt. Dieser Umkehrschluss
ist indessen nicht zwingend.

    Gemäss dem französischen und dem italienischen Gesetzestext von
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist Tatobjekt die "chose fongible", die
"cosa fungibile". Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte
damit unter anderem auch derjenige bestraft werden können, welcher im
Zeitpunkt der Tathandlung aufgrund einer - nur bei vertretbaren Sachen,
namentlich Geld, möglichen - Vermischung bereits das zivilrechtliche
Eigentum an der ihm anvertrauten Sache erworben hatte (vgl. BGE 90 IV
192/193, 103 IV 88). Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB stimmt mit Art. 85
Ziff. 1 Abs. 3 VE 1908 überein. Damit sollten die Fälle erfasst werden,
in denen jemand eine Geldsumme, die er für einen andern eingenommen hat,
behält (so Art. 71 Abs. 2 VE 1894), indem er etwa als Verkaufskommissionär
dem Kommittenten nicht den diesem geschuldeten Betrag abliefert, d.h. die
Forderung des Kommittenten nicht erfüllt. Die Strafbarkeit sollte nicht
von der Frage des Eigentumserwerbs nach den zivilrechtlichen Regeln
(Vermischung, indirekte Stellvertretung) abhängen (STOOSS, Vorentwurf
mit Motiven, 1894, S. 163 f.; STOOSS, Bericht über den Vorentwurf
nach den Beschlüssen der Expertenkommission, 1901, S. 13; ZÜRCHER,
Erläuterungen zum Vorentwurf vom April 1908, 1914, S. 147 f.). Mit dem
Begriff "Gut" im deutschen Gesetzestext sollte nach den überzeugenden
Ausführungen von LOUIS BAUDRAZ (L'objet de l'abus de confiance, Thèse
Lausanne 1948, S. 41 ff.) die schwierige Situation überbrückt werden,
dass in den beschriebenen Fällen, etwa der Inkassozession oder der
Verkaufskommission, das anvertraute Objekt nicht mit dem Tatobjekt
identisch ist, die beiden Objekte sich vielmehr lediglich wertmässig
entsprechen. Aus den Materialien geht nicht hervor, dass der historische
Gesetzgeber auch an die unrechtmässige Verwendung anvertrauter Forderungen
dachte und mit dem erstmals im Vorentwurf von 1908 verwendeten Begriff
"Gut" im deutschen Text gerade auch diesen Sachverhalt erfassen wollte.

    Die Gesetzesmaterialien lassen nicht erkennen, aus welchen Gründen
der historische Gesetzgeber beim Tatbestand der Unterschlagung im Sinne
von Art. 141 StGB nicht eine dem Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in etwa
entsprechende Tatbestandsvariante geschaffen hat. Wie im angefochtenen
Urteil unter Berufung auf GERMANN (Zum Tatbestand der Unterschlagung,
ZStrR 78/1962 S. 418/9) zutreffend ausgeführt wird, liegt nach den dem
Gesetz zugrunde liegenden Wertungen und Zweckgedanken die Qualifikation der
Veruntreuung im Sinne von Art. 140 StGB gegenüber der Unterschlagung gemäss
Art. 141 StGB weder im Objekt der Handlung noch im geschützten Rechtsgut,
sondern ausschliesslich im besonderen Vertrauensverhältnis, das bei der
Unterschlagung nicht vorliegt. In den Materialien deutet nichts auf eine
gegenteilige Auffassung des historischen Gesetzgebers hin. Dieser hat
allem Anschein nach nicht bedacht, dass das aus dem zivilrechtlichen
Eigentumserwerb durch Vermischung sich ergebende Problem, welches er
unter anderem lösen wollte, auch in Fällen bestehen kann, in denen dem
Täter nichts anvertraut wurde, sondern diesem durch Irrtum oder sonst
ohne seinen Willen etwa Geld zukam. Der historische Gesetzgeber hat
nicht der Möglichkeit Rechnung getragen, dass auch derjenige, welchem
eine vertretbare Sache, etwa Geld, durch Irrtum oder sonst ohne seinen
Willen zugekommen ist, daran im Zeitpunkt, in dem er den Irrtum bemerkt,
schon durch Vermischung zivilrechtliches Eigentum erworben haben konnte
(vgl. dazu WALTER ZINGG, Das Problem der Unterschlagung vertretbarer
Sachen im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1937, S. 134 ff.).

    Wenn aber die unrechtmässige Verwendung einer anvertrauten Forderung
nach der heute herrschenden Lehre und Rechtsprechung (BGE 109 IV 27)
den Tatbestand von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllen kann, obschon
die romanischen Gesetzestexte ("chose fongible", "cosa fungibile"),
welche das Bundesgericht unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien
zunächst als massgebend erachtete (BGE 90 IV 193 mit Hinweisen, 103 IV
88 E. 1), dagegen sprechen und zudem zumindest zweifelhaft ist, ob der
historische Gesetzgeber an diesen Sachverhalt dachte und gerade auch
ihn mit dem Begriff "Gut" im deutschen Gesetzestext erfassen wollte,
dann müssen Forderungen nach der inneren Logik von Art. 140 und 141
StGB und den diesen beiden Bestimmungen zugrunde liegenden Wertungen und
Zweckgedanken bei objektiv-zeitgemässer Auslegung von Art. 141 StGB auch
Gegenstand der Unterschlagung sein können und daher vom Sachbegriff im
Sinne von Art. 141 StGB erfasst werden.

    c) Im Vorentwurf der Expertenkommission für die Änderung des
Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend die strafbaren
Handlungen gegen das Vermögen und die Urkundenfälschung wird der Tatbestand
der Veruntreuung (Art. 138 VE) im deutschen und im französischen
Text gleich umschrieben wie in Art. 140 StGB. Die Tatbestände der
Unterschlagung und der Fundunterschlagung werden in Abs. 2 von Art. 137 VE
("Unrechtmässige Aneignung") geregelt; Tatobjekt ist die fremde, bewegliche
Sache. Die Expertenkommission hat darauf verzichtet, die Unterschlagung
von Forderungen ausdrücklich unter Strafe zu stellen bzw. beim Tatbestand
der Unterschlagung eine dem heute geltenden Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
in etwa entsprechende Tatbestandsvariante, die in Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2
VE beibehalten wird, zu schaffen. Im Bericht des EJPD zum Vorentwurf
wird dazu unter anderem auf die "Möglichkeit" hingewiesen, "dass die
Rechtsprechung den Sachbegriff im Sinne vom revidierten Artikel 137
wie in BGE 87 (1961) IV 115 trotz der an diesem Urteil erhobenen Kritik
... auf Überweisungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr ausdehnt" (S. 7
unten). Dieses Vorgehen vermag nicht zu befriedigen. Wenn der Gesetzgeber
der Auffassung ist, dass die Unterschlagung von Forderungen, etwa begangen
durch die unrechtmässige Verwendung eines Bankguthabens, welches dem
Täter irrtümlich gutgeschrieben wurde, strafbar ist, dann sollte er
im Rahmen der Revision des Vermögensstrafrechts einen diesbezüglichen
klaren und eindeutigen Tatbestand schaffen. Dies ist unter anderem auch
deshalb wünschenswert, weil, je nach den Umständen des konkreten Falles,
Unsicherheiten in bezug auf den Zeitpunkt der Deliktsvollendung sowie
hinsichtlich der relevanten Tathandlungen bestehen können, so etwa in
Fällen, in denen durch die irrtümliche Überweisung auf ein Konto dessen
Negativsaldo ausgeglichen bzw. eine Kreditlimite wieder unterschritten
wird etc.