Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 719



116 II 719

125. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. November 1990 i.S.
Eheleute A. E. und B. E. gegen Z. (Berufung) Regeste

    Art. 28 Abs. 3 BMM; Rückzug der Anfechtung durch den Mieter.

    Der Rückzug des Begehrens auf Anfechtung der Mietzinserhöhung durch
den Mieter ist keine Einigung im Sinne von Art. 28 Abs. 3 BMM. Eine
Kündigungssperre wird wohl durch die Anerkennung des Anfechtungsbegehrens
seitens des Vermieters, nicht aber durch den Rückzug desselben seitens
des Mieters ausgelöst.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 28 Abs. 3 BMM ist, wenn vor der Schlichtungsstelle eine
Einigung zu Stande kommt, der Vermieter auf die Anrufung der richterlichen
Behörde verzichtet oder im richterlichen Verfahren vollständig oder zu
einem erheblichen Teil unterliegt, die Kündigung in den folgenden zwei
Jahren nichtig, es sei denn, dass die Schlichtungsstelle missbräuchlich
angerufen worden ist. Vorbehalten bleiben verschiedene Beendigungsgründe,
u.a. jener von Art. 267c lit. c OR. Der Wortlaut von Art. 28 Abs. 3
BMM gibt keinen klaren Aufschluss darüber, wie es sich verhält, wenn
der Mieter vor der Schlichtungsstelle sein Begehren auf Anfechtung der
Mietzinserhöhung zurückzieht. Eine Einigung liegt in diesen Fällen
nicht vor. Darunter wäre vielmehr ein Vergleich zu verstehen, bei
welchem beide Parteien Zugeständnisse gemacht haben. Zieht hingegen der
Mieter sein Begehren auf Anfechtung vorbehaltlos zurück oder lässt der
Vermieter die Mietzinserhöhung vorbehaltlos fallen, so erledigt sich der
Streit nicht durch Einigung sondern durch Rückzug bzw. Anerkennung des
Anfechtungsbegehrens. Ob auch in solchen Fällen eine Kündigungssperre
Platz greift, ist nach dem Sinn des Gesetzes zu beantworten. Dieser liegt
darin, den Mieter nicht um die Früchte einer erfolgreichen Anfechtung zu
bringen und den Vermieter daran zu hindern, dass er einen ganzen oder
teilweisen Misserfolg der von ihm angestrebten Mietzinserhöhung durch
eine Kündigung des Mietvertrages unterläuft (Botschaft zum BMM, BBl 1972
I 1'245). Daraus folgt, dass eine Anerkennung des Anfechtungsbegehrens
durch den Vermieter selbstverständlich eine Kündigungssperre auslösen
muss. Anders verhält es sich dagegen bei einem Rückzug der Anfechtung
durch den Mieter. Dieser gibt mit dem Rückzug zu erkennen, dass die
Anfechtung unbegründet war. Für eine Kündigungssperre besteht in einem
solchen Fall kein vernünftiger Grund. Dem angefochtenen Urteil ist daher
in diesem Punkt zuzustimmen. Andernfalls hätte es der Mieter in der Hand,
bei jeder gerechtfertigten Mietzinserhöhung durch eine Anfechtung,
die er nachträglich vor der Schlichtungsstelle wieder zurückzieht,
eine Kündigungssperre auszulösen. In der Literatur wird allerdings die
gegenteilige Meinung vertreten (BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des
mesures contre les abus dans le secteur locatif, S. 136; GMÜR/CAVIEZEL,
Mietrecht-Mieterschutz, 2. A. 1979, S. 87; RAISSIG/SCHWANDER, Massnahmen
gegen Missbräuche im Mietwesen, 3. A., S. 176/77); doch gibt keiner dieser
Autoren für seine Auffassung eine plausible Begründung. GMÜR/CAVIEZEL
betrachten einen vollumfänglichen Rückzug der Anfechtung nur dann als
Einigung im Sinne von Art. 28 Abs. 3 BMM, wenn der Vermieter den Aufschlag
an der Schlichtungsverhandlung erstmals ausreichend begründet und belegt
hat. Ob dem zuzustimmen sei, kann offen bleiben, weil dem angefochtenen
Urteil nicht zu entnehmen ist, dass es sich im vorliegenden Fall so
verhalten habe und in den Berufungen keine zulässige Sachverhaltsrüge
erhoben wird.