Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 707



116 II 707

123. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. November 1990 i.S. A., B.,
C. und D. gegen Genossenschaft X. (Berufung) Regeste

    Art. 544 Abs. 3, Art. 143 OR; Solidarität.

    1. Verkaufen mehrere Aktionäre einer Gesellschaft gleichzeitig dem
gleichen Käufer ihre Aktien, so können sie mit ihm einzeln selbständige
Kaufverträge abschliessen oder sich zu diesem Zweck zu einer einfachen
Gesellschaft zusammenschliessen. Ob eine einfache Gesellschaft vorliegt,
ist nach der Gesamtheit der konkreten Umstände zu beurteilen (E. 1 und 2).

    2. Die fehlende Aufgliederung der verkauften Aktien und des Kaufpreises
begründet eine solidarische Haftung aus dem Kaufvertrag nach Art. 143
OR. Auch weil die Aktionäre beim Verkauf ihrer Aktien gemeinsam aufgetreten
sind, können sie sich nicht auf eine bloss anteilmässige Haftung berufen
(E. 3).

Sachverhalt

    A.- Mit Kaufvertrag vom 25. Mai 1982 verkauften A., B., C., D. und
E. der Genossenschaft X. sämtliche 500 Aktien der Aktiengesellschaft Y.
in Fehraltdorf, die Eigentümerin mehrerer Liegenschaften war. Als Entgelt
vereinbarten die Parteien einen Bar-Kaufpreis von Fr. 430'000.-- nebst der
Übernahme der Schuldpflicht gegenüber der Gesellschaft für den Verkäufern
gewährte Aktionärdarlehen. Die Grundstückgewinnsteuern waren gemäss Ziffer
9 des Kaufvertrages von den Verkäufern zu tragen; E. bezahlte den auf ihn
entfallenden Anteil von Fr. 131'910.-- nicht. Zur Vermeidung der Eintragung
eines gesetzlichen Steuerpfandrechtes war die Genossenschaft X. deshalb
gezwungen, diesen Betrag zuzüglich Zins, insgesamt Fr. 146'308.80,
zu bezahlen.

    B.- Am 9. August 1988 klagte die Genossenschaft X. beim Bezirksgericht
Pfäffikon gegen die Verkäufer A., an dessen Stelle später seine Erben
getreten sind, B., C., D. und E. auf Rückerstattung des Betrages
von Fr. 146'308.80 nebst Zins unter solidarischer Haftbarkeit der
Beklagten. Mit Urteil vom 4. Juli 1989 hiess das Bezirksgericht Pfäffikon
die Klage im reduzierten Betrag von Fr. 146'299.15 gut. Die von den
Beklagten 1-4 dagegen eingereichte Berufung wurde vom Obergericht des
Kantons Zürich mit Urteil vom 24. April 1990 abgewiesen.

    C.- Gegen das Urteil des Obergerichts führen die Beklagten 1-4
eidgenössische Berufung und verlangen die Abweisung der Klage. Die
Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist
die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Forderung der Klägerin stützt sich auf Ziffer 9 des
Kaufvertrages, wonach die Grundstückgewinnsteuern von den Verkäufern
zu tragen sind. Der Rechtsstreit dreht sich einzig um die Frage, ob die
Verkäufer für die Erfüllung dieser Verpflichtung solidarisch haften. Das
Obergericht hat eine solidarische Haftung der Beklagten bejaht, da sie nach
aussen als einfache Gesellschaft in Erscheinung getreten seien; ob zwischen
ihnen auch tatsächlich eine solche bestanden habe, sei unerheblich. Die
Beklagten rügen diese Rechtsauffassung als bundesrechtswidrig.

    a) Die Mitverpflichtung der Beklagten 1-4 aus dem Kaufvertrag
vom 25. Mai 1982 steht im vorliegenden Fall ausser Diskussion, da sie
diesen selbst mitunterzeichnet haben. Streitig ist hingegen, ob diese
Verpflichtung bei teilbarer Leistung eine Teil- oder eine Solidarhaftung
begründet. Bestand zwischen den Verkäufern eine einfache Gesellschaft,
so haften sie gemäss Art. 544 Abs. 3 OR gegenüber dem Käufer solidarisch,
sofern nichts anderes vereinbart wurde.

    b) Das Vertrauen eines Dritten in den Bestand einer einfachen
Gesellschaft ist insoweit geschützt, als der Vertrag zwischen ihm und der
einfachen Gesellschaft auch dann wirksam ist, wenn der Gesellschaftsvertrag
infolge eines Mangels ungültig ist (VON STEIGER, SPR VIII/1, S. 365;
SIEGWART, Vorbem. zu Art. 530-551 OR, N. 116). In diesen Fällen beurteilt
sich das Aussenverhältnis trotz des Mangels nach Gesellschaftsrecht. Ein
Vertrauensschutz besteht auch insoweit, als die Überlassung der
Geschäftsführung an einen Gesellschafter die Vermutung begründet, dieser
sei auch ermächtigt, die Mitgesellschafter gegenüber Dritten zu vertreten
und zu verpflichten. Gegenüber gutgläubigen Dritten ist diese Vermutung
unwiderlegbar (VON STEIGER, aaO, S. 433; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss
des schweizerischen Gesellschaftsrechts, 6. A., § 8 N. 52). Tritt beim
Vertragsabschluss nur ein einzelner Gesellschafter auf, so ist nach dem
Vertrauensprinzip zu beurteilen, ob er den Vertrag nur in eigenem Namen
oder namens der Gesellschaft bzw. sämtlicher Gesellschafter abgeschlossen
hat. Die aus Art. 544 Abs. 3 OR abgeleitete Solidarhaftung gilt allerdings
nur, sofern auch wirklich eine einfache Gesellschaft besteht. Der Anschein
einer einfachen Gesellschaft kann indessen einen Umstand darstellen, aus
welchem der Vertragspartner nach dem Vertrauensprinzip schliessen darf,
dass bei einer Mehrzahl von Personen auf der Gegenseite eine solidarische
Verpflichtung und nicht bloss eine Teilhaftung gewollt ist (Art. 143
Abs. 1 OR). In diesem Sinne ist die Rechtsauffassung des Obergerichts
zu präzisieren.

Erwägung 2

    2.- Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Vorinstanz zu Recht
die Existenz einer einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) bejaht.

    a) Zweck einer einfachen Gesellschaft kann auch der gemeinschaftliche
Abschluss eines Erwerbs- oder Veräusserungsgeschäftes sein (BGE 116 II 52,
110 II 290). Die zur Verfolgung des Gesellschaftszweckes erforderlichen
Mittel, d.h. die von den Gesellschaftern zu erbringenden Beiträge können
in irgendwelchen vermögensrechtlichen oder persönlichen Leistungen
bestehen. Sie können für die einzelnen Gesellschafter verschieden
und brauchen nicht im voraus bestimmt zu sein (BGE 104 II 112; VON
STEIGER, aaO, S. 325). Der Abschluss des Gesellschaftsvertrages kann
auch stillschweigend erfolgen und sich aus dem Verhalten der Partner
ergeben, wobei diesen nicht bewusst sein muss, dass daraus eine einfache
Gesellschaft entsteht (BGE 108 II 208; VON STEIGER, aaO, S. 358;
MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, aaO, § 8 N. 60).

    b) Verkaufen mehrere Aktionäre einer Gesellschaft gleichzeitig dem
gleichen Käufer ihre Aktien, so können sie mit ihm einzeln selbständige
Kaufverträge abschliessen oder sich zu diesem Zweck zu einer einfachen
Gesellschaft zusammenschliessen und ihre Aktien gemeinschaftlich
verkaufen. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Aktien zuerst an
die einfache Gesellschaft als Aktionärin übertragen werden und an den
Aktien Gesamteigentum aller Gesellschafter begründet wird. Als Beitrag
der Gesellschafter genügt vielmehr, wenn sie der Gesellschaft das
Verfügungsrecht über ihre Aktien einräumen (VON STEIGER, aaO, S. 369). Ob
eine Mehrzahl selbständiger Kaufverträge oder ein Zusammenschluss der
verkaufenden Aktionäre zu einer einfachen Gesellschaft vorliegt, ist
aufgrund der Gesamtheit der konkreten Umstände zu beurteilen.

    c) Nach den Feststellungen der Vorinstanz wurden die 500 Aktien
der Aktiengesellschaft Y. gemäss Kaufvertrag vom 25. Mai 1982 en bloc
verkauft und übertragen. Eine Aufteilung des Aktienbesitzes auf die
einzelnen Aktionäre wurde weder im Kaufvertrag noch in den vorangegangenen
Verhandlungen je erwähnt. Ebensowenig wurde gegenüber der Käuferin je eine
Aufteilung des Kaufpreises vorgenommen. Die bei der Vertragsunterzeichnung
zu erbringende Teilzahlung von Fr. 200'000.-- wurde mittels eines einzigen
Checks beglichen, während die Restzahlung mit zwei separaten Checks je zur
Hälfte an A. und E. erfolgte. Für die am 1. September 1983 übergebenen
Aktien wurde ebenfalls nur eine Gesamtquittung ausgestellt.

    Der Abschluss selbständiger Kaufverträge zwischen den einzelnen
Aktionären und der Klägerin hätte vorausgesetzt, dass für jeden Kaufvertrag
einzeln das Kaufobjekt und der Kaufpreis bestimmt worden oder bestimmbar
gewesen wäre (BGE 84 II 18 f.; GIGER, N. 217 und 233 ff. zu Art. 184
OR; MERZ, SPR VI/1, S. 133; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des
Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, S. 191). Fehlte eine solche
Aufgliederung, so konnte nur das gesamte Aktienpaket als solches den
Kaufgegenstand bilden, vorausgesetzt, die Aktionäre haben sich zum Zweck
des gemeinsamen Verkaufs zusammengeschlossen. Die Argumente, welche von
den Beklagten gegen einen solchen Zusammenschluss vorgetragen werden, sind
nicht stichhaltig. Dass im Kaufvertrag die solidarische Verpflichtung der
Verkäufer nicht ausdrücklich erwähnt wurde, schadet nicht, da sich diese
beim Bestand einer einfachen Gesellschaft aus dem Gesetz ergibt. Dass der
Kaufvertrag von allen Aktionären persönlich unterzeichnet wurde, spricht
ebenfalls nicht gegen den Bestand einer einfachen Gesellschaft. Diese
ist nicht verpflichtet, Rechtsgeschäfte durch einzelne Geschäftsführer
anstelle des gemeinsamen Handelns aller Gesellschafter abzuschliessen;
letzteres kann auch im Hinblick auf das Innenverhältnis gewählt worden
sein. Ebenso wenig war erforderlich, dass die Aktionäre, welche
die Vertragsverhandlungen geführt haben, ausdrücklich namens einer
einfachen Gesellschaft hätten auftreten müssen. Ob der Vertrag dann mit
der Gesamtheit der Aktionäre als einfacher Gesellschaft oder mit jedem
Aktionär für seinen Aktienbesitz einzeln abgeschlossen werden sollte,
konnte im übrigen in jenem Zeitpunkt auch noch offenbleiben.

    Entgegen dem Eventualstandpunkt der Beklagten 1-4 ist auch nicht
anzunehmen, die einfache Gesellschaft habe nur zwischen ihnen bestanden,
während E. für sich selbständig gehandelt hätte. Nach den tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil (Art. 63 Abs. 2 OG) war der Käuferin
nicht bekannt, dass die eine Hälfte der Aktien sich im Besitz des Beklagten
5 und die andere im Besitz der Beklagten 1-4 befanden. Das Obergericht
hat auch klar verneint, dass bei den Vertragsverhandlungen der Beklagte 5
jeweils nur in eigenem Namen und der Rechtsvorgänger der Beklagten 1a-c als
Vertreter der übrigen Aktien aufgetreten wäre. Die hälftige Aufteilung des
Kaufpreises erfolgte erst bei der Schlusszahlung vom 1. September 1983,
also mehr als 15 Monate nach dem Vertragsabschluss. Dass der Beklagte
5 gegenüber den Steuerbehörden dann nur noch seine eigenen Interessen
wahrgenommen haben soll, spricht ebenfalls nicht gegen seine Zugehörigkeit
zur einfachen Gesellschaft. Für die Grundstückgewinnsteuer waren von
Gesetzes wegen die verkaufenden Aktionäre einzeln steuerpflichtig, und
die Auseinandersetzung mit den Steuerbehörden begann erst nach vollzogener
Übertragung der Aktien gegen Erbringung der Schlusszahlung, also ebenfalls
lange Zeit nach Vertragsabschluss. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist
sich die Berufung somit als unbegründet.

Erwägung 3

    3.- Selbst ohne Bestand einer einfachen Gesellschaft wäre im übrigen
auch allein aus dem Kaufvertrag vom 25. Mai 1982 eine solidarische
Verpflichtung der Verkäufer abzuleiten. Gemäss Art. 143 OR sind zwar bei
einer Mehrzahl von Schuldnern mangels anderer Abrede Teilverpflichtungen
anzunehmen. Die solidarische Verpflichtung kann sich indessen
auch stillschweigend aus den Umständen und dem sonstigen Inhalt des
Vertrages als gewollt ergeben (BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht,
Allgemeiner Teil, 2. A., S. 493; VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des
Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, S. 300; OSER-SCHÖNENBERGER,
N. 4 zu Art. 143 OR). Diese Umstände sind nach dem Vertrauensprinzip
auszulegen (ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 562). Die
Tatsache des gemeinsamen Vertragsabschlusses genügt allerdings nicht
für die Annahme einer Solidarschuld (BGE 49 III 211). Eine solche wurde
indessen vom Bundesgericht unter ausdrücklichem Ausschluss des Bestandes
eines Gesellschaftsverhältnisses bejaht beim Bieten zweier Interessenten an
der Versteigerung eines Grundstücks (BGE 47 III 213 ff.). In der kantonalen
Rechtsprechung wurde Solidarität angenommen bei gemeinsamer Geldaufnahme
durch Ehegatten für gemeinsame Bedürfnisse (Rep. 1984, 353 ff.; BJM 1972,
85 ff.) sowie für Verpflichtungen aus einem Gemeinschaftskonto (ZR 1953
Nr. 87).

    Im vorliegenden Fall würde die fehlende Aufgliederung der verkauften
Aktien und des Kaufpreises auf die einzelnen Aktionäre auch genügen, um aus
dem Kaufvertrag selbst die solidarische Verpflichtung der Verkäufer nach
Art. 143 Abs. 1 OR zu begründen. Die Klägerin konnte ein gesetzliches
Pfandrecht auf ihren erworbenen Grundstücken nur durch Bezahlung des
auf den Beklagten 5 entfallenden Anteils an den Grundstückgewinnsteuern
vermeiden. Weil die Beklagten beim Verkauf ihrer Aktien gemeinsam
aufgetreten sind, können sie sich auch aus diesem gegenüber der Klägerin
nicht auf eine bloss anteilmässige Haftung berufen und müssen auch für
die Pflichtverletzung des Beklagten 5 solidarisch einstehen.