Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 700



116 II 700

122. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1990 i.S.
Firma F. gegen A. (Berufung) Regeste

    Art. 339 Abs. 2, Art. 347a, Art. 350a Abs. 1 OR; Art. 2 Abs.
2 ZGB; Vereinbarung über Provisionsansprüche des Handelsreisenden,
rechtsmissbräuchliche Berufung auf das Fehlen der Schriftform; Fälligkeit
der Provisionsforderungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

    1. Die Berufung des Arbeitgebers auf den Formmangel einer bloss
mündlich geschlossenen Vereinbarung über Provisionen kann auch dann
rechtsmissbräuchlich sein, wenn daraus ein Anspruch des Handelsreisenden
auf Vertragserfüllung entsteht (E. 3).

    2. Da Art. 350a Abs. 1 OR nicht die Fälligkeit, sondern den Umfang der
Provisionsguthaben regelt, ist es zulässig, die Fälligkeit der in Art. 339
Abs. 2 OR umschriebenen Forderungen durch schriftliche Abrede über den
Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Werner A. war vom 2. Dezember 1974 bis 30. April 1987 Angestellter
der Firma F. Er arbeitete zunächst sowohl im Innen- wie im Aussendienst
und dann ab 1. Dezember 1982 ausschliesslich im Aussendienst als
Handelsreisender. Die Arbeitsbedingungen wurden in mehreren, im Laufe der
Jahre aufeinanderfolgenden Verträgen geregelt. Der letzte, von beiden
Parteien unterschriebene Vertrag stammt vom 6. Dezember 1982. Nach
Beendigung der Anstellung entstanden zwischen A. und seiner früheren
Arbeitgeberin Meinungsverschiedenheiten über die Höhe noch offener
Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis. Streitig waren insbesondere die
Provisionsguthaben.

    Auf Klage von A., mit der er die Zahlung von Fr. 65'069.65 verlangte,
verpflichtete das Bezirksgericht Rorschach die Firma F. mit Urteil vom
1./8. Juni 1989, dem Kläger Fr. 62'624.15 nebst 5% Zins seit 6. Mai 1987
auf Fr. 57'393.60 zu zahlen.

    Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte Berufung beim Kantonsgericht St.
Gallen mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger
schloss sich der Berufung an und verlangte die Gutheissung der Klage
im herabgesetzten Umfang von Fr. 64'576.15 nebst Zins. Mit Urteil vom
9. Mai 1990 verpflichtete das Kantonsgericht die Beklagte, dem Kläger
Fr. 59'345.60 nebst 5% Zins seit 6. Mai 1987 für Fr. 14'104.55 und seit
1. Mai 1988 für den vollen Betrag zu zahlen.

    Beide Parteien fochten das Urteil des Kantonsgerichts beim
Bundesgericht an. Dieses weist die Berufung der Beklagten und die
Anschlussberufung des Klägers ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Vereinbarungen über das Entgelt und den Auslagenersatz des
Handelsreisenden müssen gemäss Art. 347a Abs. 1 lit. c OR schriftlich
festgehalten werden. Die Schriftform ist nach eindeutigem Wortlaut von Art.
347a Abs. 2 OR nicht Gültigkeitserfordernis in dem Sinne, dass insoweit
eine Teilnichtigkeit des Vertrages anzunehmen wäre, denn falls sie
fehlt, wird der in Absatz 1 aufgezählte Inhalt des Vertrages durch die
gesetzlichen Vorschriften und die üblichen Arbeitsbedingungen bestimmt.

    Diese besondere gesetzliche Ausgestaltung der Folgen des Formmangels
lässt erkennen, dass das Formerfordernis - wie auch sonst im Gebiet des
Arbeitsrechts üblich - vor allem zum Schutz des Arbeitnehmers angeordnet
worden ist. Wegen ihrer Klarstellungs- und Beweisfunktion dient die
Schriftform aber auch dem Interesse des Arbeitgebers (Botschaft des
Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Revision des
Arbeitsvertragsrechts vom 25. August 1967, BBl 1967 II 409; REHBINDER,
Schweizerisches Arbeitsrecht, 9. Aufl., S. 120). Keine Rolle spielen
dagegen die Interessen der Öffentlichkeit oder jene von nicht am
Vertragsverhältnis beteiligten Drittpersonen.

    b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann das Verhalten der
an einem formungültigen Vertrag beteiligten Parteien dazu führen, dass die
von einer Partei erhobene Einrede des Formmangels als rechtsmissbräuchlich
beurteilt wird. Ob dies zutrifft, hat der Richter nicht nach starren
Regeln, sondern unter Würdigung aller Umstände des konkreten Falles zu
entscheiden. Dabei kommt der freiwilligen und irrtumsfreien Erfüllung
des mangelhaften Vertrages durch die Parteien besondere Bedeutung zu. Als
Grundsatz gilt aber, dass aus dem Rechtsmissbrauchsverbot kein Anspruch auf
Vertragserfüllung abgeleitet werden kann. In der Praxis des Bundesgerichts
ist dieses Prinzip mit Billigung der Lehre indessen dahin eingeschränkt
worden, dass die Berufung auf den Formmangel auch dann rechtsmissbräuchlich
sein kann, wenn der Vertrag zwar noch nicht vollständig, aber doch in
der Hauptsache erfüllt worden ist (BGE 112 II 111 E. 3, 332 E. 2,
104 II 101 E. 3; MERZ, N. 476 zu Art. 2 ZGB; derselbe, Vertrag und
Vertragsschluss, S. 215; ALFRED KOLLER, Vom Formmangel und seinen Folgen,
in: Der Grundstückkauf, N. 239 ff. S. 109 ff.; im Ergebnis gleich, aber
mit anderer Begründung: SCHMIDLIN, Der formungültige Grundstückkauf,
ZSR 1990/Bd. 109, I. Halbband, S. 245 ff.).

    Diese Praxis ist vor allem in Fällen des Formmangels bei
Grundstückkaufverträgen entwickelt und angewandt worden. Bei solchen
Verträgen erfüllt die Formvorschrift aber eine andere Funktion als
im vorliegenden Fall. Zudem dient sie nicht nur den Interessen der
Vertragsparteien, sondern auch jenen der Öffentlichkeit. Schliesslich hat
der Formmangel beim Grundstückkauf die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge
(BGE 112 II 334; zu den abweichenden Lehrmeinungen braucht hier nicht
Stellung genommen zu werden). Eine Verletzung von Art. 347a Abs. 1 OR
berührt dagegen die Gültigkeit des Vertrages als Ganzes nicht.

    Unter diesen Umständen kommt dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes,
der Gebundenheit der Parteien an ihr früheres vertrauenswürdiges
Verhalten, d.h. der Missbilligung widersprüchlichen Verhaltens,
entscheidende Bedeutung zu. Öffentliche oder Drittinteressen gebieten
keine Einschränkung. Der Schutzzweck der Formvorschrift, der in diesem
Zusammenhang berücksichtigt werden kann (BGE 112 II 337 mit Hinweisen),
spricht ebenfalls für die Aufrechterhaltung der dem Kläger günstigeren
mündlichen Vereinbarung. Von Bedeutung ist schliesslich auch, dass
es um regelmässig wiederkehrende und während längerer Zeit erbrachte
Leistungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses geht. Wie in der
Literatur zu Recht hervorgehoben wird, besteht in solchen Fällen ein
besonderes Bedürfnis, den Rechtsmissbrauch auch dann zu bejahen, wenn
sich daraus ein Erfüllungsanspruch jener Partei ergibt, die sich auf die
Verbindlichkeit der an einem Formmangel leidenden Vereinbarung beruft
(SCHMIDLIN, N. 131 ff. zu Art. 11 OR). Schwierig zu entscheiden ist
allerdings, ab welchem Stadium der Vertragsabwicklung die Berufung auf den
Formmangel als missbräuchlich beurteilt werden muss. Diese Frage braucht
jedoch nicht allgemein erörtert zu werden, da die Einrede des Formmangels
im vorliegenden Fall Provisionsguthaben betrifft, die während mehr als
fünf Jahren von der Arbeitgeberin regelmässig und vorbehaltlos anerkannt
sowie ausbezahlt worden sind und deren vertragliche Grundlage sie erst nach
Beendigung des Vertragsverhältnisses in Frage gestellt hat. Bei Vorliegen
solch eindeutiger Verhältnisse ist das Vertrauen des Klägers in die Geltung
der stillschweigenden Vereinbarung zu schützen; das widersprüchliche
Verhalten der Beklagten verdient dagegen keinen Rechtsschutz.

    Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie
eingetreten werden kann.

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. 339 Abs. 1 OR gilt als Regel, dass mit der Beendigung
des Arbeitsvertrages alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig
werden. Ausnahmsweise kann die Fälligkeit durch schriftliche Abrede
hinausgeschoben werden; nämlich dann, wenn es um Provisionsforderungen
geht, die sich auf Geschäfte beziehen, welche ganz oder teilweise nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden (Art. 339 Abs. 2
OR). Art. 350a Abs. 1 OR hält andererseits fest, bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses seien dem Handelsreisenden die Provisionen auf allen
Geschäften auszurichten, die er abgeschlossen oder vermittelt hat, sowie
auf allen Bestellungen, die bis zur Beendigung dem Arbeitgeber zugehen,
ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Annahme und Ausführung. Von dieser
Vorschrift darf nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden
(Art. 362 OR).

    Aufgrund der Entstehungsgeschichte von Art. 350a Abs. 1 OR ist
das Kantonsgericht zum Ergebnis gekommen, diese Vorschrift stelle
keine Fälligkeitsregel auf, sondern halte lediglich den Umfang des
Provisionsanspruchs bei Vertragsende fest; die mit Art. 339 Abs. 2
OR übereinstimmende Vereinbarung unter Ziffer V. 2. des Vertrages
vom 6. Dezember 1982 sei deshalb gültig. Mit der Anschlussberufung
wird geltend gemacht, die Auslegung des Kantonsgerichts widerspreche
der vorherrschenden Lehre und stelle zu stark auf die Materialien ab;
die richtige, systematische Auslegung ergebe, dass Art. 350a Abs. 1 OR
die Fälligkeit aller Provisionsguthaben zwingend auf den Zeitpunkt der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses festlege.

    a) Es trifft zwar zu, dass in der Lehre die Auffassung vertreten
wird, Art. 350a Abs. 1 OR betreffe die Fälligkeit der Provisionsguthaben
und sei als Sonderregel im Verhältnis sowohl zu Art. 339 Abs. 2
OR wie auch zu Art. 322b OR zu verstehen (STREIFF, Leitfaden zum
Arbeitsvertragsrecht, 4. Aufl., N. 3 zu Art. 350a OR). SCHWEINGRUBER
folgert aus Art. 350a Abs. 1 OR, alle abgeschlossenen oder vermittelten
Geschäfte sowie die bis Vertragsende zugegangenen Bestellungen sollten
abgerechnet, berücksichtigt und ausbezahlt werden, würden also fällig;
diese Vorschrift gehe als zwingende Spezialvorschrift für den Fall
der Vertragsbeendigung Art. 322b OR vor. Zum Verhältnis von Art. 350a
Abs. 1 OR zu Art. 339 Abs. 2 OR äussert er sich dagegen nicht (Kommentar
zum Arbeitsvertrag, S. 376/7). REHBINDER begnügt sich damit, bezüglich
Art. 350a OR festzuhalten, alle Provisionen seien mit Beendigung des
Arbeitsverhältnisses fällig, ohne seine Äusserung aber zu begründen
(Schweiz. Arbeitsrecht, 9. Aufl., S. 123). Teilweise anderer Meinung
ist BEAT MEYER, der in Art. 350a Abs. 1 OR eine allgemeine, aber nicht
zwingende Vorschrift über die Fälligkeit sieht, da gestützt auf Art. 339b
Abs. 2 OR durch schriftliche Abrede davon abgewichen werden könne (Das
Anstellungsverhältnis des Handelsreisenden, Diss. Zürich 1978, S. 67 ff.).
Anderer Ansicht ist auch KURT BRUNNER (Das Rechtsverhältnis zwischen
Versicherer und Vermittlungsagent und seine Drittwirkungen, Diss. Zürich
1981, S. 128), der mit gleicher Begründung wie die Vorinstanz verneint,
dass Art. 350a Abs. 1 OR die Frage der Fälligkeit regle, und allein die
Vorschrift von Art. 339 OR für massgebend hält. Entgegen der Behauptung
des Klägers kann somit nicht von einer vorherrschenden Lehrmeinung in
seinem Sinne gesprochen werden.

    b) Auf den deutschen Wortlaut von Art. 350a Abs. 1 OR darf bei
der Auslegung nicht entscheidend abgestellt werden, weil sowohl der
französische wie auch der italienische Text nicht damit übereinstimmen. Es
heisst dort nicht, die Provision sei dem Handelsreisenden bei Beendigung
des Vertragsverhältnisses auszurichten, sondern beide romanischen Fassungen
verwenden die Formulierung, der Handelsreisende habe in diesem Zeitpunkt
"Anspruch auf die Provision" ("le voyageur de commerce a droit à la
provision", "il commesso viaggiatore ha diritto alla provvigione"). Wie die
Vorinstanz zutreffend festhält, gilt bei der Auslegung von Bundesgesetzen
der Grundsatz der Gleichwertigkeit der drei Amtssprachen. Es darf deshalb
ohne Anhaltspunkte ausserhalb des Wortlautes keiner der drei Fassungen
gegenüber den anderen der Vorzug gegeben werden (MEIER-HAYOZ, N. 98 ff. zu
Art. 1 ZGB; BGE 107 Ib 230).

    c) Aufschluss über das Verhältnis zwischen Art. 350a Abs. 1
OR und Art. 339 Abs. 2 OR sowie deren Bedeutung gibt dagegen die
Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen.

    Anlässlich der Revision des Arbeitsvertragsrechts durch das
Bundesgesetz vom 25. Juni 1971 (AS 1971 1465) wurden die Vorschriften
des Bundesgesetzes über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden
vom 13. Juni 1941 (HRAG) in das Obligationenrecht eingefügt. Dabei
wurden bestimmte Regeln des HRAG zu allgemeinen Bestimmungen des
Arbeitsvertragsrechts ausgestaltet. So verhält es sich mit den Absätzen
1 und 2 von Art. 339 OR, die inhaltlich auf die Absätze 1 und 3 von
Art. 17 HRAG zurückgehen. Andere Bestimmungen des HRAG blieben jedoch
Sonderrecht und wurden deshalb systematisch beim Zweiten Abschnitt des
Zehnten Titels des Obligationenrechts lit. B unter der Überschrift "Der
Handelsreisendenvertrag" eingeordnet. Dazu gehört Absatz 2 von Art. 17
HRAG, dessen hauptsächlicher Inhalt von Art. 350a Abs. 1 OR übernommen
worden ist (Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, BBl 1967 II
266 f.).

    Die drei Absätze von Art. 17 HRAG sind somit voneinander getrennt
worden. Ihre Bedeutung in der ursprünglichen Verbindung ist indessen
eindeutig. Während die Absätze 1 und 3 die Fälligkeit von Gehalt,
Provision und Auslagenersatz des Handelsreisenden regelten, wurde mit
Absatz 2 klargestellt, dass der Provisionsanspruch auch für Geschäfte
oder Offerten besteht, deren Erfüllung oder Annahme erst nach der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintritt. Diese Bestimmung regelte
somit den Umfang der Provisionsberechtigung und nicht die Fälligkeit
der entsprechenden Provisionsforderungen. Das muss nach dem Gesagten
auch für Art. 350a Abs. 1 OR gelten. Auf den Umstand, dass Art. 17
Abs. 2 HRAG mit Art. 350a Abs. 1 OR übernommen worden ist, weisen denn
auch die besonderen Bemerkungen der Botschaft des Bundesrates zu dieser
Bestimmung hin (BBl 1967 II 413). Die Bedeutung von Art. 339 Abs. 1 und 2
OR und damit das Verhältnis zu Art. 350a Abs. 1 OR wird im übrigen auch
in den besonderen Bemerkungen zu Art. 339 OR klargestellt (BBl 1967 II
392). Danach wurde die schon vorher aufgrund von Art. 333 Abs. 2 OR
und Art. 17 Abs. 1 HRAG geltende Regel verallgemeinert, indem Art. 339
Abs. 1 OR die Fälligkeit aller Forderungen beider Vertragsparteien mit der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten lässt. In der Botschaft wird
sodann ausgeführt, die in Absatz 2 vorgesehene Ausnahme von dieser Regel,
d.h. eine spätere Fälligkeit, könne für bestimmte Provisionsforderungen
schon nach geltendem Recht beim Handelsreisenden schriftlich vorgesehen
werden (Art. 17 Abs. 3 HRAG); der Entwurf übernehme diese Regel für
alle Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden (BBl 1967 II 392).

    Die erwähnten Bestimmungen des Entwurfs des Bundesrates wurden von
beiden Kammern des Parlamentes diskussionslos angenommen (Amtl.Bull. 1969
NR 842, 859; 1970 StR 361, 365).

    d) Die Entstehungsgeschichte erlaubt somit eine klare Beantwortung
der Auslegungsfrage. Es handelt sich zudem nicht um eine dem Wortlaut
widersprechende Auslegung, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint. Denn
einerseits ist die in der deutschen Fassung von Art. 350a Abs. 1 OR
gebrauchte Wendung "die Provision ist auszurichten" insoweit nicht
eindeutig und andererseits darf aus den bereits erwähnten Gründen (vorne
E. 4b) nicht entscheidend auf den deutschen Wortlaut abgestellt werden.

    Unbegründet ist sodann auch der Einwand des Klägers, die Materialien
seien für die Auslegung nicht massgebend, weil die Vorschriften schon
über zwanzig Jahre alt seien. Dieser Gesichtspunkt ist zwar in mehreren
Entscheiden des Bundesgerichts erwähnt worden (BGE 114 Ia 196, 111 II 152,
108 Ia 37, 103 Ia 290 mit Hinweisen). Er kann aber nicht in jedem Fall,
sondern nur dann von Bedeutung sein, wenn Anlass zur Annahme besteht, dass
die klar erkennbare Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen inzwischen
eingetretenen bedeutenden Änderungen den massgebenden Verhältnissen und
Anschauungen nicht mehr gerecht wird (MEIER-HAYOZ, N. 154 ff. zu Art. 1
ZGB). Dass das hinsichtlich Art. 339 OR und Art. 350a OR zutrifft,
wird vom Kläger weder behauptet noch nachgewiesen und ist auch nicht
ersichtlich. Schliesslich ist nicht einzusehen, warum eine systematische
Auslegung zu einem anderen Ergebnis führen muss, wie der Kläger geltend
macht. Die systematischen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen
Gesetzesbestimmungen sind bereits aufgezeigt worden und ergeben im Rahmen
der gesamten Regelung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchaus
einen Sinn.

    e) Die mit der Anschlussberufung angefochtene Auslegung verstösst
demnach nicht gegen Bundesrecht. Die Vorinstanz ist zutreffend von
der Gültigkeit der Vereinbarung unter Ziffer V. 2. des Vertrages vom
6. Dezember 1982 ausgegangen, soweit damit der Zeitpunkt der Fälligkeit
der Provisionsforderungen geregelt wird, und hat dementsprechend die
Verzugszinsforderung des Klägers von Fr. 5'230.55 zu Recht abgewiesen. Die
Anschlussberufung des Klägers erweist sich als unbegründet.