Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 695



116 II 695

121. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. September
1990 i.S. X. gegen Y. (Berufung) Regeste

    Haftung aus Gefälligkeit (Art. 41 OR).

    1. Haftung aus Vertrag oder Gefälligkeit? Eine rechtliche
Verpflichtung im Sinne eines obligatorischen Schuldverhältnisses setzt
Konsens sowie einen Rechtsfolgewillen voraus (E. 2a). Vorliegen einer
Gefälligkeit? (E. 2b/bb).

    2. Keine Haftung aus culpa in contrahendo ohne Rechtsbindungswillen
des Leistenden (E. 3).

    3. Wann haftet der aus Gefälligkeit Leistende aus Art. 41 OR? (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Der Kläger X. erwarb im Jahre 1979 den "Paradieserhof" in Beringen
SH. Er liess durch einen Architekten ein Projekt für die Renovation der
Liegenschaft erarbeiten, welches er jedoch nicht ausführen liess, da ihm
die veranschlagten Kosten von rund Fr. 700'000.-- zu hoch erschienen. In
der Folge wurde der Umbau ohne Beizug des Architekten an die Hand
genommen und namentlich eine neue Heizungsanlage eingebaut. Dabei half
der Bruder der Lebensgefährtin des Klägers, Y. (Beklagter), von Beruf
Heizungsinstallateur, mit.

    Die neue Heizungsanlage versagte am 27. Januar 1985 ihren
Dienst. Daraus erwuchs dem Kläger ein behaupteter Schaden von
Fr. 22'826.50, für welchen er den Beklagten verantwortlich hält.

    B.- Am 7. Dezember 1987 machte der Kläger den Schadenersatzanspruch
gerichtlich geltend. Mit Urteil vom 17. August 1989 wies das Bezirksgericht
Liestal die Klage ab. Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft
bestätigte diesen Entscheid am 27. März 1990 unter Abweisung einer
Appellation des Klägers. Beide kantonale Instanzen halten dafür, zwischen
den Parteien sei kein Vertrag zustande gekommen, in welchem der Beklagte
sich zur Gesamtkoordination bei der Installation der Heizungsanlage
verpflichtet hätte. Überdies verneinte das Obergericht eine Haftung des
Beklagten aus culpa in contrahendo.

    C.- Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers ab, soweit es
darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach dem Hauptstandpunkt des Klägers hat der Beklagte sich bei der
Erstellung der Heizungsanlage als Gesamtkoordinator verpflichtet und damit
vertraglich die Gesamtverantwortung für deren Konstruktion übernommen.

    a) Vertragliche Bindung setzt einen tatsächlichen oder normativen
Konsens voraus, auf seiten des Verpflichteten einen ausdrücklich
oder vertrauenstheoretisch erklärten Rechtsfolgewillen. Fehlt es an
einer solchen Willenskundgabe, tritt keine rechtliche Verpflichtung im
Sinne eines obligatorischen Schuldverhältnisses ein (KRAMER, Allgemeine
Einleitung in das schweizerische Obligationenrecht, N 62; MERZ, Vertrag
und Vertragsschluss, S. 4 ff. Rz. 4 ff.). Ob ein Rechtsfolgewille
oder Geschäftswille tatsächlich geäussert und vom Erklärungsempfänger
übereinstimmend mit dem Erklärenden verstanden wurde, ist Tatfrage, welche
vom kantonalen Sachrichter grundsätzlich abschliessend zu beurteilen
ist. Rechtsfrage ist dagegen, wie die Geschäftspartner die gegenseitigen
Willensäusserungen nach Treu und Glauben verstehen durften und mussten
(BGE 113 II 50).

    b) Das Obergericht stellt beweismässig keinen tatsächlich erklärten
Geschäftswillen des Beklagten im Hinblick auf die Gesamtkoordination
der Heizungsanlage fest. Ob der Beklagte ein Verhalten an den Tag
gelegt hat, aus dem der Kläger in guten Treuen auf das Vorhandensein
eines solchen Willens schliessen durfte (BGE 69 II 322), prüft das
Bundesgericht als Rechtsfrage frei. Massgebend sind die Umstände,
die den Parteien im fraglichen Zeitpunkt bekannt oder erkennbar waren,
sowie der Verständnishorizont des Empfängers einer konkludent geäusserten
Willensäusserung (BGE 107 II 418 E. 6). Dabei sind wiederum Tatfragen, was
die Parteien im damaligen Zeitpunkt wussten und erkannten, wie der äussere
Handlungsablauf erfolgte sowie welche Umstände beweismässig erstellt sind
und damit für die normative Auslegung tatsächlich in Betracht gezogen
werden können.

    aa) Das Obergericht hält für unbewiesen, dass die Initiative
zur Mitarbeit vom Beklagten ausgegangen sei, dass dieser Pläne und
Berechnungen erstellt oder konzeptionelle Weisungen an die Handwerker
erteilt habe. Beweismässig stellt es demgegenüber fest, der Beklagte
habe Projektpläne mit seinem Firmenstempel versehen, um dem Kläger
Materialbezüge zu günstigeren Konditionen zu ermöglichen, habe einzelne
Ausführungsweisungen für das Verlegen von Leitungen erteilt und sich
für gewisse Vermittlerdienste zur Verfügung gestellt. Dagegen habe
der Kläger die Verträge mit den Handwerkern selbst abgeschlossen und
sei das Projekt der Heizungsanlage durch zwei Architekten erstellt und
gezeichnet worden. Unter diesen Umständen aber habe der Kläger nach dem
Vertrauensprinzip nicht davon ausgehen dürfen, der Beklagte habe sich
zur Gesamtkoordination verpflichtet und die Verantwortung dafür übernommen.

    bb) Die Auffassung des Obergerichts ist bundesrechtlich nicht zu
beanstanden. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz lassen
den Schluss auf einen rechtsgeschäftlichen und damit vertraglichen
Bindungswillen des Beklagten nicht zu. Zwar trifft zu, dass namentlich
im Bereich der Arbeitsleistungen für Dritte die Schwelle vertraglicher
Bindungen relativ tief angesetzt ist, indem vordringlich auf das
tatsächliche Leistungsversprechen abzustellen ist (etwa Art. 320
Abs. 2 OR), die Vereinbarung eines Entgelts für die Arbeitsleistung
nicht Gültigkeitsvoraussetzung (Art. 320 Abs. 2, 322 Abs. 1, 374 und 394
Abs. 3 OR) und im Auftragsrecht nicht einmal essentiale des Vertrages ist
(Art. 394 Abs. 3 OR). Indessen kommen auch im Bereich der Arbeitsleistungen
unverbindliche Gefälligkeiten vor, welche eine Vertragsbindung nicht
entstehen lassen und insbesondere zu keiner Vertragshaftung des Leistenden
bei Nicht- oder Schlechterfüllung führen (vgl. zum Gesamten KRAMER, aaO,
N 61 ff.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N 121 ff. zu Art. 1 OR; HOFSTETTER, SPR
VII/2, S. 14 f.; BUCHER, Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. Aufl.,
S. 226/7). Ob Vertrag oder Gefälligkeit vorliegt, entscheidet sich nach den
Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Art der Leistung, ihrem Grund
und Zweck, ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, den Umständen,
unter denen sie erbracht wird, und der bestehenden Interessenlage der
Parteien. Für einen Bindungswillen spricht ein eigenes, rechtliches
oder wirtschaftliches Interesse des Leistenden an der gewährten Hilfe
oder ein erkennbares Interesse des Begünstigten, fachmännisch beraten
oder unterstützt zu werden. Dabei obliegt es demjenigen, welcher sich
auf eine vertragliche Bindung beruft, die Umstände darzutun, unter
denen er nach dem Vertrauensgrundsatz auf einen Rechtsfolgewillen des
Leistenden schliessen durfte (Art. 8 ZGB). Solche Umstände aber sind
vorliegend jedenfalls für die beanspruchte Koordinationsleistung nicht
festgestellt. Aus den Tatsachen, dass der Beklagte dem Kläger zu günstigen
Materialbezügen verhalf und ihn bei der Arbeitsausführung unterstützte,
durfte dieser nach Treu und Glauben nicht darauf schliessen, er habe
sich als Projektleiter verpflichtet und übernehme die Verantwortung für
ein mängelfreies Anlagekonzept. Bundesrechtskonform verneint daher das
Obergericht eine vertragliche Haftung des Beklagten. Dies rechtfertigt
sich umso mehr, als nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen
die Verwandtschaft des Beklagten zu der Lebensgefährtin des Klägers für
den Beizug ausschlaggebend war und die Arbeitskoordination grundsätzlich
durch die Lebensgefährtin selbst besorgt wurde.

    cc) An dieser Rechtslage ändert entgegen der Auffassung des Klägers
nichts, dass der mit Ersatzansprüchen konfrontierte Beklagte seinen
Haftpflichtversicherer benachrichtigt hat. Abgesehen davon, dass die
Meldung eines an sich bestrittenen Versicherungsfalls ebenfalls zu
den Obliegenheiten eines (vorsichtigen) Versicherungsnehmers gehört,
vermöchte das spätere Verhalten des Beklagten höchstens ein Indiz für
einen ursprünglichen, tatsächlichen Willen abzugeben, wirkt indessen
nicht mehr vertrauensbildend (BGE 107 II 418 E. 6). Einen tatsächlichen
Bindungswillen aber verneint die Vorinstanz verbindlich.

Erwägung 3

    3.- War ein Rechtsbindungswille des Beklagten weder tatsächlich
gegeben noch objektiv zu interpretieren, entfällt auch eine Haftung aus
culpa in contrahendo. Diese Haftung beruht auf der Überlegung, dass die
Parteien sich während der Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben zu
verhalten haben (BGE 105 II 79 E. 2a), setzt mithin begriffsnotwendig die
Führung von Vertragsverhandlungen voraus. Erfolgten aber die Leistungen des
Beklagten subjektiv wie vertrauenstheoretisch bloss gefälligkeitshalber,
bleibt für die Annahme von Vertragsverhandlungen und damit für eine culpa
in contrahendo kein Raum.

Erwägung 4

    4.- Der Kläger beruft sich schliesslich auf eine deliktische
Haftung des Beklagten nach Art. 41 OR. Entgegen der Meinung des
Beklagten fällt dieses Vorbringen nicht unter das Novenverbot des
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG. Vielmehr hat das Bundesgericht nach Massgabe
des festgestellten Sachverhalts das Recht von Amtes wegen anzuwenden,
ohne an die Rechtsauffassungen der Parteien gebunden zu sein (BGE 115 II
58 E. 1a und 465 E. 1, je mit Hinweisen), und sind daher neue rechtliche
Vorbringen im Berufungsverfahren zulässig, sofern sie nicht auf einer
Ausweitung des vorinstanzlich festgestellten Sachverhalts beruhen (BGE
109 II 283 E. 2, 108 II 217 E. 1, je mit Hinweisen).

    Das Bundesgericht wertet Gefälligkeiten, welche weder in Ausübung
eines Gewerbes noch gegen Entgelt erfolgen, als ausservertragliches Handeln
(BGE 112 II 350 E. 1a mit Hinweis). Es hat dabei den Grundsatz entwickelt,
dass aus Art. 41 OR schadenersatzpflichtig wird, wer aufgrund seines
Fachwissens in Anspruch genommen wird, wunschgemäss Auskünfte erteilt
oder Gefälligkeitsleistungen erbringt und dabei wider besseres Wissen
oder leichtfertig unrichtige Angaben macht oder wesentliche Tatsachen
verschweigt, die ihm bekannt sind und von denen er sich sagen muss, dass
ihre Kenntnis den in Frage stehenden Entschluss beeinflussen könnten (BGE
111 II 474 E. 3). Der Befragte übernimmt dabei eine Garantenstellung,
die eine ausservertragliche Sorgfaltspflicht und bei deren schuldhafter
Verletzung eine Schadenersatzpflicht begründet (MERZ, aaO, S. 77 Rz. 135;
KRAMER, aaO, N 68; FLUME, Das Rechtsgeschäft, S. 90 ff.).

    Eine deliktische Haftung des Beklagten wäre in Betracht zu ziehen,
wenn er eine ausserhalb eines Vertrages übernommene Koordinationsaufgabe
hinsichtlich der Erstellung der Heizungsanlage schuldhaft nicht
oder schlecht gelöst, insbesondere die objektiv gebotene Sorgfalt
vorsätzlich oder fahrlässig missachtet hätte. Nach den verbindlichen
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz aber hat der Beklagte eine
solche Koordination weder übernommen noch tatsächlich bewirkt oder zu
bewirken versucht. Mithin hat er nach diesen Feststellungen auch keine
Gefälligkeit in dieser Richtung geleistet und kann daher nicht aus
behaupteter Sorgfaltspflichtverletzung belangt werden. Die Berufung
erweist sich auch diesbezüglich als unbegründet.