Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 594



116 II 594

106. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Oktober 1990
i.S. K. gegen B. und Konsorten (Berufung) Regeste

    Art. 14 und Art. 15 BMM; Mietzinserhöhung zur Erreichung einer
angemessenen Rendite.

    1. Unter den Anlagekosten im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM sind
die Investitionen des Erstellers einer Neubaute oder des Ersterwerbers
nach der Fertigstellung zu verstehen (E. 4 und 5).

    2. Die Bestimmung von Art. 14 BMM hat im Verhältnis zu jener von
Art. 15 - insbesondere Abs. 1 lit. c - selbständige Bedeutung. Sie ist
deshalb unmittelbar, d.h. auch dann anwendbar, wenn eine Anwendung von
Art. 15 ausser Betracht fällt (E. 6-8).

Sachverhalt

    A.- Die C. AG erstellte in den Jahren 1973 und 1978 Mietshäuser
in Basel. Sie verkaufte diese Liegenschaften der Pensionskasse einer
Bank. Diese veräusserte sie mit Vertrag vom 22. Juni 1988 zum Preis von
Fr. 42'460'000.-- an K.

    K. liess mit Schreiben vom 12. Dezember 1988 den Mietern Erhöhungen
der monatlichen Mietzinse auf den 1. April 1989 ankündigen. Als Begründung
wurde im wesentlichen angegeben, es handle sich um eine teilweise Anpassung
wegen ungenügender Bruttorendite gemäss Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM.

    Nachdem einzelne Mieter die Erhöhungen angefochten und vor der
Schlichtungsstelle keine Einigung zustande gekommen war, klagte
K. beim Zivilgerichtspräsidenten von Basel auf Feststellung der
Nichtmissbräuchlichkeit der Erhöhungen. Der Zivilgerichtspräsident
wies die Klagen am 24. April 1989 ab und stellte fest, die angezeigten
Mietzinserhöhungen seien ungültig. Der Kläger focht diese Entscheide
beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt an, dessen Ausschuss
alle Beschwerden mit Urteilen vom 1. November 1989 abwies.

    Der Kläger hat gegen die Urteile des Appellationsgerichts Berufungen
eingereicht, die vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Das Appellationsgericht hat es abgelehnt, die Mietzinserhöhungen
unter dem Gesichtspunkt von Art. 15 Abs. 1 lit. a und d BMM zu überprüfen,
weil sich der Kläger im Verfahren vor dem Zivilgerichtspräsidenten
nicht auf diese Bestimmungen berufen und auch nicht die erforderlichen
Behauptungen und Beweisanträge vorgebracht habe. Geprüft - aber verneint -
hat es lediglich die Anwendbarkeit von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM.

    Soweit diese Begründung auf der Anwendung kantonalen Zivilprozessrechts
beruht, kann sie im Berufungsverfahren weder angefochten noch überprüft
werden (Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG). Dem steht auch der
Beweisanspruch gemäss Art. 8 ZGB nicht entgegen, denn davon wird die
Befugnis der Kantone, ihre Verfahrensordnungen nach der Eventual-
und Verhandlungsmaxime auszugestalten, nicht eingeschränkt (BGE 116 II
200 E. 3a mit Hinweisen). Unbegründet ist im übrigen die Rüge falscher
Verteilung der Behauptungs- und Beweislast. Im Rahmen von Art. 15 Abs. 1
lit. a BMM war es Sache des Klägers, zu behaupten und zu beweisen, dass
mit den anbegehrten Erhöhungen lediglich eine Anpassung an die orts- oder
quartierüblichen Mietzinse vorgenommen werden sollte (BGE 114 II 363 E. 3).

    b) Der Vermieter ist gehalten, die Ankündigung einer Mietzinserhöhung
klar zu begründen. Vorbehalte, die nicht beziffert werden, machen die
Ankündigung aber entgegen dem Einwand der Beklagten nicht ungültig. Ein
solcher Mangel kann lediglich dazu führen, dass die Vorbehalte nicht
zu berücksichtigen sind, falls sich der Vermieter bei einer neuen
Mietzinsanpassung auf die gleichen Erhöhungsgründe berufen will (BGE
111 II 204, 106 II 360 E. 3b). Im vorliegenden Fall sind zudem gemäss
Art. 26 Abs. 1 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und
Geschäftsräumen vom 9. Mai 1990 (VMWG) noch die Bestimmungen des BMM und
der VMM anwendbar. Die Vorschrift, wonach ein Vorbehalt in Franken oder
in Prozenten des Mietzinses festgelegt werden muss, wurde aber erst mit
Art. 18 VMWG ins Mietrecht eingeführt.

    Die Begründung einer Mietzinserhöhung ist als Willenserklärung
des Vermieters nach dem Vertrauensgrundsatz auszulegen (BGE 106 II
168 E. 4a). Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass sich der
Kläger sowohl bei der Ankündigung der Mietzinserhöhungen wie auch
im gerichtlichen Verfahren auf eine ungenügende Bruttorendite berufen
hat. Nach dem Vertrauensgrundsatz konnten diese Äusserungen nicht anders
verstanden werden, als dass die Erhöhungen damit begründet wurden, die
bisherigen Mietzinse seien unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen
Rendite der Gestehungskosten des Klägers zu niedrig. Nach Auffassung des
Appellationsgerichts fallen diese Kosten jedoch nicht unter den Begriff
der Anlagekosten im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM; deshalb sei auch
das Verhältnis der Investitionen des Klägers zum erzielten Ertrag nicht
zu prüfen; einen ungenügenden Ertrag der ursprünglichen Anlagekosten,
d.h. jener der Pensionskasse, habe der Kläger nicht behauptet.

    Selbst wenn sich diese Auslegung von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM als
richtig erweisen sollte, was im folgenden zu prüfen sein wird, ist der
Vorinstanz dennoch entgegenzuhalten, dass sie sich bei der Rechtsanwendung
nicht auf den vom Kläger ausdrücklich genannten Rechtssatz beschränken
durfte, sondern nach dem Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen zur
Prüfung verpflichtet war, ob der Käufer einer Liegenschaft aufgrund des
Bundesrechts auch ausserhalb des Regelungsbereichs von Art. 15 Abs. 1
lit. c BMM Anspruch darauf hat, die Mietzinse zur Erreichung einer
angemessenen Rendite seiner Investitionen zu erhöhen. Die allenfalls
irrtümliche rechtliche Beurteilung seines Anspruchs darf dem Kläger deshalb
nicht schaden. Sowohl der kantonale Richter wie das Bundesgericht sind
verpflichtet, die Rechtswirkungen des prozessual gültig vorgetragenen
oder festgestellten Sachverhalts von Amtes wegen zu beurteilen, ohne
an die Auffassungen der Parteien gebunden zu sein (BGE 115 II 59 E. 1a,
112 II 155 je mit Hinweisen).

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM sind Mietzinse in der Regel
nicht missbräuchlich, wenn sie sich bei neueren Bauten im Rahmen der
kostendeckenden Bruttorendite halten, die aufgrund der Anlagekosten
zu berechnen ist. Die Anwendung dieser Vorschrift fällt nach Ansicht
des Appellationsgerichts im vorliegenden Fall ausser Betracht, da sie
auf jüngere Liegenschaften zugeschnitten sei, die sich noch im Besitz
des Erstellers befinden oder als Neubauten an einen Anleger verkauft
worden sind; die Erwerbskosten müssten noch eine gewisse Nähe zu den
ursprünglichen Anlagekosten aufweisen; nur dann könne sich der Vermieter
auf die abstrakte Berechnungsmethode berufen. Mit der Berufung wird geltend
gemacht, diese Auslegung widerspreche der Praxis des Bundesgerichts.

    Das Bundesgericht hat in einem in der Amtlichen Sammlung nicht
veröffentlichten Entscheid aus dem Jahre 1981 mit Hinweis auf Art. 11
Abs. 2 BMM festgehalten, Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM komme auf Bauten
zur Anwendung, die nach 1970 erstellt worden seien (Sem.jud. 103/1981
S. 510). In einem ebenfalls nicht publizierten Urteil vom 20. Juni 1989
hat es sodann ausgeführt, der Käufer einer Liegenschaft könne gestützt
auf Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM grundsätzlich die Mietzinse mit dem Ziel
erhöhen, einen angemessenen Ertrag aus dem neu erworbenen Objekt zu
erwirtschaften, sofern er nicht einen offensichtlich übersetzten Kaufpreis
bezahlt habe. Diese Auffassung ist im Sinne der nachstehenden Erwägungen
zu präzisieren.

Erwägung 5

    5.- Der Kläger will als Ansatzpunkt für die Auslegung von Art. 15
Abs. 1 lit. c BMM vor allem auf den Begriff der "neueren Bauten"
abstellen. Wie diese Vorschrift bezüglich der im vorliegenden Verfahren
streitigen Fragen zu verstehen ist, lässt sich aber besser durch die
Auslegung des Begriffs der Anlagekosten ermitteln.

    a) Der BMM umschreibt den Begriff der Anlagekosten nicht. Eine
Definition fehlt auch im revidierten, am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen
Mietrecht, das in Art. 269a lit. c OR und Art. 15 VMWG die Regelung von
Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM übernommen hat. Einen Anhaltspunkt liefert
dagegen Art. 11 Abs. 2 BMM, wo die Anlagekosten im Zusammenhang mit der
Fertigstellung einer Baute aufgeführt werden. In die gleiche Richtung
weist auch der französische Wortlaut, denn unter "prix de revient" werden
die gesamten Kosten verstanden, welche zur Herstellung eines Produktes
aufgewendet worden sind (Le Grand Robert de la langue française, 2. Aufl.,
Bd. 8, S. 382). Keinen Aufschluss gibt dagegen der deutsche Wortlaut. Der
Begriff der Anlagekosten wird in anderen privatrechtlichen Bundesgesetzen
nicht verwendet und ist auch sonst nicht gebräuchlich. Von "Anlagen" ist
zwar in Art. 665 Abs. 1 OR die Rede; mit dem Anlagevermögen nach dieser
Vorschrift haben die Anlagekosten gemäss BMM aber offensichtlich nichts
zu tun. Auch der italienische Wortlaut ist mit dem allgemeinen Begriff
"ammontare degli investimenti" wenig aussagekräftig.

    b) Eindeutig gegen die Auffassung des Klägers spricht die
Entstehungsgeschichte von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM.

    Anlässlich einer Aussprache des Eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartementes mit am Mieterschutz interessierten
Organisationen vom 17. März 1972 wurde bezüglich Art. 15 Abs. 1 lit. c
- in der Fassung des damaligen Entwurfs - vorgeschlagen, anstelle von
"marktüblichen" von "kostendeckenden" Bruttorenditen zu sprechen und den
Begriff der "Erstellungskosten" durch "Anlage-" oder "Gestehungskosten"
zu ersetzen. Angeregt wurde eine Anpassungsmöglichkeit für den Fall, dass
Neubauten vorerst nicht kostendeckend vermietet werden könnten. Weiter
wurde dargelegt, dass sich bei älteren Liegenschaften die Bruttorendite
bereits der Unterhaltskosten wegen nicht gestützt auf die Anlagekosten
berechnen lasse.

    In der Botschaft des Bundesrates vom 24. April 1972 (BBl 1972 I
1234/5) wird zur gleichen Frage ausgeführt, bei neueren Bauten lasse
sich am ehesten eine Einigung über die Bestimmung des angemessenen oder
nicht missbräuchlichen Mietzinses erzielen, da die Land- und Baukosten
beim Ersteller mit dem investierten Kapital identisch seien; Mietzinse,
welche die auf diese Anlagekosten berechnete kostendeckende Bruttorendite
nicht überschritten, seien nicht missbräuchlich. Festgehalten wird sodann,
die Ersteller von Neubauten verkauften diese in der Regel an Anleger,
für welche der Erwerbspreis als Anlagekosten im Sinne des Gesetzes gelte.

    Die Beratungen im Parlament geben für die Auslegung wenig her,
da der Begriff der Anlagekosten nicht diskutiert worden ist. Aus den
Protokollen geht aber hervor, dass einzelne Parlamentarier darunter die
Kosten verstanden, welche bei der Erstellung eines Mietshauses anfallen
(Amtl.Bull. 1972 StR S. 344, NR S. 967).

    c) In der Literatur wird überwiegend angenommen, unter dem Begriff der
Anlagekosten seien entweder die Erstellungskosten im Fall eines Neubaus
oder die Übernahmekosten zu verstehen, welche dem Erwerber eines frisch
gebauten Mietshauses erwachsen. Erwähnt werden die Baukosten (EGLI, Aperçu
de la jurisprudence récente du Tribunal fédéral en application de l'AF sur
les mesures contre les abus dans le secteur locatif, ZBJV 124/1988, S. 55;
GMÜR/PREROST/TRÜMPY, Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl., S. 129/30). Nach
LACHAT/MICHELI/DUPERTUIS (La fixation du loyer, S. 45) umfassen die
Anlagekosten die Landerwerbs-, Bau- und Nebenkosten. Die gleiche Meinung
vertritt HEINZ HAURI (Der missbräuchliche Mietzins, Diss. Zürich 1979,
S. 127 und 130). RAISSIG/SCHWANDER scheinen von den Investitionen in den
Neubau auszugehen, wollen diese Kosten aber im Einzelfall um den Betrag
erhöhen, welcher zur Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals
notwendig ist (Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, 3. Aufl.,
S. 128). Auch BARBEY vertritt die Meinung, es sei - analog Art. 15
Abs. 1 lit. d BMM - eine Anpassung an die Teuerung vorzunehmen (L'Arrêté
fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif,
S. 67/8). RENÉ MÜLLER hält im Fall des Erstellers eines Neubaus die
Land- sowie Bau- und Nebenkosten für massgebend; für Anleger, an welche
die Wohnungsproduzenten die erstellten Neubauten verkaufen, gelte der
Erwerbspreis als Anlagekosten (Der Bundesbeschluss über Massnahmen gegen
Missbräuche im Mietwesen vom 30. Juni 1972, Diss. Zürich 1976, S. 197/8).

    d) Als Ergebnis der Auslegung kann somit festgehalten werden,
dass unter den Anlagekosten im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM
die Investitionen des Erstellers eines Neubaus oder des Ersterwerbers
unmittelbar nach der Fertigstellung zu verstehen sind. Die Berechnung
der kostendeckenden Bruttorendite muss deshalb auf dieser Grundlage
erfolgen. Offenbleiben kann im vorliegenden Fall, ob die Kosten unter
Umständen wegen der eingetretenen Teuerung zu erhöhen sind, wie das von
RAISSIG/SCHWANDER und BARBEY befürwortet wird. Denn nach verbindlicher
Feststellung der Vorinstanz hat der Kläger, der dafür im Rahmen der
Anwendung von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM beweispflichtig ist (BGE 106
II 172 mit Hinweisen), im kantonalen Verfahren keine Angaben über die
Anlagekosten der Erstellerin oder der Ersterwerberin gemacht. Der Einwand
des Klägers, diese Kosten seien ihm nicht bekannt gewesen, hilft ihm
nicht weiter. Es wäre durchaus möglich gewesen, den Sachverhalt durch
geeignete Beweismassnahmen - zum Beispiel Urkundeneditionen oder Expertise
- abklären zu lassen. Dass er entsprechende Beweisanträge gestellt hat,
behauptet der Kläger aber nicht.

    e) Der Kläger macht dagegen geltend, er habe die Anordnung
einer Expertise zur Frage beantragt, ob er für die von den Beklagten
gemieteten Wohnungen einen "günstigen, angemessenen oder übersetzten
Kaufpreis im Verhältnis zur übernommenen Gebäudeanlage" bezahlt habe. Das
Appellationsgericht hielt ein solches Gutachten für überflüssig, weil
anzunehmen sei, dass die Mietzinse bis zur Veräusserung der Liegenschaften
an den Kläger im Jahre 1988 kostendeckend gewesen seien; wenn nun allein
als Folge der Handänderung die Mietzinse um 15-20% erhöht werden sollten,
erscheine der Erwerbspreis als übersetzt und damit die Erhöhung der
Mietzinse als missbrauchsverdächtig.

    Da die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM bereits aus den
erwähnten Gründen ausser Betracht fällt, braucht nicht geprüft zu werden,
ob diese Zusatzerwägung des Appellationsgerichts gegen Bundesrecht
verstösst. Das heisst aber nicht, dass das Appellationsgericht bei
der Neubeurteilung der Streitsache (gemäss den nachfolgenden E. 6-8)
davon ausgehen darf, der Beweisantrag des Klägers sei auch dann in
rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht unerheblich, wenn es um die Frage
der Anwendbarkeit anderer Vorschriften des Bundesrechts, insbesondere
von Art. 14 BMM geht. Das ist vom Appellationsgericht nicht geprüft
worden. Die teilweise Abweisung der Berufungen durch das Bundesgericht
führt deshalb nicht dazu, dass sich die Vorinstanz oder die Beklagten
gestützt auf Art. 66 Abs. 1 OG insoweit auf eine Bindungswirkung des
bundesgerichtlichen Urteils berufen können.

Erwägung 6

    6.- Gemäss Art. 14 BMM sind Mietzinse missbräuchlich, wenn damit
ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf
einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen. Als offensichtlich
übersetzt gilt nach Art. 7 VMM ein Kaufpreis, der den Ertragswert einer
Liegenschaft, berechnet auf den orts- oder quartierüblichen Mietzinsen
für gleichartige Objekte, offensichtlich übersteigt. Diese Regelung ist
inhaltlich unverändert ins neue Mietrecht übernommen worden (Art. 269 OR,
Art. 10 VMWG).

    a) Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist in erster
Linie aufgrund von Art. 15 BMM zu entscheiden, ob eine vom Vermieter
beanspruchte Mietzinserhöhung missbräuchlich ist. Liegt einer der in
dieser Vorschrift aufgezählten Erhöhungs- oder Anpassungsgründe vor,
so wird vermutet, der Mietzins sei nicht missbräuchlich. Die Vermutung
kann aber umgestossen werden, wenn Indizien dafür bestehen, dass die Miete
dem Vermieter einen übersetzten Ertrag im Sinne von Art. 14 BMM verschafft
(BGE 114 II 365 E. 5 mit Hinweisen). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn
der Mieter gestützt auf Art. 19 BMM eine Herabsetzung des Mietzinses wegen
wesentlicher Änderung der Berechnungsgrundlagen verlangt. Der Vermieter
kann sich in einem solchen Fall zur Rechtfertigung des beanspruchten
Mietzinsbetrages nicht nur auf Erhöhungsgründe gemäss Art. 15 BMM berufen,
sondern auch geltend machen, der Mietzins sei nicht missbräuchlich, weil
er damit keinen übersetzten Ertrag im Sinne von Art. 14 Abs. 1 BMM erziele
(BGE 116 II 74 E. 2). Dagegen hat das Bundesgericht bisher nicht allgemein
entschieden, ob eine Mietzinserhöhung unabhängig von den Voraussetzungen
von Art. 15 BMM unmittelbar auf Art. 14 BMM gestützt werden kann.

    b) Art. 14 BMM umschreibt nach seinem Wortlaut den Begriff des
missbräuchlichen Mietzinses positiv und in allgemeiner Form. Art. 15
BMM zählt dagegen anhand von Beispielen auf, in welchen Fällen kein
missbräuchlicher Mietzins vorliegt. Dieses Verhältnis von Regel und
Ausnahme- oder Sondertatbestand kommt auch in den Titeln der Artikel zum
Ausdruck und ist im neuen Mietrecht durch die Marginalien von Art. 269
und Art. 269a OR noch verdeutlicht worden.

    Zum gleichen Ergebnis wie der Wortlaut führt auch die
Entstehungsgeschichte von Art. 14 und Art. 15 BMM. In der Botschaft des
Bundesrates vom 24. April 1972 wird ausgeführt, Art. 14 enthalte eine
allgemeine Umschreibung der missbräuchlichen Mietzinse. Da es aber
schwierig sei, positiv auszudrücken, was Missbrauch im allgemeinen
und im Hinblick auf einzelne Tatbestände sei, würden in Art. 15
solche Tatbestände aufgezählt, bei deren Vorliegen in der Regel eine
missbräuchliche Mietzinsforderung nicht bestehe (BBl 1972 I 1232). Die
gleiche Auffassung lag den parlamentarischen Beratungen zugrunde
(Amtl.Bull. 1972 NR S. 976, 969 und 970 Voten Alder, Kaufmann und
Brugger; StR S. 340 Voten Amstad und Jauslin). Unbestritten war der
Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 BMM. Diskutiert wurde dagegen die Fassung von
Absatz 2 dieser Vorschrift. Grundlage der Diskussion bildete der Fall des
Eigentümerwechsels an einem älteren Haus. Eine Minderheit in beiden Räten
wollte dem neuen Eigentümer unter Vorbehalt von Art. 15 BMM verbieten, sich
zur Begründung der Mietzinserhöhung auf den Kaufpreis zu berufen (Anträge
Heimann und Jaeger, Amtl.Bull. 1972 StR S. 339, NR S. 965). Ebenfalls
abgelehnt wurde der Vorschlag, in Art. 14 Abs. 2 BMM festzuhalten, dass
Mietzinse missbräuchlich seien, wenn sie auf einem Kaufpreis, der den
Ertragswert der Liegenschaft vor ihrem Erwerb erheblich übersteigt,
oder auf einer ohne Leistungen des Vermieters erfolgten erheblichen
Steigerung des Verkehrswertes der Liegenschaft beruhen (Amtl.Bull. 1972
StR S. 339, NR S. 965 ff.). Die von der Mehrheit angenommene Fassung
wurde damit begründet, der Kaufpreis sei insoweit zu berücksichtigen,
als er sich nicht als offensichtlich übersetzt erweise. Das beurteile
sich danach - wie in der Verordnung des Bundesrates festgehalten werde
-, ob der Kaufpreis den Ertragswert der Liegenschaft, berechnet auf den
orts- oder quartierüblichen Mietzinsen, erheblich übersteige. Massgebend
sei somit ein objektivierter Ertragswert, der nicht vom tatsächlichen
Mietzinsertrag aus der Liegenschaft vor dem Eigentümerwechsel beeinflusst
werde (Amtl.Bull. 1972 NR S. 971 StR S. 341 Voten Bundesrat Brugger).

    c) In der Literatur vertritt EGLI (aaO, S. 61) die Auffassung,
Art. 14 BMM sei unmittelbar anwendbar. Der Vermieter könne deshalb
nachweisen, dass er keinen übersetzten Ertrag aus der Mietsache erziele;
bei neueren Bauten sei aber Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM massgebend. MÜLLER
kommt zum gleichen Ergebnis (aaO, S. 199). Nach BARBEY (aaO, S. 98)
besteht kein Widerspruch zwischen Art. 14 und 15 BMM; die allgemeine
Regel von Art. 14 BMM ergänze Art. 15 BMM in besonderen Fällen, die von
dieser Vorschrift nicht behandelt würden. Andere Autoren begnügen sich
mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts (HAURI, aaO,
S. 110; RAISSIG/SCHWANDER, aaO, S. 134 f.; LACHAT/MICHELI/DUPERTUIS, aaO,
S. 24 ff.; GMÜR/PREROST/TRÜMPY, aaO, S. 128).

    d) Zu diesem Thema äussert sich auch die Botschaft des Bundesrates
vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechtes (BBl 1985
I 1487/8). Unbefriedigend ist danach, dass das Verhältnis zwischen
der allgemeinen Definition und den besonders geregelten Fällen in
der Praxis nicht einheitlich ausgelegt worden sei. Der Versuch, in
Anlehnung an die Praxis des Bundesgerichts einen Mittelweg zwischen den
beiden Extremlösungen - reine Kosten- oder reine Marktmiete - zu finden,
sei aber aufgegeben worden, da es als stossend empfunden worden sei,
dass der Mieter unter Berufung auf Vergleichsobjekte einen Mietzins als
missbräuchlich hätte anfechten können, auch wenn dieser dem Vermieter
keine angemessene Rendite aus dem investierten Kapital gewährte und
möglicherweise nicht einmal die tatsächlichen Kosten decke.

    In der Literatur zum neuen Mietrecht vertreten LACHAT/MICHELI
(Le nouveau droit du bail, S. 247/8) die Meinung, sowohl Vermieter
wie Mieter könnten unter bestimmten Umständen unmittelbar Art. 269 OR
anrufen. ZIHLMANN begnügt sich mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung
des Bundesgerichts zum BMM, die nach seiner Auffassung - insbesondere
wegen der Anwendung der relativen Berechnungsmethode - dazu führt, dass
beide Vertragsparteien in der Möglichkeit, sich auf die Ertragsüberprüfung
gemäss Art. 269 zu berufen, stark eingeschränkt seien (Das neue Mietrecht,
S. 126).

Erwägung 7

    7.- a) Für eine selbständige Bedeutung von Art. 14 im Verhältnis zu
Art. 15 BMM spricht neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte dieser
Vorschriften auch der Zweck der Missbrauchsgesetzgebung. Dieser liegt in
der Bekämpfung missbräuchlicher Mietzinse und anderer missbräuchlicher
Forderungen des Vermieters (Art. 34septies Abs. 1 BV und Art. 1 BMM). Wie
aus den früheren Erwägungen hervorgeht, liegt ein Missbrauch nach der
Generalklausel von Art. 14 BMM dann vor, wenn ein übersetzter Ertrag aus
der Mietsache erzielt wird, wobei sich das Übermass entweder aus einem
übersetzten Ertragssatz oder aus übersetzten Investitionen des Vermieters
ergeben kann. Daraus folgt umgekehrt, dass ein angemessener Ertrag aus
angemessenen Investitionen nicht missbräuchlich ist. Der Vermieter
hat daher Anspruch darauf, dass der Richter darüber entscheidet, ob
seine Investitionen oder der angestrebte Ertrag übersetzt sind. Das gilt
unabhängig davon, ob der Vermieter geltend macht, eine der Voraussetzungen
von Art. 15 Abs. 1 BMM sei gegeben. In diesem Sinne kommt Art. 14 BMM neben
den in Art. 15 Abs. 1 BMM aufgezählten Sondertatbeständen selbständige
Bedeutung zu.

    b) Diese Betrachtungsweise entkleidet Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM
nicht seines Sinnes. Zum einen ist sein Anwendungsbereich enger als
jener von Art. 14 BMM. Zum andern beruhen die beiden Vorschriften auf
unterschiedlichen Überlegungen. Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM soll - wie
in den parlamentarischen Beratungen betont worden ist - dem Ersteller
oder Ersterwerber eines Neubaus als Vermieter auch dann eine angemessene
Rendite sichern, wenn das dazu führt, dass die Mietzinse über den orts-
oder quartierüblichen Rahmen hinausgehen (vgl. auch GMÜR/PREROST/TRÜMPY,
aaO, S. 129). Bei der Überprüfung des Kaufpreises auf seine Angemessenheit
nach Art. 14 Abs. 2 BMM ist dagegen jener Ertragswert massgebend, der
sich auf der Grundlage der orts- oder quartierüblichen Mietzinse ergibt
(Art. 7 VMM).

    c) Wie in BGE 116 II 75 festgehalten worden ist, kann die unmittelbare
Anwendung von Art. 14 BMM dazu führen, dass in Abweichung von der
relativen Berechnungsmethode auch solche Umstände oder Geschehnisse zu
berücksichtigen sind, die sich vor dem Vertragsschluss oder der letzten
Festlegung des Mietzinses ereignet haben. Soweit das im vorliegenden Fall
nötig sein sollte, bestünden keine Bedenken dagegen. Eine ungerechtfertigte
Besserstellung des Klägers im Vergleich zur früheren Vermieterin ergibt
sich daraus nicht, da diese die Möglichkeit hatte, über Art. 15 Abs. 1
lit. a und d BMM eine Anpassung der Mietzinse an veränderte wirtschaftliche
Verhältnisse zu beanspruchen. Eine gewisse Gleichstellung der beiden
Vermieter ergibt sich zudem daraus, dass der Zweckgedanke von Art. 15
Abs. 1 lit. a BMM aufgrund von Art. 7 VMM auch bei der Prüfung des vom
Kläger beanspruchten Ertrages eine Rolle spielt.

Erwägung 8

    8.- a) Das Appellationsgericht hätte somit die Missbräuchlichkeit der
vom Kläger angekündigten Mietzinserhöhungen auch unter dem Gesichtspunkt
von Art. 14 BMM beurteilen müssen. Die Berufungen sind daher teilweise
gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist, die angefochtenen Urteile
sind aufzuheben und die Streitsachen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.