Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 533



116 II 533

97. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Oktober 1990 i.S. G.
AG, K. GmbH und O. AG gegen G. K., E. K. und K. AG (Berufung) Regeste

    Aktienrechtliche Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates und der
Kontrollstelle; Feststellung der Überschuldung (Art. 754, Art. 725 OR).

    1. Begriff der ausweispflichtigen Eventualverpflichtungen gemäss
Art. 670 OR. Wann sind dafür Rückstellungen zu bilden? (E. 2a/aa).

    2. Wertberichtigungen bei gefährdeten Debitoren (E. 2a/bb).

    3. Begriff des Imparitätsprinzips (E. 2a/dd).

    4. Benachrichtigung des Richters bei Überschuldung. Auslegung von
Art. 725 Abs. 3 OR (E. 5a).

    5. Umfang der materiellen Bilanzprüfungspflicht der Kontrollstelle
(Art. 728 Abs. 1 OR; E. 5b).

Sachverhalt

    A.- Die H. AG wurde 1971 mit einem zur Hälfte einbezahlten
Aktienkapital von Fr. 200'000.-- gegründet; Hauptaktionär war W. H.

    Die H. AG erwarb mit Vertrag vom 14. Juli 1972 von der D. AG 103/1000
Stockwerkeigentumsanteile am künftigen Einkaufszentrum T. Bereits am 13.
Oktober 1973 hatte sie 39/1000 dieses Miteigentumsanteils an die K. GmbH
weiterveräussert. Anfangs 1974 mietete sie überdies Räumlichkeiten in einem
Einkaufszentrum in E., um dort ein weiteres Gourmet-Geschäft zu betreiben.

    Bis 1974 führte die B. L. die Buchhaltung der H. AG und amtete
als deren Kontrollstelle. Ab 1974 wurde die Führung der Buchhaltung
der K. AG (Drittbeklagte) übertragen. Am 20. August 1974 wählte die
Generalversammlung G. K. (Erstbeklagter) als Kontrollstelle für das
Geschäftsjahr 1973/4. Als er am 5. September 1974 in den Verwaltungsrat
der H. AG gewählt wurde, wurde als Kontrollstelle für das Geschäftsjahr
1974/5 E. K. (Zweitbeklagter) bestimmt.

    An der Generalversammlung vom 22. Juli 1975 trat der Zweitbeklagte als
Kontrollstelle zurück. Der Erstbeklagte demissionierte als Verwaltungsrat
am 4. November 1975. Am 19. Mai 1976 wurde über die Gesellschaft der
Konkurs eröffnet.

    B.- Das Bezirksgericht Baden wies am 17. Februar 1988 die von der
Konkursmasse geführte Verantwortlichkeitsklage ab, das Obergericht des
Kantons Aargau am 2. November 1989 ebenfalls deren Appellation.

    C.- Das Bundesgericht heisst die Berufung der Abtretungsgläubigerinnen
teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Klägerinnen werfen den Beklagten insbesondere vor, dass
sie als - rechtliche oder faktische - Organe der H. AG pflichtwidrig
deren Überschuldung nicht rechtzeitig festgestellt, demzufolge die nach
Art. 725 OR vorgeschriebenen Massnahmen unterlassen und mit der daraus
resultierenden Verzögerung der Konkursliquidation einen Schaden durch
Verminderung der Aktiven bewirkt hätten, welcher mit rund 8,4 Mio. Franken
beziffert und als unmittelbarer Gesellschaftsschaden sowie mittelbarer
Gläubigerschaden zum Ersatz beansprucht wird. Demgegenüber verneint das
Obergericht eine Verletzung der sich aus Art. 725 OR ergebenden Pflichten.

    a) Die der Generalversammlung unterbreitete Jahresbilanz der H. AG
per 31. Januar 1975 wies nach den Feststellungen der Vorinstanz unter
Berücksichtigung des Gewinnvortrags einen Reinverlust von Fr. 887'319.89
aus. Dieser erhöhe sich um unterbliebene Rückstellungen für Kosten
der Miteigentümergemeinschaft von Fr. 99'829.50, um Sozialabzüge
auf Lohnkosten von Fr. 41'800.-- sowie um gebotene Abschreibungen
von Fr. 200'207.-- auf insgesamt Fr. 1'229'156.40. Die Vorinstanz
stellt demgegenüber für den Bilanzstichtag ein Eigenkapital von Fr.
1'586'863.30 fest (einbezahltes Aktienkapital Fr. 100'000.--, gesetzliche
Reserven Fr. 30'000.--, freie Reserven Fr. 720'000.--, Rückstellungen
für Personalvorsorge Fr. 100'000.--, aktivierter Gewinn aus dem
Verkauf der T.-Anteile Fr. 636'863.30) und verneint demzufolge eine
Überschuldung. Die Klägerinnen machen dagegen geltend, einerseits seien
gebotene Rückstellungen nicht passiviert, anderseits der Verkaufsgewinn von
Fr. 636'863.30 unzulässigerweise aktiviert worden. Ihrer Auffassung nach
wäre unter Berücksichtigung dieser Bilanzkorrekturen per 31. Januar 1975
richtigerweise eine Überschuldung von Fr. 4'167'711.80 auszuweisen gewesen.

    aa) Das Einkaufszentrum T. wurde durch die D. AG als
Generalunternehmerin erstellt. Vor Fertigstellung hatte diese mit
finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, was die Eintragung von
Bauhandwerkerpfandrechten durch Subunternehmer zur Folge hatte. Um die
Fertigstellung der Anlage zu erreichen, gründete ein Teil der Miteigentümer
das Immobilienkonsortium T. (IKT).

    Per 31. Januar 1975 wies die H. AG eine Restschuld zugunsten der
D. AG von per Saldo Fr. 2'006'951.40 aus. Sie war allerdings bloss als
Eventualverpflichtung in den Bemerkungen zum Baukonto T., nicht dagegen als
Passivum in der Bilanz aufgeführt. Nach Auffassung des Obergerichts genügte
dieses Vorgehen den gesetzlichen Bilanzierungsvorschriften. Ebensowenig sei
die H. AG verpflichtet gewesen, für die auf ihre ideelle Miteigentumsquote
entfallenden Bauhandwerkerpfandrechte von anteilsmässig Fr. 440'029.70
und für die dem IKT geschuldeten Fertigstellungskosten von Fr. 69'496.65
Rückstellungen zu bilden. Die Klägerinnen sind gegenteiliger Auffassung.

    aaa) Eventualverpflichtungen der Aktiengesellschaft sind in der Bilanz
oder in einer Beilage in Gesamtsummen aufzuführen (Art. 670 Abs. 1 OR). Für
Vermögenseinbussen, die daraus oder aus schwebenden Geschäften zu erwarten
sind, ist durch Rücklagen Deckung zu verschaffen (Art. 670 Abs. 2 OR).
Ausweispflichtige Eventualverpflichtungen - das Gesetz erwähnt namentlich
Bürgschaften, Garantieverpflichtungen und Pfandbestellungen zugunsten
Dritter - sind bedingte Verbindlichkeiten, die auf Verpflichtungen
zugunsten Dritter gründen und denen bei Inanspruchnahme entsprechende
Forderungen gegenüberstehen (KÄFER, N 459 zu Art. 958 OR; BOSSARD, N 179
zu Art. 957 OR; BÜRGI, N 3 ff. zu Art. 670 OR). Künftige Forderungen aus
(noch) nicht vollständig abgewickelten Werkverträgen fallen nicht darunter;
ihr Ausweis ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, kann aber im Interesse
der Bilanzwahrheit und der Bilanzklarheit kaufmännisch geboten sein
(Revisionshandbuch der Schweiz, RHB, Teil 2.2, S. 130). Sie stehen in der
Regel in Zusammenhang mit schwebenden Geschäften, worunter rechtsgültig
abgeschlossene, nach den allgemein anerkannten kaufmännischen Grundsätzen
aber noch nicht oder erst teilweise verbuchte Geschäfte zu verstehen sind
(BOSSARD, N 182 zu Art. 957 OR; BÜRGI, N 6 zu Art. 670 OR). Diese sind
nach Art. 670 Abs. 1 OR nicht ausweispflichtig; doch sind zur Deckung
der daraus resultierenden Verbindlichkeiten gemäss Art. 670 Abs. 2 OR
Rückstellungen zu bilden, sofern Vermögenseinbussen zu erwarten sind. Die
Pflicht zur Bildung entsprechender Passiven setzt mithin die Erkennbarkeit
eines Verlustrisikos im Einzelfall voraus (RHB, aaO, S. 133). Ein solches
Verlustrisiko ist gegeben, wenn die künftige Abwicklung des schwebenden
Geschäfts nicht mehr als gewinnbringend oder als erfolgsneutral erscheint.

    bbb) Die H. AG hat in ihrer Jahresbilanz per 31. Januar 1975 die
restanzliche Werklohnforderung der D. AG als Eventualverbindlichkeit
ausgewiesen. Nach Auffassung der Klägerinnen hätte sie für diese
Verbindlichkeit zudem eine Rückstellung bilden müssen. Weder aus den
Feststellungen der Vorinstanz noch aus den Darlegungen der Klägerinnen
geht jedoch hervor, dass diese Verbindlichkeit mit einem Verlustrisiko
behaftet gewesen wäre. Vorbehältlich der später zu erörternden Frage einer
Aktivierung des Verkaufsgewinns aus dem Vertrag mit der K. GmbH ist den
Feststellungen des Obergerichts jedenfalls nicht zu entnehmen, dass die
Gesellschaft in Missachtung des aktienrechtlichen Höchstwertprinzips
(Art. 665 Abs. 1 OR) ihren Miteigentumsanteil am Einkaufszentrum
T. bereits über die am Bilanzstichtag geleisteten Anzahlungen und damit
über den Kostenwert hinaus aktiviert hätte (KÄFER, N 346 zu Art. 958
OR; BOSSARD, N 98 zu Art. 960 OR; RENÉ M. SCHMID, Die Bilanzierung des
Anlage- und Umlaufsvermögens nach schweizerischem Aktienrecht, S. 28). Das
angefochtene Urteil stellt auch nicht fest, eine Aktivierung der Restkosten
hätte voraussehbar den betriebswirtschaftlich richtigen Wert des Anteils
überschritten. Es war bundesrechtskonform, davon auszugehen, auch die
Restkosten seien voll aktivierungsfähig gewesen, so dass objektiv keine
Vermögenseinbusse im Sinne von Art. 670 Abs. 2 OR zu erwarten und damit
auch keine Rückstellung zu bilden war.

    ccc) Die Klägerinnen beanstanden weiter, den möglichen
Verbindlichkeiten der H. AG aus den auf ihrem Miteigentumsanteil lastenden
oder anteilsmässig darauf entfallenden Bauhandwerkerpfandrechten und
der Forderung des IKT für die Fertigstellungsarbeiten sei nicht durch
Rückstellungen Rechnung getragen worden. Die Vorinstanz verneint eine
solche Pflicht mit der Begründung, diese Forderungen der H. AG hätten
der D. AG entgegengehalten werden können und seien damit betragsmässig
in der ausgewiesenen Eventualverpflichtung aufgegangen. Nach der für
das Bundesgericht verbindlichen Feststellung des Obergerichts wären die
Leistungen, welche einerseits durch die gesetzlichen Pfandrechte gesichert
und anderseits vom IKT erbracht wurden, im Generalunternehmerverhältnis
durch die D. AG zu erbringen gewesen. Soweit Leistungen von Subunternehmern
in Frage stehen, hätte die D. AG sie somit auch entlöhnen müssen. Die
Ablieferung eines Werks, welches mit Pfandrechten der Subunternehmer
belastet ist, stellt demzufolge eine vertragliche Schlechterfüllung
seitens des Generalunternehmers dar. Sie berechtigt den Besteller, einen
den Forderungen der Subunternehmer entsprechenden Abzug am Werklohn des
Generalunternehmers vorzunehmen oder - nach erfolgter Befriedigung der
Pfandgläubiger - die kraft Subrogation (Art. 110 Ziff. 1 OR, Art. 827
Abs. 2 ZGB) auf ihn übergegangenen Forderungen der Subunternehmer mit
derjenigen des Generalunternehmers zu verrechnen (BGE 104 II 355 E. bb;
ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, ZSR
n. F. 101/1982 II S. 1 ff., 105; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht,
2. Aufl. 1982, S. 268 f. Rz. 927 ff.). Soweit die Generalunternehmerin
darüber hinaus ihre vertraglich geschuldeten Leistungen überhaupt nicht
erbrachte, ging sie eines Werklohn(teil)anspruchs verlustig und wurde der
Bestellerin für allfällige Mehrkosten einer Ersatzvornahme ersatzpflichtig
(Art. 97 OR). Da die Restschuld der H. AG gegenüber der D. AG die möglichen
Drittansprüche bei weitem überstieg, konnte sich die H. AG für allfällige
Zahlungen an die Pfandgläubiger und das IKT vollumfänglich schadlos
halten. Zufolge Aktivierungsfähigkeit dieser Kosten aber waren keine
Vermögenseinbussen zu erwarten, welche die Bildung von Rückstellungen
im Sinne von Art. 670 Abs. 2 OR bedingt hätten. Insoweit wurden keine
Bilanzierungsvorschriften verletzt.

    bb) Die Klägerinnen beanstanden weiter fehlende Rückstellungen
zur Deckung der aus den Darlehen an W. H. zu erwartenden
Vermögenseinbussen. Die Vorinstanz äussert sich dazu im Zusammenhang mit
der Jahresbilanz per 31. Januar 1975 nicht, sondern prüft im wesentlichen
bloss, ob die Beklagten bei der Gewährung oder Duldung solcher Darlehen
Sorgfaltspflichten verletzt hätten. In anderem Zusammenhang stellt
sie jedoch fest, dem Erstbeklagten sei zwar bewusst gewesen, dass bei
W. H. nichts mehr zusätzlich zu holen gewesen sei; doch habe kein Anlass
bestanden, die Substanz der Darlehen als gefährdet zu betrachten, solange
die Kantonalbank weiterhin Kredit gewährt habe.

    Die Betrachtungsweise der Vorinstanz ist nicht haltbar. Ist die
Bonität eines Darlehensschuldners nicht mehr gewährleistet, drohen auf
seinen als Guthaben aktivierten Verbindlichkeiten Verluste, welchen durch
Wertberichtigungen, sei es durch Herabsetzung der gefährdeten Aktiven
oder durch Gegenposten auf der Passivseite zum Nominalwert der aktivierten
Guthaben (BGE 113 II 55 mit Hinweisen), Rechnung zu tragen ist. Die Pflicht
zu Wertberichtigungen aber entfällt nicht bereits, wenn die Gesellschaft
sich anderweitig Kredit zu beschaffen vermag. Solche Kredite verbessern
nicht die Bonität eines Gesellschaftsschuldners, sondern vermögen höchstens
Aussicht auf eine Sanierung zu geben, welche davon entbindet, unverzüglich
Massnahmen nach Art. 725 Abs. 2 und 3 OR zu treffen (E. 5a hienach).

    Nach den Feststellungen des Obergerichts überstieg das Eigenkapital der
H. AG am Bilanzstichtag den Verlustsaldo um Fr. 359'706.90. Danach war eine
Überschuldung der Gesellschaft zu verneinen. Ergibt sich indessen, dass
die gebotenen Wertberichtigungen auf den Darlehensforderungen gegenüber
W. H. diesen Betrag überstiegen hätten, wird eine Überschuldung zu bejahen
und weiter zu prüfen sein, ob diesfalls Massnahmen nach Art. 725 OR zu
treffen gewesen wären, deren Unterlassung den Beklagten zum Vorwurf
gereicht und zu einer Schädigung der Gesellschaft und damit zu einer
mittelbaren Schädigung der Gläubiger geführt hat.

    cc) Nicht zu beanstanden ist demgegenüber die Auffassung der
Vorinstanz, für das nach dem Bilanzstichtag eröffnete Gourmet-Geschäft
in E. seien keine Rückstellungen notwendig gewesen, da der Finanzbedarf
als erfolgsneutral habe betrachtet werden dürfen. Den Erwägungen des
angefochtenen Urteils ist nicht zu entnehmen, dass am 31. Januar 1975
bereits Verluste erkennbar gewesen wären, welche zu Rückstellungen
verpflichtet hätten, und die Klägerinnen machen nicht belegt geltend
(BGE 115 II 465 E. 1 mit Hinweis), entsprechende Sachbehauptungen im
kantonalen Verfahren prozesskonform vorgebracht und zum Beweis verstellt
zu haben. Die Vorbringen gelten daher als neu und damit als unzulässig
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    dd) Nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts beliefen
sich die Anschaffungskosten der H. AG für den später veräusserten
Miteigentumsanteil von 39/1000 auf effektiv Fr. 3'744'878.50. Der
Verkaufserlös bzw. die Kaufpreisforderung gegenüber der K. GmbH
betrug demgegenüber netto Fr. 4'381'741.80. Die Aktivierung des
daraus resultierenden Gewinns von Fr. 636'863.30 hält das Obergericht
bilanzrechtlich für zulässig. Demgegenüber verstösst nach Auffassung
der Klägerinnen die Aktivierung gegen das Imparitätsprinzip und Art. 665
Abs. 1 OR.

    Nach dem den aktienrechtlichen Bilanzierungsvorschriften zugrunde
liegenden Imparitätsprinzip dürfen Erträge erst bei der Realisierung und
müssen Verluste bereits bei der Feststellung bilanzmässig berücksichtigt
werden (KÄFER, N 77 zu Art. 959 und N 128 ff. zu Art. 960 OR; BOSSARD,
N 244 zu Art. 957 OR; BÜRGI, N 9 zu Art. 665 OR). Realisiert sind
Erträge, wenn die entsprechenden Leistungen erbracht oder rechtlich
vollstreckbar geschuldet sind (BOSSARD, aaO; KÄFER, N 119 zu Art. 960
OR). Bei Veräusserungsverträgen tritt der Aktivierungszeitpunkt für
die Gegenleistung mit der Übertragung der Verfügungsgewalt ein (VON
GREYERZ, Bewertungsgrundsätze im Aktienrecht, SAG 54/1982, S. 1 ff.,
S. 6 Ziff. 2.6 mit Hinweis). Davon geht zutreffend auch die Vorinstanz
aus und bejaht daher folgerichtig die Aktivierungsfähigkeit der fälligen
Kaufpreisforderung für den Bilanzstichtag. Das schliesst aber die Annahme
einer unzulässigen Aufwertung des Anlagevermögens begriffsnotwendig aus.

    Eine Pflicht zur Vornahme einer Wertberichtigung auf der
Kaufpreisforderung für das Eingangsrisiko (BOSSARD, N 317 der
Vorbemerkungen zu Art. 957-964 OR) verneint das Obergericht
mit der Begründung, die K. GmbH hätte der Preisschuld nur solche
Einwände entgegensetzen können, welche der H. AG ihrerseits der D.
AG gegenüber zugestanden hätten, namentlich die Schlechterfüllung des
Generalunternehmervertrages, und die zu einer Minderung der restanzlichen
Werklohnschuld berechtigt hätten, so dass (entsprechend E. ccc) per
Saldo ein Verlustrisiko nicht bestanden habe. Dem ist uneingeschränkt
beizupflichten. Soweit die Klägerinnen darüber hinaus zusätzliche
Verlustrisiken behaupten, finden ihre Vorbringen in den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze und sind daher nicht zu hören
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    b) Sollte die Vorinstanz nach der Ergänzung des Sachverhalts
feststellen, dass sich bei den gebotenen Wertberichtigungen eine
Überschuldung der H. AG ergibt, wird sie weiter zu prüfen haben, wann
diese Überschuldung eingetreten ist, und insbesondere, ob sie bereits im
Zeitpunkt der Zwischenbilanz per 31. Oktober 1974 gegeben und erkennbar
war. Dabei ist rechtlich bedeutungslos, ob die H. AG zur Erstellung
einer Zwischenbilanz verpflichtet war. Entscheidend ist einzig, ob bei
pflichtgemässer Aufmerksamkeit eine Überschuldung hätte festgestellt
und allenfalls bereits Massnahmen nach Art. 725 OR hätten ergriffen
werden müssen, da die Klägerinnen ausschliesslich Verzögerungsschaden
aus verspäteter Konkurseröffnung geltend machen.

Erwägung 5

    5.- a) Demnach ist dem Erstbeklagten als Verwaltungsrat einzig
vorzuwerfen, auf den Darlehensforderungen gegenüber W. H. keine
Wertberichtigungen vorgenommen zu haben. Aufgrund der tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz lässt sich nicht beurteilen, in welchem
Umfang solche Wertberichtigungen nach den allgemein anerkannten
kaufmännischen Grundsätzen erforderlich gewesen wären. Demzufolge
ist die Streitsache zur Ergänzung des Sachverhalts an das Obergericht
zurückzuweisen.

    Ergibt sich nach dieser Ergänzung eine Überschuldung der H. AG,
wird weiter zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls wann der Erstbeklagte
nach Art. 725 Abs. 3 OR verpflichtet gewesen wäre, den Richter zu
benachrichtigen, leiten die Klägerinnen den zu beurteilenden Schaden doch
ausschliesslich aus einer Verzögerung der Konkurseröffnung ab. Dabei wird
zu beachten sein, dass die Auslegung von Art. 725 Abs. 3 OR, welcher
die vorbehaltlose und unbedingte Pflicht der Verwaltung vorsieht, bei
Überschuldung der Aktiengesellschaft den Richter zu benachrichtigen, in
der jüngeren Lehre und Rechtsprechung erheblich relativiert worden ist. So
vertritt etwa M. DUSS (Rangrücktritt des Gläubigers bei Überschuldung
der Aktiengesellschaft, SAG 44/1972 S. 4) die Meinung, die Anzeige könne
unterbleiben, solange Sanierungschancen beständen, es sei denn, Forderungen
der Gesellschaftsgläubiger würden durch neuerliche Verschlechterung der
finanziellen Lage gefährdet. Auch nach FORSTMOSER (Die aktienrechtliche
Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1987, S. 249 Rz. 842) verletzt die Verwaltung
ihre Pflicht nicht, wenn sie unverzüglich saniert, statt sich an den
Richter zu wenden; jedenfalls handelt sie nicht schuldhaft, wenn sie in
einer schwierigen Lage tut, was vernünftigerweise von einem Unternehmer
erwartet werden darf (FORSTMOSER, aaO, Rz. 843). Diesen Auffassungen hat
sich das Bundesgericht angeschlossen (BGE 108 V 188). Die Vorinstanz wird
daher auch zu prüfen haben, ob bei allfälliger Überschuldung konkrete
Aussichten auf eine Sanierung bestanden haben, welche es rechtfertigten,
von einer sofortigen Benachrichtigung des Richters abzusehen.

    Kommt die Vorinstanz zum Schluss, der Erstbeklagte habe pflichtwidrig
den Richter nicht benachrichtigt, wird sie weiter zu prüfen haben, ob der
Gesellschaft aus der dadurch bewirkten Verzögerung der Konkurseröffnung ein
Schaden erwachsen ist, wie die Klägerinnen geltend machen. Gegebenenfalls
wird sie über das Mass der Ersatzpflicht des Erstbeklagten zu befinden
haben.

    b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Kontrollstelle
ebenfalls verpflichtet, die ausgewiesenen Gesellschaftsaktiven auf
ihren tatsächlichen Bestand zu überprüfen. Gegebenenfalls hat sie die
Massnahmen nach Art. 725 OR zu veranlassen (BGE 112 II 462). Die Prüfung
der Bilanzwahrheit erstreckt sich dabei nicht bloss auf das Anlage-
und Umlaufsvermögen (BGE 112 II 462), sondern auch auf die Forderungen
(nicht publ. E. 3a und d von BGE 112 II 462). In der Literatur werden
hiezu im allgemeinen restriktivere Auffassungen vertreten. Nach
einem Teil der Lehre ist die Kontrollstelle zur Prüfung der Bonität
der Debitoren überhaupt nicht verpflichtet (SCHUCANY, Kommentar zum
schweizerischen Aktienrecht, 2. Aufl. 1960, N 3 zu Art. 728 OR; VON
STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl. 1970,
S. 283), nach anderen Autoren bloss stichprobeweise (BÜRGI, N 32 zu
Art. 728 OR; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des schweizerischen
Gesellschaftsrechts, 6. Aufl. 1989, S. 292 Rz. 141) oder auf offenkundige
Gefährdungen hin (FORSTMOSER, aaO, S. 258 Rz. 885 mit Kritik an BGE 112
II 462 in Fn. 1613). Indessen wird auch in der Literatur zunehmend auf
die Bedeutung der Kontrollaufgaben im Hinblick auf die Sicherung des
Unternehmensbestandes und die Gewährleistung der Betriebsfortführung
hingewiesen (VON GREYERZ, SPR VIII/2, S. 215/6; BÄHLER, recht 1989,
S. 22 ff., 24 ff.; HÜTTE, Der Schweizer Treuhänder 1987 S. 391 ff., 392).

    Auf die Erwägungen in BGE 112 II 462 zurückzukommen, besteht
jedenfalls vorliegend keine Veranlassung. Angesichts des Umfangs
der W. H. gewährten Darlehen (Klumpenrisiko), der wirtschaftlichen
Verflechtung von Darlehensnehmer und Aktiengesellschaft sowie der
von ihr zum Jahresabschluss per 31. Januar 1975 bereits angebrachten
Beanstandungen durfte die Kontrollstelle jedenfalls nicht davon absehen,
die Bonität des Hauptschuldners zu prüfen. Mithin ist auch ihr als
Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten, dass sie keine Wertberichtigungen
verlangt und damit eine mögliche Überschuldung der Aktiengesellschaft
nicht kenntlich gemacht hat. Dass sie das Klumpenrisiko erkannt und dessen
Abbau gefordert hat, hat sie von den materiellen Bilanzprüfungspflichten
nicht entlastet.

    Bei objektiv gegebener Überschuldung der H. AG ist daher dem
Zweitbeklagten vorzuwerfen, dies als Kontrollstelle nicht erkannt und
darauf nicht aufmerksam gemacht zu haben. Ob sich daraus eine Haftung
für den behaupteten Schaden aus Verzögerung der Konkurseröffnung ergibt,
wird auch für die Kontrollstelle durch die Vorinstanz noch zu prüfen sein.

    c) Schliesslich wird die Vorinstanz bei gegebener Haftung des
Erst- und des Zweitbeklagten noch die Behauptung zu prüfen haben,
die Drittbeklagte habe als faktisches Organ der H. AG nach den für
die statutarische Kontrollstelle geltenden Grundsätzen für den geltend
gemachten Schaden einzustehen.