Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 525



116 II 525

96. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Oktober 1990 i.S. M.
Ltd. gegen T. AG (Berufung) Regeste

    Kapitalerhöhung bei einer Aktiengesellschaft, Quorum (Art.  648 Abs. 1
OR).

    Ein qualifiziertes Quorum ist bei proportionaler Kapitalerhöhung
über mehrere Aktienkategorien nicht notwendig, wenn bei Nichtausübung
des Bezugsrechts die relative Stimmkraft des bisherigen Aktionärs nicht
überproportional geschmälert wird.

Sachverhalt

    A.- Die T. AG (Beklagte) verfügt über ein Grundkapital von
Fr. 100'000.--, eingeteilt in 96 Namenaktien zu Fr. 1'000.-- und 40
Namenaktien zu Fr. 100.--. Die M. Ltd. (Klägerin) ist Aktionärin der
Beklagten. Zur Zeit der Klageeinleitung war sie Eigentümerin von 50
Aktien zu nominal Fr. 1'000.-- sowie von 15 Aktien zu nominal Fr. 100.--,
verfügte somit über einen Kapitalanteil von 51,5% und einen Stimmenanteil
von rund 47%.

    B.- Anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung vom
29. August 1988 wurde mit einem Stimmenverhältnis von 70 Ja-Stimmen
gegen 62 Nein-Stimmen der Klägerin eine Kapitalerhöhung der Beklagten um
Fr. 500'000.-- auf Fr. 600'000.-- beschlossen. Die Erhöhung erfolgte
durch Ausgabe von 480 Stammaktien zu nominal Fr. 1'000.-- und 200
Stimmrechtsaktien zu Fr. 100.--. Es wurde beschlossen, die neuen Aktien
sukzessive zu pari und unter Wahrung der Bezugsrechte der bisherigen
Aktionäre auszugeben.

    Gegen die Kapitalerhöhungsbeschlüsse liess der Vertreter der Klägerin
die Einwände protokollieren, die Erhöhung bedürfe eines Quorums von
zwei Dritteln des Grundkapitals und ihre Konditionen führten zu einer
unrechtmässigen Verwässerung der Rechte der bisherigen Aktionäre.

    C.- Mit Klage vom 12. Januar 1989 begehrte die Klägerin die
Feststellung der Nichtigkeit, eventuell der Ungültigkeit der Beschlüsse
auf Kapitalerhöhung der Beklagten. Das Handelsgericht des Kantons Zürich
wies die Klage am 31. Oktober 1989 ab. Eine gegen dieses Urteil gerichtete
Berufung der Klägerin hat das Bundesgericht abgewiesen, soweit es darauf
eingetreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Sollen Stimmrechtsaktien eingeführt werden, muss der Beschluss
mindestens die Stimmen von zwei Dritteln des gesamten Grundkapitals
auf sich vereinigen (Art. 648 Abs. 1 OR). Die Bestimmung ist insoweit
zwingendes Recht, als das Mindestquorum statutarisch nicht erleichtert
werden darf (SIEGWART, N 13 zu Art. 648 OR; FORSTMOSER, Schweizerisches
Aktienrecht, Band I/1, S. 172 Rz. 81). Stimmrechtsaktien sind Aktien
kleineren Nennwerts als andere Aktien, auf welche nach den Statuten
unabhängig von ihrem Nennwert eine Stimme in der Generalversammlung
entfällt (Art. 693 Abs. 1 OR). Dass mit der angefochtenen Kapitalerhöhung
die Ausgabe solcher Stimmrechtsaktien beschlossen wurde, ist nicht
streitig. Unterschiedlicher Auffassung sind die Parteien dagegen in der
Frage, ob durch die Erhöhungsbeschlüsse Stimmrechtsaktien "eingeführt"
wurden, der Kapitalerhöhungsbeschluss somit dem Quorum nach Art.
648 Abs. 1 OR unterstanden hätte.

    a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine
Gesetzesbestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. An
einen klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut ist die rechtsanwendende
Behörde gebunden, solange der Wortlaut einer Norm deren wirklichen Sinn
wiedergibt (BGE 114 II 406 E. 3 mit Hinweisen). Dabei sind die drei
Amtssprachen grundsätzlich gleichwertig (BGE 107 Ib 230 E. b).

    Der Wortlaut der Norm ist nicht eindeutig. Zwar ist der Wortsinn
des massgebenden Begriffs in den drei Amtssprachen ("eingeführt",
"introduction", "introdurre") durchaus identisch, in keiner aber
unzweideutig. Die Einführung von Stimmrechtsaktien kann sich sowohl auf die
Schaffung einer entsprechenden Aktienkategorie, somit auf die Erstausgabe
von Stimmrechtsaktien, als auch auf die Ausgabe solcher Aktien schlechthin,
und damit ebenfalls auf die Aufstockung dieser Aktienkategorie, beziehen.

    b) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus,
d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrundeliegenden
Wertungen ausgelegt werden. Eine historisch orientierte Auslegung ist
daher für sich allein nicht entscheidend. Die Materialien fallen nach
der Rechtsprechung nur ins Gewicht, wenn sie angesichts einer unklaren
gesetzlichen Bestimmung eine klare Antwort geben und im Gesetzeswortlaut
einen Niederschlag gefunden haben. Indessen vermag allein die an der
Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung die Regelungsabsicht des
Gesetzgebers aufzuzeigen. Diese Regelungsabsicht und die vom Gesetzgeber in
Verfolgung dieser Absicht erkennbar getroffenen Wertentscheidungen bleiben
für den Richter verbindliche Richtschnur, auch wenn er das Gesetz mittels
teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung neuen, vom Gesetzgeber
nicht voraussehbaren Umständen anpasst oder es ergänzt (BGE 114 Ia 196
E. b/bb mit Hinweisen). Der Richter hat zuerst den entstehungszeitlichen
Sinn einer Norm zu ermitteln und erst danach zu prüfen, ob objektive
Gründe eine Rechtsfortbildung erheischen (MEIER-HAYOZ, N 151 ff. zu Art. 1
ZGB). Jeder historisch orientierten Auslegung eignet danach zwangsläufig
ein teleologisches Element, von welchem als Zielrichtung auszugehen ist,
da die Zweckbezogenheit der Auslegung sich nicht aus sich selbst begründen
lässt, sondern sich wiederum aus dem grammatikalischen, historischen und
systematischen Vorgehen ergibt (ZELLER, Auslegung von Gesetz und Vertrag,
S. 285 ff. Rz. 40 und S. 367 ff. Rz. 180 ff.). In diesem Sinne ist auch
die Aussage zu verstehen, dass die Materialien umso weniger zu beachten
sind, je weiter sie zeitlich zurückliegen (BGE 114 Ia 196 E. b/bb mit
Hinweis); damit wird nicht der Anknüpfungspunkt der Auslegung, sondern
deren Ergebnis bestimmt, indem sich bei älteren Erlassen vermehrt eine
Rechtsfortbildung, eine Anpassung der Gesetzesauslegung an veränderte
Umstände und neue Entwicklungen aufdrängt oder rechtfertigt.

    Die auszulegende Bestimmung von Art. 648 Abs. 1 OR wurde mit der
handelsrechtlichen Revision von 1936 in das Gesetz eingefügt. Dass ihr
aufgrund veränderter Realien ein gewandelter Sinn beizumessen wäre,
ist nicht ersichtlich. Dabei ist zu beachten, dass die Bestimmung
vorab organisatorischer Natur ist und Normen dieser Art nicht leichthin
unter Hinweis auf den Bedeutungswandel eines Instituts oder veränderte
gesellschaftliche Anschauungen richterlicher Rechtsfortbildung zugänglich
sind (BGE 112 Ia 216 E. c). Die objektiv-historische Auslegung der Norm hat
sich daher an den Regelungsabsichten und Wertvorstellungen des Gesetzgebers
zu orientieren.

    Der bundesrätliche Entwurf vom 21. Februar 1928 zur Revision
der Titel XXIV bis XXXIII des schweizerischen Obligationenrechts sah
für die Aktiengesellschaft zwingend die Bindung des Stimmrechts an
den Nominalwert der Aktien vor und untersagte damit die Schaffung von
Stimmrechtsvorteilen mittels Vorzugsaktien (BBl 1928 I 205 ff., 234 und
248; Art. 692 Abs. 1 VE). Er übernahm damit das Ergebnis der Beratungen
der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzten
Expertenkommission, in welcher ein Antrag Wieland, namentlich zur
Verhinderung unerwünschter Überfremdungen die Möglichkeit zur Schaffung
von (direkten) Pluralstimmrechten zu geben, knapp abgelehnt worden
war (Nachweise bei EGON BIBER, Die Stimmrechtsaktie nach deutschem,
französischem und schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1940, S. 80
ff.). Demgegenüber wurde in den parlamentarischen Beratungen mehrheitlich
ein legitimes Bedürfnis zur Schaffung von Stimmrechtsaktien, wie sie
in der Praxis bereits verbreitet waren, anerkannt und Art. 693 OR
in der heutigen Fassung in das Gesetz eingeführt (zum Werdegang der
Bestimmung BIBER, aaO, S. 90 ff.). Gleichzeitig sollte der Gefahr
einer Majorisierung des Kleinaktionärs dadurch begegnet werden, dass
die nachträgliche Einführung solcher Aktien einem qualifizierten Mehr
unterstellt wurde (BIBER, aaO, S. 93). Begründet wurde die Erschwerung
damit, dass die nachträgliche Einführung von Stimmrechtsaktien für die
bisherigen Aktionäre eine starke Entrechtung bedeute (Sten.Bull. StR 1931,
S. 364, Votum Thalmann). Damit sollte einerseits Missbräuchen vorgebeugt,
anderseits den Aktiengesellschaften die Möglichkeit gegeben werden,
unerwünschte Überfremdungen abzuwehren (Sten.Bull. NR 1934, S. 320,
Votum Scherer). Der Begriff der Einführung blieb dabei in beiden
Räten unerörtert. Namentlich finden sich keine Ausführungen über die
erforderliche Mehrheit zum Beschluss einer Erhöhung eines bereits in
Aktien unterschiedlichen Nennwerts eingeteilten Aktienkapitals. Immerhin
lässt sich im Hinblick auf die teleologische Auslegung der Bestimmung
festhalten, dass der Zweck des qualifizierten Mehrs bei der Einführung
von Stimmrechtsaktien historisch gesehen im Minderheitenschutz gründet,
indem eine Entrechtung des einzelnen Aktionärs durch Verwässerung der
kapitalbezogenen Stimmkraft gegen den Willen einer Sperrminorität nicht
möglich sein soll.

    c) Die systematische Auslegung der Bestimmung führt nicht weiter. Zwar
liesse sich vordergründig argumentieren, der Begriff der Einführung in
Art. 648 Abs. 1 OR sei zu unterscheiden von denjenigen der Ausgabe und
der Umwandlung (Art. 654/655 OR). Nichts deutet indessen darauf hin,
dass diese Differenzierung bewusst vorgenommen wurde, zumal das Gesetz
in Art. 627 Ziff. 10 OR auch im Zusammenhang mit Stimmrechtsaktien von
deren Ausgabe spricht.

Erwägung 3

    3.- a) Sinn und Zweck von Art. 648 Abs. 1 OR ist aufgrund des
historischen Auslegungsergebnisses im Schutz der Minderheit zu
erblicken, im negativen Minderheitenrecht der Sperrminorität, sich
einer Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des
Einzelaktionärs bei nachträglicher Ausgabe von Stimmrechtsaktien zu
widersetzen (VON GREYERZ, SPR VIII/2, S. 168). Geht man davon als
vorläufigem Auslegungsergebnis aus, so drängt sich der Schluss auf,
Art. 648 Abs. 1 OR unterstelle bloss diejenigen Beschlüsse im Zusammenhang
mit der Ausgabe von Stimmrechtsaktien dem qualifizierten Mehr, welche die
Rechtsstellung des bisherigen Aktionärs beeinträchtigen, nicht aber solche,
welche diese Folge nicht zeitigen. Dabei ist der Begriff der Einführung
teleologisch weit zu verstehen; er umfasst sowohl die eigentliche
Einführung einer neuen Aktienkategorie als auch die Ausgabe neuer
Stimmrechtsaktien oder die Umwandlung von Stammaktien in Stimmrechtsaktien,
sofern damit eine mögliche Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen
Rechtsstellung des Aktionärs einhergeht. Entscheidend sind demnach die
Wirkungen der neuen Aktienbegebung, nicht deren Modalitäten. Dieses
Auslegungsergebnis liegt dem angefochtenen Entscheid zugrunde.

    b) In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. In
einem Teil der Lehre, welche sich ausdrücklich mit dem Problem der
Kapitalerhöhung mit konsekutiver Ausgabe von Stimmrechtsaktien befasst,
wird, meist ohne differenzierte Bezugnahme auf das Entrechtungsproblem,
die Auffassung vertreten, jede nach der Gründung erfolgende Ausgabe von
Stimmrechtsaktien unterstehe dem Quorum von Art. 648 Abs. 1 OR (SCHUCANY,
2. Aufl. 1960, N 4 zu Art. 648 OR; ULRICH GEILINGER, Die erschwerten
Beschlüsse der Generalversammlung der Aktionäre, Diss. Zürich 1948,
S. 110; H. ZIMMERMANN, Stimmrechtsaktien und ähnliche Rechtsgebilde, in
Die AG im neuen OR, Heft 10, Zürich 1951, S. 68 f.; BÄR, SAG 58/1986,
S. 88 ff.). Andere Autoren stellen teleologische Überlegungen in
den Vordergrund. JÄGGI (Zur Schaffung von privilegierten Aktien und
von Genuss-Scheinen, FS Carry 1964, S. 79 ff., hier zitiert nach dem
Nachdruck in Privatrecht und Staat, S. 404 ff.) sieht den vom Gesetzgeber
beabsichtigten Tatbestand im Schutz der bisherigen Aktionäre vor einer
Verschiebung der Stimmrechtsverhältnisse. Nach ihm umfasst der Begriff der
Einführung sowohl die Ausgabe neuer als auch die Umwandlung bestehender
Aktien, fällt aber nur dann unter Art. 648 Abs. 1 OR, wenn die Massnahme
zu einem Eingriff in das Stimmrechtsverhältnis und damit in die bestehende
Mitgliedschaftsstellung des Aktionärs führt. JÄGGI verlangt daher kein
qualifiziertes Mehr für die Zerlegung sämtlicher Aktien in solche mit
unterschiedlichen Nennwerten, für die Ausgabe neuer Aktien mit höherem
Nennwert als die bisherigen und damit die Umwandlung der bestehenden Aktien
in Stimmrechtsaktien sowie für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
und die gleichmässige Zuteilung der neuen (Gratis)Aktien an die bisherigen
Aktionäre. Keinen schweren Eingriff erblickt er an sich in der Ausgabe von
Stimmrechtsaktien unter Wahrung eines proportionalen Rechts der bisherigen
Aktionäre auf die neuen Aktien, lehnt es dann aber dennoch ab, Art. 648
Abs. 1 OR in diesem Sinn einschränkend auszulegen (aaO, S. 412 ff.). Auch
HOMBURGER (SAG 57/1985, S. 145) geht vom Zweckgedanken des Art. 648 Abs. 1
OR aus, Verschiebungen in den Stimmrechtsverhältnissen zu erschweren,
und verneint dessen Anwendbarkeit auf einen Beschluss, mit dem sämtliche
bestehenden Aktien in solche unterschiedlichen Nennwerts aufgespalten
werden sollen. Aufgrund einer teleologischen Interpretation kommt sodann
HIRSCH (SAG 58/1986, S. 90 ff.) zum Schluss, die konsekutive Ausgabe von
Stimmrechtsaktien unterstehe der Quorumsvorschrift von Art. 648 Abs. 1
OR nicht, wenn die bisherigen Stamm- und Stimmrechtsaktien proportional
aufgestockt würden. BRIGITTE TANNER (Quoren für die Beschlussfassung in
der Aktiengesellschaft, Diss. Zürich 1987, S. 234 ff. Rz. 107 ff.) gelangt
ebenfalls in teleologischer Auslegung zum Ergebnis (S. 276 Rz. 234), dass
in fünf Fällen, welche an sich vom Wortlaut der Bestimmung erfasst würden,
die Schaffung von Stimmrechtsaktien dem qualifizierten Quorum von Art. 648
Abs. 1 OR nicht unterstehe, nämlich bei gleichmässiger Aktienspaltung,
bei proportionaler Erhöhung der verschiedenen Aktienkategorien, bei
Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und gleichmässiger Zuteilung
von Gratisaktien, bei einer Kapitalerhöhung, durch welche allein die
bisherigen Aktien zu Stimmrechtsaktien werden und schliesslich bei
fehlendem Kausalzusammenhang zwischen der Einführung von Stimmrechtsaktien
und einer allfälligen Schädigung bisheriger Aktionäre, insbesondere bei
ausschliesslicher oder überproportionaler Erhöhung des Stammaktienkapitals.

    c) Der Botschaft zum neuen Aktienrecht, wonach an einem qualifizierten
Quorum für die Einführung von Stimmrechtsaktien festgehalten werden soll,
lässt sich zur Klärung des Problems nichts entnehmen (BBl 1983 II 916).

    d) Das teleologische Auslegungsergebnis überzeugt. Ausgehend von der
Regelungsabsicht und den Wertvorstellungen des Gesetzgebers und unter
Mitberücksichtigung der gesetzgeberischen Methode (MEIER-HAYOZ, N 182
i.V.m. N 316 ff. zu Art. 1 ZGB) ist dabei vorwiegend auf den Zweckgedanken
des Gesetzes abzustellen. Dient danach Art. 648 Abs. 1 OR teleologisch dem
Schutz der Aktionärsminderheit, ist dieser Schutz nicht weiter auszudehnen,
als die Minderheit seiner zur Wahrung ihrer bisherigen Rechtsstellung
bedarf. Dies führt im vorliegenden Fall einer Kapitalerhöhung mit
konsekutiver Ausgabe von Stimmrechtsaktien zum Ergebnis, dass ein
qualifiziertes Quorum nach Art. 648 Abs. 1 OR nicht notwendig ist,
sofern dadurch die Rechtsstellung der bisherigen Aktionäre keine durch
Privilegierung einer Aktienkategorie bewirkte Beeinträchtigung erfährt.

Erwägung 4

    4.- Damit bleibt abschliessend zu prüfen, wann eine Kapitalerhöhung mit
Ausgabe von Stimmrechtsaktien mit einer rechtserheblichen Beeinträchtigung
der bisherigen Aktionäre verbunden ist, welche die Anwendung von Art. 648
Abs. 1 OR verlangt.

    a) Eine Beeinträchtigung wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen,
dass das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre proportional zu ihrem
Aktienbesitz gewahrt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob bei Nichtausübung
des Bezugsrechts die relative Stimmkraft des bisherigen Aktionärs
überproportional geschmälert wird oder nicht. Dies ist beispielsweise
der Fall, wenn ausschliesslich neue Stimmrechtsaktien oder solche zum
bisherigen Verhältnis der mehreren Aktienkategorien überproportional
ausgegeben werden, nicht dagegen, wenn die bisherigen Proportionen
unverändert bleiben sollen.

    b) Keine im Schutzbereich von Art. 648 Abs. 1 OR liegende
Beeinträchtigung liegt dagegen im Umstand, dass der Aktionär vor die
Wahl gestellt ist, entweder sein Bezugsrecht auszuüben oder einen Teil
seiner relativen Stimmkraft einzubüssen, solange diese Einbusse nicht
überproportional ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE
99 II 55), auf welche im vorliegenden Fall zurückzukommen kein Anlass
besteht, werden keine Aktionärsrechte verletzt, wenn sämtliche Aktionäre
vor dieselbe Wahl gestellt werden, entweder Bezugsrechte auszuüben oder
relative Stimmrechtsverluste in Kauf zu nehmen; dies selbst dann nicht,
wenn die neuen Aktien unter ihrem inneren Wert ausgegeben werden, und
der nicht beziehende Aktionär somit einen realen Kapitalverlust durch
Verwässerung in Kauf zu nehmen hat. Gleich verhält es sich vorliegend.

    c) Offenbleiben kann schliesslich die Frage, ob bei proportionaler
Kapitalerhöhung über mehrere Aktienkategorien allenfalls eine nach Art. 648
Abs. 1 OR zu erfassende Beeinträchtigung bisheriger Aktionäre darin liegen
könnte, dass ein Bezugsrecht auf die neuen Aktien nicht, nicht vollständig
oder ungleichmässig gegeben wird, sind vorliegend doch das integrale
Bezugsrecht und damit die Gleichbehandlung der Aktionäre gewährleistet
(dazu etwa JÄGGI, aaO, S. 414 f.; HIRSCH, aaO, S. 90 Ziff. 3; TANNER,
aaO, S. 252 ff. Rz. 162 ff., 172).

Erwägung 5

    5.- Der angefochtene Entscheid verletzt demnach Art. 648 Abs.  1 OR
nicht. Was die Klägerin zusätzlich dagegen vorbringt, führt zu keinem
anderen Ergebnis.

    a) Zu einer Rechtsunsicherheit führt die hier vertretene Auffassung
offensichtlich nicht, stellt die Beantwortung der Frage, ob eine
Kapitalerhöhung bei mehreren Aktienkategorien proportional erfolgt oder
nicht, doch keine Schwierigkeiten.

    b) Die Überproportionalität der relativen Stimmkraft der
Stimmrechtsaktionäre ist eine zwangsläufige Folge dieser Aktienkategorie,
deren Rechtmässigkeit im Rahmen der Rechtsanwendung nicht in Frage
zu stellen ist. Sie wirkt sich allgemein und nicht bloss bei einer
Kapitalerhöhung aus; sie stellt einen gesetzlich zulässigen Eingriff in
den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre dar. Anderseits ist nicht
zu verkennen, dass nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung bei
bestehenden Stimmrechtsaktien wohl jede Kapitalerhöhung dem Quorum des
Art. 648 Abs. 1 OR unterstände und damit in vielen Fällen verunmöglicht
wäre (HIRSCH, aaO).

    c) Soweit die Majorisierung der Minderheit in der Aktiengesellschaft
systemimmanent und nach der Rechtsprechung zulässig ist, gelten diese
Grundsätze auch für Gesellschaften mit unterschiedlichen Aktienkategorien.