Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 49



116 II 49

7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. März 1990
i.S. Sieber und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Plasselb (Berufung) Regeste

    Ausübung eines Vorkaufsrechts zur gesamten Hand (Art. 681 Abs. 1
ZGB); Aktivlegitimation; Austritt aus einer einfachen Gesellschaft (Art.
545 Abs. 1 Ziff. 2 und 6 OR).

    - Annahme einer einfachen Gesellschaft, wenn mehrere Personen erklären,
sie übten ein ihnen zustehendes Vorkaufsrecht gemeinsam zur gesamten Hand
aus (E. 3).

    - Liegt ein Gesamthandsverhältnis vor, so können nur alle Gesamthänder
gemeinsam auf Übertragung des Eigentums klagen (E. 4a). Ist jedoch
ein Beteiligter aus der Gesellschaft ausgetreten und wird vereinbart,
die Gesellschaft ohne diesen fortzusetzen, so können die verbliebenen
Gesellschafter das Vorkaufsrecht infolge Akkreszenz auch ohne den
ausgetretenen Gesellschafter einklagen. Besondere Übertragungshandlungen
und die Einhaltung bestimmter Formen sind nicht erforderlich (E. 4b-d).

Sachverhalt

    A.- Am 23. November 1983 vereinbarten die Erben des August Neuhaus,
dass das Grundstück Art. 888 des Grundbuches Plasselb an sechs Erben zu
Gesamteigentum übertragen werde und dass den übrigen fünf Erben für die
Dauer von zehn Jahren ein Vorkaufsrecht zustehe. Dieses Vorkaufsrecht
wurde im Grundbuch vorgemerkt.

    Am 10. Dezember 1986 verkauften die verbliebenen sechs Gesamteigentümer
das Grundstück der Gemeinde Plasselb zum Preis von Fr. 277'760.--. Vier
der fünf vorkaufsberechtigten Schwestern teilten den Verkäufern darauf
am 15. Januar 1987 mit, dass sie das Vorkaufsrecht zur gesamten Hand
ausübten. Da die Verkäufer bestritten, dass das Vorkaufsrecht rechtsgültig
ausgeübt worden sei, wurde die Gemeinde Plasselb als Eigentümerin im
Grundbuch eingetragen und das vorgemerkte Vorkaufsrecht gelöscht.

    B.- Am 16. März 1987 reichten drei der vier vorkaufsberechtigten
Schwestern, die ihr Recht ausgeübt hatten, beim Zivilgericht des
Sensebezirkes Klage gegen die Gemeinde Plasselb und die Verkäufer ein. Sie
verlangten im wesentlichen, dass ihnen gegen Bezahlung des Kaufpreises
das Eigentum am Grundstück zu übertragen sei. (...)

    In der Verhandlung vom 18. Oktober 1988 vor dem Zivilgericht des
Sensebezirkes zogen die Klägerinnen ihre Klage gegen die Verkäufer zurück
und hielten nur noch diejenige gegen die Gemeinde aufrecht. Gleichentags
hiess das Zivilgericht die Klage gut, sprach den Klägerinnen das
Eigentum am Grundstück Art. 888 des Grundbuches Plasselb zu und wies
den Grundbuchverwalter an, die Klägerinnen auf deren Anmeldung hin im
Grundbuch als Eigentümerinnen einzutragen.

    Die Gemeinde Plasselb wandte sich gegen dieses Urteil mit Berufung
an das Kantonsgericht des Staates Freiburg. Dessen Appellationshof hob
das Urteil des Zivilgerichts am 16. Mai 1989 auf und wies die Klage ab.

    C.- Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen Berufung an das
Bundesgericht erhoben. Sie beantragen die Gutheisssung der Berufung und
die Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz.

    Die Gemeinde Plasselb beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das
angefochtene Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Kantonsgericht des Staates Freiburg hat die Klage abgewiesen,
weil von vier Vorkaufsberechtigten, die das Vorkaufsrecht ausgeübt hatten,
nur drei geklagt haben. Alle vier Vorkaufsberechtigten hätten mit ihrer
Ausübungserklärung eine Gesamthandsforderung auf Übertragung des Eigentums
am verkauften Grundstück erworben. In einem Prozess über Gesamtgut seien
sämtliche Gesamthänder aber notwendige Streitgenossen. Da die Erklärung,
das Vorkaufsrecht auszuüben, im übrigen unwiderruflich und die Änderung
eines Kaufvertrages durch einseitige Erklärung ausgeschlossen sei, sei
die Verzichtserklärung von Josephine Svoboda-Neuhaus vom 18. Oktober 1988
im vorliegenden Verfahren bedeutungslos. Die drei Klägerinnen seien daher
nicht aktivlegitimiert.

    a) Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie zusammen mit ihrer
Schwester Josephine Svoboda-Neuhaus den Anspruch auf Übertragung des
Grundstücks zu gesamter Hand erworben haben. Josephine Svoboda-Neuhaus sei
aber aus der Gemeinschaft ausgetreten, wie die Erklärung vom 18. Oktober
1988 zeige. Das Gesamthandsverhältnis bestehe daher nur noch zwischen
den Klägerinnen, weshalb sie zur Geltendmachung des Anspruchs legitimiert
seien.

Erwägung 3

    3.- Ein Anspruch zur gesamten Hand entsteht nur, wenn die Berechtigten
durch Gesetzesvorschrift oder durch Vertrag zu einer Gemeinschaft
verbunden sind (vgl. BGE 68 III 44; von TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des
Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II S. 292; BUCHER, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 501 f.). Die zulässigen
Gesamthandsverhältnisse sind im Gesetz abschliessend aufgeführt (BGE 84
I 129).

    a) Obgleich die Vorinstanz in Übereinstimmung mit den Parteien
eine Berechtigung zur gesamten Hand annahm, hat sie es unterlassen, das
massgebliche Gesamthandsverhältnis zu bezeichnen. Das Bundesgericht hat
somit aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Kantonsgerichts zu
klären, welches Gemeinschaftsverhältnis vorliegt.

    b) Das Gesamthandsverhältnis kann nicht schon dadurch entstanden
sein, dass den fünf Schwestern ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden
ist. Der Begründungsakt bietet keinerlei Anhaltspunkte, dass die
Vorkaufsberechtigten schon damals zu einer Gesamthandschaft verbunden
worden wären oder die Erbengemeinschaft in bezug auf dieses Vorkaufsrecht
fortgesetzt worden wäre. Die Gesamthandschaft ist vielmehr erst entstanden,
als vier Schwestern erklärten, sie übten das Vorkaufsrecht gemeinsam
zur gesamten Hand aus. Die vier beteiligten vorkaufsberechtigten
Schwestern haben sich in diesem Zeitpunkt zusammengeschlossen, um mit
gemeinsamen Kräften bzw. Mitteln das Grundstück zu erwerben. Damit sind
die typischen Merkmale einer einfachen Gesellschaft erfüllt. Es ist daher
davon auszugehen, dass die vier vorkaufsberechtigten Schwestern, die ihr
Recht ausgeübt haben, eine einfache Gesellschaft im Sinne von Art. 530
ff. OR bilden (BGE 68 III 44). Eine andere Möglichkeit für das Vorliegen
des Gesamthandsverhältnisses ist nicht ersichtlich. Hievon sind denn auch
beide Parteien in ihren Vorträgen vor Bundesgericht zu Recht ausgegangen.

Erwägung 4

    4.- Das Vorkaufsrecht gibt dem Berechtigten den Anspruch, die
Übertragung des Eigentums an einer Sache zu verlangen, sobald der
Verpflichtete sie einem Dritten veräussert. Wird das Vorkaufsrecht
im Grundbuch vorgemerkt, so besteht es gemäss Art. 681 Abs. 1
ZGB auch gegenüber dem Erwerber des Grundstücks. Ist der Erwerber
bereits im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen, so kann der
Vorkaufsberechtigte, der in gültiger Weise sein Recht ausgeübt hat,
gegen ihn auf Übertragung des Grundeigentums klagen (BGE 102 II 384 E. 5;
101 II 240 E. 1b; 92 II 155 ff. E. 4).

    a) Haben mehrere Personen das Vorkaufsrecht als einfache Gesellschaft
zur gesamten Hand ausgeübt, so steht ihnen die sich daraus ergebende
Forderung gesamthänderisch zu, wie die Vorinstanz richtig festgestellt
hat. Folglich können alle Gläubiger nur gemeinsam über die Forderung
verfügen. Eine Klage hat daher grundsätzlich im Namen aller Gesamthänder
zu erfolgen (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl.,
S. 296-298).

    Entgegen der Auffassung der Klägerinnen gilt dies auch dann, wenn die
Forderung gegenüber dem Erwerber des Grundstücks geltend gemacht wird
statt gegenüber dem Veräusserer. Die sich aus der Vormerkung ergebende
subjektiv-dingliche Verknüpfung bewirkt nur, dass die Forderung nicht
nur gegenüber dem ursprünglichen Vertragspartner, sondern auch gegenüber
jedem späteren Eigentümer des Grundstücks geltend gemacht werden kann. Die
Vormerkung kann aber nicht bewirken, dass jemand anderer aus der Forderung
berechtigt wird. Sie steht somit, auch soweit sie sich gegen den Erwerber
richtet, nur allen Gesellschaftern gemeinsam zu. Im vorliegenden Fall haben
die drei Klägerinnen nur in eigenem Namen geklagt, obwohl ursprünglich vier
Schwestern das Vorkaufsrecht zur gesamten Hand ausgeübt haben. Der Berufung
ist daher nur dann Erfolg beschieden, wenn Josephine Svoboda-Neuhaus
aus der einfachen Gesellschaft rechtsgültig ausgeschieden ist und das
Gesamthandsverhältnis nur noch aus den Klägerinnen besteht.

    b) Das Ausscheiden eines Beteiligten hat grundsätzlich die Auflösung
der einfachen Gesellschaft zur Folge (Art. 545 Abs. 1 Ziff. 2 und 6 OR). Es
kann aber vertraglich vorgesehen werden, dass die Gesellschaft unter den
verbleibenden Gesellschaftern weiter geführt wird (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER,
Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts, 6. Aufl., S. 197). Die
Gesellschafter können sich sogar auf eine solche Weiterführung
einigen, nachdem ein Beteiligter ausgetreten und die Gesellschaft
infolgedessen bereits aufgelöst ist, solange die Liquidation noch nicht
abgeschlossen ist. Die Auflösung wird dadurch rückgängig gemacht (BGE
70 II 56 f.; SJZ 85/1989, S. 144 f., mit weiteren Hinweisen). Wie der
Gesellschaftsvertrag als solcher setzen weder die Austrittserklärung noch
die Fortsetzungsklausel eine besondere Form voraus. Die Vereinbarung,
die Gesellschaft trotz eines Wechsels im Bestand weiterzuführen, kann
auch durch konkludentes Handeln geschlossen werden (SJZ 85/1989 S. 144 f.;
MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss, S. 197).

    Der Austritt einer Person bewirkt im Falle des Weiterbestehens der
Gesellschaft, dass seine Rechte den andern Gesellschaftern anwachsen,
ohne dass es dafür besonderer Übertragungshandlungen bedürfte (VON
STEIGER, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/1, S. 417 f.; vgl. auch
BGE 75 I 275 sowie BGE 102 Ib 322 ff., Pra. 66/1977 Nr. 130). Da der
Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den andern anwächst, bestehen
selbst dann keine Formerfordernisse, wenn das Gemeinschaftsvermögen
aus Grundstücken besteht (BGE 102 Ib 327 f. E. 5; MEIER-HAYOZ, Berner
Kommentar, N 69 f. zu Art. 652 ZGB und N 92 zu Art. 656 ZGB; VON STEIGER,
Schweizerisches Privatrecht, S. 418 N 203). Die Auffassung der Beklagten,
wonach der Austritt aus der Gesamthandschaft bezüglich eines Grundstücks
nur mit öffentlicher Beurkundung erfolgen könne, trifft demnach nicht
zu. Die Beklagte übersieht damit den grundlegenden Unterschied zwischen
einer Verfügung der Gesamthandschaft über Grundeigentum und dem blossen
Wechsel im Bestand der Gesamthandschaft durch den Austritt eines Mitglieds.

    c) Josephine Svoboda-Neuhaus hat in ihrer Erklärung vom 18. Oktober
1988 festgehalten, dass sie "aus der Gemeinschaft der Geschwister
ausgetreten" sei und damit auf ihr "persönliches Vorkaufsrecht" zugunsten
der Klägerinnen verzichte.

    Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handelt es sich bei dieser
Erklärung nicht um einen Widerruf der früheren gemeinschaftlichen
Erklärung, das Vorkaufsrecht auszuüben. Dies wäre in der Tat einseitig
nicht möglich (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N 48 f., 224 und 238 zu
Art. 681 ZGB). Die Erklärung vom 18. Oktober 1988 betrifft nach ihrem
eindeutigen Wortlaut nur den Austritt aus der Gesamthandschaft. Der zur
Erläuterung beigefügten zweiten Erklärung, wonach Josephine Svoboda-Neuhaus
ausdrücklich auf ihr persönliches Vorkaufsrecht zugunsten der Klägerinnen
verzichte, kommt keine selbständige Bedeutung zu. Diese Erklärung bringt
nur die gesetzliche Folge ihres Ausscheidens zum Ausdruck, dass ihre
Rechte nun ihren Schwestern zustehen. Ein anderer Sinn kann dieser
Erklärung nicht beigelegt werden.

    Aus dem Umstand, dass die Klägerinnen diese Erklärung ins Recht gelegt
haben, darf geschlossen werden, dass sie den Austritt angenommen und
durch konkludentes Handeln die Fortsetzung der einfachen Gesellschaft
ohne ihre Schwester vereinbart haben. Die Rechte, die Josephine
Svoboda-Neuhaus zustanden, sind somit den Klägerinnen angewachsen und
stehen nun ausschliesslich den Klägerinnen zur gesamten Hand zu. Dass
dies allerdings die Haftung der ausgeschiedenen Gesellschafterin für all
jene Schulden nicht untergehen lässt, welche vor ihrem Ausscheiden zu
ihren Lasten begründet worden sind, ist hier nicht weiter von Interesse
(vgl. von Steiger, Schweizerisches Privatrecht, S. 421 f.).

    d) Steht die sich aus der Ausübung des Vorkaufsrechts ergebende
Forderung gegenüber der Beklagten auf Übertragung des Eigentums an der
fraglichen Liegenschaft allein den Klägerinnen zur gesamten Hand zu, so
sind diese entgegen dem vorinstanzlichen Urteil aktivlegitimiert. Dies
führt zur Gutheissung der Berufung.