Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 385



116 II 385

71. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1990
i.S. L. X.-C. gegen B. X. (Berufung) Regeste

    Ehescheidung: Urteilsunfähigkeit des Klägers.

    Tritt die Urteilsunfähigkeit erst nach Einreichung der Scheidungsklage
ein, ist das Verfahren fortzuführen, solange keine Anzeichen vorliegen,
die auf eine ernst zu nehmende Änderung des Scheidungswillens schliessen
lassen. Offengelassen, ob der gesetzliche Vertreter die Scheidungsklage
zurückziehen könnte.

Sachverhalt

    A.- Bernhard X. klagte am 30. Dezember 1987 beim Zivilgericht des
Kantons Basel-Stadt gegen Luise X.-C. auf Scheidung der Ehe. Am 16. Mai
1989 wurde die Klage gutgeheissen und die Ehe der Parteien gestützt auf
Art. 142 ZGB geschieden. Dieser Urteilsspruch wurde vom Appellationsgericht
des Kantons Basel-Stadt am 15. Dezember 1989 bestätigt. Dagegen erhebt
Luise X.-C. Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben und auf die Klage nicht einzutreten. Eventuell
sei die Prozessfähigkeit des Klägers von Sachverständigen abzuklären
und anschliessend über die Klage zu entscheiden. Mit einem weiteren
Eventualantrag verlangt sie die Abweisung der Klage.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Beklagte verlangt erstmals vor Bundesgericht, dass auf die
Scheidungsklage nicht einzutreten sei. Obwohl es sich dabei um ein neues
Begehren handelt, kann trotz Art. 55 Abs. 1 lit. b OG ohne Bedenken darauf
eingetreten werden. Das Bundesgericht hat schon wiederholt festgehalten,
dass die fehlende Prozessfähigkeit von Amtes wegen berücksichtigt werden
muss und auch noch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden darf,
selbst wenn im kantonalen Verfahren nichts dergleichen vorgebracht worden
ist (BGE 48 II 29 E. 3; vgl. auch BGE 79 II 115 f. E. 3). Im vorliegenden
Fall ist diese Einrede indessen bereits im Verlaufe des zweitinstanzlichen
Verfahrens erhoben worden. Da die Beklagte diese Möglichkeit selbst
noch im Berufungsverfahren gehabt hätte, soll es ihr nicht zum Nachteil
gereichen, wenn sie sich vor Appellationsgericht damit begnügt hat, die
Abschreibung des Verfahrens oder die Klageabweisung zu verlangen und nun
erstmals vor Bundesgericht ein förmliches Nichteintretensbegehren stellt.

Erwägung 3

    3.- Im folgenden ist darüber zu befinden, welche Auswirkungen die auf
seiten des Klägers nach Einreichung der Scheidungsklage möglicherweise
eingetretene Urteilsunfähigkeit auf den Fortgang des Scheidungsverfahrens
nach sich zieht.

    Das baselstädtische Appellationsgericht hat einleitend festgestellt,
dass der Kläger im Zeitpunkt der Klageanhebung unbestrittenermassen
urteilsfähig gewesen ist. Bei dieser Sachlage - so hat es gefolgert -
müsse eine tatsächlich eingetretene Urteilsunfähigkeit ohne Einfluss auf
den weiteren Verfahrensverlauf bleiben, denn es genüge, wenn der Wille
zum Scheidungsbegehren im Zustand der Urteilsfähigkeit gefasst worden sei.

    Die Beklagte wendet dagegen ein, die Urteilsfähigkeit des Klägers
müsse als Voraussetzung seiner Prozessfähigkeit kraft Bundesrechts im
Zeitpunkt des Urteils vorliegen und von Amtes wegen abgeklärt werden.

Erwägung 4

    4.- Der Beklagten ist darin beizupflichten, dass die Prozessfähigkeit
als prozessuale Seite der Handlungsfähigkeit (vgl. Art. 14 BZP)
abschliessend durch das Bundesrecht geregelt wird (BGE 98 Ia 324 E. 3;
82 II 173; 81 I 143 E. 3; 77 II 9 E. 1; 44 II 29 E. 3; 42 II 555;
vgl. die bundesrätliche Botschaft zum Entwurf des BZP vom 14. März
1947, BBl 1947 I S. 1003). Desgleichen ist ihr darin zu folgen, dass
sich der Richter von Amtes wegen mit der Prozessfähigkeit der Parteien
zu befassen hat und er ein Sachurteil dann nicht fällen darf, wenn es
im Zeitpunkt der Urteilsfällung daran gebrechen sollte (vgl. GULDENER,
Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A. Zürich, 1979, S. 220 ff., 229;
VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. A. Bern, 1988, Kap. 5 Rz. 32,
S. 96, Kap. 7 Rz. 78, S. 147).

    Für die vorliegend zu beurteilende Frage ist damit allerdings noch
nichts gewonnen. Auch den handlungsunfähigen Personen (Art. 13, 17 ZGB)
kann die prozessuale Durchsetzung ihrer Rechte nicht verwehrt werden,
doch muss dies immer dann durch den gesetzlichen Vertreter geschehen, wenn
ihnen die Fähigkeit vernunftgemässen Handelns abgeht (Art. 18 ZGB). Davon
ausgenommen bleiben indessen diejenigen Rechte, die von Lehre und
Rechtsprechung gemeinhin als absolut höchstpersönliche Rechte bezeichnet
werden (vgl. etwa EUGEN BUCHER, Berner Kommentar, Bd. I/2, 1976, N. 206
zu Art. 19 ZGB; GROSSEN, Das Recht der Einzelpersonen, in Schweizerisches
Privatrecht, Bd. II, Basel 1967, S. 328; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische
Zivilgesetzbuch, 10. A., Zürich 1986, S. 74). Für diese Rechte, deren
Geltendmachung durch den Vertreter gemäss schweizerischer Rechtsauffassung
wesensgemäss nicht in Frage kommt, wird den urteilsfähigen Unmündigen oder
Entmündigten von Gesetzes wegen (Art. 19 Abs. 2 ZGB) beschränkte Handlungs-
und Prozessfähigkeit zugestanden, womit sie Prozesse über solche Rechte
selbst oder durch selbsternannte Vertreter führen dürfen (BGE 112 IV
10 E. 1). Diese Möglichkeit entfällt indessen bei den urteilsunfähigen
Personen, weshalb diesen die gerichtliche Durchsetzung ihrer Rechte im
Bereich der vertretungsfeindlichen absolut höchstpersönlichen Rechte
schlechthin verschlossen bleibt (BGE 114 Ia 362 E. 7b/bb).

Erwägung 5

    5.- a) Ein urteilsunfähiger Ehegatte kann gemäss Art. 18 ZGB die
Scheidung nicht wirksam verlangen. Angesichts der höchstpersönlichen
Natur des in Frage stehenden Anspruchs hat die bisherige Rechtsprechung
dem Vormund die Befugnis stets abgesprochen, anstelle seines Mündels die
Scheidung zu betreiben (BGE 114 Ia 362 E. 7b/bb; 85 II 221; 78 II 101;
77 II 7; 68 II 144; vgl. sodann 51 II 541 ff., sowie 41 II 556). Wie es
sich damit verhält, wenn sich die Urteilsunfähigkeit erst im Verlaufe
des Scheidungsverfahrens einstellt, ist dem Bundesgericht - soweit
ersehbar - noch nie zur Entscheidung unterbreitet worden. Hingegen
hat es im Hinblick auf Art. 141 ZGB schon vor geraumer Zeit anerkannt,
dass sich der urteilsunfähige Ehegatte einer Scheidungsklage durch seinen
gesetzlichen Vertreter widersetzen lassen kann und letzterem hinsichtlich
der Nebenfolgen auch ein selbständiges Antragsrecht zusteht (BGE 85 II 224;
68 II 144). Im übrigen hat das Bundesgericht beim Scheidungskläger immer
auch höhere Anforderungen an die Urteilsfähigkeit gestellt als auf seiten
der beklagten Partei, wo es bereits als genügend erachtet worden ist,
wenn sie sich über den Inhalt des Rechtsstreits einigermassen Rechenschaft
geben sowie den Entschluss fassen könne, sich der Klage zu widersetzen
und an der Ehe festzuhalten (BGE 85 II 223; 78 II 101; 77 II 12).

    Die bisherige Rechtsprechung gründet im wesentlichen in der Überlegung,
dass die Klage auf Trennung oder Scheidung der Ehe auf dem persönlichen
Willensentschluss des Ehegatten beruhen müsse. Wo ein solcher Entschluss
zufolge fehlender Urteilsfähigkeit nicht möglich sei, könne niemals
mit Sicherheit angenommen werden, wie sich der betroffene Ehegatte im
Besitze seiner geistigen Kräfte entschieden hätte, abgesehen davon, dass
eine solche Vermutung den allein massgebenden persönlichen Entschluss
nicht zu ersetzen vermöchte (BGE 68 II 146/147). Das Bundesgericht
hat indessen gleichermassen die praktischen Gründe in seine Erwägungen
miteinbezogen und mit Blick auf die im Bereich des Eheschutzes und des
Kindschaftsrechts - insbesondere die Möglichkeit zur Anfechtung der
Ehelichkeitsvermutung gemäss altArt. 256 ZGB - vorhandenen Vorkehren
erkannt, dass die Interessen des urteilsunfähigen Ehegatten auch ohne
die Auflösung der Ehe hinreichenden Schutz erführen (BGE 68 II 148; zur
Befugnis des Vormundes im Bereich des Güterrechts, vgl. BGE 50 II 439 f.).

    b) Eine andere Auffassung als das Bundesgericht hat sich die
I. Zivilkammer des Berner Appellationshofes zu eigen gemacht; mit
rechtskräftigem Urteil vom 5. Oktober 1929 hat sie die in Vertretung
des Urteilsunfähigen erhobene Scheidungsklage geschützt (ZBJV 66/1930,
S. 514 ff., sowie SJZ 26/1929/30, S. 286). Dieses Urteil mag insofern
nicht erstaunen, als der Gesetzgeber die darin entschiedene Frage nicht
ausdrücklich geregelt hat und mit Bezug darauf seit jeher verschiedene
Auffassungen vertreten werden (vgl. bereits die kritischen Ausführungen
von CURTI, in SJZ 1/1905, S. 5 f.).

    aa) Verschiedene Autoren haben dafür gehalten, dass der Vormund
mit behördlicher Zustimmung gemäss Art. 421 Ziff. 8 ZGB das Klagerecht
für den Urteilsunfähigen soll ausüben können (ROSSEL/MENTHA, Manuel du
droit civil suisse, Bd. I, 2. A. Lausanne/Genf 1922, N. 386, S. 251 oben;
KAUFMANN, Berner Kommentar, 2. A. 1924, N. 17 zu Art. 407 ZGB, hat die
Vertretung ausnahmsweise für denkbar gehalten; noch offengelassen in SJZ
12/1915, S. 12 f.; FRANZ GALLIKER, Die Ausübung der höchstpersönlichen
Rechte durch den urteilsfähigen und den urteilsunfähigen Bevormundeten,
Basler Diss. 1950, MaschSchr, S. 120 ff.; WERNER STOCKER, Fragen der
prozessualen Handlungsfähigkeit des Nichtmündigen, in: Probleme und Ziele
der vormundschaftlichen Fürsorge, Festschrift zum 50jährigen Bestehen der
Vereinigung schweizerischer Amtsvormünder, Zürich 1963, S. 197). Zuweilen
ist die vertretungsweise Geltendmachung des Scheidungsanspruchs immerhin
dann als zulässig erachtet worden, wenn ein absoluter Scheidungsgrund
vorliegt (MARC JACCARD, La représentation des incapables privés de
discernement dans l'exercice de leurs droits strictement personnels,
Diss. Lausanne 1955, S. 61 ff.; kritisch dazu STOCKER, aaO, S. 198,
Fn. 4), während andere einschränkend verlangt haben, dass die der
Urteilsunfähigkeit zugrundeliegende Krankheit drei Jahre gedauert und
mittels Gutachtens als unheilbar erkannt worden oder aber erst nach
Anhebung des Scheidungsprozesses eingetreten sein müsse (JACQUES LADOR, Des
droits strictement personnels, Diss. Lausanne (Besançon) 1933, S. 85/86).

    bb) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung entspricht der von den
älteren Autoren mehrheitlich geäusserten Meinung. Nach CURTI-FORRER
(Schweizerisches Zivilgesetzbuch mit Erläuterungen, Zürich 1911, N. 2
zu Art. 407, sowie SJZ 1/1905, S. 5/6) haben sich namentlich EGGER
(Zürcher Kommentar, 2. A. 1930 bzw. 1936, N. 10 zu Art. 19 ZGB und
N. 5 zum Art. 143 ZGB, mit weiteren Hinweisen), GMÜR (Berner Kommentar,
2. A. 1923, N. 15 f. zu Vorbemerkungen zum 4. Titel und N. 8 zu Art. 144
ZGB) und seither auch andere gegen die Zulässigkeit einer vertretungsweisen
Geltendmachung des dem Urteilsunfähigen zustehenden Scheidungsanspruchs
gewendet (vgl. auch WERNER BAUMANN, Die höchstpersönlichen Rechte des
Bevormundeten, in ZVW 11/1956 S. 5; URSULA GONTERSWEILER-LÜCHINGER,
Die Wahrung höchstpersönlicher Rechte handlungsunfähiger und beschränkt
handlungsfähiger Personen, Zürcher Diss. 1955, S. 48; GROSSEN, aaO, S. 334,
bei Fn. 22; sinngemäss auch GEORGES SAUSER-HALL, SJK Nr. 576, S. 7 oben).

    cc) Demgegenüber scheint sich im jüngeren Schrifttum tatsächlich
die Auffassung durchzusetzen, dass eine Änderung der Rechtsprechung
angezeigt wäre und dem Vormund die Befugnis zuzuerkennen sei, im
Namen des urteilsunfähigen Mündels die Scheidungsklage einzureichen
(vgl. BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, 3. A. 1980, N. 46 und 53 zu
Art. 143 ZGB, mit weiteren Hinweisen; offen bei EUGEN BUCHER, aaO, N. 249
f. zu Art. 19 ZGB; DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle,
2. A. Bern 1986, Rz. 971, S. 261; weniger deutlich DESCHENAUX/TERCIER,
Le mariage et le divorce, 3. A. Bern 1985, Rz. 777, S. 147; ohne
Begründung auch HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, 2. A. Bern 1987,
Rz. 12.15, S. 113; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3.
A. Zürich 1967, S. 204 in fine; demgegenüber noch die Vorauflage, S. 155
ff.; sinngemäss STETTLER, Droit civil, Représentation et protection de
l'adulte, Freiburg 1989, Rz. 47 in fine, S. 29; anderer Meinung indessen
RICHARD FRANK, Persönlichkeitsschutz heute, Zürich 1983, Rz. 369,
S. 153). Anstoss zur Kritik an der Rechtsprechung gibt mitunter deren
ungleiche Betrachtungsweise, indem sich der urteilsunfähige Ehegatte im
Scheidungsprozess zwar in der Rolle des Beklagten durch einen Vormund
vertreten lassen darf, nicht aber in derjenigen des Klägers (ANDREAS
BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, Basel 1986,
Rz. 175, S. 61). Aber auch ein Blick auf ausländische Gesetzgebungen macht
klar, dass die vertretungsweise Geltendmachung des Scheidungsanspruchs
nicht schlechterdings unmöglich sein muss (vgl. etwa für Frankreich:
COLOMBET/FOYER/HUET-WEILLER/LABRUSSE-RIOU, Divorce, dictionnaire juridique,
Paris 1984, S. 261 f.; LINDON/BERTIN/GUINCHARD, in Jur.-Clas., Stand
1989, Art. 247 bis 252-3, Fasc. 1/30, N. 53 ff.; für Deutschland:
JOHANNSEN/HENRICH, Eherecht: Scheidung, Trennung, Folgen, Kommentar,
München 1987, N. 33 zu § 1564 BGB und N. 7 zu § 607 ZPO).

Erwägung 6

    6.- Es fällt auf, dass die in der Lehre geäusserte Kritik an der
hergebrachten Rechtsprechung zur Problemlösung kaum beizutragen vermag,
zumal die abweichenden Meinungen mehrheitlich gar nicht begründet
werden oder vereinzelt bereits als überholt gelten müssen (letzteres
gilt namentlich für die von JACCARD vorgeschlagene Beschränkung der
Vertretung auf die absoluten Scheidungsgründe, aaO, S. 61 ff.). Dass
eine besondere Kategorie von Rechten anerkannt wird, die sich durch
ihren hohen persönlichkeitsbezogenen Gehalt von allen andern Rechten
unterscheidet, deren Ausübung indessen im Falle der Urteilsunfähigkeit
des Rechtssubjekts nicht gewährleistet wird, bereitet in der Tat
Unbehagen. Ebenso unbestreitbar bleibt freilich, dass sich auch das Verbot
der vertretungsweisen Rechtsausübung unmittelbar aus der Persönlichkeit
des Rechtsinhabers herleiten und rechtfertigen lässt. Gleichzeitig
darf beigefügt werden, dass in Anbetracht der herrschenden relativen
Betrachtungsweise, wonach die Urteilsfähigkeit einer bestimmten Person
stets nur im Hinblick auf die in Frage stehende Handlung zu ermitteln ist,
die Fälle eher selten bleiben dürften, in denen ihr Vorhandensein mit Bezug
auf die Ausübung des Scheidungsanspruchs zu verneinen wäre (vgl. bezüglich
Art. 97 ZGB: BGE 109 II 276 ff.; bezüglich des Scheidungsanspruchs: ZR
48/1949 Nr. 55, S. 96 ff.; ZBJV 92/1956 S. 233 f., kritisch HINDERLING,
aaO, S. 204, zustimmend dagegen MERZ, ZBJV 96/1960, S. 399 anlässlich
seiner Kritik an BGE 78 II 101 und 77 II 12). Abgesehen davon, fehlt
es nach wie vor an praktischen Gründen, die in diesem Bereich die
Zulassung der gesetzlichen Vertretung gebieten würden. So kann etwa
die Ehelichkeitsvermutung (Art. 255 ZGB) nach überwiegender Lehrmeinung
durchaus vom gesetzlichen Vertreter angefochten werden (vgl. EUGEN BUCHER,
aaO, N. 252 zu Art. 19 ZGB; HEGNAUER, Berner Kommentar, Bd. II/2/1,
4. A. 1984, N. 37 zu Art. 256 ZGB, mit weiteren Hinweisen; STETTLER, Le
droit suisse de la filiation, in Traité de droit privé suisse, Bd. III/II,
1, Freiburg, 1987, S. 188), und an den von der Rechtsprechung bereits
früh aufgezeigten Möglichkeiten des Vormunds (vgl. bereits BGE 68 II
148; 50 II 439), anstelle des urteilsunfähigen Mündels um Schutz der
ehelichen Gemeinschaft nachzusuchen, hat sich auch nach Inkrafttreten des
revidierten Eherechts nichts geändert (vgl. insbesondere Art. 185 Abs. 3
ZGB; im übrigen DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, Bern
1987, § 13 B, S. 155). Ob sich vor diesem Hintergrund eine Abkehr von der
bisherigen Rechtsprechung geradezu aufdrängt, mag bezweifelt werden. Diese
Frage braucht indessen im vorliegenden Fall, wo sich das Problem in ganz
anderer Form stellt, ohnehin nicht entschieden zu werden.

Erwägung 7

    7.- Nach Ansicht des Appellationsgerichts soll der Kläger seinen
Entschluss, sich scheiden zu lassen, tatsächlich im Zustand der
Urteilsfähigkeit gefasst haben. Die Beklagte hat dies nie angezweifelt
und insbesondere auch nicht beanstandet, dass die Vorinstanz von der
Einholung eines besonderen ärztlichen Berichts hiezu abgesehen hat.

    a) Fehlte es in den vom Bundesgericht bislang beurteilten Fällen an
jeglichen Hinweisen dafür, wie sich der betroffene Ehegatte zur Fortführung
der Ehe stellen könnte, liegt hier eine klare Willensbekundung vor. Damit
ist wenigstens eine Schwierigkeit beseitigt, denn es darf dem Kläger -
anders als dem seit je Urteilsunfähigen - mit Sicherheit zugebilligt
werden, dass er wenigstens im Zeitpunkt der Klage den eigenen Willen zur
Scheidung gehabt hat (vgl. dazu BGE 68 II 147). Wohl ist einzuräumen,
dass ein solcher Wille während des Prozesses, unter Umständen gar
noch im Rechtsmittelverfahren, geändert werden und sich der Kläger zum
Klagerückzug entschliessen könnte. Sofern sich sein Gesundheitszustand
tatsächlich derart verschlechtert haben sollte, dass ihm mit Bezug auf
das Scheidungsverfahren die Urteilsfähigkeit abgesprochen werden müsste,
bleibt ihm freilich auch die Wahrnehmung dieses Rechts verschlossen.

    Bei dieser Sachlage drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob der
Prozess - wie dies mitunter im Schrifttum befürwortet wird - einzustellen
sei (so offenbar BÜHLER/SPÜHLER, aaO, N. 52 zu Art. 143). Diese
Verfahrensweise ist indessen in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zu
verwerfen. Die Einstellung des Verfahrens entspräche dem prozessualen
Vorgehen im Falle des Todes eines Ehegatten (vgl. BGE 51 II 541 f. E. 1;
GULDENER, aaO, S. 144, Fn. 3). Der Tragweite des betroffenen Rechts und
damit der nach wie vor existierenden Persönlichkeit des Rechtsträgers würde
sie mitnichten gerecht; sie liesse sich insbesondere auch nicht mit einem
allfälligen Sinneswandel der klagenden Partei begründen, dem zwangsläufig
jede prozessrechtliche Erheblichkeit abgesprochen werden müsste. Gerade
aus der hohen Persönlichkeitsbezogenheit des in Frage stehenden Anspruchs
muss sich vielmehr ergeben, dass dem Scheidungswillen, wie ihn der Kläger
im Besitze seiner geistigen Kräfte hinlänglich bekundet hat, nicht mit der
Einstellung des Verfahrens begegnet werden darf, solange keine Anzeichen
dafür vorliegen, die auf eine ernst zu nehmende Änderung dieses Willens
schliessen liessen. Diese Auffassung steht zur bisherigen Rechtsprechung
nicht in Widerspruch, sondern sie bleibt wie diese ganz dem Willen der
betroffenen Persönlichkeit verpflichtet.

    b) Vorliegend deutet nichts darauf hin, dass der Kläger von seiner
klar geäusserten Scheidungsabsicht Abstand genommen haben könnte. Er hat
an diesem Willen bewusstermassen bis zum Abschluss des erstinstanzlichen
Verfahrens festgehalten und in der Folge auch von der Anfechtung des
zivilgerichtlichen Urteils abgesehen. Seine Urteilsfähigkeit ist erst
im späteren Verlaufe des zweitinstanzlichen Verfahrens angezweifelt
und damit die Scheidungsfrage neu aufgeworfen worden. Im übrigen
gebricht es vorliegend aber auch an Anhaltspunkten dafür, dass sich der
gesetzliche Vertreter dem klar geäusserten Scheidungswillen des Klägers
entgegengestellt hätte. Man kann daher die Frage ohne weiteres auf sich
beruhen lassen, ob und inwieweit jener hinsichtlich des Scheidungspunktes
ein selbständiges Antragsrecht ausüben könnte oder ob er lediglich über
die Nebenfolgen der Ehescheidung verfügen dürfte.

    Nach dem Gesagten hat somit das baselstädtische Appellationsgericht
Bundesrecht nicht verletzt, wenn es die bei Klageeinreichung vorhandene
Urteilsfähigkeit und den in diesem Zustand unmissverständlich
manifestierten Scheidungswillen des Klägers hat genügen lassen. Soweit
es dem Antrag um Begutachtung keine Folge geleistet hat, liegt auch keine
Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften vor, weshalb auf das vor
Bundesgericht wiederholte Begehren um Abklärung der Urteilsfähigkeit nicht
einzutreten ist. Schliesslich ist der Beklagten entgegenzuhalten, dass
von einer Bundesrechtsverletzung auch deshalb nicht die Rede sein kann,
weil bei der Beurteilung der Zerrüttung nicht auf die Verhältnisse zur
Zeit des Urteils abgestellt worden ist. Für diese Frage ist das kantonale
Recht massgebend (BÜHLER/SPÜHLER, aaO, N. 18 zu Art. 142 ZGB), dessen
Anwendung der Überprüfung des Bundesgerichts jedenfalls im vorliegenden
Verfahren entzogen bleibt (BGE 116 II 90 E. 4b).

    Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Berufung, soweit darauf
eingetreten werden kann, unbegründet ist und das angefochtene Urteil des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt zu bestätigen ist.