Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 376



116 II 376

68. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Juli 1990
i.S. T. AG gegen S. Inc. (Berufung) Regeste

    Anerkennung ausländischer Urteile in der Schweiz.

    Auch gestützt auf Art. 25 ff. IPRG ausgesprochene Anerkennungs-
und Vollstreckungsentscheide sind keine berufungsfähigen Urteile in
Zivilrechtsstreitigkeiten (Art. 44 Abs. 1 und 46 OG) (E. 2). Solche
Entscheide können nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten
werden, die Anerkennung amerikanischer Zivilurteile ausserdem nur mit
staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 11. März 1988 klagte die in San Francisco domizilierte
S. Inc. beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt gegen die Basler T. AG
auf Vollstreckbarerklärung eines Urteils vom 10. Juni 1985, mit dem der
District Court von Nordkalifornien eine Vertragsklage der T. AG für $
70'800.19 und eine Widerklage der S. Inc. für $ 120'060.-- Schadenersatz
sowie $ 50'000.-- "punitive damages" wegen fraudulösen Verhaltens der
T. AG gutgeheissen hatte, was zugunsten der S. Inc. einen Saldo von $
99'259.81 ergab. Das amerikanische Urteil wurde am 1. Februar 1989 vom
Zivilgericht und am 1. Dezember 1989 vom Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt für vollstreckbar erklärt.

    Mit Berufung an das Bundesgericht beantragt die T. AG, der Entscheid
des Appellationsgerichts sei aufzuheben und auf die Klage sei nicht
einzutreten, weil das amerikanische Urteil wegen der zugesprochenen
"punitive damages" kein reines Zivilurteil darstelle und als teilweises
Strafurteil nicht auf dem Zivilrechtsweg gemäss Art. 25 ff. IPRG,
sondern nach Art. 94 ff. IRSG vollstreckbar zu erklären sei. Mit ihrem
Eventualantrag schliesst die T. AG auf Klageabweisung, verstosse doch die
Zusprechung von "punitive damages" gegen den schweizerischen ordre public
(Art. 27 IPRG). Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Berufung ist abgesehen von den in Art. 44 lit. a bis
f und Art. 45 lit. b OG abschliessend aufgezählten Fällen nur in
Zivilrechtsstreitigkeiten zulässig (Art. 44 Abs. 1 und Art. 46 OG; BGE
109 II 27 E. 1). Zu verstehen sind darunter Streitigkeiten, die in einem
kontradiktorischen Verfahren ausgetragen werden, das die endgültige,
dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse zum Gegenstand hat (BGE
113 II 14 E. 2 mit Hinweisen). Streitigkeiten über die Anerkennung und
Vollstreckung von Urteilen ausländischer Gerichte in der Schweiz sind nach
konstanter Rechtsprechung selbst dann keine Zivilrechtsstreitigkeiten,
wenn sich zivilrechtliche Vorfragen stellen. Denn diese Streitigkeiten
haben die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen zum Gegenstand und
nicht die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien (BGE 95 II 377 f. E. 1
mit Hinweisen).

    Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das im Zeitpunkt des
Inkrafttretens des IPRG am 1. Januar 1989 hängige Anerkennungsverfahren
nach den Voraussetzungen des neuen Bundesgesetzes zu beurteilen ist
(Art. 199 IPRG). Ob sich die Voraussetzungen der Anerkennung wie vor dem
1. Januar 1989 nach kantonalem Prozessrecht oder nach der abschliessenden
Anerkennungsordnung des IPRG richten (Botschaft zum IPRG vom 10. November
1982, BBl 1983 I 292; HANS ULRICH WALDER, Anerkennung und Vollstreckung
ausländischer Urteile, in: Die allgemeinen Bestimmungen des IPRG, hrsg. von
Y. Hangartner, S. 212; ANTON K. SCHNYDER, Das neue IPRG, S. 34), bleibt
ohne Einfluss auf die Tatsache, dass es beim Anerkennungsverfahren um
die Frage der Zulässigkeit der Durchsetzung ausländischer Entscheide in
der Schweiz und nicht um materiellrechtliche Ansprüche geht, über die der
ausländische Richter im zu vollstreckenden Urteil bereits entschieden hat.

Erwägung 3

    3.- Ist auf die Berufung nicht einzutreten, muss geprüft werden, ob
diese in ein zulässiges anderes Rechtsmittel umgedeutet werden kann (BGE
112 II 516 E. 1d und e). Da auch die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde
nicht gegen Anerkennungs- und Vollstreckungsentscheide offensteht
(BIRCHMEIER, S. 252, N. 2c zu Art. 68 OG), fällt als Rechtsmittel einzig
die staatsrechtliche Beschwerde in Betracht. ...

    b) Zwischen der Schweiz und den U.S.A. besteht kein Abkommen über
die Vollstreckung von Zivilurteilen, so dass die Staatsvertragsbeschwerde
(Art. 84 Abs. 1 lit. c OG) zum vornherein ausgeschlossen ist. Ebenfalls
ausgeschlossen ist die Zuständigkeitsbeschwerde (Art. 84 Abs. 1 lit. d
OG); weder Art. 25 ff. IPRG noch Art. 94 ff. IRSG (SR 351.1) enthalten
bundesrechtliche Zuständigkeitsvorschriften, die bestimmen, nach welchen
Kriterien im Konfliktsfall die Anerkennung ausländischer Urteile durch den
Strafrichter von der Anerkennung durch den Zivilrichter abzugrenzen ist
(BGE 97 I 56 f.; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde,
S. 123; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. A. 1979, S. 45). Dass
das von einem amerikanischen Zivilgericht aufgrund von englischem
Zivilrecht gefällte, der Klägerin als Privatperson "punitive damages"
zuerkennende Urteil vom 10. Juni 1985 kein nach Art. 94 ff. IRSG zu
vollstreckender Entscheid sein kann, ergibt sich im übrigen bereits
aus Art. 94 Abs. 4 und Art. 95 Abs. 2 IRSG, wonach die Vollstreckung
ausländischer Strafentscheide über Geldleistungen in der Schweiz auf Bussen
einerseits und an den Staat zu zahlende Kosten anderseits beschränkt ist.

    Als Beschwerdegrund bleibt die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte der Bürger (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Da die Beklagte jedoch
keine Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts rügt, kommt mangels
Begründung auch die Umdeutung in eine Verfassungsbeschwerde nicht in Frage
(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).