Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 373



116 II 373

67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. August 1990 i.S. I.
gegen C. SA und IHK-Schiedsgericht (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 190 Abs. 2 IPRG.

    Diese Bestimmung kennt im Gegensatz zu Art. 36 lit. h i.V.m. Art. 33
Abs. 1 lit. e des Schiedsgerichtskonkordats den Beschwerdegrund der
fehlenden Begründung nicht; das Fehlen der Begründung stellt für sich
allein auch keinen Verstoss gegen den ordre public dar (E. 7).

Sachverhalt

    A.- Am 30. Juni 1977 schloss die jugoslawische Unternehmung I. mit
der französischen Unternehmung C. SA einen Vertrag über die Errichtung
einer Ammoniakfabrik in Jugoslawien. Über Streitigkeiten aus dem Vertrag
sollte laut Ziffer 17.1 ein IHK-Schiedsgericht in Dreierbesetzung mit Sitz
in Zürich entscheiden und dabei vorbehältlich zwingender jugoslawischer
Gesetzesvorschriften das Schweizerische Obligationenrecht anwenden. Bei der
Ausführung des Projekts kam es zwischen den Vertragspartnern zum Streit.

    B.- Mit Klage, eingegangen bei der IHK am 15. April 1987, leitete
die C. SA das Schiedsverfahren ein. Am 20. Oktober 1987 erstattete
die I. Klageantwort und erhob Widerklage. Mit Urteil vom 18. Dezember
1989 hiess das Schiedsgericht - je nebst laufenden Verzugszinsen -
einerseits die Hauptklage für 8'170'771 FF nebst verfallenen Zinsen von
4'967'609 FF und anderseits die Widerklage für 3'362'615 FF, 3'100 US-$
und 7'406'700 Din nebst verfallenen Zinsen von 3'148'192 FF, 1'597 US-$
und 61'324'264 Din gut, was - in französische Franken umgerechnet -
zugunsten der Klägerin einen Saldo von 6'495'539 FF nebst Zins von 11,5%
auf 4'776'808 FF seit 1. Januar 1989 ergab. Die Gerichtskosten auferlegte
das Schiedsgericht zu 17% der Klägerin und zu 83% der Beklagten.

    C.- Gestützt auf Art. 85 lit. c OG erhebt die Beklagte gegen das
Schiedsurteil staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 190
Abs. 2 lit. c, d und e IPRG.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 7

    7.- Weiter beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Beschwerdegründe
von Art. 190 Abs. 2 lit. c und d IPRG deswegen, weil das Schiedsgericht
bei der Festsetzung des für die Verzugszinsberechnung nach Art.
104 Abs. 3 OR massgebenden Diskontsatzes Rechtsbegehren willkürlich
unbeurteilt gelassen und sich weder über den Zahlungsort noch über die
Quellen der von ihm angewandten Verzugszinssätze geäussert, sondern sich
diesbezüglich mit dem Hinweis auf "generally available sources" begnügt
habe. Ein Nichtigkeitsgrund soll ferner in der fehlenden Begründung der
Verteilung der Verfahrenskosten im Verhältnis 83% zu 17% liegen.

    a) Das Schiedsgericht hat sehr wohl über die Zinsbegehren der
Beschwerdeführerin geurteilt, jedoch nicht angegeben, auf welche
Bankauskünfte es für die Diskontsätze des in FF und US-$ zugesprochenen
Verzugszinses abstellt. Zu prüfen bleibt die Rüge der mangelnden
Begründung.

    b) Im Gegensatz zu Art. 36 lit. h i.V.m. Art. 33 Abs. 1 lit. e
des Schiedsgerichtskonkordats (SR 279) nennt Art. 190 Abs. 2 IPRG den
Beschwerdegrund der fehlenden Entscheidungsgründe nicht. Das entspricht dem
Willen des Gesetzgebers, die Möglichkeit der Anfechtung von Schiedsurteilen
im Vergleich zum Konkordat und zu Prozessordnungen von Kantonen, die
dem Konkordat nicht beigetreten sind, einzuschränken (so in anderem
Zusammenhang BGE 115 II 291 E. 2b). Dem gesetzgeberischen Willen liefe
es diametral zuwider, wenn der Beschwerdegrund der fehlenden Begründung
dadurch Eingang in die neue Regelung fände, dass der in Art. 190 Abs. 2
lit. d IPRG garantierte Gehörsanspruch mit dem aus Art. 4 hergeleiteten
Gehörsanspruch, der die Begründungspflicht einschliesst (BGE 107 Ia 248
f. E. 3a mit Hinweisen), gleichgesetzt würde (so offenbar ANDREAS BUCHER,
Le nouvel arbitrage international en Suisse, S. 118 f. N. 351). Dass
sich der Einbezug der Begründungspflicht in den Gehörsanspruch nach
Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG nicht mit der neuen Ordnung vereinbaren
lässt, bestätigt der französische Gesetzestext dieser Bestimmung, der
das rechtliche Gehör im Gegensatz zur deutschen und italienischen Fassung
auf das Recht der Parteien "d'être entendues en procédure contradictoire"
beschränkt und damit die Begründung, die dem kontradiktorischen Verfahren
folgt, nicht erfasst (LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage
interne et international en Suisse, S. 426 N. 5d zu Art. 190 IPRG). Zum
gleichen Ergebnis führt der Gesetzeskontext. Art. 190 Abs. 2 IPRG übernimmt
in lit. d nur die zwingenden Verfahrensvorschriften des Art. 182 Abs. 3
IPRG als Beschwerdegrund, nicht aber das in Art. 189 Abs. 2 IPRG für
Schiedsurteile vorgeschriebene Begründungserfordernis.

    Die fehlende Begründung eines Schiedsurteils verstösst für sich
allein auch nicht gegen den ordre public (BGE 101 Ia 525 ff. E. 4); die
Beschwerdeführerin unterlässt es denn auch, in diesem Zusammenhang Art. 190
Abs. 2 lit. e IPRG anzurufen. Es braucht deshalb auch im vorliegenden
Zusammenhang nicht entschieden zu werden, ob gestützt auf Art. 190 Abs. 2
lit. e IPRG Verletzungen des verfahrensrechtlichen ordre public geltend
gemacht werden können.

    c) Kennt Art. 190 Abs. 2 IPRG den Beschwerdegrund der
fehlenden Begründung nicht, erweisen sich die bezüglichen Rügen als
unzulässig. Abgesehen davon sind sie offensichtlich unbegründet. Die
einlässlichen Erörterungen des Schiedsgerichts über die Diskontsätze für
Dinarschulden zeigen, dass es den Zinsfuss nach dem Diskont der Banken
des Landes der jeweils geschuldeten Währung festgesetzt hat. Dass die
Verfahrenskosten nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens verteilt
worden sind, versteht sich von selbst, auch wenn im angefochtenen Urteil
bloss steht, die Kostenverteilung erfolge "in view of the circumstances".