Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 302



116 II 302

54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. September 1990 i.S.
Schweizerischer Maler- und Gipsermeisterverband und Mitbeteiligte gegen B.
(Berufung) Regeste

    Art. 357b Abs. 1 lit. c OR. Gesamtarbeitsvertragliche
Konventionalstrafen.

    Die Bemessung solcher Strafen hat der Schwere der Vertragsverletzung
und dem Verschulden sowie dem Zweck Rechnung zu tragen, durch wirksame
Bestrafung künftige Vertragsverletzungen zu verhindern. Bedeutung
der Bereicherung des fehlbaren Arbeitgebers und der Schädigung des
Arbeitnehmers (E. 3). Zulässigkeit und Kriterien der Herabsetzung (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Für das Maler- und Gipsergewerbe besteht ein Rahmenvertrag
vom 18. Dezember 1984, der frühere Vereinbarungen ersetzt und mit
Bundesratsbeschluss vom 11. Juli 1985 mit Wirkung ab 12. August 1985 auch
für das Gebiet des Kantons Luzern allgemeinverbindlich erklärt worden ist.

    Vertragspartner des GAV sind einerseits der Schweizerische Maler-
und Gipsermeisterverband und anderseits die Gewerkschaft Bau und Holz,
der Christliche Holz- und Bauarbeiterverband der Schweiz sowie der
Schweizerische Verband evangelischer Arbeitnehmer. Die Vertragsparteien
beauftragten die Zentrale Paritätische Berufskommission des Maler- und
Gipsergewerbes (ZPBK) mit der Durchsetzung des Vertrags, wozu insbesondere
die Betriebskontrolle und die Ausfällung von Konventionalstrafen gehört.

    In seinem Gipsereibetrieb in N. beschäftigt B. einige Arbeitnehmer.

    B.- Nachdem B. von der ZPBK wegen Verstössen gegen den GAV mit
einer Konventionalstrafe von Fr. 25'000.-- belegt und betrieben worden
war, klagten die in der ZPBK zusammengeschlossenen Vertragspartner am
9. Juli 1987 beim Amtsgericht Sursee gegen B. auf Zahlung der Strafe
nebst Zins. Während das Amtsgericht die Strafe zusprach, schützte sie
das Obergericht des Kantons Luzern auf Appellation des Beklagten hin mit
Urteil vom 15. Januar 1990 lediglich für Fr. 10'000.--. Die von den Klägern
gegen dieses Urteil eingereichte Berufung weist das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 357b Abs. 1 OR können die Parteien eines zwischen
Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrags vereinbaren, dass ihnen
gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrags zustehe, und zwar
insbesondere mit Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses und die
Beiträge an Ausgleichskassen und andere Einrichtungen. Nebst Kontrollen und
Kautionen können die Parteien zur Durchsetzung ihres gemeinsamen Anspruchs
Konventionalstrafen vorsehen (Art. 357b Abs. 1 lit. c OR). Diese fördern
durch ihre präventive Wirkung die Vertragstreue und sollen den Verbänden
die Ahndung von Verstössen gegen die Verbandsrechte ermöglichen. Dabei
treten die verbandsrechtlichen Ansprüche zu den individuellen Ansprüchen
aus den Einzelarbeitsverträgen hinzu. Es bleibt daher den Arbeitnehmern
auch nach Durchsetzung von Verbandstrafen unbenommen, ihre individuellen
Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen (VISCHER, N. 74
zu Art. 357a OR; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 9. A. 1988,
S. 162 lit. C. a. E.).

    Diesen Umstand hat das Obergericht bei der Bemessung der
Konventionalstrafe zu Recht mitberücksichtigt, zumal für das
Bundesgericht nicht verbindlich festgestellt ist (Art. 63 Abs. 2 OG),
dass der Beklagte keine individuellen Ansprüche mehr zu gewärtigen
hat. Die Möglichkeit solcher Ansprüche schliesst es zum vornherein aus,
für die Konventionalstrafe schlechthin auf die infolge der Verletzung
des GAV erzielten Vorteile und auf den tatsächlichen oder möglichen
Schaden von Arbeitnehmern abzustellen, wie in der Berufung gefordert
wird. Eine derartige Bindung des Richters an die geldwerten Auswirkungen
der Verletzung von Verbandsrechten auf die Einzelarbeitsverträge lässt sich
auch deshalb nicht rechtfertigen, weil sonst das Ausmass der Sanktionen von
der Häufigkeit der Kontrollen abhinge; die Kontrollorgane hätten es in der
Hand, durch seltene Kontrollen härtere Strafen und damit höhere Ansprüche
zu erwirken. Das Ausmass der Bereicherung des fehlbaren Arbeitgebers
und der Schädigung des Arbeitnehmers kann demzufolge nur ein Element der
Gesamtbeurteilung sein, die der Schwere der Vertragsverletzung sowie dem
Verschulden und dem Zweck Rechnung zu tragen hat, Vertragsverletzungen zu
bestrafen und künftige Verletzungen zu verhindern (VISCHER, aaO, N. 75 f.).

Erwägung 4

    4.- Übermässige Konventionalstrafen sind herabzusetzen (Art.  163
Abs. 3 OR; BGE 114 II 264). Das muss erst recht gelten, wenn der Richter
damit wie im vorliegenden Fall, wo die Höhe der Konventionalstrafe von
einer Partei einseitig bestimmt und nicht im gegenseitigen Einvernehmen
festgelegt worden ist, nicht in die Vertragsfreiheit der Parteien
eingreift. Die von den Klägern geforderte Einschränkung der richterlichen
Eingriffsmöglichkeit auf willkürlich hohe Strafen erweist sich deshalb
als unbegründet.

    Die vom Obergericht auf Fr. 10'000.-- herabgesetzte Konventionalstrafe
hält sodann durchaus vor Bundesrecht stand. Sie ist geeignet, die
Verstösse des Beklagten gegen den GAV zu ahnden und ihn gleichzeitig
von weiteren Vertragsverletzungen abzuhalten. Es sind keine besonderen
Gründe ersichtlich, die es gebieten würden, den unrechtmässigen
Vorteilen des Beklagten weitergehend Rechnung zu tragen als die
Vorinstanz oder den benachteiligten Arbeitnehmern zur Schadensdeckung
einen Teil der Konventionalstrafe zukommen zu lassen (VISCHER, aaO,
N. 77). Durch die Anpassung der Strafe an die Grösse und den Ertrag des
Betriebs des Beklagten berücksichtigt das Obergericht die präventive
Funktion der Konventionalstrafe ausreichend, genügt doch bei einem
wirtschaftlich schwächeren Arbeitgeber bereits ein geringerer Betrag,
um ihn von Vertragsverletzungen abzuhalten. Weitere Verstösse könnten
wiederum mit Strafe belegt werden, bei welcher der Rückfall als
strafschärfender Umstand zu berücksichtigen wäre. Kein rechtliches,
sondern ein volkswirtschaftliches Argument ist schliesslich der in
diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Kläger, die Ausmerzung nicht
lebensfähiger Betriebe liege im übergeordneten Gewerbeinteresse.