Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 191



116 II 191

35. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. April 1990 i.S. X.
gegen Y. AG (Berufung) Regeste

    Lizenzvertrag über ein nichtiges Modell.

    - Einrede fehlender Modellfähigkeit (Art. 12 Ziff. 4 MMG);
Kombinationsmusterschutz und Programmschutz (E. 2c);

    - Erweist sich das zugrunde liegende Schutzrecht als nichtig, so fällt
damit grundsätzlich auch der Lizenzvertrag dahin; in einem gewissen Umfang
ist dabei allerdings den tatsächlichen Auswirkungen Rechnung zu tragen,
die ein registriertes Schutzrecht trotz Nichtigkeit zufolge seiner
Scheinexistenz entfalten kann (E. 3a und b).

Sachverhalt

    A.- X. ist Inhaber des seit dem 2. März 1978 beim Internationalen
Büro für geistiges Eigentum der OMPI (Organisation Mondiale de la
Propriété Intellectuelle) in Genf registrierten Modells "jeu de pavé"
für einen aus je zwei unterschiedlichen Trapez- und Rechtecksteinen
bestehenden Beton-Pflastersteinsatz, dessen Schutz in der Folge bis 1993
verlängert wurde. Am 28. September 1978 schloss X. mit der Y. AG einen
Lizenzvertrag, womit er dieser das ausschliessliche Recht übertrug, den
Steinsatz gegen eine Umsatzgebühr im Vertragsgebiet herzustellen und zu
vertreiben oder vertreiben zu lassen. Ab 1. Januar 1986 verweigerte die
Y. AG die Bezahlung weiterer Lizenzgebühren, da sie einerseits am Bestand
des Schutzrechts zweifelte und anderseits analoge Konkurrenzprodukte auf
dem Markt festgestellt hatte.

    B.- Mit Klage vom 2. Mai 1988 machte X. modellrechtliche
Unterlassungsansprüche geltend und verlangte die Rechnungslegung über die
auf dem Umsatz zu berechnenden vertraglichen Lizenzgebühren, eventuell die
Bezahlung eines gerichtlich zu bestimmenden Betrages sowie Schadenersatz
in gerichtlich zu bestimmender Höhe.

    Das Handelsgericht des Kantons Bern wies die Klage am 4. Juli 1989 ab.

    C.- Unter Abweisung der vom Kläger eingelegten Berufung bestätigt
das Bundesgericht das handelsgerichtliche Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beklagte stellt den Ansprüchen des Klägers die Einrede
entgegen, das dem Lizenzvertrag zugrunde liegende Modell sei nichtig.
Das Handelsgericht hat zwar den Einwand fehlender Neuheit (Art. 12 Ziff. 1
MMG) verworfen, die Nichtigkeitseinrede aber deshalb geschützt, weil der
vom Kläger hinterlegte Pflastersteinsatz seiner Natur nach kein Modell
im Sinne des Gesetzes darstelle (Art. 12 Ziff. 4 MMG).
   (...)

    c) Das Handelsgericht hat die einzelnen Pflastersteine zufolge ihrer
elementaren geometrischen Formen und ihrer technisch bedingten Proportionen
nicht als schutzfähig erachtet, dagegen nicht ausgeschlossen, dass
ihre Kombination in einem oder mehreren Verlegemustern den gesetzlichen
Anforderungen an die Schutzfähigkeit zu genügen vermöchte. Indessen seien
die zu schützenden Kombinationen aus der Hinterlegung nicht erkennbar und
erstrecke sich der Modellschutz insbesondere auch nicht auf die im Anhang
zur Hinterlegung skizzierten, als blosse Anwendungsbeispiele angeführten
Verlegevarianten. Die hinterlegten Formen stellten deshalb kein Modell
im Sinne des Gesetzes dar, was nach Art. 12 Ziff. 4 MMG die Nichtigkeit
der Hinterlegung begründe.

    Der Kläger beanstandet zu Recht nicht, dass der Modellschutz sich nach
dem angefochtenen Urteil weder auf die Form der einzelnen Steine noch
auf sämtliche durch deren Kombination möglichen Verlegemuster beziehen
kann. Er macht aber geltend, das Handelsgericht habe sich zu Unrecht
auf den ornamentalen Kombinationsschutz versteift, ohne zu beachten,
dass der hinterlegte Steinsatz als solcher, als Programm, schutzfähig sei.

    aa) Die Verwendung schlichter geometrischer Figuren ist nach
der Rechtsprechung nur unter der Voraussetzung schutzfähig, dass ihre
Verbindung, Anordnung oder Ausschmückung originell ist (BGE 95 II 174 E. b
mit Hinweis). Ein aus solchen Figuren gebildetes Kombinationsmuster hat
dabei nur insoweit Modellcharakter, als die Kombination nicht ihrerseits
technisch-funktionell bedingt ist, haben doch gemäss Art. 3 MMG für die
Beurteilung der Schutzfähigkeit alle Elemente auszuscheiden, welche auf
Nützlichkeitszwecke und technische Wirkung ausgerichtet sind. Erforderlich
ist sodann, dass das Kombinationsmuster oder Ornament als Einheit im
hinterlegten Modell erkennbar ist (TROLLER, Immaterialgüterrecht, aaO,
S. 396 Anm. 4 mit Hinweisen und S. 518 Ziff. 1; GRUR 1983 S. 750). Die
Auffassung des Handelsgerichts, dass die vorliegende Hinterlegung
kein solches Kombinationsmuster offenbart, rügt der Kläger nicht als
bundesrechtswidrig.

    bb) Vom Kombinationsmuster, das verschiedene Gestaltungselemente zu
einem einheitlichen und selbständigen Erzeugnis verbindet, unterscheidet
der deutsche Bundesgerichtshof in einem Entscheid zu einem Möbelprogramm
den Fall, dass mehrere an sich selbständige Einzelstücke erst in ihrer
Gesamtheit eine besondere ästhetische Wirkung entfalten (GRUR 1975 S. 383;
FURLER, Geschmacksmustergesetz, 4. Auflage, N. 84 zu § 1). Der Kläger
will diese Betrachtungsweise auch auf das schweizerische Recht angewandt
wissen. Wie es sich damit verhält, kann indessen offenbleiben, da der
hinterlegte Steinsatz die Voraussetzungen eines Programmschutzes ohnehin
nicht erfüllen würde. Auch in Deutschland lehnen Lehre und Rechtsprechung
es ab, eine blosse Elementenkombination, beispielsweise ein herkömmliches
Möbelprogramm, das sich ästhetisch durch eine bestimmte Anordnung der
Elemente auszeichnet, dem Modellschutz zu unterstellen, wenn nicht
gleichzeitig den einzelnen Möbelstücken Modellcharakter zukommt (GRUR
1975 S. 385 mit Hinweisen; FURLER, aaO, N. 5 zu § 1). Das Möbelprogramm,
das im vom Kläger angerufenen Entscheid als schutzfähig bezeichnet wird,
weist demgegenüber die Besonderheit auf, dass es auf einer einheitlichen
und in sich geschlossenen Ausstattungsidee beruht, welche seinen
ästhetischen Wert erst eigentlich ausmacht. Die einzelnen Anbauelemente
sind in ihren Gestaltungsformen und Ausmassen so konzipiert, dass ihre
Verbindung die Wirkung eines geschlossenen Kombinationskörpers ergibt.
Schutzwürdig ist dabei nicht das ornamentale Bild der Elementanordnung,
sondern die Koordinationsidee als solche und in ihrer Einheit. Erst die
bestimmungsgemässe Verbindung der einzelnen Anbauelemente ergibt die
schutzwürdige Raumform, gekennzeichnet nicht durch die Anordnung der
Einzelteile im Raum, sondern durch das allen denkbaren Kombinationen
zugrunde liegende einheitliche und in sich geschlossene Konzept
(vgl. die Bemerkungen von GERSTENBERG, in GRUR 1975 S. 387). Zu Recht
wurde davor gewarnt, die Urteilsgründe zu verallgemeinern; sie sind
auf die Besonderheit des zu beurteilenden Möbelprogrammes zugeschnitten
(GERSTENBERG, aaO)

    Der Steinsatz des Klägers kann keine vergleichbare Sonderstellung
beanspruchen. Er beruht nicht auf einem in sich geschlossenen
Gestaltungskonzept im beschriebenen Sinn, sondern gegenteils auf der durch
proportionale Abstimmung der einzelnen Elemente ermöglichten Vielfalt
der ornamentalen Gestaltung einer Pflästerung. Nicht das einheitliche
Erscheinungsbild der Kombination unbesehen der konkreten Anordnung
der Elemente bestimmt die Originalität, sondern die abwechslungsreiche
Freiheit der ornamentalen Gestaltung mit einem Satz aus bloss vier Steinen.
Das aber ist richtig betrachtet eine Frage des Nützlichkeitszwecks, welcher
den Modellschutz nicht zu begründen vermag (Art. 3 MMG). Dem Steinsatz als
solchem fehlt daher die für einen Modellschutz erforderliche ästhetische
Originalität; diese könnte höchstens einzelnen, mit den Steinen gebildeten
eigentlichen Kombinationsmustern und Ornamenten zukommen. Solche sind aber
nach der unangefochten gebliebenen Auffassung des Handelsgerichts aus dem
hinterlegten Modell nicht erkennbar (E. aa hievor). Dem Handelsgericht
kann deshalb keine Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden, wenn
es die Einrede der ungültigen Hinterlegung aufgrund von Art. 12 Ziff. 4
MMG geschützt hat.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger macht weiter geltend, selbst wenn die
Modellhinterlegung ungültig sei, hätte die Beklagte nach dem Vertrag
weder die Gebührenzahlungen einstellen dürfen, bevor die Streitsache durch
gerichtliches Urteil rechtskräftig entschieden sei, noch sei sie berechtigt
gewesen, den Steinsatz nach erfolgter Vertragsauflösung weiterzuverwenden.

    a) Das Bestehen des Rechtsschutzes bildet regelmässig Grundlage
des Lizenzvertrages. Erweist sich das dem Lizenznehmer zur Verfügung
gestellte Recht als ungültig, so fällt daher nach herrschender Auffassung
auch der Lizenzvertrag dahin. Darüber, wie dieses Ergebnis rechtlich zu
begründet ist, gehen die Meinungen allerdings auseinander; in Lehre und
Rechtsprechung findet sich eine Vielzahl verschiedener Lösungsansätze. So
wird insbesondere angenommen, die Ungültigkeit des Schutzrechtes führe
dazu, dass die Leistung des Lizenzgebers objektiv unmöglich, der Vertrag
mithin nach Art. 20 OR nichtig sei (BGE 75 II 169 E. 3a; PEDRAZZINI,
SPR VII/1, S. 620 f.; BLUM/PEDRAZZINI, Das schweizerische Patentrecht,
Art. 34, Anm. 65 sub lit. a). Eine andere Ansicht geht dahin, dass das
im Nachhinein festgestellte Fehlen des Rechtsschutzes dem Lizenznehmer
die Berufung auf Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) erlaube
(BLUM, in GRUR 1955 S. 201 ff.; BLUM/PEDRAZZINI, aaO sub lit. f). Denkbar
wäre auch eine Auflösung des Lizenzvertrages aus wichtigem Grund, wie
sie das Gesetz für andere Dauerschuldverhältnisse ausdrücklich vorsieht
(Art. 269, 291, 337, 418r, 527, 545 Abs. 1 Ziff. 7 und Abs. 2 OR;
GAUCH, System der Beendigung von Dauerverträgen, Diss. Freiburg 1968,
S. 173 ff.). Einigkeit besteht insoweit, als in einem gewissen Umfang dem
Umstand Rechnung zu tragen ist, dass ein registriertes Schutzrecht trotz
seiner Nichtigkeit zufolge seiner Scheinexistenz tatsächliche Wirkungen
entfalten, die Konkurrenz blockieren und dem Lizenznehmer während einer
bestimmten Zeit zum gleichen Wettbewerbsvorsprung wie ein gültiges Recht
verhelfen kann; eine vollständige Rückabwicklung des Vertrages wird sich
deshalb oft nicht rechtfertigen (BGE 85 II 39 ff. E. 3a und b; 75 II 169
ff. E. b-d je mit Hinweisen; PEDRAZZINI, aaO, S. 620 f.; BLUM/PEDRAZZINI,
aaO, Art. 34, Anm. 66 sub lit. a und b). Einig ist man sich auf der
anderen Seite aber auch, dass dem Lizenzvertrag und damit der Pflicht
des Lizenznehmers zur Zahlung von Gebühren spätestens dann die Grundlage
entzogen ist, wenn die tatsächlichen Auswirkungen des Scheinrechtes
weggefallen sind, so wenn dieses formell nichtig erklärt worden ist
oder von den Wettbewerbsteilnehmern allgemein nicht mehr beachtet wird
(BGE 85 II 44 E. a, 45 E. c mit Hinweisen; 75 II 175 E. e; PEDRAZZINI,
aaO, S. 620).

    b) Im vorliegenden Fall hat das Handelsgericht verbindlich (Art. 63
Abs. 2 OG) festgestellt, die Beklagte habe die Bezahlung von Lizenzgebühren
ab 1. Januar 1986 eingestellt, nachdem verschiedene, dem Lizenzmodell
sehr ähnliche Produkte auf den Markt gelangt seien, ohne dass der Kläger
sein Schutzrecht ernsthaft verteidigt hätte. Damit steht fest, dass das
vom Kläger hinterlegte Modell zu diesem Zeitpunkt bereits aufgehört hatte,
zufolge seiner Scheinexistenz dieselben tatsächlichen Wirkungen wie ein
gültiges Recht zu zeitigen. Die Grundlage für den Lizenzvertrag und für
die Gebührenzahlungspflicht der Beklagten war deshalb nach dem Gesagten
bereits dahingefallen.