Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 II 140



116 II 140

25. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Mai 1990 i.S. X. AG
gegen Y. SA (Berufung) Regeste

    Art. 104 Abs. 3 OR.

    Der "übliche Bankdiskonto" entspricht dem Privatdiskontsatz und nicht
dem Zinssatz für Kontokorrentkredite (E. 5).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Schliesslich macht die Klägerin in der Berufung geltend, der
Beklagten sei auf der Konventionalstrafe von Fr. 250'000.-- zu Unrecht
ein Verzugszinssatz von 16,45% zugesprochen worden. Der im Sinne von
Art. 104 Abs. 3 OR übliche und damit massgebliche Diskontsatz habe sich im
Dezember 1983 in der Schweiz auf 5,5% belaufen. Es sei zweifellos falsch,
mit der schweizerischen Währung einen ausländischen Verzugszinssatz zu
verbinden, wie die Vorinstanz das mit der Anwendung des Satzes einer
französischen Bank getan habe; bei diesem Vorgehen würden bei extrem
hohen Zinssätzen in Ländern mit hoher Inflationsrate groteske Resultate
erzielt. Ausserdem entspreche der den Kontokorrentbedingungen der Banque
Nationale de Paris entnommene Zinsfuss von einschliesslich Kommission
16,45% nicht dem "üblichen Bankdiskonto" im Sinne von Art. 104 Abs. 3 OR.

    Gemäss Art. 104 Abs. 3 OR können unter Kaufleuten, wenn der übliche
Bankdiskonto am Zahlungsort den gesetzlichen Verzugszinssatz von 5
Prozent übersteigt, die Verzugszinsen zu diesem höheren Zinsfuss berechnet
werden. Es kann offenbleiben, ob wegen des schweizerischen Vertrags- und
Währungsstatuts trotz des Zahlungsorts der Konventionalstrafe am Sitz der
Gläubigerin in Frankreich (Art. 74 Abs. 2 Ziffer 1 OR) der Diskontsatz
schweizerischer Banken anzuwenden ist, wie die Klägerin meint, oder ob
ihr in Übereinstimmung mit der Vorinstanz die von französischen Banken
verlangten Ansätze zu belasten sind. Denn die Annahme der Vorinstanz, der
von der Beklagten mit den Kontokorrentbedingungen der Banque Nationale de
Paris ausgewiesene Sollzins von 16,45% sei dem üblichen Bankdiskonto gemäss
Art. 104 Abs. 3 OR gleichzusetzen, verstösst ohnehin gegen Bundesrecht. Der
übliche Bankdiskonto entspricht nach weitgehend einhelliger Meinung dem
Privatdiskontsatz, d.h. dem Satz, den private Bankinstitute dem Kunden
berechnen, wenn dieser bei den Banken erstklassige Wechsel diskontiert
(WEBER, Gedanken zur Verzugsschadensregelung bei Geldschulden, in:
Festschrift Keller 1989, S. 323 ff., S. 331; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 7
zu Art. 104 OR; BECKER, 2. A., N. 5 zu Art. 104 OR; FRANZ SCHENKER, Die
Voraussetzungen und die Folgen des Schuldnerverzugs im schweizerischen OR,
Diss. Freiburg 1987, S. 135 f. Ziffer 357). Auch wenn die Bedeutung des
Diskontkredits in neuerer Zeit zurückgegangen und der Kontokorrentkredit
auch unter Kaufleuten die wichtigste Form des Bankkredits geworden ist,
verbietet es der klare Gesetzeswortlaut von Art. 104 Abs. 3 OR, anstelle
des üblichen Bankdiskontos als Verzugszinssatz unter Kaufleuten den
Zinssatz für Kontokorrentkredite anzuwenden; der rückläufigen Bedeutung
des Diskontkredits könnte nur de lege ferenda Rechnung getragen werden
(überzeugend SCHENKER aaO S. 135 Ziffer 356; a.A. in abgeschwächter Form
und ohne Begründung BUCHER, OR Allgemeiner Teil, 2. A., S. 362 Fn. 129).

    Die Beklagte hat daher mit ihrer Beweisführung über den
Kontokorrentsatz den ihr obliegenden Beweis für einen höheren
Verzugszinssatz gemäss Art. 104 Abs. 3 OR (SCHENKER aaO S. 136 Ziffer
359) nicht erbracht. Daher bliebe es grundsätzlich beim gesetzlichen
Satz von 5 Prozent gemäss Art. 104 Abs. 1 OR, da zum einen die Klägerin
bereits im kantonalen Verfahren stets die gesamte Widerklageforderung
und daher auch den Verzugszinssatz bestritten hat und es zum andern an
einer vertraglichen Vereinbarung eines höheren Verzugszinses nach Art. 104
Abs. 2 OR fehlt. Nachdem aber die Klägerin in ihrem Subeventualbegehren nur
eine Reduktion von 16,45% auf 5,5% verlangt und das Bundesgericht an die
Berufungsanträge gebunden ist (Art. 63 Abs. 1 OG), ist der Verzugszins auf
der widerklageweise zugesprochenen Konventionalstrafe von Fr. 250'000.--
im Umfang von 5,5% zu schützen. Der Verzugsbeginn am 17. Dezember 1983
ist unbestritten.