Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 III 96



116 III 96

21. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Juni 1990 i.S. SBG
gegen Heinz P. (Berufung) Regeste

    Nachkonkurs (Art. 269 SchKG).

    Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachkonkurses; Übersicht
über die bisherige Rechtsprechung (E. 2).

    Der Ausschluss des Nachkonkurses setzt voraus, dass eine Mehrheit der
zur Teilnahme an der zweiten Gläubigerversammlung berechtigten Gläubiger
vor Abschluss des Konkursverfahrens um Existenz und Massezugehörigkeit
der nachträglich ausfindig gemachten Vermögenswerte wusste. Das Wissen
eines einzelnen Gläubigers genügt nicht (Präzisierung der Rechtsprechung;
E. 3-6).

    Offengelassen, ob bereits das blosse Kennenmüssen zum Ausschluss des
Nachkonkurses führte (E. 7) und wie es sich bei fehlbarem Verhalten der
Konkursverwaltung verhielte (E. 6c).

Sachverhalt

    A.- Gemeinsam mit Emil E. und Hans H. gründete Heinz P. am 6.
Februar 1975 die W.-AG mit Sitz in Zug, aus deren Verwaltungsrat er
indessen am 4. November 1980 ausschied.

    Mit Erklärung vom 10. April 1980 trat die W.-AG "alle Forderungen
gegenüber der zu gründenden aussenstehenden Lizenzgesellschaft ALGE,
einschliesslich derjenigen über Fr. 800'000.-- aus Patentveräusserungen",
zahlungshalber an Heinz P. ab. Gemäss ihrem Schreiben vom 14. April
1980 übertrug alsdann die W.-AG "sämtliche Patente und laufenden
Patentanmeldungen sowie die Markenrechte über die Marke Rolax" auf die
gleichentags gegründete T.-SA in Luxemburg. In der Folge erhielt Heinz
P. als Entschädigung für seine Rechte von der damals bereits in hohem
Masse überschuldeten W.-AG Fr. 975'000.-- ausbezahlt.

    B.- Am 24. November 1982 eröffnete der Konkursrichter des Kantons
Zug über die W.-AG den Konkurs.

    Nachdem die Auflage des Kollokationsplanes und des Inventars am
8./9. September 1983 öffentlich bekanntgemacht worden war, ersuchte
das Konkursamt Zug die Konkursgläubiger am 24. Mai 1984, von der
Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen sowie von Ansprüchen aus
anfechtbaren Rechtsgeschäften mit der T.-SA abzusehen. Die Schweizerische
Bankgesellschaft und mit ihr weitere Gläubiger liessen sich diese
Ansprüche in der Folge von der Konkursmasse abtreten, wobei ihnen für die
gerichtliche Geltendmachung Frist bis zum 30. Juni 1985 angesetzt wurde. Am
17. August 1984 fand das summarische Konkursverfahren seinen Abschluss.

    Am 25. Januar 1985 teilte die Schweizerische Bankgesellschaft dem
Konkursamt Zug mit, dass sie im Verlaufe ihrer Abklärungen auf die
Abtretungserklärung der W.-AG vom 10. April 1980 gestossen sei, die
möglicherweise der Anfechtung im Sinne von Art. 288 SchKG unterliege. Die
daraus entstehenden Ansprüche wurden vom Konkursamt Zug inventarisiert
und schliesslich den Gläubigern zur Abtretung angeboten.

    C.- Die Schweizerische Bankgesellschaft reichte beim Bezirksgericht
Steckborn am 27. Juni 1985 Klage gegen Heinz P. ein. Nebst der
Feststellung, dass die "Erklärung" der W.-AG vom 10. April 1980 ungültig
sei, verlangte sie die Zahlung sämtlicher gestützt darauf erhaltener
Beträge bzw. von Fr. 975'000.-- nebst Zins.

    Mit Urteil vom 7. Juni 1988 gab das angerufene Gericht der Klage
statt, soweit damit die Feststellung der Ungültigkeit und die Bezahlung
von Fr. 975'000.-- nebst Zins verlangt worden war. Auf das nicht bezifferte
Klagebegehren trat das Gericht nicht ein.

    Am 18. Mai 1989 hiess das Obergericht des Kantons Thurgau die von
Heinz P. gegen dieses Urteil gerichtete Berufung gut und wies die Klage
ab, soweit es darauf eintreten konnte.

    D.- Dagegen hat die Schweizerische Bankgesellschaft Berufung an
das Bundesgericht erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des angefochtenen
Urteils und wiederum die Zahlung von Fr. 975'000.-- nebst Zins. Eventuell
ersucht sie um Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Werden nach Schluss des Konkursverfahrens Vermögensstücke entdeckt,
die zur Masse gehörten, aber nicht zu derselben gezogen wurden, so nimmt
das Konkursamt dieselben gemäss Art. 269 Abs. 1 SchKG in Besitz und besorgt
ohne weitere Förmlichkeiten die Verwertung und die Verteilung des Erlöses
an die zu Verlust gekommenen Gläubiger nach deren Rangordnung. Handelt es
sich um einen zweifelhaften Rechtsanspruch, so bringt das Konkursamt dies
den Konkursgläubigern zur Kenntnis, die entweder die Geltendmachung durch
die Gesamtheit der Gläubiger oder aber die Abtretung an einzelne von ihnen
verlangen können (Art. 269 Abs. 3 in Verb. mit Art. 260 Abs. 1 SchKG).

    a) Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten,
dass dasjenige Vermögen, dessen Existenz und Massezugehörigkeit der
Konkursverwaltung und den Gläubigern bereits vor Abschluss des Konkurses
bekannt war oder bekannt gewesen sein sollte, nicht im Nachkonkurs im
Sinne von Art. 269 SchKG liquidiert werden kann (BGE 90 III 44; 74 III 74;
50 III 138; 46 II 29; 23 II 1724; 23 I 399). Werde die Geltendmachung
trotz Kenntnis hinreichender Anhaltspunkte für den Bestand dieser
Ansprüche unterlassen, so sei zu vermuten, dass die Konkursmasse bewusst
darauf verzichtet habe; dadurch sei der Konkursbeschlag entfallen und,
in entsprechendem Umfang, die Verfügungsmacht der Masse wieder auf den
Gemeinschuldner übergegangen (BGE 90 III 44 f.). Diese Rechtsprechung
nimmt sodann Rücksicht auf den Dritten, für den grundsätzlich Verlass
darauf sein müsse, sich nach Abschluss des Konkursverfahrens nicht doch
noch einer Klage ausgesetzt zu sehen. Ein solches Bedürfnis bestehe gerade
bei zweifelhaften Rechtsansprüchen, zumal diese - wie die paulianische
Anfechtung (Art. 200, 285 ff. SchKG) oder die Verantwortlichkeit gemäss
Art. 755 OR - regelmässig nur klageweise durchgesetzt werden könnten
(vgl. den Entscheid der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 31. März
1977, veröffentlicht in ZR 78/1979 Nr. 78, S. 180 ff., S. 189).

    b) Im letztgenannten Entscheid hat sich das Bundesgericht ausführlich
mit der Frage befasst, inwieweit neben der Kenntnis der Konkursverwaltung
auch das Wissen der Gläubiger zum Ausschluss des Nachkonkurses im Sinne
von Art. 269 SchKG führen muss.

    aa) Bereits in BGE 23 I 399 ist von Aktiven die Rede gewesen,
von deren Bestand sowohl die Konkursverwaltung als auch die Gläubiger
Kenntnis hatten. BGE 23 II 1725/26 hat festgehalten, dass auf das Wissen
der Gläubiger nichts ankomme, sofern nur die Konkursverwaltung den Anspruch
gekannt habe; immerhin ist beigefügt worden, dass sich jedoch die den
Anspruch geltend machenden Abtretungsgläubiger ihre Kenntnis entgegenhalten
lassen müssten. Demgegenüber ist in BGE 50 III 138 ff. ausgeführt worden,
die Kenntnis eines einzelnen Gläubigers, und wäre es auch desjenigen, der
den Anspruch aufgrund einer Abtretung allein erhebe, genüge nicht, weil
auch ein solcher Gläubiger lediglich Ansprüche der Masse verfolge und ihm
deshalb nicht Einwendungen entgegengehalten werden könnten, die nur seine
Person beträfen; wem schliesslich das Prozessergebnis zufallen soll, gehe
den Beklagten nichts an. In BGE 80 III 52 hat sodann das Bundesgericht die
Anwendung von Art. 269 SchKG ausgeschlossen, weil der Gläubigerausschuss
in einem Nachlassliquidationsverfahren die streitige Forderung gekannt,
auf deren Einbezug in die Liquidation indessen verzichtet hatte. Unter
Hinweis auf die beiden letztgenannten Entscheide ist in BGE 90 III 44
ausgeführt worden, der Kenntnis der Konkursverwaltung sei jene eines
Gläubigerausschusses gleichzusetzen, nicht aber jene eines einzelnen
Gläubigers, auch nicht desjenigen, der die Abtretung verlange; anderseits
sei nicht die Kenntnis sämtlicher Gläubiger erforderlich.

    bb) Das Bundesgericht hat aus dieser in seinem Entscheid vom 31. März
1977 zusammengefasst wiedergegebenen Rechtsprechung den Schluss gezogen,
dass jedenfalls das Wissen eines "massgebenden Teils" der Gläubiger der
Kenntnis der Konkursverwaltung gleichzusetzen sei. Dabei hat es erneut die
Frage aufgeworfen, ob nicht schon die Kenntnis jener Gläubiger genügen
sollte, welche die Abtretung der Ansprüche gestützt auf Art. 269 Abs. 3
SchKG verlangen. Es treffe zwar zu, dass diese Gläubiger nicht eigene
Ansprüche, sondern solche der Masse verfolgten und dass ihnen daher keine
Einreden entgegengehalten werden können, die dem Beklagten nicht auch
gegenüber der Masse zustehen (BGE 90 III 44; 50 III 140). Dennoch sei es
stossend, wenn einzelne Gläubiger ihr Wissen um Konkursaktiven gegenüber
der Konkursverwaltung verschweigen, um sie dann nach Schluss des Verfahrens
für sich allein geltend zu machen. Die Frage musste indessen wiederum nicht
abschliessend geklärt werden, da nebst einem Teil der Gläubiger auch die
Konkursverwaltung um das Vorhandensein von Verantwortlichkeitsansprüchen
noch vor Abschluss des Konkursverfahrens gewusst haben musste. Immerhin
ist aber festgehalten worden, dass von insgesamt sechs Gläubigern mit
Forderungen von total Fr. 900'000.-- deren drei mit einem Gesamtbetreffnis
von Fr. 748'000.-- (= 5/6 der kollozierten Forderungen bzw. 15/16 des
gesamten Konkursverlustes) als "massgebender Teil" bezeichnet werden
könnten (vgl. dazu ZR 78/1979 Nr. 78, S. 188 f., S. 191).

Erwägung 3

    3.- a) Das Obergericht des Kantons Thurgau ist in Übereinstimmung mit
der ersten Instanz zur Auffassung gelangt, dass das Konkursamt erst nach
Abschluss des Konkursverfahrens vom strittigen Anspruch erfahren hat und
ihm in dieser Hinsicht keine Versäumnisse vorgeworfen werden könnten. In
der Überzeugung, die Rechtsprechung des Bundesgerichts weiterführen zu
müssen, hat es sodann ausgeführt, dass bereits die Kenntnis oder das
Kennenmüssen auf seiten des oder der jeweiligen Abtretungsgläubiger die
Durchführung eines Nachkonkurses ausschliesse. Diesen Schluss hat das
Obergericht jedoch wiederum mit der Bemerkung abgeschwächt, dass vorliegend
die alleinige Kenntnis der Klägerin der nachträglichen Geltendmachung
des umstrittenen Anspruchs selbst gemäss bisheriger Rechtsprechung
entgegenstehe, da die Klägerin mit ihren eingegebenen Forderungen -
die rund 44% der gesamthaft kollozierten Ansprüche betragen - einen
"massgebenden Teil" der Konkursgläubigerschaft verkörpere.

    b) In der Berufung wird dagegen eingewendet, das Bundesgericht habe
mehrfach festgehalten, dass die Kenntnis eines einzelnen Gläubigers
zur Annahme eines Verzichts auf die Geltendmachung des Anspruchs nicht
genügen könne. Der klagende Abtretungsgläubiger müsse sich die gegen
ihn persönlich gerichteten Einreden nicht gefallen lassen, weshalb ihm
auch nicht entgegengehalten werden dürfe, den Anspruch bereits während
des Konkursverfahrens gekannt und durch Unterlassen der Geltendmachung
darauf verzichtet zu haben. Insbesondere sei nicht einsehbar, wie ein
einzelner Gläubiger ohne entsprechende Ermächtigung namens der Konkursmasse
auf deren Ansprüche verzichten könnte. Da diese Befugnis grundsätzlich
der zweiten Gläubigerversammlung zustehe, bedürfe es dazu der Kenntnis
bzw. des Verzichts desjenigen Teils der Gläubiger, der in der Versammlung
oder bei einem Zirkularbeschluss genügend Stimmen auf sich vereinige, um
den Gang des Konkursverfahrens zu bestimmen. Dies treffe für die Klägerin
allein offensichtlich nicht zu, weshalb sie nicht als "massgebender Teil"
der Gläubigerschaft bezeichnet werden dürfe.

Erwägung 4

    4.- Im einzelnen ist darüber zu befinden, ob die Durchführung des
Nachkonkurses im Sinne von Art. 269 SchKG bereits deshalb scheitern muss
und das Klagebegehren abzuweisen ist, weil die Klägerin - allein oder
allenfalls gemeinsam mit der Konkursverwaltung - noch vor Abschluss des
Konkursverfahrens von der gemäss Erklärung vom 10. April 1980 erfolgten
Abtretung hätte Kenntnis haben müssen.

    a) Die Durchführung des Konkursverfahrens obliegt verschiedenen
gerichtlichen und aussergerichtlichen Organen, wobei der zweiten
Gläubigerversammlung die wichtigsten Entscheidungsbefugnisse zustehen
(vgl. Art. 252, 253, 256, 317 SchKG). Gegenüber der ersten hat das Gesetz
den Zuständigkeitsbereich der zweiten Gläubigerversammlung wesentlich
weiter gefasst, was sich darauf zurückführen lässt, dass ihr nur noch
diejenigen Gläubiger angehören, die voraussichtlich an der Verteilung des
Verwertungserlöses teilhaben werden. Ihr allein steht namentlich auch die
Befugnis zu, auf die Geltendmachung von Forderungen und Rechten oder die
Bestreitung eines gegen die Masse selbst erhobenen Anspruchs zu verzichten
(vgl. BGE 103 III 11 E. 3a; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs-
und Konkursrechts, 4. A. Bern 1988, § 47, Rz. 7, S. 375; GILLIÉRON,
Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. A. Lausanne 1988,
S. 336; JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs,
Kommentar, 3. A. 1911, Bd. 2, N. 3 zu Art. 253, S. 245). Die Abtretung
von Rechtsansprüchen gemäss Art. 260 SchKG, womit sich die Masse gemäss
herrschender Auffassung nicht etwa des Rechts begibt, sondern dem
erwerbenden Gläubiger lediglich die Befugnis zur Prozessführung und zur
Vorausbefriedigung aus dem dabei anfallenden Gewinn einräumt, bedarf nach
dem Wortlaut des Gesetzes des vorherigen Verzichts der Gesamtheit der
Gläubiger (vgl. dazu BGE 113 III 137 E. 3; 111 II 83 E. 3a; 109 III 28
f.). Das will indessen nicht heissen, dass das Einverständnis sämtlicher
Gläubiger vorliegen müsste, vielmehr genügt ein Mehrheitsbeschluss der
zweiten Gläubigerversammlung (AMONN, aaO, § 47, Rz. 34, S. 382; GILLIÉRON,
aaO, S. 341; BGE 102 III 82 E. 3b).

    b) Den umfassenden Befugnissen der zweiten Gläubigerversammlung
entsprechend, ist der Zuständigkeitsbereich der Konkursverwaltung
begrenzt. Diese hat gemäss Art. 240 SchKG alle der Erhaltung und Verwertung
der Masse dienenden Geschäfte zu besorgen und die Masse vor Gericht zu
vertreten. Trotz dieser Vertretungsbefugnis kann die Konkursverwaltung
nicht über die Aufhebung oder Weiterführung von Prozessen befinden
(AMONN, aaO, § 45, Rz. 21, S. 357; GILLIÉRON, aaO, S. 325 f.; JAEGER,
N. 4 zu Art. 240, S. 200). Auf die Geltendmachung eines Aktivums vermag
nicht sie, sondern - wie erwähnt - allein die zweite Gläubigerversammlung
gültig zu verzichten (BGE 103 III 11 E. 3a). Bezüglich der Herausgabe
von Sachen, die von dritter Seite als Eigentum angesprochen werden,
kommt der Konkursverwaltung nicht in dem Umfang Verfügungsmacht zu, wie
es der Wortlaut von Art. 242 SchKG vermuten liesse. Entsprechend sieht
Art. 47 KOV einschränkend vor, dass die Anzeige an den Drittansprecher und
die Herausgabe des angesprochenen Gegenstandes zu unterbleiben hat, bis
feststeht, ob die zweite Gläubigerversammlung etwas anderes beschliesst
oder ob nicht einzelne Gläubiger nach Art. 260 SchKG die Abtretung der
Ansprüche der Masse auf den Gegenstand verlangen (zur Ausnahme gemäss
Art. 51 KOV, BGE 75 III 16 E. 1; im übrigen BGE 107 III 86 E. 2). Was
schliesslich die Anfechtungsklage anbelangt, die nach Art. 285 Abs. 2
Ziff. 2 SchKG von der Konkursverwaltung zu erheben ist, liegt die
Rechtszuständigkeit ebenfalls ausschliesslich bei der Masse selbst
(Art. 200 SchKG; vgl. JAEGER, aaO, N. 4 zu Art. 285, S. 365).

    c) Dem Handeln der Konkursverwaltung als Vertreterin der Masse
kommt dennoch grosse Bedeutung zu. Sie tritt nach aussen kraft Gesetzes
selbständig auf (Fritzsche, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II,
2. A. Zürich 1968, S. 133; vgl. BGE 67 III 181). Dank der ihr zugedachten
Aufgabe, das Konkursverfahren im einzelnen durchzuführen, verfügt
sie regelmässig über die beste Übersicht über die Verhältnisse. Vor
allem in nicht leicht überschaubaren Verhältnissen, wie sie bei
Grosskonkursen üblich sind, oder aber im summarischen Konkursverfahren,
wo regelmässig keine Gläubigerversammlungen stattfinden (Art. 96 KOV),
hat die Konkursverwaltung als Ausführungsorgan und Mittlerin zwischen
Masse und Dritten eine besonders starke Stellung inne. Dabei ist nicht
auszuschliessen, dass ihr Fehler unterlaufen oder sie in einer Weise
handelt, die ihren Befugnisbereich übersteigt; im Einzelfall kann
sich daher die Frage stellen, ob dieses Handeln mit Rücksicht auf den
Schutz des Dritten Wirksamkeit gegenüber der Masse zu erlangen vermag
(vgl. etwa HINDERLING, Über die Vertretungsmacht der Konkursverwaltung,
in SJZ 47/1951, S. 249 ff.). Auch im Zusammenhang mit Art. 269 SchKG
dürfen daher die Versäumnisse der Konkursverwaltung - wie nach bisheriger
Rechtsprechung - nicht zum vornherein ausser acht gelassen werden;
käme es jedoch deswegen zum Ausschluss des Nachkonkurses, wird sich
die Konkursverwaltung ihrer Verantwortlichkeit gegenüber der Masse kaum
entziehen können (Art. 5, 241 SchKG).

Erwägung 5

    5.- Der Beklagte und dessen Rechtsnachfolger haben im kantonalen
Verfahren eingewendet, dass der vorliegend geltend gemachte Anspruch auch
der Konkursverwaltung bereits vor Abschluss des Konkursverfahrens bekannt
gewesen ist oder sein musste.

    Das Obergericht hat dazu tatsächliche Feststellungen getroffen,
die das Bundesgericht im Verfahren der Berufung binden (Art. 63 Abs. 2
OG). Als Rechtsfrage kann hingegen überprüft werden, ob die Vorinstanz
bei der Beurteilung der von der Konkursverwaltung aufgewendeten Sorgfalt
von falschen Anforderungen ausgegangen ist. In dieser Hinsicht lässt
sich indessen dem Obergericht nichts vorwerfen. Zum einen hat es
mit Recht darauf verwiesen, dass ein Verlust des Klagerechts zufolge
Versäumnisses der Konkursverwaltung nicht leichthin angenommen werden
darf (BGE 90 III 46; 50 III 139). Zum andern ist in Würdigung der Beweise
verbindlich festgestellt worden, dass es der Konkursverwaltung während
der Verfahrensabwicklung an hinreichenden Anhaltspunkten gefehlt habe,
die auf den Bestand des fraglichen Anspruchs hingedeutet hätten. Inwieweit
sich bei dieser Sachlage das als Konkursverwaltung tätige Konkursamt Zug
in irgendeiner Weise fehlerhaft verhalten haben sollte, ist deshalb in
der Tat nicht ersichtlich.

Erwägung 6

    6.- a) Im kantonalen Verfahren ist sodann verbindlich festgestellt
worden, dass sich nach dem rechtskräftigen Kollokationsplan insgesamt
sechs Gläubiger am Konkurs der W.-AG beteiligt haben. Weiter steht fest,
dass die Konkursverwaltung mit Zirkular vom 30. Januar 1985 sämtliche
Gläubiger über die gemäss Erklärung vom 10. April 1980 erfolgte Abtretung
unterrichtet hat. Wie sich im übrigen ohne weiteres den Akten entnehmen
lässt (Art. 64 Abs. 2 OG), hat laut Bescheinigung der Konkursverwaltung
vom 21. Februar 1985 die Mehrheit der Gläubiger auf die Geltendmachung
dieser Ansprüche verzichtet und - im Sinne von Art. 260 Abs. 1 SchKG -
zu deren Abtretung an die Klägerin und an zwei weitere Gläubiger Hand
geboten. Von letzteren ist freilich in der Folge keine Klage erhoben
worden, was die Konkursverwaltung dazu bewogen hat, bezüglich dieser
Gläubiger die Abtretung mit Verfügung vom 9. Dezember 1987 zu widerrufen.

    Die Beklagte hat den Einwand des Verzichts auf den geltend gemachten
Anspruch vor den kantonalen Gerichten ausschliesslich gegenüber der
Klägerin und der Konkursverwaltung erhoben, während gegen sämtliche übrigen
Gläubiger nichts dergleichen vorgebracht worden ist. Nachdem sich indessen
der Konkursverwaltung vorliegend kein Fehlverhalten vorwerfen lässt
und es auch hinsichtlich der übrigen Konkursgläubiger an entsprechenden
Feststellungen fehlt, bleibt nur mehr zu prüfen, ob möglicherweise bereits
aufgrund des Verhaltens eines einzelnen Gläubigers die Durchführung eines
Nachkonkurses versagt bleiben muss.

    b) Der Ausschluss des Nachkonkurses hat den endgültigen Verlust
eines zur Konkursmasse gehörenden Rechtsanspruchs zur Folge,
wodurch notwendigerweise die rechtlichen Interessen der Gesamtheit
der Gläubiger beschlagen werden. Der Klägerin ist einzuräumen, dass
diese Rechtsfolge nicht vom Verhalten eines einzelnen Gläubigers des
Gemeinschuldners abhängig gemacht werden kann. Vielmehr muss von
der Gesamtheit der Gläubiger (vgl. Art. 260 Abs. 1 SchKG) bzw. von
der zweiten Gläubigerversammlung ausgegangen werden. Der Einwand des
belangbaren Dritten, wonach die Konkursgläubiger von der Existenz und
Massezugehörigkeit der nach Abschluss des Konkurses ausfindig gemachten
Vermögenswerte des Gemeinschuldners bereits vorher Kenntnis hatten oder
haben mussten, ist somit dann zu schützen, wenn er sich gegenüber der
Mehrheit der zur Teilnahme an der zweiten Gläubigerversammlung berechtigten
Gläubiger als begründet erweist. Damit steht zugleich fest, dass es nicht
auf die im konkreten Fall durchgeführte Gläubigerversammlung ankommen
kann. Dies folgt einerseits aus dem Umstand, dass in den häufigen Fällen
des summarischen Konkursverfahrens gar keine Gläubigerversammlungen
stattfinden und die unter besonderen Umständen auf dem Zirkularweg
durchzuführende Befragung sich ohnehin stets an die Gesamtheit der
Gläubiger richten muss (vgl. Art. 96 KOV); zum andern aber ist das an
der zweiten Gläubigerversammlung massgebende Quorum innerhalb gewisser
Schranken insofern beliebig, als es nicht der Teilnahme sämtlicher
Gläubiger bedarf und nach der Rechtsprechung auch die sich der Stimme
enthaltenden Gläubiger nicht mitgezählt werden (Art. 252 Abs. 3 in
Verb. mit Art. 235 Abs. 3 und 4 SchKG; BGE 40 III 4). In praktischer
Hinsicht bietet im übrigen die Feststellung des dergestalt umschriebenen
Gläubigerquorums keine Schwierigkeiten, weil über die Zulassung zur
zweiten Gläubigerversammlung der Kollokationsplan sicheren Aufschluss
vermittelt, zumal wenn er bereits in Rechtskraft erwachsen ist (AMONN,
aaO, § 47, Rz. 3 ff., S. 374 f.; GILLIÉRON, aaO, S. 331/336). Dass dabei
nicht Höhe oder Rang der kollozierten Forderungen den Ausschlag geben,
sondern die Gläubiger nach Köpfen zu zählen sind, versteht sich mit Blick
auf Art. 235 Abs. 4 SchKG von selbst (vgl. BGE 38 I 777).

    c) Sollte sich im Einzelfall herausstellen, dass sich genau die Hälfte
des massgebenden Quorums den Vorwurf gefallen lassen muss, um die Existenz
der nachträglich geltend gemachten Vermögenswerte gewusst zu haben, fehlt
es an der erforderlichen Mehrheit. Die nachträgliche Geltendmachung des
fraglichen Anspruchs darf unter diesen Umständen jedenfalls so lange nicht
ausgeschlossen werden, als in diesem Zusammenhang nicht zugleich auch der
Konkursverwaltung Verfehlungen vorgehalten werden können. Wie diese im
einzelnen beschaffen sein müssen, braucht vorliegend nicht entschieden
zu werden, wie überhaupt die Frage auf sich beruhen mag, wie bei einer
fehlbaren Konkursverwaltung - mit oder ohne Beteiligung einer Minderheit
von Gläubigern - zu verfahren ist.

    d) Damit steht fest, dass das Verhalten eines einzelnen Gläubigers
für sich allein die Durchführung des Nachkonkurses nie abzuwenden
vermag. Selbst wenn der Kollokationsplan insgesamt bloss zwei Gläubiger
ausweist, fehlt es an einer für die Masse verbindlichen Mehrheit. Wohl
kann nun - was stossend scheinen mag - ein einzelner Gläubiger sein Wissen
um vorhandene Vermögenswerte verschweigen, um alsdann nach Art. 269 SchKG
die Abtretung zu erwirken. Zumindest in rechtlicher Hinsicht wird er sich
dadurch freilich keine Vorteile verschaffen können, da er sowohl vor als
auch nach Abschluss des Konkursverfahrens die Abtretung nur dann erwirken
kann, wenn die Mehrheit der Gläubiger dazu Hand bietet. Unabhängig vom
Vorgehen des die Abtretung verlangenden Gläubigers wird dies gewöhnlich
nicht der Fall sein, wenn die Geltendmachung des fraglichen Anspruchs
Aussicht auf ein positives Ergebnis bietet und nicht mit allzu grossen
Risiken verbunden ist (AMONN, aaO, § 47, Rz. 35, S. 382). Sollte erst
nach erfolgter Übertragung zutage treten, dass der Abtretungsgläubiger
bereits vor Abschluss des Konkurses um den erworbenen Anspruch wusste,
mag ein Widerruf der Abtretung erwogen werden (vgl. Formular Nr. 7,
Rückseite, Ziff. 6). Ist dagegen die Abtretung bereits im Wissen um
die seitens der Abtretungsgläubiger geübte Verheimlichung durch die
"Gesamtheit der Gläubiger" beschlossen (Art. 269 Abs. 3 in Verb. mit
Art. 260 Abs. 1 SchKG) oder von einem Widerruf der Abtretung abgesehen
worden, muss es damit sein Bewenden haben.

    Der aus dem abgetretenen Anspruch Belangbare kann somit dem einzelnen
Abtretungsgläubiger die persönliche Einwendung der bereits lange
währenden Kenntnis nicht entgegenhalten und daraus keinen Rechtsverzicht
zu Lasten der noch immer berechtigten Konkursmasse ableiten (vgl. bereits
BLUMENSTEIN, Handbuch des schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, Bern
1911, S. 823, Anm. 7; BGE 90 III 44; 50 III 140). Die gegenteilige
Auffassung würde nur der Masse selbst schaden, was durch nichts zu
rechtfertigen wäre. So ist insbesondere nicht ersehbar, weshalb das
Interesse des Dritten höher bewertet werden sollte, zumal es sich bei
der Abtretung nach Art. 269 Abs. 3 SchKG meistens um Ansprüche handelt,
bei denen sich besondere Rücksicht gegenüber dem Dritten nicht geradezu
aufdrängt (vgl. Art. 285 ff. SchKG, Art. 755 OR).

Erwägung 7

    7.- Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Klage nicht bereits
deswegen abgewiesen werden kann, weil die Klägerin noch vor Schluss des
Konkursverfahrens Kenntnis vom eingeklagten Anspruch hatte oder hätte haben
sollen. Ob letzteres zutrifft, mag vorliegend offenbleiben. Selbst wenn dem
so gewesen wäre, liesse sich der Verlust des Klagerechts nicht halten, da
der Kollokationsplan neben der Klägerin weitere fünf Gläubiger ausweist,
gegen die keine Vorwürfe erhoben und erstellt worden sind, und sich
auch das Verhalten der Konkursverwaltung als unfehlbar erwiesen hat. Bei
dieser Sachlage ist auch nicht weiter auf die an der Rechtsprechung geübte
Kritik einzugehen, soweit sich diese gegen die Gleichsetzung des blossen
Kennenmüssens mit der tatsächlichen Kenntnis richtet (vgl. WALDER, Der
Nachkonkurs, in: BlSchK 45/1981, S. 1 ff., insb. S. 4 ff.).

    Steht demnach fest, dass das Obergericht des Kantons Thurgau Art. 269
SchKG verletzt hat, ist die Berufung teilweise gutzuheissen und das
angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur Beurteilung der Klage
an die Vorinstanz zurückzuweisen.