Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 III 62



116 III 62

14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. November 1990 i.S.
A. G. gegen D. G. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 80 SchKG; Rechtsöffnung für Scheidungsrenten; Indexklausel.

    Ist die Erhöhung einer Scheidungsrente entsprechend dem
Lebenskostenindex an die Voraussetzung geknüpft worden, dass sich das
Einkommen des Pflichtigen dem Anstieg der Lebenshaltungskosten anpasst, so
fragt sich nur, ob sich sein Einkommen insgesamt entsprechend der Teuerung
erhöht hat. Es ist willkürlich, nur die in Form von Teuerungszulagen
erfolgten Lohnerhöhungen zu berücksichtigen, die Reallohnerhöhungen aber
ausser acht zu lassen.

Sachverhalt

    A.- Am 4. Mai 1981 schied das Zivilamtsgericht von Courtelary die
Ehe von D. und A. G. Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrages erhoben beide
Parteien Berufung an den Appellationshof des Kantons Bern. Mit Urteil
vom 18. November 1981 genehmigte dieser die von den Parteien anlässlich
der Gerichtsverhandlung geschlossene Scheidungskonvention. Darin wurde der
von D. G. an seine geschiedene Ehegattin zu bezahlende Unterhaltsbeitrag
neu wie folgt festgelegt:

    "Der Kläger wird der Beklagten eine monatliche Rente von Fr. 400.--
   bezahlen, bis diese in den Genuss der AHV-Rente gelangt. Diese Rente
   ist an den schweizerischen Index der Konsumentenpreise gebunden
   (Index Oktober

    1981: 117,5 Punkte) in dem Masse, in welchem das Gehalt des Klägers dem

    Anstieg der Lebenshaltungskosten angepasst wird."

    (Originalsprache französisch.)

    B.- D. G. kam seiner Unterhaltspflicht grundsätzlich nach, passte
die Unterhaltszahlungen jedoch nicht der Teuerung an. Am 23. Januar 1990
betrieb ihn seine geschiedene Ehefrau daher für die teuerungsbedingten
Rentenerhöhungen von Dezember 1984 bis Januar 1990 im Gesamtbetrag von
Fr. 3'888.-- nebst Zins zu 5% seit dem 23. Januar 1990. D. G. erhob
Rechtsvorschlag. Am 21. Februar 1990 reichte die geschiedene Ehegattin
ein Rechtsöffnungsgesuch für den in Betreibung gesetzten Betrag ein. Der
Gerichtspräsident I von Biel gewährte mit Entscheid vom 11. Juni 1990
die definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 1'619.10 nebst Zins.

    Gegen diesen Entscheid reichte die geschiedene Ehegattin beim
Appellationshof des Kantons Bern Nichtigkeitsklage ein, die am 13. August
1990 abgewiesen wurde.

    C.- Gegen den Entscheid des Appellationshofes wendet sich die
geschiedene Ehegattin mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 4 BV an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides. In der Betreibung Nr. 43 135 des
Betreibungsamtes Biel sei ihr für den ganzen in Betreibung gesetzten
Betrag die definitive Rechtsöffnung zu erteilen.

    D. G. beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Möglichkeit, Scheidungsrenten gegen den Willen des Pflichtigen
zu indexieren, ist seit BGE 100 II 245 anerkannt. Diese Rechtsprechung
wird damit begründet, dass dem Unterhaltsbeitrag nach Art. 151 Abs. 1 ZGB
Sachleistungscharakter zukomme, der im wenigstens teilweisen Ersatz des
entgangenen Unterhaltsanspruches bestehe. Durch eine starke Geldentwertung
werde die Sachleistung aber innerlich ausgehöhlt. Werde die Rente mit
einer Indexklausel versehen, so bedeute das nur eine nominale Veränderung,
materiell werde die Rente lediglich wertbeständig gestaltet und damit
in ihrer Substanz erhalten. So betrachtet liege in der Indexierung
kein Verstoss gegen Art. 153 Abs. 2 ZGB. Diese Bestimmung behalte ihre
Bedeutung, indem eine reale Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen
der Ehegatten nicht zu einer Erhöhung der Rente führen dürfe. Voraussetzung
für die Aufnahme einer Indexklausel sei aber die bestimmte Voraussicht,
dass auch das Einkommen des Pflichtigen laufend der Teuerung angepasst
werde. Gestützt auf diese Rechtsprechung wurde auch die nachträgliche
Indexierung der Rente zugelassen (BGE 105 II 170 f.; 115 II 312).

    a) Die Indexklausel im Scheidungsurteil der Parteien vom 18. November
1981 bindet die Scheidungsrente klar an den schweizerischen Index der
Konsumentenpreise. Im Nachsatz wird die Rentenerhöhung allerdings von einer
entsprechenden Anpassung des Erwerbseinkommens des Beschwerdegegners
an die gesteigerten Lebenshaltungskosten abhängig gemacht. Solche
Zusatzklauseln haben in den vergangenen Jahren in verschiedener Form
Eingang in die kantonale Rechtsprechung gefunden (BJM 1975, S. 191 und
315; ZR 74/1975, S. 175 f.). Mit ihnen soll gewährleistet werden, dass
der Pflichtige tatsächlich nur im Gleichschritt zu seiner wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit nominal höhere Beiträge zu entrichten hat.

    b) Im vorliegenden Fall ist der kantonale Rechtsöffnungsrichter der
Auffassung des Beschwerdegegners gefolgt, wonach nur solche Lohnerhöhungen
zu berücksichtigen seien, die vom Arbeitgeber als Teuerungsausgleich
bezeichnet worden seien. Für Reallohnerhöhungen seien keine nominal
höheren Unterhaltsleistungen zu erbringen.

    Diese Auffassung ist nicht haltbar. Der Wortlaut der fraglichen
Indexklausel enthält keinerlei Hinweis darauf, dass nur teuerungsbedingte
Lohnerhöhungen zu einer Anpassung der Rente führen sollen. Die Bestimmung
knüpft eine solche Anpassung nur an die Voraussetzung, dass sich das
Einkommen des Beschwerdegegners dem Anstieg der Lebenshaltungskosten
anpasst. Die Auslegung, wie sie von den kantonalen Behörden vorgenommen
wurde, widerspricht daher klar dem Sinn und Zweck der Indexklausel. Diese
soll, wie bereits dargelegt, gewährleisten, dass die zugesprochene
Scheidungsrente als Sachleistung ihre Kaufkraft behält (BGE 100 II 252
f., 105 II 170 f.). Entscheidend ist daher allein, ob das Einkommen des
Pflichtigen als Ganzes mit der Teuerung Schritt gehalten hat. Trifft dies
zu, so ist in jedem Fall sichergestellt, dass die Indexierung der Rente
wertmässig keine Vergrösserung seiner Leistung bewirkt. In diesem Sinne
hat das Bundesgericht in BGE 115 II 314 ausdrücklich festgehalten, in bezug
auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten sei
einzig von Belang, ob und in welchem Masse diese mit der Teuerung Schritt
gehalten habe. Die Anpassung der Rente erfolgte daher ohne Rücksicht
auf die Umstände, welche die Einkommenserhöhung bewirkt hatten.

    Wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, kann somit nicht
entscheidend sein, ob die Einkommenserhöhung des Pflichtigen auf eine
nominale oder reale Anpassung zurückgeht. Um so weniger kann es im
Verhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens darauf
ankommen, wie diese Anpassung von den Sozialpartnern bezeichnet worden
ist. Dies hat der Rechtsöffnungsrichter verkannt. Entgegen dem klaren
Sinn der vom Bundesgericht zugelassenen Indexierung der Scheidungsrente
hat er zwischen (angeblich) realer und nominaler Einkommenserhöhung des
Pflichtigen unterschieden. Damit hat er auf ein unmassgebliches Kriterium
abgestellt. Sein Entscheid verstösst deshalb gegen Art. 4 BV und ist
demzufolge vom Appellationshof zu Unrecht geschützt worden.

    c) Nach der Rechtsprechung muss eine Indexklausel zudem möglichst
einfach und klar abgefasst sein, um Schwierigkeiten bei der Eintreibung zu
vermeiden (BGE 100 II 255; ZR 1975, S. 191). Darauf hat der Appellationshof
des Kantons Bern in seinen Richtlinien für die Indexierung von periodischen
Leistungen in familienrechtlichen Urteilen vom 12. Juni 1975 selber
hingewiesen und empfohlen, von der Aufnahme einer Bestimmung, welche die
Anpassung der Rente für den Fall regle, dass der Beitragspflichtige -
entgegen der Erwartung - nicht oder nicht den vollen Teuerungsausgleich
erhalte, solle abgesehen werden (ZBJV 111/1975, S. 347-349).

    Diese Richtlinien hat der Appellationshof bei der Genehmigung der
strittigen Indexklausel im Scheidungsurteil vom 18. November 1981
nicht berücksichtigt. Daran lässt sich im Rechtsöffnungsverfahren
allerdings nichts ändern. Bei der Auslegung der Indexklausel ist jedoch
darauf zu achten, dass die Anpassung der Rente an die gestiegenen
Lebenshaltungskosten möglichst einfach vorgenommen werden kann. Auch
diesem Umstand trägt der angefochtene Entscheid keine Rechnung. Der
Entscheid des Rechtsöffnungsrichters führt nämlich zu einer erheblichen
Komplizierung des Rechtsöffnungsverfahrens. Danach wäre nicht nur zu
prüfen, ob die Teuerung angestiegen ist und inwiefern sich das Einkommen
des Pflichtigen verändert hat, sondern auch, unter welchem Titel der
Pflichtige Lohnerhöhungen erhalten hat. Wie der vorliegende Fall zeigt,
erfordert dies Abklärungen, für die sich das Rechtsöffnungsverfahren
wegen seines summarischen Charakters nicht eignet.