Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 III 32



116 III 32

8. Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 19. März 1990 i.S.
Konkursmasse des H. S. (Rekurs) Regeste

    Beschlagnahme von Sachen, die zum gemeinsamen Haushalt von in
Gütertrennung lebenden Ehegatten gehören (Art. 223 SchKG; Art. 248 und
930 ZGB).

    1. Legitimation der Konkursverwaltung zum Rekurs (E. 1).

    2. Beschlagnahme gemäss Art. 223 SchKG: Unabhängig vom Güterstand
können sich Ehegatten bezüglich der Sachen, die zum gemeinsamen
Haushalt gehören, nicht auf die Eigentumsvermutung von Art. 930 ZGB
berufen. Leben die Ehegatten in Gütertrennung, so ist gemäss Art. 248
Abs. 2 ZGB Miteigentum beider Ehegatten anzunehmen, wenn das Eigentum
weder des einen noch des andern Ehegatten an den zum gemeinsamen Haushalt
gehörenden Sachen bewiesen werden kann (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Über H. S. wurde am 17. Oktober 1989 der Konkurs
eröffnet. Anlässlich der gleichentags durchgeführten Inventaraufnahme
wurden nur geringe Aktiven festgestellt. Die meisten Aktiven, insbesondere
die Eigentumswohnung und den Hausrat, bezeichnete der Konkursit als
Eigentum seiner Ehefrau.

    Am 20. November 1989 machte ein Gläubiger das Konkursamt auf die
Existenz eines bis dahin nicht inventarisierten Weinkellers (mit einem
möglichen Wert von über Fr. 100'000.--) aufmerksam, und am 20. Dezember
1989 verlangte er dessen amtliche Beschlagnahme. Das Betreibungsamt
Kreuzlingen nahm am 19. Januar 1990 das Inventar von diesem Weinkeller
auf und verschloss, einer Verfügung des Konkursamtes des Kantons Thurgau
vom gleichen Tag Folge leistend, den Weinkeller. Der Konkursit bezeichnete
auch diesen als Eigentum seiner Ehefrau.

    B.- H. S. und seine Ehefrau beschwerten sich über die amtliche
Beschlagnahme bei der Rekurskommission des Obergerichts des Kantons
Thurgau. Diese schützte die Beschwerde mit Entscheid vom 19. Februar 1990
und erklärte die Siegelung des Weinkellers als aufgehoben.

    C.- Mit Rechtsschrift vom 7. März 1990 rekurrierte das Konkursamt
des Kantons Thurgau in seiner Eigenschaft als Konkursverwaltung an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Diese hiess den
Rekurs gut und wies die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons
Thurgau an, die vom Konkursamt verfügte Siegelung auf ihre Angemessenheit
zu prüfen.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Auf den Rekurs der durch das Konkursamt des Kantons Thurgau
vertretenen Konkursmasse des H. S. ist einzutreten.

    Zwar gilt auch im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht der Grundsatz,
dass eine untere Behörde, deren Verfügung durch eine obere Instanz nicht
bestätigt worden ist, ihren Standpunkt nicht auf dem Rechtsmittelweg
durchzusetzen versuchen soll (BGE 108 III 28 E. 2, 103 III 10 E. 1);
doch ist die Konkursverwaltung zum Rekurs insoweit befugt, als sie die
Interessen der Konkursmasse und damit der Gläubigergesamtheit wahrt
(BGE 100 III 65 E. 1 mit Hinweisen).

    Um die Interessen der Gläubiger geht es denn auch bei der hier in
Frage stehenden Sicherungsmassnahme - Verschluss des Weinkellers -,
die sich auf Art. 223 SchKG stützt. Die Vorinstanz erklärt in ihren
Gegenbemerkungen selber, dass hinsichtlich der zu entscheidenden
Streitfrage die Interessen des Konkursiten und dessen Ehefrau als
Drittansprecherin der beschlagnahmten Vermögenswerte einerseits und
die Interessen der Gläubiger anderseits sich nicht decken. Unter diesen
Umständen lässt sich nicht die Funktion des Konkursamtes als Behörde gegen
die andere als Konkursverwaltung ausspielen, sondern ausschlaggebend sind
die von der Konkursverwaltung zu wahrenden Interessen der Gläubiger.

Erwägung 2

    2.- Nach BGE 73 III 81 genügt der Mitbesitz des Gemeinschuldners, um
eine Beschlagnahme gemäss Art. 223 SchKG zu rechtfertigen. Das anerkennt
grundsätzlich auch die kantonale Aufsichtsbehörde. Doch geht sie davon aus,
dass aufgrund von Art. 930 ZGB ausschliessliches Eigentum der Ehefrau des
Konkursiten am Weinkeller zu vermuten und demnach dessen Beschlagnahme
im Konkurs des H. S. ausgeschlossen sei.

    Hierbei übersieht die kantonale Aufsichtsbehörde indessen, dass -
unabhängig vom Güterstand - Ehegatten bezüglich der Sachen, die zum
gemeinsamen Haushalt gehören, sich nicht auf die Eigentumsvermutung von
Art. 930 ZGB berufen können (Kommentar STARK, N 5 zu Art. 930 ZGB). Dass
es sich im vorliegenden Fall um einen Weinkeller von ganz besonderem
Wert handelt, ändert an der Zuordnung zum gemeinsamen Haushalt nichts,
solange nicht eine deutliche örtliche Absonderung von den Räumen des
Haushalts nachgewiesen ist.

    Es ist zudem nicht einzusehen, weshalb die aus dem Mitbesitz
abgeleitete Rechtsvermutung ausschliesslich zugunsten des Eigentums
der Ehefrau ausschlagen soll, ergibt sich doch aus Mitbesitz auf
gleicher Stufe eine Vermutung nicht für Allein-, sondern für Miteigentum
(HINDERLING, Schweizerisches Privatrecht V/1, S. 465, Ziff. 8). Bei den
Ehegatten S. trifft dies um so mehr zu, als sie - entgegen der Ansicht der
kantonalen Aufsichtsbehörde - nicht unter der altrechtlichen Gütertrennung,
sondern aufgrund von Art. 10c SchlTZGB unter den neuen Bestimmungen
über die Gütertrennung leben. Demzufolge gelangt Art. 248 Abs. 2 ZGB
(in der Fassung vom 5. Oktober 1984) zur Anwendung, wonach Miteigentum
beider Ehegatten anzunehmen ist, wenn das Eigentum weder des einen noch
des andern Ehegatten bewiesen werden kann. Diese Rechtsvermutung des
revidierten Eherechts unterstreicht, dass bezüglich der zum gemeinsamen
Haushalt gehörenden Sachen die Eigentumsvermutung von Art. 930 ZGB nicht
zugunsten eines Ehegatten allein gelten kann.

    Ausgehend davon, dass der Gemeinschuldner Miteigentum am Weinkeller
hat, wird daher die kantonale Aufsichtsbehörde prüfen müssen, ob der vom
Konkursamt des Kantons Thurgau angeordnete Verschluss des Weinkellers
begründet und angemessen ist.