Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 III 1



116 III 1

1. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 19. Januar 1990 i.S. Degele (Rekurs) Regeste

    Art. 46 Abs. 2 SchKG; Betreibungsort bei Verlegung des Sitzes einer
Aktiengesellschaft.

    Bei einer Aktiengesellschaft wird die Sitzverlegung im Hinblick auf
Art. 647 Abs. 3 OR unmittelbar mit der Eintragung in das Handelsregister
wirksam. Die Gesellschaft ist daher von diesem Tag an am Ort des
neuen Sitzes zu betreiben. Auf die Publikation der Sitzverlegung im
Schweizerischen Handelsamtsblatt kommt es dabei - entgegen der sonst
geltenden Regel - nicht an.

Sachverhalt

    A.- In der von Rolf E. Degele gegen die Firma Egli Installationen AG
in Basel für eine Forderung von Fr. 104'669.85 nebst Zins angestrengten
Betreibung auf Verwertung eines Faustpfandes erliess das Betreibungsamt
Basel-Stadt am 26. Juli 1989 den Zahlungsbefehl. Dieser wurde sowohl unter
Nr. 89/29346 als auch unter Nr. 89/90004 registriert. Das Betreibungsamt
konnte den Zahlungsbefehl der Schuldnerin erst am 18. August 1989
zustellen, wobei ihn der einzige Verwaltungsrat der Gesellschaft, Thomas
Borer, in Basel entgegennahm. Die Schuldnerin erhob am gleichen Tag
Rechtsvorschlag.

    B.- Mit Eingabe vom 21. August 1989 reichte die Firma Peag Engineering
AG in Gelterkinden bei der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und
Konkursamt des Kantons Basel-Stadt eine Beschwerde ein mit dem Begehren,
die Betreibung Nr. 89/90004 gegen die Egli Installationen AG sei
aufzuheben und im Register zu löschen. Als Begründung machte sie geltend,
diese Firma sei am 11. Juli 1989 infolge Verlegung ihres Sitzes von Basel
nach Gelterkinden im Handelsregister Basel-Stadt gelöscht worden.

    Die Peag Engineering AG erhob am 4. September 1989 bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde eine zweite Beschwerde mit einem gleichlautenden Begehren,
die Betreibung Nr. 89/29346 betreffend.

    Der Präsident der kantonalen Aufsichtsbehörde legte die beiden
Beschwerden mit Verfügung vom 6. September 1989 zusammen. Mit Entscheid
vom 27. Oktober 1989 hiess die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerden
gut und hob die Betreibungen Nrn. 89/29346 und 89/90004 auf.

    C.- Hiegegen führt Rolf E. Degele Rekurs an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er beantragt, den Entscheid der
kantonalen Aufsichtsbehörde vom 27. Oktober 1989 aufzuheben und das
Betreibungsamt Basel-Stadt anzuweisen, die Betreibung Nr. 89/90004
bzw. Nr. 89/29346 weiterhin im Kanton Basel-Stadt zu behandeln.

    Der Rekursgegnerin Peag Engineering AG wurde Gelegenheit gegeben, zum
Rekurs eine Stellungnahme einzureichen. In ihrer fristgerecht eingegangenen
Vernehmlassung stellte sie das Begehren, der Rekurs sei abzuweisen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit
sie darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 46 Abs. 2 SchKG sind die im Handelsregister eingetragenen
juristischen Personen an ihrem Sitz zu betreiben. Verändert der Schuldner
seinen Wohnsitz bzw. seinen Sitz, nachdem ihm die Pfändung angekündigt
oder nachdem ihm die Konkursandrohung oder der Zahlungsbefehl zur
Wechselbetreibung zugestellt worden ist, so wird die Betreibung am
bisherigen Ort fortgesetzt (Art. 53 SchKG). Bei der Betreibung auf
Pfandverwertung wird die Pfändungsankündigung durch den Zahlungsbefehl
ersetzt, weshalb schon durch diesen der Betreibungsort definitiv bestimmt
wird (Art. 152 SchKG; JAEGER, N. 3 zu Art. 53 SchKG). Im vorliegenden
Fall hat die Rekursgegnerin ihren Sitz verlegt, bevor der Rekurrent das
Betreibungsbegehren am 14. bzw. 17. Juli 1989 eingereicht hat. Auch
ist die Firma bereits vorher im Handelsregister Basel-Stadt gelöscht
worden. Indessen stellt sich die Frage, ob dieser Sitzverlegung erst mit
der Publikation der Löschung im Schweizerischen Handelsamtsblatt, welche
am 26. Juli 1989 erfolgte, rechtliche Wirkung zukommt, m.a.W., ob der
bisherige Sitz bis zur Publikation der Löschung für den Betreibungsort
ausschlaggebend ist. Dabei ist auch zu beachten, dass es sich im
vorliegenden Fall um Betreibungen auf Pfandverwertung handelt und der
Zahlungsbefehl ebenfalls vom 26. Juli 1989 datiert ist.

    Das Bundesgericht hat in BGE 44 III 16 und 45 I 52/53 festgehalten,
dass eine Eintragung im Handelsregister für das Betreibungsforum von
juristischen Personen und Gesellschaften nicht vor der Bekanntmachung
im Schweizerischen Handelsamtsblatt, sondern erst am Tage danach
Wirkung entfalte. Dies gelte insbesondere auch bei einer Verlegung
des Sitzes (vgl. auch BGE 68 III 150 E. 2). Dieselbe Ansicht wird
auch von JAEGER, N. 9 zu Art. 46 SchKG, vertreten. Diese Auffassung
entspricht der Regel. Nach Art. 931 Abs. 1 OR sind die Eintragungen
im Handelsregister ohne Verzug im Schweizerischen Handelsamtsblatt
bekanntzumachen. Ist eine Tatsache im Handelsregister einzutragen, so
muss auch jede Änderung dieser Tatsache eingetragen werden (Art. 937
OR). Zu den in das Handelsregister aufzunehmenden Tatsachen gehört nach
Art. 641 Ziff. 2 OR auch der Sitz einer Aktiengesellschaft. In Art. 932
Abs. 2 OR wird sodann ausdrücklich festgehalten, Dritten gegenüber werde
eine Eintragung im Handelsregister erst am nächsten Werktag wirksam, der
auf den aufgedruckten Ausgabetag derjenigen Nummer des Schweizerischen
Handelsamtsblatts folgt, in der die Eintragung veröffentlicht ist. Dieser
Werktag ist auch der massgebende Tag für den Lauf einer Frist, die mit
der Veröffentlichung der Eintragung beginnt. In Art. 932 Abs. 3 OR werden
dann allerdings die besonderen gesetzlichen Vorschriften vorbehalten,
nach denen unmittelbar mit der Eintragung auch Dritten gegenüber
Rechtswirkungen verbunden sind oder Fristen zu laufen beginnen. Dazu
gehört für die Aktiengesellschaft Art. 647 Abs. 3 OR, welcher - indessen
ohne leichthin einleuchtende Begründung für die Ausnahme von der Regel -
vorsieht, dass eine Statutenänderung Dritten gegenüber unmittelbar mit
der Eintragung in das Handelsregister wirksam wird. Da die Verlegung
des Sitzes einer Aktiengesellschaft eine Statutenänderung voraussetzt,
kommt Art. 647 Abs. 3 OR auch hiefür Geltung zu (Siegwart, N. 13 und 19 zu
Art. 647 OR, N. 30 zu Art. 626 OR). Auf die Publikation der Sitzverlegung
im Schweizerischen Handelsamtsblatt kann es daher nicht ankommen (SJZ
79/1983 Nr. 29; gegenteiliger Meinung ZR 57/1958 Nr. 22). Demgegenüber
betrafen die beiden zitierten Bundesgerichtsurteile BGE 44 III 14 und 45
I 51 eine Kommanditgesellschaft und eine Genossenschaft, auf welche die
aktienrechtliche Spezialnorm von Art. 647 Abs. 3 OR keine Anwendung findet.

    Im vorliegenden Fall wurde der Sitz der in Betreibung gesetzten
Aktiengesellschaft in Basel am 11. Juli 1989 im Handelsregister von
Basel-Stadt gelöscht, weil die Schuldnerin ihren Sitz am 23. Juni 1989 nach
Gelterkinden verlegt hatte, während die Publikation im Schweizerischen
Handelsamtsblatt erst am 26. Juli 1989 erfolgte. Das vom 14. Juli 1989
datierte und am 17. Juli 1989 beim Betreibungsamt Basel-Stadt eingetroffene
Betreibungsbegehren des Rekurrenten wurde somit erst nach Löschung der
Rekursgegnerin im Handelsregister gestellt, weshalb das Betreibungsamt
Basel-Stadt für die Durchführung der Betreibung nicht mehr zuständig
war. Dass es sich dabei um Betreibungen auf Pfandverwertung handelte,
vermochte daran nichts zu ändern. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat
vielmehr mit Recht die Betreibungen Nrn. 89/29346 und 89/90004 des
Betreibungsamtes Basel-Stadt aufgehoben. Eine Bundesrechtsverletzung kann
ihr diesbezüglich nicht vorgeworfen werden.