Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 8



116 Ib 8

2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Mai
1990 i.S. Gemeinde Bösingen gegen X. und Staatsrat des Kantons Freiburg
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 97 ff. OG, 24 und 34 RPG; Zulässigkeit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Kognition des Bundesgerichts.

    Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auch die Verletzung
des selbständigen kantonalen Verfahrensrechts gerügt werden,
welches bei Ausnahmebewilligungen nach Art. 24 RPG angewendet wird;
die Überprüfungsbefugnis richtet sich allerdings nach den für die
staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen.

Sachverhalt

    A.- Im Amtsblatt des Kantons Freiburg vom 31. März 1989 wurde ein
Baugesuch von X. für eine Geflügelmasthalle in der Gemeinde Bösingen
veröffentlicht. Gegen dieses Bauvorhaben erhoben verschiedene Nachbarn
Einsprache (Art. 172 Raumplanungs- und Baugesetz vom 9. Mai 1983
(RPBG)). Diese Einsprachen wurden nach einer Einigungsverhandlung
aufrechterhalten. Die Gemeinde Bösingen begutachtete das Vorhaben
negativ und übergab die Akten dem Bau- und Raumplanungsamt des Kantons
Freiburg. Am 22. Juni 1989 erteilte die kantonale Baudirektion eine
"Sonderbewilligung" für den Bau der Geflügelmasthalle ausserhalb
der Bauzone. Die Sonderbewilligung wurde der Gemeinde Bösingen am
28. Juni 1989 mit der folgenden Rechtsmittelbelehrung zugestellt:
"Gegen vorliegenden Entscheid kann innert zwanzig Tagen nach Mitteilung
beim Staatsrat Verwaltungsbeschwerde eingereicht werden." Die genannte
Sonderbewilligung wurde zudem im Amtsblatt vom 30. Juni 1989 veröffentlicht
mit dem Hinweis, das Dossier könne beim Bau- und Raumplanungsamt während
20 Tagen von dieser Veröffentlichung an eingesehen werden.

    Die Gemeinde Bösingen erhob gegen diese Sonderbewilligung mit Eingabe
vom 19. Juli 1989 Verwaltungsbeschwerde beim Staatsrat des Kantons
Freiburg. Mit Beschluss vom 20. November 1989 lehnte es dieser ab, auf
die Beschwerde einzutreten. Er begründete dies damit, die Beschwerde sei
verspätet erhoben worden.

    Gegen diesen Entscheid des Staatsrats führt die Gemeinde Bösingen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Nichteintretensentscheid des Staatsrats ist in
Anwendung von Art. 24 RPG und gestützt auf diese Bestimmung ausführendes
kantonales Recht ergangen. Beim erwähnten kantonalen Ausführungsrecht
handelt es sich um Art. 59 Abs. 2 RPBG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 des
Gesetzes über das Verfahren bei Verwaltungsbeschwerden vom 24. Mai 1961
(VVG). Gemäss Art. 59 Abs. 2 RPBG kann der Entscheid der Baudirektion
über Sonderbewilligungen im Sinne von Art. 24 RPG durch den Gesuchsteller,
die Gemeinde oder den Einsprecher mit Verwaltungsbeschwerde angefochten
werden. Die Beschwerde ist gemäss Art. 7 Abs. 1 VVG innert 20 Tagen nach
Erhalt des angefochtenen Beschlusses anzuheben. Diese beiden Vorschriften
bilden selbständiges kantonales Recht, welches als Ausführungsrecht zu
Art. 24 RPG zu betrachten ist, soweit es in Ausnahmebewilligungsverfahren
dieser Art angewendet wird und somit dem Vollzug von Art. 24 RPG
dient. Obwohl es sich dabei, wie erwähnt, um selbständiges kantonales
Ausführungsrecht zu Art. 24 RPG handelt, sind darauf gestützte Verfügungen
wegen des Sachzusammenhangs mit Art. 24 RPG beim Bundesgericht mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten (Art. 34 Abs. 1 RPG). Dabei
prüft das Bundesgericht im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
frei, ob das entsprechende kantonale Ausführungsrecht sich an den
bundesrechtlichen Rahmen von Art. 24 RPG hält. Ist das der Fall, so
wird die weitere Prüfung der Anwendung dieses kantonalen Rechts zwar
ebenfalls im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde durchgeführt.
Soweit dabei selbständiges kantonales Recht in Frage steht, richtet
sich die Kognition des Bundesgerichts indessen nach den für die
staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen (vgl. BGE 112 Ib 96 f.,
111 Ib 202 E. 2, nicht publizierte Urteile vom 8. November 1989 i.S. Risi
E. 1c, vom 21. September 1989 i.S. Senn c. Gemeinde Fulenbach E. 2,
vom 19. Dezember 1986 i.S. Gemeinde Saas E. 2c). Die Gemeinde Bösingen
ist vom angefochtenen Entscheid betroffen und gemäss Art. 34 Abs. 2 RPG
zur Beschwerde berechtigt (Art. 103 lit. c OG). Auf ihre fristgerecht
eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzutreten.