Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 256



116 Ib 256

34. Urteil des Kassationshofes vom 1. Juni 1990 i.S. G. gegen
Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 25 Abs. 3 lit. e SVG und Art. 40 f. VZV; Anordnung von
Verkehrsunterricht.

    Die Anordnung von Verkehrsunterricht setzt voraus, dass der
Betroffene innert kurzer Zeit mindestens zweimal oder immer wieder
Verkehrsregeln übertreten hat und anzunehmen ist, durch eine Verbesserung
seiner Kenntnisse der Verkehrsvorschriften oder durch den Hinweis auf
die Gefahren regelwidrigen Verhaltens im Strassenverkehr könne er von
künftigen Verstössen gegen die Strassenverkehrsregeln abgehalten werden.

Sachverhalt

    A.- G., der wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung bereits
am 16. Juni 1986 administrativ verwarnt werden musste, verursachte am
3. Februar 1989, um ca. 19.30 Uhr, auf der Autobahn N 1 im Bereich der
Baustelle bei Mattstetten einen Verkehrsunfall. Es wird ihm vorgeworfen,
einen unkontrollierten Schwenker gemacht und damit seinen Personenwagen
nicht beherrscht zu haben.

    Am 12. April 1989 verpflichtete das Strassenverkehrs- und
Schiffahrtsamt des Kantons Bern G. in Anwendung von Art. 25 Abs. 3 lit. e
SVG und Art. 40 f. VZV zum Besuch eines eintägigen Verkehrsunterrichts. Die
dagegen gerichtete Einsprache wurde von derselben Behörde am 11. Oktober
1989 abgewiesen. Am 17. Januar 1990 wies die Rekurskommission des
Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern eine in derselben
Angelegenheit eingereichte Beschwerde ebenfalls ab.

    G. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, der Entscheid
der Rekurskommission vom 17. Januar 1990 sei aufzuheben; in Gutheissung
der Beschwerde sei auf die Anordnung des Verkehrsunterrichts zu verzichten
und die administrative Massnahme auf eine Verwarnung zu beschränken.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 25 Abs. 3 lit. e SVG stellt der Bundesrat Vorschriften
auf über den Verkehrsunterricht für Motorfahrzeugführer und Radfahrer, die
wiederholt Verkehrsregeln übertreten haben. Gestützt auf diese Ermächtigung
hat der Bundesrat in den Artikeln 40 und 41 VZV Bestimmungen über den
Verkehrsunterricht erlassen. Danach hat der Unterricht den Teilnehmern
die Kenntnis der für sie wichtigen Verkehrsvorschriften zu erneuern
oder zu erweitern und sie unter Hinweis auf die Gefahren des Verkehrs
zu korrektem Verhalten im Strassenverkehr zu veranlassen (Art. 40 Abs. 2
VZV). Zum Verkehrsunterricht können u.a. Motorfahrzeugführer aufgeboten
werden, die wiederholt in verkehrsgefährdender Weise gegen Verkehrsregeln
verstossen haben (Art. 40 Abs. 3 VZV); Voraussetzung ist, dass die
Verkehrsteilnehmer aufgrund der begangenen Widerhandlungen und einer
Aussprache als erziehungsfähig erscheinen (Art. 40 Abs. 4 Satz 2 VZV).

    Eine wiederholte Verkehrsregelübertretung im Sinne von Art. 25 Abs. 3
lit. e SVG liegt schon dann vor, wenn der Betroffene in den letzten Jahren
zweimal Verkehrsregeln übertreten hat (ebenso Interkantonale Kommission
für den Strassenverkehr, Richtlinien über die Administrativmassnahmen im
Strassenverkehr, 1981, Ziff. 3.3.5.1). Ob es sich jeweils um die gleiche
oder um verschiedene Regeln handelt, ist unerheblich. Die Massnahme des
Verkehrsunterrichts bezweckt einerseits, die Kenntnis der Verkehrsregeln zu
erneuern und zu vertiefen; sie soll andererseits aber auch die Einstellung
der Teilnehmer des Unterrichts zum Verkehrsgeschehen ganz allgemein
beeinflussen, indem sie diese auf die Gefahren regelwidrigen Verhaltens im
Strassenverkehr aufmerksam macht und dadurch fehlbare Motorfahrzeuglenker
von künftigen Widerhandlungen abhält. Die Massnahme setzt somit voraus,
dass der Betroffene innert kurzer Zeit mindestens zweimal oder immer
wieder Verkehrsregeln übertreten hat und anzunehmen ist, durch eine
Verbesserung seiner Kenntnisse der Verkehrsvorschriften bzw. durch den
Hinweis auf die Gefahren regelwidrigen Verhaltens im Strassenverkehr könne
er von künftigen Verstössen gegen die Strassenverkehrsregeln abgehalten
werden. Ob dies der Fall ist, muss aufgrund der Umstände im Einzelfall
entschieden werden. Die Anordnung des Verkehrsunterrichts erweist sich
nicht nur dann als sinnvoll, wenn der fehlbare Fahrzeugführer im Laufe
seiner Fahrpraxis immer wieder Verkehrsregeln übertreten hat und aufgrund
verschiedenartigen Fehlverhaltens anzunehmen ist, seine Kenntnis der
Verkehrsregeln sei ungenügend. Der Besuch des Verkehrsunterrichts ist
schon dann gerechtfertigt, wenn aus den Umständen geschlossen werden
muss, dass dem Betroffenen der Zweck einzelner Verkehrsvorschriften nicht
einsichtig ist und dass er sich deswegen der Gefahren nicht bewusst ist,
die er durch deren Übertretung für andere Verkehrsteilnehmer schafft.

Erwägung 2

    2.- Dem Beschwerdeführer wird im vorliegenden Administrativverfahren
vorgeworfen, innert nicht ganz dreier Jahre einmal am 6. März 1986 die
signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 22 km/h überschritten
und einmal am 3. Februar 1989 sein Fahrzeug nicht beherrscht zu
haben. Damit hat er im Sinne von Art. 25 Abs. 3 lit. e SVG innert weniger
Jahre wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstossen.

    Wie aus den Akten hervorgeht, ist er aber bereits am 11. Juni 1985
wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufgefallen; er fuhr damals
auf der Autobahn um 17 km/h zu schnell, wofür er durch das Bezirksamt
Rheinfelden am 24. Juni 1985 mit Fr. 100.-- gebüsst wurde. Eine weitere
Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit trug ihm schliesslich am
26. Juni 1987 eine durch die Kantonspolizei Zürich ausgefällte Busse von
Fr. 100.-- ein. Bei dieser Sachlage muss geschlossen werden, dass dem
Beschwerdeführer die Bedeutung der Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht
ganz einsichtig ist und er sich damit der Gefahren nicht bewusst ist,
die er durch Nichtbeachten der entsprechenden Vorschriften für andere
Verkehrsteilnehmer schafft.

    Aber auch die neue Verfehlung darf - wie die erste Instanz zu Recht
ausführt - nicht bagatellisiert werden, da sich der Beschwerdeführer
trotz der mehrfachen Signalisation und der deutlich erkennbaren
Fahrbahnverengung durch die fragliche Stelle hat überraschen lassen. Bei
genügend vorausschauender Fahrweise hätte der unkontrollierte Schwenker
und dadurch der Unfall durchaus vermieden werden können. Dass der
andere Unfallbeteiligte mit übersetzter Geschwindigkeit fuhr, ändert an
dieser Schlussfolgerung nichts und vermag im übrigen das Verschulden des
Beschwerdeführers nicht als geringfügiger erscheinen zu lassen.

    Dem den Akten beiliegenden Programm des Kurses "Verkehrsunterricht I"
ist zu entnehmen, dass einer der Themenkreise "Vorausschauende Teilnahme
am Verkehr und defensive Fahrweise" lautet; gerade dieser Teil des Kurses
ist auf den Beschwerdeführer zugeschnitten. Es ist anzunehmen, dass
auch ein durch reichhaltige Fahrpraxis erfahrener Fahrzeuglenker wie der
Beschwerdeführer durch den Hinweis auf den Sinn der Verkehrsvorschriften
sowie auf die Gefahren entsprechender Übertretungen zur künftigen Beachtung
der Regeln im Strassenverkehr angehalten werden kann.

Erwägung 3

    3.- Gesamthaft gesehen, hat die Vorinstanz kein Bundesrecht
verletzt, insbesondere ihr Ermessen nicht überschritten, indem sie die
Voraussetzungen des Verkehrsunterrichts für den Beschwerdeführer als
gegeben erachtete. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen.