Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 217



116 Ib 217

29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 22. Juni 1990 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 2 Abs. 2 lit. a Bundesratsbeschluss betreffend Massnahmen gegen
die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen
des Bundes. Art. 23 Abs. 1 lit. c Abkommen zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen.

    Eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Doppelbesteuerungsabkommens,
und damit eine ungerechtfertigte Entlastung von deutschen Quellensteuern
liegt vor, wenn von aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden
Lizenzerträgen mehr als die Hälfte zur Erfüllung von Ansprüchen nicht
abkommensberechtigter, d.h. nicht in der Schweiz ansässiger Personen
verwendet werden; dies gilt insbesondere auch dann, wenn dies bei direkter
Zuordnung des Aufwands zu den Einkünften aus einem einzelnen Lizenzvertrag
der Fall ist.

Sachverhalt

    A.- Die X. AG mit Sitz in A. gehört der Y. AG in B. (BRD).  Sie erwirbt
von in- und ausländischen Autoren Verlagsrechte, die sie mit Lizenzgebühren
entschädigt. Die erworbenen Verlagsrechte überträgt sie alsdann ihrer
deutschen Muttergesellschaft gegen eine um 10 Prozent höhere Lizenzgebühr.

    B.- Im Jahre 1986 stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung bei
einer Buchprüfung fest, dass die X. AG in den Geschäftsjahren ... von
ihrer Muttergesellschaft Lizenzgebühren in der Höhe von total rund
Fr. ... bezogen und für diesen Betrag beim deutschen Bundesamt für
Finanzen nach dem schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen die
Freistellung von den an der Quelle erhobenen Steuern erwirkt hatte. Rund 90
Prozent dieser Bezüge ... hatte sie an die Autoren weitergeleitet, hievon
Fr. ... an in der Schweiz und Fr. ... an nicht in der Schweiz ansässige
Personen. Der Anteil der an nicht in der Schweiz ansässige Personen
weitergeleiteten Beträge belief sich in den erwähnten Geschäftsjahren -
gesamthaft gesehen - auf (zwischen) 17,4 bis 42,8 Prozent.

    Weil indessen an nicht in der Schweiz ansässige Personen im Einzelfall
mehr als 50 Prozent der abkommensbegünstigten Erträge (Lizenzgebühren)
weitergeleitet worden waren, hielt die Eidgenössische Steuerverwaltung
dafür, dass die Entlastung von den deutschen Quellensteuern in diesen
Fällen ungerechtfertigterweise beansprucht worden sei.

    Mit Entscheid vom 12. April 1988 widerrief sie die entsprechenden
Freistellungsanträge; gleichzeitig verpflichtete sie die X. AG für die
Zeit vom Geschäftsjahr ... an bis 31. Dezember 1986 zur Erstattung der
nicht erhobenen deutschen Quellensteuern (DM ...); dies gestützt auf
Art. 4 Abs. 1 lit. c und d sowie Art. 5 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses
vom 14. Dezember 1962 betreffend Massnahmen gegen die ungerechtfertigte
Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes (im folgenden
Missbrauchsbeschluss; SR 672.202), ferner wegen Verletzung von Art. 2
Abs. 2 lit. b des Missbrauchsbeschlusses und von Art. 23 Abs. 1
lit. c des Abkommens vom 11. August 1971 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen (im folgenden DBA-D; SR 0.672.913.62; AS 1972 3075).

    C.- Eine hiegegen erhobene Einsprache wies die Eidgenössische
Steuerverwaltung ab.

    D.- Die X. AG führt rechtzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den
Begehren, der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung
... sei aufzuheben und es sei von der Einforderung der deutschen
Quellensteuern (DM ...) abzusehen.

    Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt in ihrer Vernehmlassung
die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    E.- In ihrer Replik hält die Beschwerdeführerin in Ergänzung
ihrer Begründung an den Beschwerdebegehren fest. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung verzichtet auf eine Duplik.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D dürfen höchstens 50 Prozent
der Einkünfte zur Erfüllung von Ansprüchen von nicht in der Schweiz
ansässigen Personen verwendet werden.

    Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend, sie habe von den
(Lizenz-)Einkünften insgesamt stets weniger als 50 Prozent an nicht in
der Schweiz ansässige Personen weitergeleitet. Nach dem klaren Wortlaut
und Sinn von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D und der bisherigen Praxis der
Eidgenössischen Steuerverwaltung sei die Weiterleitungsquote auf Grund
des Gesamtbetrages der Einkünfte aus dem Quellenstaat, jedenfalls nicht
unter Berücksichtigung von Einzelverträgen, massgeblich.

    b) Gestützt auf Art. 2 Abs. 1 lit. b des Bundesbeschlusses über die
Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung vom 22. Juni 1951 (SR 672.2) erliess der Bundesrat
am 14. Dezember 1962 den Missbrauchsbeschluss. Dieser bezweckt, dass
die von einem andern Vertragsstaat zugesicherte Herabsetzung von an der
Quelle erhobenen Steuern nicht Personen zugute kommt, die darauf nach
dem Abkommen keinen Anspruch haben.

    Laut Art. 2 Abs. 1 des Missbrauchsbeschlusses wird eine
Steuerentlastung von einer natürlichen oder juristischen Person
oder Personengesellschaft mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz
dann ungerechtfertigterweise beansprucht, wenn die Inanspruchnahme
dazu führen würde, dass die Steuerentlastung zu einem wesentlichen
Teil direkt oder indirekt nicht abkommensberechtigten Personen zugute
kommt. Diese allgemeine Umschreibung missbräuchlicher Inanspruchnahme einer
Steuerentlastung wird in Art. 2 Abs. 2 lit. a wie folgt konkretisiert:

    "2 Eine Steuerentlastung wird insbesondere dann missbräuchlich
   beansprucht, wenn sie Einkünfte betrifft,

    a) die zu einem wesentlichen

    Teil direkt oder indirekt zur Erfüllung von Ansprüchen nicht
   abkommensberechtigter Personen verwendet werden; der Erfüllung von

    Ansprüchen ist in der Regel gleichgestellt die Verwendung der Einkünfte
   zur Abschreibung von Vermögenswerten, deren Gegenwert direkt oder
   indirekt nicht abkommensberechtigten Personen zugekommen ist oder
   zukommt."

    c) Art. 23 Abs. 1 lit. c des neun Jahre später, am 11. August 1971
abgeschlossenen DBA-D lautet wie folgt:

    "(1) Eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft, an der
nicht in
   diesem Staat ansässige Personen überwiegend, unmittelbar oder mittelbar,
   durch Beteiligung oder in anderer Weise interessiert sind, kann die
   in den

    Artikeln 10 bis 12 vorgesehenen Entlastungen von den Steuern, die
auf den
   aus dem andern Staat stammenden Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
   erhoben werden, nur beanspruchen, wenn

    c) höchstens 50 vom Hundert der in

    Rede stehenden und aus dem anderen Vertragsstaat stammenden Einkünfte
zur

    Erfüllung von Ansprüchen (Schuldzinsen, Lizenzgebühren, Entwicklungs-,

    Werbe-, Einführungs- und Reisespesen, Abschreibungen auf
Vermögenswerten
   jeder Art, einschliesslich immaterieller Güterrechte, Verfahren
   usw.) von nicht im ersten Staat ansässigen Personen verwendet werden."

    Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D ist weitgehend den Regeln nachgebildet,
wie sie die Eidgenössische Steuerverwaltung in einem Kreisschreiben vom
31. Dezember 1962 betreffend Massnahmen gegen die ungerechtfertigte
Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes (ASA
31 247 ff., insbesondere Ziff. II/1, S. 248/9) im Hinblick auf die
einheitliche Anwendung von Art. 2 Abs. 2 des Missbrauchsbeschlusses für
sog. Durchlaufgesellschaften formuliert hatte. Bereits damals wurde die
Höchstgrenze auf 50 Prozent festgesetzt (R. V. SIEBENTHAL, Handbuch
des internationalen Steuerrechts der Schweiz, im folgenden: Handbuch,
S. 120; M. WIDMER, Die Auswirkungen des neuen Doppelbesteuerungsabkommens
mit Deutschland, ASA 40 305 ff., insbesondere S. 333; derselbe, Neue
Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, StR 29/1974, S. 90 ff.,
insbesondere S. 95). Die Vorschrift von Art. 2 Abs. 2 lit. a des
Missbrauchsbeschlusses und ihre Anwendung durch die Eidgenössische
Steuerverwaltung können daher für die Auslegung von Art. 23 Abs. 1 lit. c
DBA-D herangezogen werden.

Erwägung 3

    3.- Die Eidgenössische Steuerverwaltung legt Art. 23 Abs. 1 lit. c
DBA-D dahingehend aus, dass die Entlastung der aus der Bundesrepublik
Deutschland stammenden Lizenzerträge von deutschen Steuern wegen
missbräuchlicher Inanspruchnahme namentlich auch dann ausgeschlossen
sei, wenn von diesen Erträgen bei direkter Zuordnung des Aufwands zu
den Einkünften aus einem einzelnen Lizenzvertrag mehr als die Hälfte
zur Erfüllung von Ansprüchen von nicht abkommensbegünstigten Personen
verwendet werden. Eine direkte Zuordnung sei in der Praxis im Rahmen des
Möglichen stets geschehen. Zudem sei dies die einzige Auslegung, die der
Zielsetzung der Bestimmung entspreche. Eine globale Betrachtungsweise
sei nur ausnahmsweise zulässig.

    a) Die Beschwerdeführerin beruft sich zur Stützung ihres Begehrens
zunächst auf den Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D.

    Für die Auslegung einer Staatsvertragsbestimmung ist der Wortlaut
massgebend, wie ihn die Parteien nach dem Vertrauensprinzip im
Hinblick auf den Vertragszweck verstehen durften, solange sich der
Entstehungsgeschichte nicht ein abweichender wirklicher Vertragswille
der Parteien entnehmen lässt (BGE 113 II 362 E. 3; 113 V 103 E. b;
97 I 363 E. 3, mit Hinweisen). Das gilt auch für die Auslegung
von Doppelbesteuerungsabkommen, wenn diese nicht selber besondere
Auslegungsregeln (Definitionen) enthalten oder subsidiär auf die Bedeutung
der verwendeten Begriffe in der lex fori verweisen (Art. 1 Abs. 2 DBA-D;
R. V. SIEBENTHAL, Handbuch, 71 ff.).

    In der deutschen Literatur, auf die die Beschwerdeführerin verweist
(Kommentar FLICK/WASSERMEYER/WINGERT/KEMPERMANN, Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, N 182 zu Art. 23, S. 52), wird der in Art. 23 Abs. 1
lit. c DBA-D verwendete Begriff "Einkünfte" dahingehend verstanden, dass
die Dividenden, Zinsen sowie Lizenzgebühren addiert zusammengefasst am
Aufwand zugunsten nicht Ansässiger gemessen werden müssten (aaO, N 78 zu
Art. 23, S. 51).

    Trotz dieser Kommentierung lässt der Wortlaut der Bestimmung jedoch
durchaus auch die Auslegung zu, dass der Begriff "Einkünfte" - wie die
Eidgenössische Steuerverwaltung einwendet - bloss als vertragstechnischer,
zur gerafften Darstellung dienender Verweis verstanden werden könnte.

    b) Die Beschwerdeführerin vertritt ferner - unter Hinweis
auf KORN/DEBATIN (Doppelbesteuerung, Sammlung der zwischen
der Bundesrepublik und dem Ausland bestehenden Abkommen über die
Vermeidung der Doppelbesteuerung, München 1954 ff.) sowie den Kommentar
FLICK/WASSERMEYER/WINGERT/KEMPERMANN (Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, N 182 zu Art. 23, S. 52) - die Auffassung,
die Vertragsparteien hätten Art. 2 Abs. 1 lit. c DBA-D nach der
Entstehungsgeschichte in dem von ihr geltend gemachten Sinne verstanden.

    KORN/DEBATIN gehen indessen nicht so weit wie die Beschwerdeführerin,
nach deren Auffassung die Verwendungsgrenze von 50 Prozent stets nur
in einer Gesamtrechnung zu ermitteln sei. Die Gesamtrechnung wird
vielmehr deswegen als notwendig bezeichnet, um zu prüfen, ob eine
Verkettung zwischen den Einkünften und ihrer Verwendung zugunsten nicht
abkommensberechtigter Personen in der Form verschiedenster Aufwendungen,
namentlich der Zinsaufwendungen, bestehe (aaO, Art. 23, N 2/g/cc/2-4 und
dd, S. 683 ff.). Dass deswegen eine direkte Zuordnung von Aufwendungen zu
bestimmten abkommensbegünstigten Einkünften ausgeschlossen wäre, wird weder
ausdrücklich gesagt, noch ergibt sich dies aus der Kommentierung zwingend.

    FLICK/WASSERMEYER/WINGERT/KEMPERMANN berufen sich insbesondere auf
LOCHER/MEYER/V. SIEBENTHAL (Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland,
B. 23.1 Nr. 23), worin folgende Stellungnahme der Eidgenössischen
Steuerverwaltung vom 5. September 1974 enthalten ist: "Bei der Prüfung
der Frage, ob eine Gesellschaft von ihren abkommensbegünstigten Erträgen
nicht mehr als 50 Prozent ins Ausland weitergeleitet hat, werden die
abkommensbegünstigten Erträge in der Regel gesamthaft betrachtet und
die darauf entfallenden Schuldzinsen proportional ermittelt, d.h. die
Schuldzinsen werden im Verhältnis der Anlagen in DBA-Staaten zu den
Gesamtaktiven aufgeteilt. Wenn jedoch in einem Einzelgeschäft ein
enger Zusammenhang zwischen der Auslandanlage und der Schuld besteht,
kann das Einzelgeschäft aus der Gesamtrechnung herausgenommen und von
den Abkommensvorteilen ausgeschlossen werden. Die Gesellschaft kann für
den übrigen Teil trotzdem die Voraussetzungen erfüllen und deshalb die
Abkommensvorteile beanspruchen."

    Daraus lässt sich ableiten, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung
in Anwendung ihres Kreisschreibens zum Missbrauchsbeschluss - zumindest
im Hinblick auf die Verteilung von Schuldzinsen - eine direkte Zuordnung
des weitergeleiteten Aufwands zu den abkommensbegünstigten Einkünften
in Einzelgeschäften nicht ausschliessen wollte, sofern eine solche
Zuordnung möglich ist. - Das Kreisschreiben (ASA 31 247) enthält im
übrigen keine Erläuterung, ob die Grenze von höchstens 50 Prozent bezogen
auf einzelne Vertragsverhältnisse oder für die Gesamtheit der Einkünfte
gelten solle. Der Anhang zum Kreisschreiben (ASA 31 255 ff.) beschränkt
sich ebenfalls nur auf die schematische Darstellung von Beispielen für
die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 lit. a und b des Missbrauchsbeschlusses.

    Auch aus den von der Beschwerdeführerin zitierten weiteren
Publikationen (M. WIDMER, Die schweizerischen Massnahmen gegen den
Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen, in Steuer und Wirtschaft,
herausgegeben von Boettcher u.a. bei J. Bergmann, München, und
Springer Verlag Berlin, Göttingen, Heidelberg, 40/1963, Spalte 381 ff.,
insbesondere 387; D. LÜTHI, Handbuch, S. 346; vgl. auch H. MASSHARDT,
Die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen,
ASA 31 225 ff., insbesondere 234 ff.; A. MATTHEY, Les mesures contre
l'utilisation sans cause légitime des conventions conclues par la
Confédération en vue d'éviter les doubles impositions, RDAF 19/1963 53
ff., insbesondere 59; M. B. LUDWIG, Die ungerechtfertigte Inanspruchnahme
von Doppelbesteuerungsabkommen, StR 18/1963 50 ff., insbesondere 57)
kann nichts zum Willen der Vertragsparteien in der Frage abgeleitet werden.

    Den Formularen schliesslich, die für die Entlastung von den deutschen
(Quellen-)Steuern auf Lizenzgebühren geschaffen wurden, ist ebenfalls
nichts Konkretes zu entnehmen.

    Die Entstehungsgeschichte von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D zeigt
demnach, gesamthaft gesehen, einzelne Anhaltspunkte, wonach die
Vertragsparteien die Auffassung der Beschwerdeführerin gehabt haben
könnten, aber mindestens ebenso viele für diejenige der Eidgenössischen
Steuerverwaltung, die nicht klar widerlegt wird.

    c) Die Beschwerdeführerin beruft sich ferner auf den
Zusammenhang von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D mit den übrigen
Vertragsbestimmungen. Insbesondere weist sie auch auf die wirtschaftlichen
Auswirkungen hin. Sie wendet ein, wenn nur die maximale Quote von 50
Prozent der Lizenzgebühren weitergeleitet werden dürfe, entspreche dies
einer Bruttomarge von 100 Prozent, die im internationalen Lizenzgeschäft
ausgeschlossen sei. Es sei zudem anzunehmen, dass die deutschen
Steuerbehörden gegen einen derart unüblichen Gewinnaufschlag durch die
schweizerische Gesellschaft gestützt auf Art. 9 DBA-D einschreiten würden.

    Nach Art. 9 DBA-D dürfen Gewinne, die eine von zwei verbundenen
Unternehmungen nicht erzielt, weil die Bedingungen von denen abweichen,
die unabhängige Unternehmungen miteinander vereinbart hätten, den Gewinnen
der Unternehmung zugerechnet und von deren Sitzstaat besteuert werden. Wenn
sich die Vertragsparteien in Art. 9 DBA-D die Aufrechnung von zwischen
verbundenen Unternehmungen künstlich verschobenen Gewinnen ausdrücklich
vorbehielten, ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht auch einen Missbrauch
der Abkommensbegünstigung darin sehen wollten, wenn eine verbundene,
in der Schweiz domizilierte Gesellschaft nur eine bescheidene Marge
für sich beansprucht und die von der deutschen Quellensteuer befreiten
Lizenzgebühren zum grössten Teil - als Aufwand verbucht - unversteuert
an nicht abkommensberechtigte Personen in Drittstaaten weiterleitet.

    Auch unter dem Blickwinkel von Art. 23 Abs. 1 lit. d DBA-D ergibt sich
keine abweichende Würdigung. Danach kann eine ausländisch beherrschte
(schweizerische) Gesellschaft die Befreiung von den Steuern des
Vertragsstaats (Bundesrepublik Deutschland) nur beanspruchen, wenn die

    "Aufwendungen, die mit den in Rede stehenden und aus dem andern

    Vertragsstaat stammenden Einkünften zusammenhängen, ausschliesslich aus
   diesen Einkünften gedeckt werden."

    Die Beschwerdeführerin beruft sich auf
FLICK/WASSERMEYER/WINGERT/KEMPERMANN (aaO, N 94 und 95, S. 55/6), die
eine von der Eidgenössischen Steuerverwaltung abweichende Auffassung auch
hinsichtlich der Zuordnung von Aufwendungen (insbesondere Abschreibungen)
zu den abkommensbegünstigten Einkünften nach Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D
vertreten. Die positive Formulierung, wonach die Entlastung nur beansprucht
werden kann, wenn Aufwendungen, die mit den betrachteten Einkünften
zusammenhängen, ausschliesslich aus diesen Einkünften gedeckt werden,
hat durchaus einen naheliegenden und verständlichen Grund; es soll damit
verhindert werden, dass eine Gesellschaft, die noch über andere Einkünfte
verfügt, geltend macht, aus diesen anderen Einkünften die Leistungen
an Personen in Drittstaaten erbracht zu haben, die in Wirklichkeit als
Aufwendungen im Zusammenhang mit den abkommensbegünstigten Einkünften zu
betrachten sind (MASSHARDT, aaO, ASA 31 48/9; KORN/DEBATIN, aaO, Art. 23 N
2/g/cc/2, S. 684). Es scheint gerade bedeutsam, dass Art. 23 Abs. 1 lit. d
DBA-D den Zusammenhang von Aufwendungen der Lizenzgeber-Gesellschaft mit
den Einkünften ausdrücklich in die zu betrachtenden Voraussetzungen ihrer
Befreiung von Steuern des Quellenlands einbezieht.

    Der Zusammenhang im Abkommen spricht daher für und nicht gegen die
Auffassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung.

    d) Die Beschwerdeführerin beruft sich schliesslich auf den Sinn
und Zweck von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D. Diese Bestimmung solle
nicht "jegliche Lizenzdurchleitung", sondern bloss die unangemessene
Ausnutzung der im Abkommen vorgesehenen Entlastung verhindern;
diese sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Die
objektiven mathematischen Massstäbe, namentlich die Höchstgrenze von
50 Prozent, die die Vertragsparteien zu diesem Zwecke gewählt hätten,
würden von der Eidgenössischen Steuerverwaltung verkannt. Es könne
der Auffassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung nicht gefolgt
werden, wonach es der Zielsetzung von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D krass
widersprechen würde, wenn allein durch Poolung in einer schweizerischen
Vermittlergesellschaft mit einem relativ grossen Kreis schweizerischer
Lizenzgebührenempfänger auch im Ausland ansässige Personen in den Genuss
der Quellensteuerentlastung gelangten, obwohl ihnen 90 Prozent der aus
Deutschland stammenden Lizenzeinkünfte weitergeleitet werden. Bei einer
solchen Betrachtungsweise werde verkannt, dass eine Vermittlergesellschaft
mit einem grossen inländischen Empfängerkreis "das frei verfügbare
Kontingent" ohne erkennbaren Gestaltungsmissbrauch dazu benützen
könne, einem (zahlenmässig) kleinen Teil im Ausland ansässiger Personen
Abkommensvorteile zu verschaffen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
sei den Nachweis schuldig geblieben, dass mit Art. 23 DBA-D auch solche
Gesellschaften erfasst werden sollten.

    Ähnlich äussern sich auch deutsche Kommentatoren. Danach braucht
zwischen den (Lizenz-)Einkünften und den zur Erfüllung von Ansprüchen
nicht ansässiger Personen erbrachten Aufwendungen kein wirtschaftlicher
Zusammenhang zu bestehen, weshalb der davon losgelöste rein mathematische
und gesamthafte Vergleich "erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet"
(FLICK/WASSERMEYER/WINGERT/KEMPERMANN, aaO, N 79, S. 52; a. M. wohl eher
KORN/DEBATIN, aaO, N 2/c/2, S. 677 und N 2e/g/dd/3, S. 686).

    Laut sämtlichen Publikationen in der schweizerischen Literatur
entspricht dies jedoch nicht der Auffassung, die die Eidgenössische
Steuerverwaltung von der Höchstgrenze von 50 Prozent in ihrem
Kreisschreiben zum Missbrauchsbeschluss und in Art. 23 Abs. 1 lit. c
DBA-D erkennen liess. Diese Grenze soll ausländisch beherrschten
Gesellschaften in der Schweiz nicht die Inanspruchnahme der Befreiung
von deutschen Steuern zugunsten nicht Abkommensberechtigter in einem
bestimmten Verhältnis zu ihrer Grösse und gesamten Geschäftstätigkeit
ermöglichen; sie bedeutet auch nicht, dass ein frei verfügbares
Kontingent steuerbegünstigter Auslandseinkünfte abkommenswidrig in
Anspruch genommen werden kann. Vielmehr soll damit die Abgrenzung, von
welchem Ausmass an die Inanspruchnahme der Befreiung von deutschen
Steuern auf den Lizenzgebühren, Dividenden und Zinsen zugunsten
nicht abkommensberechtigter Personen wesentlich und missbräuchlich
ist, objektiviert werden. Die in der schweizerischen Literatur
(W. RYSER, Introduction au droit fiscal international, 187 ff.) als
rein schematisch kritisierte feste zahlenmässige Grenze hat zur Folge,
dass die Weiterleitung von höchstens 50 Prozent der Einkünfte an solche
Ausländer als noch nicht übermässig bezeichnet (D. LÜTHI, Handbuch, S. 346;
vgl. auch S. 357, wo von "Sicherheitszonen" für die Inanspruchnahme der
Doppelbesteuerungsabkommen die Rede ist) und ein Abkommensmissbrauch
allein durch Weiterleitung von maximal 50 Prozent der Einkünfte als noch
nicht eingetreten betrachtet wird.

    Jedenfalls entspricht es nicht dem Sinn der festen zahlenmässigen
Grenze, dass eine ausländisch beherrschte Gesellschaft, die mehr als 50
Prozent als Aufwand an im Ausland ansässige Personen weiterleiten muss,
die Befreiung von der Steuer im Quellenstaat beanspruchen kann oder
dass die Abkommensbestimmungen so zu verstehen seien, auch ihr müsse bei
geeigneter Gestaltung der übrigen Geschäfte die Erfüllung der Bedingungen
möglich sein. Dem Sinn und Zweck der Bestimmung, die die missbräuchliche
Inanspruchnahme der Abkommensbegünstigung verhindern soll, entspricht ganz
offensichtlich die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung vertretene,
von der Beschwerdeführerin beanstandete Auslegung von Art. 23 Abs. 1
lit. c DBA-D besser:

    Die Befreiung von den Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen
und Lizenzgebühren wurde vereinbart, um eine doppelte Besteuerung
des Empfängers im Quellenstaat und im andern Vertragsstaat, wo er als
Ansässiger solche Einkünfte grundsätzlich zu versteuern hat, zu vermeiden.
Der auf sog. Durchlaufgesellschaften abzielende Missbrauchsvorbehalt von
Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D soll somit verhindern, dass die Befreiung
von der (Quellen-)Steuer nicht durch nicht Abkommensberechtigte in
Drittstaaten in Anspruch genommen wird; insbesondere soll verhindert
werden, dass die ausländisch beherrschte Gesellschaft gestützt auf eine
vertragliche Verpflichtung mehr als 50 Prozent der Lizenzgebühren in einer
als Aufwand verbuchten Form weiterleitet, über welche die Empfänger ohne
steuerliche Belastung verfügen können (BGE 94 I 666 f.; a. M. J.-M. RIVIER,
Le droit fiscal international, S. 251, nach dessen einschränkenderer
Ansicht der Missbrauchsbeschluss nur Betrug oder Umgehung der Steuern
verhindern sollte).

    e) Die Auslegung von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D nach dem Wortlaut
und nach der Entstehungsgeschichte ergibt insgesamt wohl kein ganz
einheitliches Bild und könnte die von der Beschwerdeführerin geltend
gemachte Auffassung nicht schlechthin ausschliessen. Anderseits wird aber
die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung vertretene Auslegung nicht
widerlegt. Nach ihrem Sinn und Zweck sowie dem Zusammenhang mit andern
Vertragsbestimmungen schlägt die behördlicherseits vertretene Ansicht
durch. Sie wird auch durch die bei der zuständigen Amtsstelle des deutschen
Vertragspartners eingeholte, weitgehend übereinstimmende Meinungsäusserung
bekräftigt. Es wäre in der Tat nicht vertretbar, wenn in Drittstaaten
ansässige nicht abkommensberechtigte Personen allein durch die Poolung
von Einkünften in einer grossen Vermittlergesellschaft in Einzelfällen
Abkommensvorteile erlangen könnten, wie dies die Beschwerdeführerin
anstrebt.

    In Würdigung all dieser Gesichtspunkte hat daher die Eidgenössische
Steuerverwaltung mit ihrer Betrachtungsweise und der entsprechenden
Anwendung von Art. 23 Abs. 1 lit. c DBA-D im Falle der Beschwerdeführerin
Bundesrecht nicht verletzt.

Erwägung 4

    4.- Bei diesem Verfahrensausgang kann die weitere Frage, ob eine
Gesellschaft, die (wie die Beschwerdeführerin) 90 Prozent der vereinnahmten
Entgelte an Dritte weiterleitet, als wirklich Nutzungsberechtigte an
den Vermögenswerten die Abkommensbegünstigung ihrer Erträge überhaupt in
Anspruch nehmen kann, offengelassen werden.