Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 193



116 Ib 193

27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
4. Mai 1990 i.S. Z. und Konsorten gegen Schweizerische Eidgenossenschaft
(verwaltungsrechtliche Klage) Regeste

    Ansprüche aus Verantwortlichkeit (Art. 3 Abs. 1 VG).

    1. Stellung der Eidgenössischen Bankenkommission im Hinblick auf die
Haftung nach Verantwortlichkeitsgesetz (E. 1a).

    2. Begriff der Widerrechtlichkeit i.S. des Art. 3 Abs. 1 VG (E. 2a,
2b). Aufsichtsrechtliche Massnahmen, Beurteilungs- und Ermessensspielraum
der Eidgenössischen Bankenkommission in der Unterstellungsfrage (E. 2c,
2d).

    3. Aufsichtspflicht gegenüber Unternehmungen, die dem Bankengesetz
nicht unterstellt sind (E. 3).

    4. Prüfung der Rechtmässigkeit der im konkreten Fall angeordneten
Massnahmen, insbesondere des schrittweisen Vorgehens der Eidgenössischen
Bankenkommission (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Verschiedene Kläger erheben gegenüber der Schweizerischen
Eidgenossenschaft Ansprüche aus Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes
vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie
seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG;
SR 170.32). Zur Begründung machen sie geltend, die Bankenkommission
sei zu spät gegen die X. AG eingeschritten und habe insbesondere nicht
rechtzeitig etwas vorgekehrt, um die Interessen der Gläubiger zu schützen,
als sie von der widerrechtlichen Tätigkeit der X. AG vernommen habe. Die
Bankenkommission habe überhaupt von Anfang an wissen können, dass die
X. AG bankähnliche Geschäfte tätige; dennoch habe sie in rechtswidriger
Weise mit der Auflösung der X. AG gezögert.

    Das Bundesgericht weist die Klage ab, weil das Verhalten der
Eidgenössischen Bankenkommission (bzw. ihrer Organe) im Verfahren gegen
die X. AG nicht rechtswidrig war, die Haftungsvoraussetzungen nach Art. 3
VG somit nicht erfüllt sind.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Bund haftet für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung
seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt (Art. 3 Abs.
1 VG). Wird ein solcher Schaden durch ein Organ oder einen Angestellten
einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten und
ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehenden Organisation (in
Ausübung der mit diesen Aufgaben verbundenen Tätigkeit) zugefügt, haftet
dem Dritten die Organisation; soweit diese die geschuldete Entschädigung
nicht zu leisten vermag, haftet der Bund für den ungedeckten Betrag
(Art. 19 Abs. 1 lit. a VG).

    Das Bundesgericht vertrat in BGE 106 Ib 361 (unter Hinweis auf BGE 93
I 85 E. 1) die Auffassung, die Eidgenössische Bankenkommission sei eine
Behörde des Bundes, die ausserhalb der eidgenössischen Gerichte und der
Bundesverwaltung stehe, und nahm folglich eine Haftung nach Art. 19 VG
an. Dies geschah allerdings in einem obiter dictum und war schliesslich
nicht entscheidwesentlich. In den vorliegenden Verfahren stellt sich
jedoch die Frage nach der Haftungsgrundlage direkt, weshalb vorerst die
Stellung der Bankenkommission zu prüfen ist.

    Art. 11 Ziff. 10 der Bundesratsverordnung vom 9. Mai 1979 über die
Aufgaben der Departemente, Gruppen und Ämter (SR 172.010.15) führt
die Eidgenössische Bankenkommission unter dem Finanzdepartement an;
damit ist sie administrativ diesem Departement zugeordnet. Obwohl der
Bankenkommission durch Art. 23 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Banken
und Sparkassen vom 8. November 1934 (Bankengesetz, BankG; SR 952.0)
die Aufsicht über das Bankenwesen und die Anlagefonds zur selbständigen
Erledigung übertragen ist, wird sie dadurch nicht zu einer ausserhalb
der Bundesverwaltung stehenden Organisation. Insbesondere fehlt ihr die
finanzielle Autonomie, die für eine Haftung nach Art. 19 Abs. 1 lit. a
VG vorhanden sein müsste. Der im vorliegenden Fall umstrittene Anspruch
richtet sich deshalb gegen den Bund selber, und Art. 19 VG ist nicht
anwendbar.

Erwägung 2

    2.- Die Bankenkommission beziehungsweise die Beamten ihres
Sekretariates handelten gegenüber der X. AG in Ausübung ihrer amtlichen
Tätigkeit. Die Haftung des Bundes nach Verantwortlichkeitsgesetz setzt
unter anderem voraus, dass ihr Tun oder Unterlassen widerrechtlich war
(Art. 3 VG).

    a) Widerrechtlich in diesem Sinne ist die Schadenszufügung dann,
wenn die amtliche Tätigkeit des Beamten gegen Gebote oder Verbote der
Rechtsordnung verstösst, die dem Schutze des verletzten Rechtsgutes
dienen. Ein solcher Verstoss kann unter Umständen in der Überschreitung
oder im Missbrauch des dem Beamten durch Gesetz eingeräumten Ermessens
liegen. Die Rechtsprechung hat auch die Verletzung von allgemeinen
Rechtsgrundsätzen als widerrechtlich bezeichnet (BGE 107 Ib 163 f. E. 3a,
mit Hinweisen).

    Die Widerrechtlichkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 VG
setzt die Verletzung eines von der Rechtsordnung geschützten
Gutes, eines Rechtsgutes, voraus. Das Vermögen als solches ist
kein Rechtsgut, seine Schädigung für sich allein somit nicht
widerrechtlich. Vermögensschädigungen ohne Rechtsgutverletzung sind
daher an und für sich nicht rechtswidrig; sie sind es nur, wenn sie
auf ein Verhalten zurückgehen, das von der Rechtsordnung als solches,
das heisst unabhängig von seiner Wirkung auf das Vermögen, verpönt wird
(OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band II/1, 4. Aufl.,
S. 17 (Rz. 43) und S. 33 (Rz. 94, 95)). Vorausgesetzt wird, dass die
verletzten Verhaltensnormen zum Schutz vor diesen Schädigungen dienen
(vgl. OFTINGER/STARK, aaO, S. 35 (Rz. 101)).

    b) Der Zweck des Bankengesetzes liegt unter anderem im Schutz der
Bankgläubiger; dieser steht im Vordergrund (Botschaft des Bundesrates
vom 13. Mai 1980; BBl 1970 I 1145; vgl. auch die Botschaft des Bundesrates
vom 2. Februar 1934 betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Banken und Sparkassen, BBl 1934 I 175; BGE 106 Ib 363, mit Hinweisen,
unter anderem auf BGE 99 Ib 110: "Das Bankengesetz bezweckt vorab den
Schutz des Publikums, insbesondere der Gläubiger der Banken", bestätigt
in BGE 108 Ib 418). Dieser Schutz, den das Bankengesetz zum Zweck hat,
genügt - für sich allein genommen - nicht, um eine Haftung des Bundes für
den als Gläubiger einer Bank erlittenen Vermögensschaden zu begründen. Für
die Widerrechtlichkeit ist vielmehr vorausgesetzt, dass das von den Klägern
beanstandete Verhalten der Organe der Bankenkommission gegen Vorschriften
verstösst, die diesen Schutz konkretisieren. Zu berücksichtigen sind dabei
einerseits das Verhalten der Bankenkommission als Aufsichtsorgan (unten
lit. c), denn die Staatshaftung nach Verantwortlichkeitsgesetz kann zum
vornherein nur für eine "amtliche Tätigkeit" Platz greifen, anderseits
der Beurteilungs- und Ermessensspielraum, welcher der Bankenkommission
in der Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht nach Gesetz und Rechtsprechung
zusteht (unten lit. d), denn widerrechtlich im Sinne von Art. 3 VG sind
zum vornherein nur eigentliche Ermessensfehler (Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens).

    c) Der Bankenkommission ist die Aufsicht über das Bankwesen und
die Anlagefonds zur selbständigen Erledigung übertragen (Art. 23
Abs. 1 BankG). Sie trifft die zum Vollzug des Gesetzes notwendigen
Verfügungen und überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften
(Art. 23bis Abs. 1 BankG). Dafür stellt ihr das Gesetz ein umfangreiches
Instrumentarium zur Verfügung, von dem im Hinblick auf die vorliegenden
Klagen die folgenden Massnahmen relevant sind: Die Bankenkommission kann
nach Art. 23bis Abs. 2 BankG von den Banken und den Revisionsstellen
"alle Auskünfte und Unterlagen verlangen, die sie zur Erfüllung ihrer
Aufgabe benötigt...". Erhält die Bankenkommission von Verletzungen des
Gesetzes oder von sonstigen Missständen Kenntnis, so erlässt sie die
zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustandes und zur Beseitigung der
Missstände notwendigen Verfügungen (Art. 23ter Abs. 1 BankG). Wenn die
Forderungen der Gläubiger durch schwerwiegende Missstände als ernstlich
gefährdet erscheinen, kann die Bankenkommission in eine Bank einen
Sachverständigen abordnen (Art. 23quater Abs. 1 BankG). Der Bank,
welche die Voraussetzungen der Bewilligung nicht mehr erfüllt oder ihre
gesetzlichen Pflichten grob verletzt, entzieht die Bankenkommission die
Bewilligung zur Gesellschaftstätigkeit (Art. 23quinquies Abs. 1 BankG).

    d) Ob die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Bankenkommission
gegen ein ihr unterstelltes Bankinstitut gegeben sind, ist eine
Rechtsfrage, die das Bundesgericht an sich frei überprüft. Indes gesteht
es der Aufsichtsbehörde einen gewissen Beurteilungsspielraum bei der
Prüfung des Einzelfalls zu (BGE 108 Ib 275 E. c, mit Hinweis).

    Welche konkreten Massnahmen bei Bejahung der Pflicht für ein
Einschreiten der Kommission im Einzelfall angezeigt sind, stellt
eine Ermessensfrage dar. Ausser im Fall des Bewilligungsentzuges nach
Art. 23quinquies BankG, wo dieser bei gegebenen Voraussetzungen zwingend
zu erfolgen hat, kommt der Bankenkommission als fachkundiger Behörde
bei der Massnahmeauswahl ein weiter Spielraum des Ermessens zu (BGE 108
Ib 275 E. d, mit Hinweisen). Bei der Betätigung ihres Ermessens ist die
Bankenkommission an die allgemeinen Grundsätze verwaltungsmässigen Handelns
gebunden. Es sind dies: das Verbot der Willkür und der rechtsungleichen
Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben und der Grundsatz der
Verhältnismässigkeit. Bei der Auswahl der Massnahme ist stets vom
Hauptzweck der Bankengesetzgebung, dem Gläubigerschutz, auszugehen (BGE
108 Ib 275 f. E. d).

    Auch wo die Bankenkommission zu prüfen hat, ob eine Gesellschaft
ohne ihre Bewilligung in dem ihrer Aufsicht unterstellten Bereich
tätig ist, d.h. ob ein aufsichtsrechtliches Einschreiten gegen eine
solche Gesellschaft geboten ist, steht ihr dieser Spielraum in der
Beurteilung zu. Selbst wo eine nachträgliche Bewilligung verweigert
werden muss, weil unter den gleichen Voraussetzungen einer Bank die
Bewilligung nach Art. 23quinquies BankG zwingend zu entziehen wäre
(BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz,
Zürich 1986, N 2 zu Art. 23quinquies BankG), ist der Bankenkommission
ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Voraussetzungen
und ein weitgehendes Ermessen beim Entscheid über den genauen Zeitpunkt
eingeräumt (vgl. BGE 98 Ib 272 E. 4). Unter diesen Vorzeichen ist das von
den Klägern gerügte Verhalten der Bankenkommission im Fall der X. AG auf
seine Widerrechtlichkeit hin zu prüfen (unten E. 4).

Erwägung 3

    3.- Banken und diesen nach Art. 1 Abs. 2 BankG gleichgestellte
Unternehmungen bedürfen zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit einer
Bewilligung der Bankenkommission (Art. 3 Abs. 1 BankG; BODMER/KLEINER/LUTZ,
aaO, N 1 zu Art. 3-3ter BankG). Die X. AG hatte für ihre Tätigkeit
keine Bewilligung eingeholt, war dem Bankengesetz also nicht formell
unterstellt. Es fragt sich vorerst, ob und inwiefern dieser Umstand für
die Aufsichtspflicht der Bankenkommission, Voraussetzung für die Haftung
des Bundes, erheblich ist.

    Es ist davon auszugehen, dass die Bankenkommission allgemein über die
"Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften" zu wachen hat, dass folglich die
ihr übertragene "Aufsicht über das Bankwesen" nicht auf Banken und diesen
gleichgestellte Unternehmungen beschränkt ist. Soweit ihre grundsätzliche
Aufsichtspflicht reicht, hat die Bankenkommission die Befugnis und die
Pflicht, die Mittel zur Durchsetzung der Aufsicht auch gegenüber nicht
unterstellten Instituten einzusetzen. So übte die Bankenkommission im Fall
der X. AG die Aufsicht dadurch aus, dass sie unter anderem deren Auflösung
und Liquidation (in Anwendung von Art. 23quinquies BankG) verfügte.

    Nicht für den Grundsatz der Aufsichtspflicht, wohl aber für deren
Inhalt und Intensität macht es - im Hinblick auf die Staatshaftung
nach Art. 3 VG - einen relevanten Unterschied, ob eine Unternehmung
dem Bankengesetz unterstellt ist oder nicht. Die Aufsicht dient -
entsprechend dem vordergründigen Gesetzeszweck - unter anderem vorab
dem Schutz der Bankgläubiger. Sie betrifft daher in erster Linie die
dem Gesetz unterstellten Unternehmungen. Im nicht unterstellten Bereich
geht die Aufsicht weniger weit, schon deshalb, weil von den umfassenden
Schutzvorschriften des Bankengesetzes nur einige Singulärbestimmungen auf
nicht unterstellte Institute anwendbar sind. Da die Bankenkommission über
die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu wachen hat, modifiziert
und begrenzt der Anwendungsbereich des Bankengesetzes gleichzeitig die
so umschriebene Aufsichtspflicht. Die X. AG trat nach aussen als ein dem
Bankengesetz nicht unterstelltes Institut auf; sie unterlag demzufolge
der für diesen Bereich geltenden beschränkten Aufsichtspflicht.

Erwägung 4

    4.- a) Nachdem die Bankenkommission von der Schweizerischen
Bankiervereinigung im September 1983 erfahren hatte, Gerüchten zufolge
scheine es, dass sich die X. AG öffentlich zur Annahme von Geldern
empfehle, verlangte sie von der Gesellschaft am 3. November 1983 nähere
Auskunft über ihre Tätigkeit. Die X. AG antwortete am 17. November 1983.

    aa) Die Kläger halten dafür, anhand der von der Schweizerischen
Bankiervereinigung zur Verfügung gestellten Unterlagen habe die
Bankenkommission feststellen können, dass es wohl nicht um eine blosse
Vermögensverwaltung separat verwalteter Kundengelder ging. Dies sei durch
die von der X. AG überlassenen Rundschreiben (Bündelung verschiedener
Einlagen, Anpreisung der Tätigkeit am deutschen Markt) und den Prospekt
(Hinweis auf Gewinnbeteiligung und einmalige Anlagegebühr) bestätigt worden
und habe aufgrund der Bilanzen, namentlich jener per 31. Dezember 1982,
zur Gewissheit werden müssen...

    bb) In ihrer Anzeige vom 12. September 1983 äusserte die Schweizerische
Bankiervereinigug den Verdacht, die X. AG sei eine Gesellschaft, die
bankähnlichen Geschäften nachgehe; von einer unseriösen Geschäftstätigkeit
oder von Vermögensdelikten war darin nicht die Rede. Die Bankenkommission,
die eine Untersuchung über die Unterstellungspflicht eröffnete, hatte
somit zunächst keinen Anlass, die X. AG eines Delikts zu verdächtigen
oder weitergehende Aufsichtsmassnahmen anzuordnen.

    Aus den Unterlagen geht weiter hervor, dass die X. AG sich für die
treuhänderische Vermögensverwaltung offerierte. So hatte der Kunde einen
"Vermögensverwaltungsauftrag und Kontoeröffnungsvollmacht" beziehungsweise
einen "Treuhandauftrag betreffend Konto Nr. ..." zu unterzeichnen. Auch
der Prospekt deutete auf ein Treuhandverhältnis. Darin, dass die
Bankenkommission aufgrund dieser Unterlagen noch nicht eingriff, ist
kein rechtswidriges Verhalten zu sehen. Weil, wie die Bankenkommission
ausführt, damals präzise und verbindliche Vorschriften für die Verbuchung
treuhänderisch gehaltener Vermögenswerte fehlten, gaben auch die
vorgelegten Bilanzen keinen Anlass zum Eingreifen.

    Als unbehelflich erscheint der Einwand der Kläger, die Bankenkommission
hätte, bis zum Beweis des Gegenteils, von einer Unterstellung der
X. AG unter das Bankengesetz ausgehen müssen, denn dieses - zum Schutz
der Gläubiger erlassene - Gesetz sei im Zweifel zugunsten der Gläubiger
auszulegen. Mit Recht wendet die Beklagte dagegen ein, dass eine derartige
gesetzliche Vermutung nicht besteht und dass sich die X. AG ausschliesslich
für treuhänderische Anlagen empfohlen habe. Unter den konkreten Umständen
bestand im damaligen Zeitpunkt auch kein zwingender Grund, den Bilanzen
der beiden ersten Geschäftsjahre näher auf den Grund zu gehen. Auf jeden
Fall ist im Verhalten der Bankenkommission bis zu diesem Zeitpunkt keine
Rechtswidrigkeit zu erblicken.

    b) Auf 5. April 1984 wurde Y., einziges Mitglied des Verwaltungsrates
der X. AG, zu einer Besprechung in Bern eingeladen. Die dabei vorgelegte
provisorische Bilanz 1983 gab Anlass zum Schreiben der Bankenkommission
vom 14. Mai 1984, worin der X. AG Frist für den Nachweis treuhänderischer
Tätigkeit angesetzt wurde.

    Im Zuwarten der Bankenkommission und in der Ansetzung einer
Frist zum Nachweis der behaupteten treuhänderischen Tätigkeit ist
kein rechtswidriges Verhalten zu sehen. Mit diesem Vorgehen hat die
Bankenkommission weder gegen eine ausdrückliche Vorschrift verstossen noch
ihr Ermessen missbraucht oder überschritten. Es erscheint im Gegenteil als
verhältnismässig, dass die Bankenkommission der X. AG vorerst Gelegenheit
einräumte, innert einer bestimmten Frist zum geäusserten Verdacht Stellung
zu nehmen.

    Für das Vorgehen der Bankenkommission mag bestimmend gewesen sein, dass
Y., die - wie auch die Kläger bestätigen - vertrauenserweckend wirkte,
erklärte, die Gesellschaft verwalte Vermögen und sei treuhänderisch
tätig. Auch äusserte Y., sie wolle nun einen Anwalt beiziehen, um künftig
einwandfreie Fiduziarverträge abzuschliessen.

    Nicht beanstanden lässt sich weiter die Fristverlängerung, welche die
Bankenkommission dem nunmehr von der X. AG beigezogenen Anwalt gewährte.

    c) Mit Schreiben vom 10. Juli 1984 bestätigte der Anwalt der X. AG dann
allerdings, dass diese nicht als reine Vermögensverwaltungsgesellschaft
angesehen werden könne, doch würden nun keine selbstschuldnerischen
Depots mehr entgegengenommen und die bereits (selbstschuldnerisch)
eingegangenen Beträge würden den einzelnen Kunden gutgeschrieben und
getrennt treuhänderisch verwaltet. Für diese Entflechtung würden etwa
sechs Monate benötigt. Das darin enthaltene Gesuch um Fristerstreckung
wurde - gemäss Darstellung der Beklagten in der Klageantwort - von der
Bankenkommission stillschweigend bewilligt. Nachdem während der in
Aussicht gestellten Zeit keine Antwort eingegangen war, erkundigte sich
die Bankenkommission am 28. März 1985 bei der X. AG nach dem Stand der
Dinge und verlangte konkrete Auskünfte und Unterlagen.

    aa) Die Kläger, die bereits das frühere Zuwarten - zu Unrecht -
als rechtswidrig missbilligen, rügen, dass die Bankenkommission nichts
vorgekehrt habe, damit die X. AG keine weiteren Gelder am Markt aufnahm;
weder die Gesellschaft noch deren Reorganisation sei überwacht worden.

    bb) Die Kläger übersehen, dass es auch zu diesem Zeitpunkt im Verfahren
gegen die X. AG bloss um die Frage ging, ob diese bankähnliche Geschäfte
pflege und dafür einer Bewilligung der Bankenkommission bedürfe. Sie
verkennen zudem die Tragweite der Aufsichtspflicht und -möglichkeiten
der Bankenkommission im nicht unterstellten Bereich, wenn sie unter den
gegebenen Umständen eine weitergehende Überwachung der Gesellschaft
oder deren Organisation verlangen. Für die Aufsichtsbehörde bestand
kein Anlass, gestützt auf Art. 23quater BankG einen Sachverständigen
als Beobachter einzusetzen. Davon abgesehen, dass diese Massnahme die
förmliche Unterstellung unter das Bankengesetz voraussetzen dürfte, ist
eine ernstliche Gefährdung der Gläubigerforderungen durch schwerwiegende
Missstände vorausgesetzt; diese Voraussetzung war nicht erfüllt.

    d) Der von der Bankenkommission am 28. März 1985 angeforderte Bericht
wurde am 25. April 1985 erstattet. Am 17. Mai 1985 wurde die Untersuchung
durchgeführt und am 20. Mai 1985 die Auflösung und Liquidation der X. AG
verfügt.

    Das Verfahren in den Monaten April/Mai 1985 wurde somit zügig geführt
und lässt sich rechtlich auch sonst nicht beanstanden.

    e) In der Gesamtbeurteilung lässt sich keine Widerrechtlichkeit
im Verhalten der Bankenkommission feststellen: weder hat sie gegen
ihre Aufsichtspflicht verstossen, noch hat sie das ihr eingeräumte
Ermessen überschritten oder missbraucht, noch hat sie einen allgemeinen
Rechtsgrundsatz verletzt.

    Für diese rechtliche Würdigung fällt insbesondere in Betracht, dass
die Bankenkommission vorerst abzuklären hatte, ob die X. AG willkürlich
in dem ihrer Aufsicht unterstellten Bereich tätig war. Das schrittweise
Vorgehen der Bankenkommission und die konkreten Massnahmen, einschliesslich
des Zeitpunkts ihrer Anordnung, sind durch den der Bankenkommission als
fachkundiger Behörde zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum
im Rückblick ebenso gedeckt wie der Verzicht der Aufsichtsbehörde
auf weitere Massnahmen. Es ist nämlich nicht ausser acht zu lassen,
dass Gläubigerinteressen auch infolge eines allzu forschen Vorgehens
Schaden nehmen könnten. Im übrigen hat die Bankenkommission, als sie den
Zeitpunkt der Auflösung festgelegt hat, das ihr eingeräumte Ermessen weder
überschritten noch missbraucht; aus dem von ihnen angerufenen Entscheid
in BGE 98 Ib 269 ff. können die Kläger also ebenfalls nichts für sich
ableiten. Dass die Bankenkommission, allenfalls aufgrund der Erfahrungen
mit der X. AG, in späteren Fällen möglicherweise schneller und energischer
reagierte, ändert daran nichts.