Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 185



116 Ib 185

25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6.
August 1990 i.S. Migros Bank Basel und Bürgergemeinde Ettingen gegen
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und Einwohnergemeinde Ettingen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerden) Regeste

    Art. 4 BV; Grundsatz von Treu und Glauben; Anwendung auf eine
Waldfeststellungsverfügung bei Parzellen, welche in einem früher
genehmigten Quartierplan als waldfrei galten.

    1. Anwendung des Prinzips von Treu und Glauben auf unrichtige
behördliche Auskünfte (Bestätigung der Rechtsprechung). Diese Grundsätze
sind auch bei der Beurteilung von Nutzungsplanfestsetzungen zu beachten
(E. 3c).

    2. Die Waldfeststellung auf Parzellen, welche in den Jahren 1973 bis
1976 bei der Ausarbeitung eines Quartierplanes als waldfrei erklärt wurden,
verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben nicht. Die Rechtsänderung,
die mit dem Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes eingetreten ist
und dem der Quartierplan kaum entspricht, ist zu berücksichtigen. Auch
schliesst der dynamische Waldbegriff nach 10-15 Jahren die Berufung auf
den Vertrauensschutz aus.

Sachverhalt

    A.- Die Migros Bank Basel ist Eigentümerin der Parzelle Nr.  1252 im
Ausmass von 5557 m2 im Gebiet unter der Holle in der Gemeinde Ettingen.
An ihr Grundstück stösst die Parzelle Nr. 1253 im Ausmass von 3217 m2 an,
welche im Eigentum der Bürgergemeinde Ettingen steht. Beide Grundstücke,
welche zusammen die Form eines Dreiecks aufweisen, liegen an einem nach
Norden orientierten schattigen Abhang. Sie stossen auf der Südseite mit
ihrer oberen Begrenzung an die im Eigentum des Kantons Basel-Landschaft
stehende Hofstettenstrasse an.

    Am 16. Februar 1976 stimmte die Einwohnergemeindeversammlung Ettingen
einem Quartierplan für die Erstellung einer Treppenhaussiedlung auf
den Parzellen Nr. 1252 und 1253 zu. Der Regierungsrat genehmigte
diesen Quartierplan mit Beschluss vom 6. Juli 1976. Im Rahmen der
Überbauungsstudien hatte am 9. Oktober 1974 eine Besprechung mit
dem damaligen kantonalen Oberförster stattgefunden, bei welcher davon
ausgegangen wurde, die beiden Grundstücke seien nicht bewaldet. Als
Waldgrenze wurde im Westen die Parzellengrenze, im Süden die
gegenüberliegende Strassenseite der Hofstettenstrasse angenommen. Der
Kantonsförster verlangte die Einhaltung des Waldabstandes von 20 m, wovon
in der Folge bei der Ausarbeitung des Quartierplanes ausgegangen wurde.

    Am 20. Juni 1989 fasste der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft
gemäss dem Antrag des Kantonsforstamtes einen Waldfeststellungsbeschluss,
wonach auf Parzelle Nr. 1252 1280 m2 und auf Parzelle Nr. 1253 1152 m2
Wald bestünden.

    Dagegen erhoben die Migros Bank Basel und die Bürgergemeinde
Ettingen je Verwaltungsgerichtsbeschwerde, welche vom Bundesgericht nach
Durchführung eines Augenscheins aus den folgenden Erwägungen abgewiesen
werden:

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- c) Das in Art. 4 BV enthaltene Gebot von Treu und Glauben gilt
auch im Verwaltungsrecht und gibt dem Bürger einen Anspruch auf Schutz
des berechtigten Vertrauens, das er in behördliche Zusicherungen und
sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden
setzt. Es müssen indessen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein,
damit sich der Private mit Erfolg auf Treu und Glauben berufen kann
(ARTHUR HÄFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, S. 221). So
ist eine unrichtige Auskunft einer Verwaltungsbehörde nur bindend,
wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte
Personen gehandelt hat, wenn sie dabei für die Erteilung der betreffenden
Auskunft zuständig war, oder wenn der Bürger die Behörde aus zureichenden
Gründen als zuständig betrachten durfte, wenn gleichzeitig der Bürger die
Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte und wenn er
im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat,
die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, sowie wenn die
gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren
hat (BGE 115 Ia 18 E. 4a mit Verweisungen). Doch steht selbst dann, wenn
diese Voraussetzungen alle erfüllt sind, nicht fest, ob der Private mit
seiner Berufung auf Treu und Glauben durchdringen kann. Es müssen das
Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts und jenes
des Vertrauensschutzes gegeneinander abgewogen werden. Überwiegt das
öffentliche Interesse an der Anwendung des positiven Rechts, muss sich
der Bürger unterziehen.

    Die dargelegten Grundsätze sind namentlich bei der Beurteilung von
Nutzungsplanfestsetzungen zu beachten. Gemäss konstanter Rechtsprechung
hat kein Grundeigentümer Anspruch darauf, dass sein Land dauernd in jener
Zone verbleibt, in die es einmal eingewiesen worden ist. Pläne können und
müssen angepasst werden, wenn sich die Verhältnisse erheblich geändert
haben (Art. 21 Abs. 2 RPG; BGE 113 Ia 455 E. 5b mit Verweisungen).

Erwägung 4

    4.- b) Die Rüge, die Waldfeststellungsverfügung verletze den Grundsatz
von Treu und Glauben, begründet die Bürgergemeinde mit dem Hinweis auf
den im Jahre 1976 genehmigten Quartierplan. Zutreffend legt sie dar, es
handle sich bei diesem Quartierplan um einen Sondernutzungsplan im Sinne
der heutigen Raumplanungsgesetzgebung. Sie ist der Meinung, das Vertrauen
in die Beständigkeit dieses Sondernutzungsplanes müsse gegenüber einer
möglichen Durchsetzung von Art. 1 FPolV obsiegen.

    Der in Frage stehende Quartierplan "unter der Holle" wurde im Jahre
1973 ausgearbeitet. Aus dem bei den Akten liegenden Protokoll einer
Besprechung des Planes vom 9. Oktober 1974 im Planungsamt Liestal ergibt
sich, dass der frühere Kantonsförster damit einverstanden war, dass die
Treppenhaussiedlung einen Waldabstand von 20 Metern einhalten müsse, wobei
als Waldgrenze offenbar die bergseitige Begrenzung der Hofstettenstrasse
sowie die Grenze der Parzelle Nr. 1252 angenommen wurde. Es ergibt sich
hieraus, dass der im Jahre 1974 zuständige Kantonsförster eine Haltung
eingenommen hat, die für den Genehmigungsentscheid des Regierungsrates
mitbestimmend war. Da derselbe Regierungsrat auch zuständig für
entsprechende Waldfeststellungs- und Rodungsverfügungen war, fragt es
sich, ob sein Entscheid im Sinne der angeführten bundesgerichtlichen
Rechtsprechung bei den Grundeigentümern Vertrauensschutz bewirken konnte,
allenfalls auch nur in dem Sinne, dass aus der Plangenehmigung im Jahre
1976 ein Anspruch auf eine Rodungsbewilligung hergeleitet werden konnte.

    Entgegen der Auffassung der Bürgergemeinde trifft dies nicht
zu. Abgesehen davon, dass am 1. Januar 1980 das eidgenössische
Raumplanungsgesetz in Kraft trat, das zu einer Überprüfung der bestehenden
Nutzungspläne Anlass geben musste (Art. 35 RPG), ist die seit der
Genehmigung des Quartierplanes bis zum Waldfestsetzungsbeschluss
verstrichene Frist von über 14 Jahren derart lang, dass sich die
Grundeigentümer, welche nach der Plangenehmigung keine Anstalten zur
baulichen Verwirklichung der Treppenhaussiedlung getroffen haben, nicht
mit Erfolg auf die Beständigkeit dieses Sondernutzungsplanes berufen
können. Die detaillierte Natur dieses Planes, die einem baupolizeilichen
Vorentscheid nahe kommt, spricht entgegen der Auffassung der Bürgergemeinde
gegen die Annahme einer so langen Geltungsdauer. Üblicherweise
fällt eine Baubewilligung dahin, wenn nicht innert eines Jahres
mit den Bauarbeiten begonnen wird (§ 132 des basellandschaftlichen
Baugesetzes vom 15. Juni 1967). Auch Vorentscheide sind zeitlich nur
begrenzt gültig (ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, 2.
Auflage, N 10 zu § 152, S. 383; siehe etwa § 22 der baselstädtischen
Bauverordnung vom 27. Januar 1976, wonach ein Vorentscheid die Behörden
nicht mehr bindet, wenn innert eines Jahres seit seiner Erteilung kein
definitives Baubegehren eingereicht wird). Für Sondernutzungspläne im
Sinne von Quartierplänen, welche die Art und Lage der Bauten detailliert
festlegen, ist ein längerer Bestand dann gerechtfertigt, wenn gestützt
darauf gebaut worden ist (so ausdrücklich ERICH ZIMMERLIN, aaO, N 3 zu §
120). Wird jedoch nicht gebaut und dient der Plan vielmehr - wie dies im
vorliegenden Falle für die Parzelle Nr. 1252 zutrifft - als Grundlage
eines wiederholten Verkaufes, so können sich die Eigentümer jedenfalls
nach einem Zeitablauf von über 10 Jahren nicht mehr auf die Beständigkeit
dieser speziellen Planung berufen. Das Raumplanungsgesetz verlangt in
der Regel alle 10 Jahre eine gesamthafte Überprüfung der Richtpläne. Aus
dieser Überprüfung können Anpassungen der Nutzungspläne im Sinne von
Art. 21 RPG hervorgehen. Im vorliegenden Falle mussten die Eigentümer
umso mehr mit einer Änderung der Nutzungsplanung rechnen, als der im Jahre
1973 ausgearbeitete Plan einer Treppenhaussiedlung wohl kaum als ein den
Anforderungen der Raumplanungsgesetzgebung genügender Plan bezeichnet
werden kann. Unter diesen Umständen ginge aber auch das öffentliche
Interesse an der Durchsetzung des geltenden Rechts dem Vertrauen in einen
in den Jahren 1973-1976 ausgearbeiteten speziellen Nutzungsplan für eine
Treppenhaussiedlung vor, welche in der Folge von den Eigentümern nicht
verwirklicht wurde. Die Berufung auf Treu und Glauben vermag daher nicht
zu helfen.

    Das Bundesgericht hält im übrigen auch in seiner neueren Rechtsprechung
am dynamischen Waldbegriff fest (Entscheid des Bundesgerichts vom
28. September 1988 i.S. T. c. D., E. 3bb mit Verweisungen, publ. in ZBl
91/1990 S. 269 ff.). Auch junger Waldwuchs, der in offenes Land vordringt,
ist forstrechtlich als Wald geschützt, wenn er älter als 10 bis 15 Jahre
ist. Diese Zeitspanne lässt erkennen, dass sich die Beschwerdeführerinnen
nicht auf einen im Jahre 1973 ausgearbeiteten Quartierplan berufen können,
dessen Verwirklichung sie nicht in Angriff genommen haben. Es ergibt sich
hieraus, dass von einer Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben
auch aus forstrechtlichen Gründen nicht die Rede sein kann.