Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 151



116 Ib 151

20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Oktober 1990 i.S. U.
gegen Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber
Fahrzeugführern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG; Berechnung der Rückfallsfrist.

    Auch wenn der frühere Führerausweisentzug nicht nur wegen Fahrens in
angetrunkenem Zustand, sondern zusätzlich wegen anderer Widerhandlungen
gegen die Strassenverkehrsordnung verhängt worden war, beginnt die
fünfjährige Rückfallsfrist des Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG erst mit dem
Ablauf der analog zu Art. 68 StGB bemessenen (Gesamt-)Massnahme zu laufen.

Sachverhalt

    A.- U. lenkte am 22. Januar 1990, um ca. 23.10 Uhr, in Rümligen
einen Personenwagen in angetrunkenem Zustand (1,58 Gew.-%o Alkohol im
Blut). Das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons Bern entzog
ihm am 13. März 1990 gestützt auf Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG (Rückfall) den
Führerausweis für die Dauer von 15 Monaten. Eine gegen diesen Entscheid
gerichtete Beschwerde wies die Rekurskommission des Kantons Bern für
Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern am 16. Mai 1990 ab.

    Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt U., die
beiden kantonalen Entscheide seien vollumfänglich aufzuheben und die Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht
weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer fuhr bereits am 13. September 1984 in
angetrunkenem Zustand (mindestens 1,61 Gew.-%o). Die kontrollierenden
Polizeibeamten konnten ihm damals den angeblich verlorenen Führerausweis
nicht sofort abnehmen. Der Beschwerdeführer wurde jedoch auf den Entzug
der Fahrberechtigung und die Folgen der Missachtung hingewiesen. Noch
bevor ihm die definitive Entzugsverfügung eröffnet werden konnte,
übertrat er am 27. September 1984 das Fahrverbot. In der Folge wurde
wegen beider Widerhandlungen am 22. Oktober 1984 eine (Gesamt-)Massnahme
von acht Monaten ausgesprochen, deren Vollstreckung vom 13. September
1984 bis zum 12. Mai 1985 dauerte. Nach Ansicht der Vorinstanz ist die
fünfjährige Frist des Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG von diesem Datum an zu
berechnen. Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber die Auffassung, die
Frist sei ab dem 13. November 1984 zu berechnen, da die Entzugsdauer für
die beiden Verkehrsregelverstösse gesondert zu bestimmen sei und für das
erstmalige Fahren in angetrunkenem Zustand der Ausweis von Gesetzes wegen
nur für zwei Monate entzogen werden könne. Da der Beschwerdeführer am 22.
Januar 1990 erneut in angetrunkenem Zustand gefahren ist, kommt bei der
Betrachtungsweise der Vorinstanz Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG zur Anwendung,
bei der Auffassung des Beschwerdeführers demgegenüber nicht.

    b) Die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber
Fahrzeugführern wies am 24. März 1986 eine Beschwerde gegen die
Verfügung vom 22. Oktober 1984 ab und stellte dabei fest, da die
Blutalkoholkonzentration mehr als das Doppelte der Limite von 0,8 Gew.-%o
betragen und der Beschwerdeführer das Delikt vorsätzlich begangen habe,
hätte für das Fahren in angetrunkenem Zustand allein trotz der beruflichen
Notwendigkeit zum Führen eines Motorfahrzeuges eine Entzugsdauer von
mehr als zwei Monaten ausgesprochen werden müssen. Dieser Entscheid ist
rechtskräftig und somit heute nicht mehr zu überprüfen.

    Folglich ist der Einwand des Beschwerdeführers, es hätte für das
erstmalige Fahren in angetrunkenem Zustand allein nur ein zweimonatiger
Führerausweisentzug verfügt werden dürfen, von vornherein unbehelflich. Da
seinerzeit für das Fahren in angetrunkenem Zustand und das Fahren trotz
entzogenem Führerausweis gesamthaft ein Ausweisentzug von acht Monaten
verfügt worden ist, erscheint es andererseits aber auch als fraglich, ob
allein für das Fahren in angetrunkenem Zustand eine Administrativmassnahme
von mehr als vier Monaten verhängt worden wäre. Wäre dies der Fall,
hätte auch nach der Auffassung des Beschwerdeführers die fünfjährige
Frist des Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG erst nach dem 22. Januar 1985 zu
laufen begonnen. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da der Ansicht des
Beschwerdeführers ohnehin nicht gefolgt werden kann.

    c) Nach Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG beträgt die Dauer des
Führerausweisentzugs mindestens ein Jahr, wenn der Fahrzeuglenker
innert fünf Jahren seit Ablauf eines früheren Entzugs wegen Fahrens
in angetrunkenem Zustand erneut in diesem Zustand gefahren ist. Für die
Berechnung der Rückfallsfrist bestimmt diese Vorschrift nur, dass sie nach
Ablauf der früheren Administrativmassnahme zu laufen beginnt. Den Fall,
in welchem der frühere Führerausweisentzug nicht nur wegen Fahrens in
angetrunkenem Zustand, sondern zusätzlich wegen anderer Widerhandlungen
gegen die Strassenverkehrsordnung verhängt worden war, regelt Art. 17
SVG nicht.

    Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist Art. 68
StGB sinngemäss anwendbar, wenn durch mehrere Handlungen mehrere
Entzugsgründe gesetzt werden (BGE 113 Ib 56). Der Richter hat also auf
die Administrativmassnahme für die schwerste Widerhandlung zu erkennen
und deren Dauer angemessen zu erhöhen. Der Beschwerdeführer will nun diese
(Gesamt-)Massnahme nachträglich wieder in einzelne Teile aufspalten. Dieser
Auffassung kann nicht gefolgt werden.

    Die Administrativbehörde beurteilt die verschiedenen verwirklichten
Tatbestände gemeinsam und bestimmt letztlich die Entzugsdauer durch
ein einziges Abwägen aller massgebenden Umstände, auch wenn sie
in analoger Anwendung von Art. 68 Ziff. 1 StGB in zwei Schritten
vorgeht, bei denen aber keine genaue Festlegung der Entzugsdauer
für die schwerste Widerhandlung einerseits und deren Erhöhung für
die geringfügigeren Widerhandlungen andererseits zu erfolgen hat. Das
Ergebnis dieser Überlegungen stellt eine einzige Massnahme dar, die für
alle Widerhandlungen gemeinsam ausgesprochen wird.

    Diese Ausgestaltung des Instituts der (Gesamt-)Massnahme hat
Auswirkungen auf deren Vollzug. In bezug auf das Strafrecht stellen
SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE zu Recht fest, für die Verbüssung bilde die
Gesamtstrafe eine Einheit; "jeder Teil von ihr, der verbüsst wird,
ist wegen aller bezeichneten Straftaten verbüsst" (Strafgesetzbuch,
Kommentar, 23. Aufl., N 20 zu § 54 dStGB). Dasselbe gilt für die
Administrativmassnahmen.

    Es ist denn auch nicht zu sehen, nach welchen Kriterien die vom
Beschwerdeführer angestrebte Aufspaltung überzeugend vorgenommen
werden könnte. Insbesondere spricht nichts dafür, dass ausgerechnet
die ersten Monate der vollzogenen Massnahme die Sanktion für das Fahren
in angetrunkenem Zustand dargestellt haben sollten. Das Bundesamt
für Polizeiwesen weist in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hin,
man könne sich auch auf den Standpunkt stellen, die mit der schwersten
Massnahme bedrohte Handlung (im vorliegenden Fall also das Fahren trotz
Ausweisentzug) sei zuerst vollzogen worden.

    Die Auffassung der Vorinstanz stellt jedoch nicht nur eine einfache
und vernünftige Lösung dar, sie entspricht auch dem Sinn und Zweck der
gesetzlichen Regelung. Bei der Schaffung der verschärften Entzugsgründe von
Art. 17 Abs. 1 lit. c und d SVG ging es dem Gesetzgeber darum, diejenigen
Fahrzeuglenker besonders hart zu treffen, die sich durch eine erste
Administrativmassnahme nicht beeindrucken liessen. Die Rückfallsfrist ist
dabei eine Bewährungsfrist, die naturgemäss erst zu laufen beginnen kann,
wenn der Betroffene wieder im Besitz des Führerausweises ist, d.h. wenn
die (Gesamt-)Massnahme vollumfänglich vollzogen ist.

    Was der Beschwerdeführer vorbringt, dringt nicht durch. BGE 114 Ib 41
befasste sich mit der vorliegend interessierenden Frage der Berechnung der
Rückfallsfrist nicht, sondern es ging um das Problem, ob unter bestimmten
Umständen überhaupt ein Rückfall vorliegt; das Bundesgericht hat in
diesem Entscheid im übrigen nicht festgestellt, Art. 14 Abs. 1 lit. d
SVG sei restriktiv auszulegen. Auch der Hinweis auf BGE 108 Ib 259 geht
an der Sache vorbei, denn dieses Präjudiz befasst sich ebenfalls nicht
mit der Berechnung der Rückfallsfrist, sondern besagt nur, dass Art. 68
StGB analog auf Führerausweisentzüge angewendet werden soll.

    Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die Entzugsdauer wegen
des Fahrens trotz Ausweisentzug könne unmöglich schon am 13. September
1984 begonnen haben, da er erst später, nämlich am 27. September
1984 ohne Ausweis gefahren sei. Formal mag dieser Einwand nicht ganz
unberechtigt sein, er vermag jedoch angesichts des oben Gesagten nicht
durchzudringen. Entscheidend ist, dass im vorliegenden Fall mit Verfügung
vom 22. Oktober 1984 eine Gesamtmassnahme ausgesprochen worden ist;
dass deren Vollstreckung unter den gegebenen Umständen bereits vor dem
zweiten, zur Beurteilung stehenden Delikt begann, ändert nichts daran,
dass eine Gesamtmassnahme nachträglich nicht in Einzelteile aufgesplittert
werden kann.

    Im übrigen behauptet der Beschwerdeführer nur mehrfach, die Annahme
der Vorinstanz sei unrichtig, krass falsch und gesetzwidrig, ohne jedoch
überzeugende Gründe, die für seine eigene Meinung sprechen könnten,
anzugeben. Ist nach dem Gesagten von der Rechtsauffassung der Vorinstanz
auszugehen, hat sie zu Recht angenommen, der Beschwerdeführer sei innert
der Frist des Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG rückfällig geworden.