Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 126



116 Ib 126

16. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12.
Juni 1990 i.S. X. und X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Warenumsatzsteuer.

    Das Anfertigen von Fotokopien auf sog. Selbstbedienungs-Kopiergeräten
in Fotokopieranstalten durch die Kunden gilt als Warenlieferung des
Aufstellers der Automaten (Art. 15 Abs. 2 WUStB) und begründet, wenn die
übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, die Warenumsatzsteuerpflicht.

Sachverhalt

    A.- X., Inhaberin der Einzelfirma X. in ..., und die X. AG in
... sind als Grossistinnen im Sinne des Bundesratsbeschlusses über
die Warenumsatzsteuer (WUStB) eingetragen. Beide Firmen bezwecken
die Herstellung von Fotokopien und Drucksachen. Sie haben in ihren
Räumlichkeiten Fotokopiergeräte aufgestellt, die von den Kunden selbst
bedient werden.

    Die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Warenumsatzsteuer,
betrachtet die Einnahmen aus dem Betrieb dieser Geräte - in Änderung
ihrer bisherigen Praxis - als steuerbaren Umsatz im Sinne des
Warenumsatzsteuerbeschlusses und fordert gegenüber X. für solche Umsätze
Warenumsatzsteuern im Betrag von Fr. ... (1. Quartal 1982 bis 4. Quartal
1983) und gegenüber der X. AG von Fr. ... (1. Quartal 1981 bis 2. Quartal
1984) nach.

    Mit Einspracheentscheid vom 20. Oktober 1989 stellte die Eidgenössische
Steuerverwaltung fest: "Das 'schnelle' Anfertigen von Fotokopien auf sog.
Selbstbedienungs-Kopiergeräten durch Dritte gilt als grundsätzlich
steuerbarer Umsatz des Aufstellers solcher Apparate." Zugleich bestätigte
sie die Steuerforderungen.

    X. und die X. AG führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher
sie beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass das "schnelle" Anfertigen von Fotokopien durch
Dritte nicht als steuerbarer Umsatz des Aufstellers solcher Apparate
gelte. Die Eidgenössische Steuerverwaltung sei ferner zu verpflichten,
der X. AG die vom 1. Januar 1982 bis 30. Juni 1984 zu Unrecht bezahlten
Steuern zurückzuerstatten.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. a WUStB ist steuerpflichtig,
wer als Grossist im Inland Waren liefert. Als Grossistinnen gelten
aufgrund des Umsatzes auch die Beschwerdeführerinnen nach Art. 9 Abs. 1
lit. b WUStB. Der Begriff der Lieferung wird in Art. 15 WUStB näher
umschrieben. Nach dessen Abs. 2 gilt als Warenlieferung "auch die
Ablieferung der aufgrund eines Werkvertrages oder Auftrages hergestellten
Ware". Unter den Begriff der Ware fällt gemäss Art. 17 WUStB (soweit hier
bedeutsam) alles, was Gegenstand eines Fahrniskaufes (Art. 187 OR) sein
kann. Herstellung ist jede Verarbeitung, Bearbeitung, Zusammensetzung,
Instandstellung, Veredelung oder sonstige Umgestaltung (Art. 10 Abs. 2
Satz 2 WUStB).

    b) Fotokopien können Gegenstand eines Fahrniskaufes sein und werden
tatsächlich oft im Rahmen solcher Verträge gehandelt. Sie sind mithin
umsatzsteuerrechtlich als Ware zu behandeln (Art. 17 WUStB). Sie werden
im Sinne von Art. 10 Abs. 2 WUStB hergestellt, auch wenn die Herstellung
vorwiegend maschinell erfolgt. Das ist im vorliegenden Fall auch nicht
bestritten.

    Die Beschwerdeführerinnen machen aber geltend, dass die Fotokopien
nicht durch sie - aufgrund eines Werkvertrages - hergestellt würden,
sondern durch den Kunden, dem sie hierzu die Fotokopiergeräte mietweise
zur Verfügung stellten. Trifft dieser Einwand zu, so müssten die in Frage
stehenden Umsätze steuerfrei bleiben. Denn die blosse Vermietung eines
Gerätes (oder einer Maschine) erfüllt den Tatbestand der Lieferung gemäss
Art. 15 WUStB nicht (ASA 56, 266 E. 4).

Erwägung 2

    2.- Die Frage, ob Herstellung aufgrund eines Werkvertrages vorliegt
oder bloss Vermietung einer Maschine, hat das Bundesgericht früher vor
allem danach entschieden, wie intensiv der Einsatz des Personals des
Unternehmers bei der Herstellung der Ware ist.

    So hat das Bundesgericht in bezug auf das gewerbsmässige Reinigen
von Wäsche zunächst gefunden, dass es sich dabei um eine Instandstellung
von Waren im Sinne von Art. 10 Abs. 2 WUStB handle (BGE 68 I 103 E. 2,
3). Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das Bundesgericht im Urteil
vom 5. November 1965 (ASA 34, 298) eine Warenlieferung auch angenommen,
wenn in sog. Selbstbedienungs-Waschsalons Kleidungsstücke chemisch
gereinigt werden. Denn die Reinigung solcher Kleidungsstücke erfolge
aufgrund eines Werkvertrages.

    Dass man es mit einem solchen zu tun habe und nicht bloss mit einer
Vermietung von Waschautomaten, gehe daraus hervor, dass die Waschanstalt
eine umfassende Bedienungsanleitung an ihren Waschautomaten angeschlagen
habe und Aufsichtspersonal stelle, dessen Mitwirkung unerlässlich
sei. Dieses habe bei erstmaligen Kunden im Zweifel behilflich zu sein,
darüber zu wachen, dass nur den Vorschriften entsprechend gewaschen
werde, und in Stosszeiten sogar das Reinigungsgut herauszunehmen und neues
einzufüllen. Das Bedienungspersonal habe ferner für die richtige Handhabung
der chemischen Substanzen zu sorgen und darauf zu achten, dass die Kunden
nicht mit diesen in Berührung kämen. Der Benützer könne demgegenüber einzig
bewirken, dass die Maschine durch Geldeinwurf für ihn tätig werde. Der
Beitrag der Waschanstalt am Reinigungsvorgang bestehe demnach nicht nur
darin, dem Kunden einen Automaten zum Gebrauch zu überlassen. Vielmehr
erfolge die Reinigung durch Mitarbeit von Unternehmungspersonal und
unter Einsatz von Maschinen und eines von der Unternehmung beschafften
Reinigungsmittels (ASA 34, 300 E. 3).

    Ähnlich hat auch die Eidgenössische Steuerverwaltung in ihrer früheren
Verwaltungspraxis für die Unterscheidung vor allem auf die Intensität
des Personaleinsatzes abgestellt (vgl. etwa ASA 18, 450 E. 3b-d).

Erwägung 3

    3.- Auf den Personaleinsatz bzw. auf den damit verbundenen
Arbeitseinsatz kann es aber heute, angesichts der zunehmenden
Automatisierung, nicht mehr so entscheidend ankommen. Für die
Arbeitsobligation beim Werkvertrag ist es nicht wesentlich, ob
der Unternehmer Arbeitskraft und Hilfsgeräte oder nur Hilfsgeräte
einsetzt. Auch der WUStB unterscheidet für die Steuerpflicht nicht
zwischen der automatischen und der mit Arbeitseinsatz von Personal
verbundenen Herstellung (Art. 10 Abs. 2 WUStB), und erst recht ist
diese Unterscheidung für den Begriff der Lieferung (Art. 15 Abs. 1 und
2 WUStB) bedeutungslos (s. auch METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer,
N 320). Auch ausschliesslich maschinell hergestellte Waren können deshalb
Gegenstand eines Werkvertrages und mithin einer Warenlieferung (Art. 15
Abs. 2 WUStB) sein. Entscheidend ist in diesem Sinne, ob die erbrachte
Leistung, der Arbeitserfolg, dem Kunden zuzurechnen ist - dann liegt
allenfalls Vermietung von Maschinen vor - oder ob die Unternehmung selbst
für den Arbeitserfolg, das Werk, einzustehen hat.

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführerinnen haben in ihren Lokalen
Fotokopiergeräte aufgestellt, welche vom Kunden bedient werden. Der
Gebrauch dieser Geräte erfolgt in der Weise, dass der Kunde sein Original
an die bezeichnete Stelle des Gerätes bringt, die Anzahl der Kopien,
das Format, die Belichtung usw. wählt und durch Knopfdruck gleichzeitig
den Herstellungsvorgang auslöst. Wenn die Herstellung der Kopie nicht
oder nicht in brauchbarer Art erfolgt (weil z.B. eine Kopie beim Auswurf
zerrissen wird), kann sich der Kunde an das Personal wenden und wird
verbesserte Leistung erhalten. Er kann den Kopiervorgang ohne zusätzliches
Entgelt auch vom anwesenden Personal einleiten lassen, wenn er sich mit den
Automaten nicht auskennt. Daraus erhellt, dass die Beschwerdeführerinnen
für das Gelingen der Kopien (richtige Bedienung des Fotokopiergerätes
durch den Kunden vorausgesetzt) einzustehen haben. Die Lieferung erfolgt,
wenn der Kunde die anhand des Zählers ermittelte Anzahl der Kopien an
der Kasse bezahlt hat und diese in seine Verfügungsmacht (Art. 15 Abs. 1
WUStB) übergehen. Die Herstellung und Lieferung der Kopien durch die
Beschwerdeführerinnen und nicht die Überlassung des Kopiergerätes zum
Gebrauch steht damit im Vordergrund.

    b) Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, der Preis, der dem Kunden
nach Anzahl der Fotokopien berechnet werde, könnte ebensogut nach der
Dauer der Benützung des Gerätes bemessen werden. Das mag zutreffen, weist
für sich allein jedoch nicht auf eine Vermietung von Maschinen hin. Dass
keine Miete vorliegt, geht daraus hervor, dass das Entgelt für die Kopien
nach der Stückzahl berechnet wird, dass die Geräte unter der Aufsicht
des Unternehmungspersonals verbleiben, dass das Personal nötigenfalls dem
Kunden bei der Bedienung des Gerätes behilflich ist und die Unternehmung
nicht nur für das Funktionieren der Geräte einsteht, sondern darüber hinaus
auch dafür, dass die Herstellung der Kopien durch die Geräte in brauchbarer
Art erfolgt. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerinnen ihrerseits
nicht Eigentümerinnen der Fotokopiergeräte sind, sondern sie aufgrund von
Rahmenmietverträgen von Dritten (Rank Xerox, Ozalid AG usw.) zur Verfügung
gestellt erhalten. Denn die Herstellung durch den Unternehmer im Rahmen
eines Werkvertrages kann sowohl mit eigenen als auch mit gemieteten
(oder geleasten) Geräten erfolgen.

    c) Die Beschwerdeführerinnen legen allerdings Gewicht darauf,
dass das Unternehmungspersonal für das einwandfreie Funktionieren
der Apparate zu sorgen und namentlich Papier und Toner nachzufüllen
habe. Dabei geht es jedoch entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen
nicht um ihre Pflicht als Vermieterinnen, die Mietsache in einem zum
vertragsgemässen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (Art. 254
Abs. 1 OR), zumal warenumsatzsteuerrechtlich selbst bei Annahme einer
Apparatenmiete mindestens hinsichtlich des Papiers eine Lieferung
der Beschwerdeführerinnen in Betracht zu ziehen wäre (Art. 15 Abs. 1
WUStB). Vielmehr erfolgt der Arbeitseinsatz des Unternehmungspersonals
im Rahmen der werkvertraglichen Arbeitsobligation des Unternehmers.

    Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerinnen vermögen
offensichtlich zu keinem anderen Ergebnis zu führen.

    d) Übrigens hat das Bundesgericht bereits im Urteil vom 19. Oktober
1984 (BGE 110 Ib 229), wenn auch nur beiläufig und ohne nähere Begründung,
die Herstellung von Fotokopien sogar auf Fotokopiergeräten, die zur freien
Benützung offen aufgestellt sind und vom Kunden durch Münzeinwurf bedient
werden können, als Warenlieferung bezeichnet (S. 231 E. 3a). Im Lichte
dieser Rechtsprechung ist eine Warenlieferung erst recht anzunehmen,
wenn Unternehmungspersonal die Benützung der Kopiergeräte überwacht
und den Kunden bei der Anfertigung einzelner Kopien behilflich ist. Die
Herstellung von Fotokopien in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerinnen
durch Kunden ist somit als Warenlieferung nach Art. 15 Abs. 2 WUStB zu
behandeln. Das dafür vereinnahmte Entgelt unterliegt der Warenumsatzsteuer.