Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IB 11



116 Ib 11

3. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Januar 1990 i.S.
Staat Zürich gegen P. und Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Enteignungsentschädigung für Lärmimmissionen aus dem Betrieb von
Nationalstrassen.

    Zulässigkeit eines Teilurteils (E. 1).

    Die Zusprechung einer Enteignungsentschädigung für die Entwertung von
Wohnliegenschaften durch übermässige, von Nationalstrassen ausgehende
Lärmimmissionen ist de lege lata nur im formellen Enteignungsverfahren
möglich; es bestehen keine gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen, die einen
Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung zu begründen vermöchten
(E. 2). Eigenheiten des formellen Enteignungsverfahrens zur Abgeltung
übermässiger Lärmeinwirkungen (E. 2aa-ee).

    Welches Ausmass die Lärmeinwirkungen erreichen, insbesondere ob
die Alarmwerte überschritten werden oder nicht, ist für die Frage der
Voraussehbarkeit der Immissionen unerheblich (E. 3a).

    Der Enteignungsrichter ist nicht zuständig, über Ansprüche zu befinden,
die sich aus dem Umweltschutzgesetz ergeben (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Am 29. November 1972 genehmigte das Eidgenössische Departement
des Innern das Ausführungsprojekt für die Nationalstrasse SN 1.4.4
(Teilstrecke Schöneichstrasse-AMAG) auf dem Gebiet der Stadt Zürich. Der
Kanton Zürich leitete hierauf das Enteignungsverfahren für den Erwerb der
für den Strassenbau benötigten Rechte ein. Beansprucht wurde längs der
Überlandstrasse unter anderem der 10 m tiefe Vorgarten des Grundstücks
Kat.- Nr. 2762, auf welchem ein Mehrfamilienhaus (Überlandstrasse Nr. 99)
steht. Das Wohnhaus grenzt heute - nach dem Bau der Nationalstrasse -
seitlich unmittelbar an das Trottoir der verlegten Überlandstrasse an,
welche ihrerseits längs der fünfspurigen Nationalstrasse verläuft.

    An der Einigungsverhandlung vom 14. März 1974 erklärte sich der
Eigentümer der Parzelle Nr. 2762, K. P., mit der vorzeitigen Inbesitznahme
des zu enteignenden Bodens einverstanden. Zudem wurde vereinbart,
dass über die vom Enteigneten verlangte Entschädigung für Lärm erst
nach Inbetriebnahme der Nationalstrasse befunden werden solle. In einem
zusätzlichen Teilvergleich vom 25. April 1975 setzten die Parteien die
für die Landabtretung geschuldete Entschädigung auf Fr. 450.--/m2 fest und
behielten die Zusprechung einer Minderwertsentschädigung für Immissionen
weiterhin einem späteren Entscheid vor.

    Im Zusammenhang mit dem Nationalstrassenbau erarbeitete die Stadt
Zürich ein Immissionsschutzprojekt für die Überlandstrasse bzw. die SN
1.4.4. Der Regierungsrat des Kantons Zürich stimmte dem Projekt, das die
Finanzierung der durch die Nationalstrasse bedingten Schutzmassnahmen
durch den Kanton vorsah, am 20. Dezember 1978 zu. Gestützt auf dieses
Projekt übernahm der Kanton Zürich die Kosten für den Einbau von
Schallschutzfenstern am Hause Überlandstrasse Nr. 99 und leistete K. P.,
der auf die Erstellung einer Lärmschutzwand längs seines Grundstücks
verzichtet hatte, zusätzlich für die Aussenrenovation des Hauses einen
Beitrag von Fr. 40'000.--.

    Auf Anfrage des Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission,
Kreis 10, bestätigte K. P. im November 1985, dass er an der
Minderwertsforderung festhalte. Der Enteignete verlangte an der Einigungs-
und Schätzungsverhandlung vom 14. April 1986 eine zusätzliche Entschädigung
von rund Fr. 40'000.-- für die Lärmeinwirkungen, die seit Beginn der
Bauarbeiten an der Nationalstrasse die Vermietung der Wohnungen erheblich
erschwert hätten. Der Vertreter des Kantons Zürich beantragte sinngemäss
die Abweisung des Entschädigungsbegehrens.

    Die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10, entschied am
18. Februar 1987, dass der Entschädigungsanspruch des Enteigneten für
übermässige Immissionen ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt der
Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte zu beurteilen sei und dass diese
Immissionen aus dem Betrieb der SN 1.4.4 für den Enteigneten nicht
voraussehbar gewesen seien. Ob die übrigen Voraussetzungen für die
Zusprechung einer Entschädigung erfüllt seien, blieb einer späteren
Beurteilung vorbehalten.

    Gegen den Entscheid der Eidgenössischen Schätzungskommission hat
der Staat Zürich Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Er stellt
die Anträge, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der geltend
gemachte Entschädigungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der materiellen
Enteignung zu prüfen; es sei festzustellen, dass die Immissionen aus dem
Betrieb der Nationalstrasse SN 1.4.4 für den Enteigneten voraussehbar
waren, und dessen Entschädigungsforderung sei demzufolge abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Schätzungskommission hat keinen Zwischenentscheid erlassen,
sondern vorweg eine rechtliche Teilfrage abschliessend beantwortet und
damit ein Teilurteil gefällt. Ein solches Vorgehen, das sich aus Gründen
der Zweckmässigkeit und der Prozessökonomie aufdrängen kann (vgl. BGE
109 Ib 31 f. E. 1c, 114 Ib 145 nicht publ. E. 2), ist zulässig und vom
Beschwerdeführer ausdrücklich befürwortet worden.

Erwägung 2

    2.- Der Staat Zürich bringt in seiner Beschwerde zunächst vor,
dass in Abänderung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes
die Beeinträchtigungen durch Immissionen aus dem Bau und Betrieb von
Strassen nicht mehr nach den Regeln über die formelle Enteignung
nachbarlicher Abwehrrechte, sondern unter dem Gesichtspunkt einer
allfälligen materiellen Enteignung beurteilt werden sollten. Inwiefern
eine solche neue Betrachtungsweise den angefochtenen Entscheid hätte
beeinflussen sollen und zu welchem Ergebnis sie hätte führen müssen,
wird jedoch nicht dargelegt. Vielmehr geht der Staat Zürich nach
seinen weiteren Ausführungen selbst davon aus, dass die im Rahmen der
Rechtsprechung über die formelle Enteignung aufgestellten Bedingungen
für die Gewährung einer Immissionsentschädigung, insbesondere die
Voraussetzung der Unvorhersehbarkeit der Einwirkungen, weiterhin gelten
sollten. Es ist daher nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse
der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall an der verlangten Änderung
der Rechtsprechung haben könnte. Immerhin ist die vom Staat Zürich
aufgeworfene Frage in letzter Zeit auch in der Lehre erneut zur Diskussion
gestellt worden (vgl. etwa GEORG MÜLLER, Kommentar zu Art. 22ter BV N. 64,
CHRISTOPH BANDLI, Kommentar zum Umweltschutzgesetz N. 17 zu Art. 24 S. 11,
DETLEV DICKE, Die materielle Enteignung, Baurechtstagung Freiburg 1983
S. 68, KARL LUDWIG FAHRLÄNDER, Zur Abgeltung von Immissionen aus dem
Betrieb öffentlicher Werke, unter Berücksichtigung des Bundesgesetzes
über den Umweltschutz, Diss. Bern 1985 S. 85 ff., FELIX SCHÖBI, Zur
Unterscheidung von formeller und materieller Enteignung am Beispiel von
Immissionsstreitigkeiten, in "recht" 1985 S. 126 ff.), so dass es sich
rechtfertigt, ihr einige Bemerkungen zu widmen.

    a) Die Bundesverfassung sieht in Artikel 22ter einerseits die
Enteignung vor und lässt andererseits weitere, durch das Gesetz begründete
Eigentumsbeschränkungen zu, für welche, wenn sie einer Enteignung
gleichkommen, ebenfalls volle Entschädigung zu leisten ist (Art. 22ter
Abs. 3). Solche Beschränkungen, die sich nicht auf das Enteignungsgesetz
stützen, sich aber wie eine Expropriation auswirken und daher eine
Entschädigungspflicht auslösen, werden in der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung seit bald fünfzig Jahren "materielle Enteignungen" genannt
(vgl. BGE 113 Ia 375 E. 4a). Ob ein Eingriff in Eigentum als formelle
oder als materielle Enteignung zu betrachten und zu behandeln sei,
beurteilt sich somit in erster Linie danach, ob das Enteignungsgesetz
zur Anwendung komme und die für ein im öffentlichen Interesse liegendes
Werk beanspruchten Rechte im formellen Enteignungsverfahren erworben
werden müssen oder ob durch gesetzliche Vorschrift oder entsprechende
Pläne eine Eigentumsbeschränkung bereits eingetreten sei und nur noch
die Entschädigung in Frage stehe.

    Nun behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht, es gebe -
abgesehen von den Vorschriften über die Projektierungszonen und über
die Baulinien (Art. 14 ff. und 22 ff. des Bundesgesetzes über die
Nationalstrassen) - eine gesetzliche Norm, durch welche das Grundeigentum
in der Umgebung der Nationalstrassen in dem Sinne eingeschränkt werde,
dass kein Recht auf ungestörte Nutzung bestehe und selbst übermässige
Lärmimmissionen hinzunehmen seien. Die Bestimmungen von Art. 22 und
24 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG),
welche in zu stark lärmbelasteten Gebieten Neubauten oder die Schaffung
neuer Wohnzonen verbieten, die Weiternutzung bestehender Wohnbauten
dagegen nicht untersagen oder einschränken, vermögen jedenfalls
keine gesetzliche Grundlage für die lärmbedingte Beeinträchtigung
dieser bisherigen Nutzungen und den Ersatz des dadurch verursachten
Schadens abzugeben. Wie das Bundesgericht in BGE 110 Ib 372 ff. E. 2
zu den Lärmzonenplänen gemäss Luftfahrtgesetzgebung ausgeführt hat,
können solche Pläne insoweit zu materiellen Enteignungen führen, als
in den entsprechenden Zonenvorschriften der Bau neuer Wohnhäuser oder
die Ausscheidung neuer Wohngebiete untersagt wird; solange aber die
bisherige Nutzung bestehender Gebäude weiterhin zugelassen wird, fällt die
Zusprechung einer Entschädigung aus materieller Enteignung für diese ausser
Betracht und muss deren Eigentümer ein anderer Weg zur Geltendmachung
ihrer Entschädigungsbegehren eröffnet werden (vgl. insbes. BGE 110 Ib 371
f. E. 2d; Art. 42 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Luftfahrt
vom 21. Dezember 1948 und Art. 62 Abs. 5 der Luftfahrtverordnung vom
14. November 1973).

    Bestehen keine speziellen gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen
hinsichtlich der Duldung von Lärmimmissionen längs von Nationalstrassen,
so hat hingegen der Bundesgesetzgeber in Art. 5 des Bundesgesetzes über
die Enteignung vom 20. Juni 1930 (EntG; SR 711) alle dinglichen Rechte an
Grundstücken, so ausdrücklich auch die aus dem Grundeigentum hervorgehenden
Nachbarrechte, zum möglichen Gegenstand der formellen Enteignung erklärt;
hiezu zählen insbesondere die in den Art. 679 und 684 ZGB umschriebenen
Abwehransprüche gegen übermässige Einwirkungen, die dem Eigentümer
grundsätzlich auch gegenüber dem hoheitlich handelnden Gemeinwesen
zustehen. Gemäss Art. 4 lit. a EntG kann denn auch das Enteignungsrecht
nicht nur für die Erstellung, die Veränderung, den Unterhalt und die
künftige Erweiterung, sondern auch für den Betrieb eines Werkes in Anspruch
genommen werden. Dass der Beschwerdeführer die formelle Enteignung von
Nachbarrechten für "konstruiert" und gekünstelt hält, vermag nichts daran
zu ändern, dass diese "Konstruktion" vom Bundesgesetzgeber selbst stammt
und für das Bundesgericht verbindlich ist. Nachdem die Nachbarrechte
schon unter der Herrschaft des alten Expropriationsgesetzes vom 1. Mai
1850 in der Praxis als mögliche Enteignungsobjekte anerkannt worden
waren, war bei der Schaffung des heute geltenden Gesetzes unbestritten,
dass im Gesetzestext selbst klarzustellen sei, dass "jede infolge der
Erstellung oder bestimmungsgemässen Benutzung des öffentlichen Werkes
notwendig eintretende dauernde oder vorübergehende Überschreitung
der nachbarrechtlichen Verpflichtungen" als Inanspruchnahme eines
auf dem formellen Enteignungswege zu begründenden Rechtes gelten solle
(vgl. HESS/WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 2 zu Art. 5 EntG;
Art. 2 des Vorentwurfes und des II. Entwurfes JAEGER vom Oktober 1916,
Protokolle der Expertenkommission vom 15. Oktober 1917 S. 14 ff.).

    b) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer vorbringt, um
die Ungeeignetheit des formellen Enteignungsverfahrens für die Abgeltung
von übermässigen Lärmeinwirkungen darzulegen, vermögen ebenfalls nicht
zu überzeugen:

    aa) Der Beschwerdeführer macht geltend, Wesen der formellen Enteignung
sei, dass dem Enteigneten ein privates Recht zwangsweise entzogen und
auf den Enteigneten übertragen werde; es finde ein Leistungsaustausch,
ein Subjektwechsel statt. Bei der Enteignung von Nachbarrechten gehe
indessen kein nutzbares Recht auf den Enteigner über und gebe es keinen
Leistungsausgleich.

    Die Enteignung des nachbarlichen Abwehranspruches ist jedoch, wie
bereits in BGE 106 Ib 244 E. 3 dargelegt (s. auch BGE 111 Ib 24, 110 Ib 376
E. 2c), nichts anderes als die zwangsweise Errichtung einer Dienstbarkeit
auf dem Grundstück des Enteigneten zugunsten des Werkeigentümers, deren
Inhalt in der Pflicht zur Duldung von Immissionen besteht. Durch die
Einräumung des ihn begünstigenden Servitutes wird der Rechtsbestand
des Enteigners vermehrt, während das Grundeigentum des Enteigneten
eingeschränkt wird. Abgesehen davon geht bei der formellen Enteignung
nicht stets ein Recht - sei es das abgetretene oder ein neu begründetes
- auf den Enteigner über. Aus diesem Grunde ist bei der Schaffung des
Enteignungsgesetzes bewusst auf den im alten Expropriationsgesetz von 1850
verwendeten Begriff der "Abtretung" verzichtet und Art. 5 Abs. 2 EntG so
formuliert worden, dass die Rechte, die Gegenstand der Enteignung bilden,
dauernd oder vorübergehend "entzogen oder beschränkt" werden können. Hiezu
wird in der bundesrätlichen Botschaft vom 21. Juni 1926 ausgeführt, der
"Entzug" der Rechte brauche nicht immer auch mit einem Übergang auf den
Enteigner, mit einer "Abtretung" verbunden zu sein; der Enteigner werde
beispielsweise eine ihm im Wege stehende Grunddienstbarkeit oder das
auf einer von ihm freihändig erworbenen Liegenschaft lastende Kaufsrecht
einfach löschen lassen. Was mit dem einem Enteigneten entzogenen Recht
geschehe, sei für diesen nebensächlich (BBl 1926 II 13).

    bb) Der Beschwerdeführer macht darauf aufmerksam, dass bei
Beeinträchtigungen durch übermässige Einwirkungen der Eingriff des
Enteigners der Entschädigungsleistung vorausgehe, was ein typisches Merkmal
der materiellen Enteignung sei, während bei der formellen Enteignung erst
die Zahlung der Entschädigung den Rechtsentzug bewirke.

    Es trifft zu, dass im formellen Enteignungsverfahren der Enteigner
das Eigentum oder das auf dem Enteignungswege eingeräumte dingliche
Recht erst durch Bezahlung der Entschädigung oder des nach Art. 19bis
Abs. 2 EntG festgesetzten Betrages erwirbt (Art. 91 Abs. 1 EntG). Dass
Rechte der Eigentümer in Anspruch genommen werden können, bevor eine
Vergütung erfolgt, ist jedoch auch dem formellen Enteignungsrecht
nicht fremd, kann sich doch der Enteigner gemäss Art. 76 EntG unter
bestimmten Voraussetzungen schon vor der Bezahlung der Entschädigung zur
Besitzergreifung oder zur Ausübung des Rechts ermächtigen lassen. Dieser
vorzeitigen Inbesitznahme im Sinne von Art. 76 EntG sind die Fälle
gleichzustellen, in denen Rechte auch ohne Ermächtigung schon vor dem
eigentlichen Erwerb durch den Enteigner ausgeübt werden, sei es, weil
deren Inanspruchnahme - wie bei allenfalls übermässigen Immissionen -
nicht mit Bestimmtheit vorausgesehen werden konnte (vgl. unten lit. cc;
BGE 106 Ib 245 E. 3, 249, 111 Ib 24), sei es, weil früher für ein Werk
eingeräumte, zeitlich beschränkte Rechte vor der Erneuerung abgelaufen sind
(vgl. BGE 115 Ib 23 E. 5a).

    cc) In der Beschwerde wird weiter vorgebracht, Voraussetzung für
eine formelle Enteignung sei, dass ein Verzeichnis der zu enteignenden
Rechte erstellt und dem Betroffenen persönlich mitgeteilt werde, was der
Enteigner von ihm verlange. Dieser sei aber in der Regel gar nicht in
der Lage, anzugeben, welche Nachbarrechte und inwieweit diese durch das
zukünftige Werk entzogen oder beschränkt würden.

    Dass die für ein öffentliches Werk beanspruchten dinglichen Rechte
in der Grunderwerbstabelle und in der persönlichen Anzeige verzeichnet
seien, bildet jedoch nach Enteignungsgesetz kein Erfordernis für den Erwerb
dieser Rechte durch den Enteigner. Gemäss Art. 27 Abs. 2 EntG sind in der
Grunderwerbstabelle nur jene beschränkten dinglichen Rechte anzuführen,
die aus dem Grundbuch oder den sonstigen öffentlichen Büchern ersichtlich
sind. Alle anderen Rechte, auf die der Enteigner ebenfalls greifen kann -
so die Pfandrechte, Nutzniessungsrechte und die nur obligatorischen Rechte
der Mieter und Pächter -, müssen nicht im vornherein bezeichnet werden
(vgl. HESS/WEIBEL, aaO, N. 21 zu Art. 27 EntG). Das gilt auch für die
Abwehransprüche, in die erst durch den Betrieb des Werkes eingegriffen
wird (BGE 111 Ib 24). Diesem Umstand, dass der Umfang der Enteignung
nicht in allen Fällen zum voraus bestimmt und angezeigt werden kann,
hat der Gesetzgeber durch Art. 41 Abs. 1 lit. b EntG Rechnung getragen,
wonach Entschädigungsforderungen auch nachträglich noch geltend gemacht
werden können, "wenn vom Enteigner entgegen dem aufgelegten Plan und
Verzeichnis oder der persönlichen Anzeige ein Recht in Anspruch genommen
oder geschmälert wird, oder wenn eine im Zeitpunkt der Planauflage oder der
persönlichen Anzeige nicht oder nicht nach ihrem Umfang vorherzusehende
Schädigung des Enteigneten sich erst beim Bau oder nach Erstellung des
Werks oder als Folge seines Gebrauchs einstellt". Auf die Möglichkeit
nachträglicher Entschädigungsgesuche ist sowohl in der öffentlichen
Bekanntmachung wie auch in den persönlichen Anzeigen ausdrücklich
hinzuweisen (Art. 30 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 lit. f EntG).

    dd) Nach Auffassung des Beschwerdeführers spricht auch
Art. 19bis Abs. 1 EntG, der die Einigungsverhandlung als Stichtag
für die Entschädigungsbemessung bezeichnet, gegen eine Behandlung
von Entschädigungsforderungen für Immissionen im formellen
Enteignungsverfahren, da im Zeitpunkt der Einigungsverhandlung die
Einwirkungen meist noch gar nicht aufgetreten seien. Die Anwendung
von Art. 19bis Abs. 1 EntG sollte jedoch in diesem Zusammenhang
keine Schwierigkeiten bieten: Ist der in seinen Nachbarrechten
Verletzte bereits im Rahmen der Landabtretung ins Enteignungsverfahren
einbezogen und die Beurteilung seines Entschädigungsanspruchs auf einen
Zeitpunkt nach Inbetriebnahme des Werkes verschoben worden, so führt
die Schätzungskommission - wie im vorliegenden Fall - sinnvollerweise
bei Wiederaufnahme des Verfahrens eine zweite Einigungsverhandlung
durch. Meldet der Betroffene seine Entschädigungsforderung für
Immissionen gestützt auf Art. 41 EntG erst nachträglich an oder ersucht den
Werkeigentümer, falls noch kein Enteignungsverfahren eröffnet worden ist,
überhaupt erst um Verfahrenseinleitung, so ist die Einigungsverhandlung
ohnehin nach Inbetriebnahme des Werkes und dem Auftreten der Einwirkungen
durchzuführen.

    ee) Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, der von
Immissionen Betroffene werde nur entschädigt, wenn er seine Forderung
rechtzeitig anmelde, während die Entschädigungsforderung des formell
Enteigneten nicht verjähren könne. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung
unterliegen jedoch grundsätzlich alle öffentlichrechtlichen Ansprüche
der Verjährung (vgl. BGE 105 Ib 11 f. E. 3a, 108 Ib 339 E. 5). Wohl
sind gemäss Art. 38 EntG die formell enteigneten Rechte, soweit sie
sich aus der Grunderwerbstabelle ergeben oder offenkundig sind, von der
Schätzungskommission auch ohne Anmeldung zu schätzen. Falls der Enteigner
aber nicht in der Grunderwerbstabelle verzeichnete oder nicht offenkundige
Rechte in Anspruch nimmt und der Enteignete kein Entschädigungsbegehren
stellt, verjähren die entsprechenden Ansprüche aus formeller Enteignung
ebenfalls, sofern sie nicht schon gemäss Art. 41 Abs. 2 EntG verwirkt sind
(BGE 105 Ib 12 ff., 108 Ib 485 ff.; s. auch BGE 113 Ib 38 E. 3).

    c) Es besteht somit kein Anlass, die bundesgerichtliche Rechtsprechung
im vom Beschwerdeführer gewünschten Sinne zu ändern. Übrigens ist nicht
ersichtlich, welche Vereinfachungen oder Verbesserungen eine Behandlung der
Entschädigungsforderungen für übermässige Einwirkungen als Ansprüche aus
materieller Enteignung bringen würde. Dass die von Immissionen Betroffenen
das formelle Enteignungsverfahren nicht selbst bei der Schätzungskommission
eröffnen lassen können, sondern den Werkeigentümer dazu veranlassen
müssen, führt in der Regel zu keinerlei Schwierigkeiten, sorgen doch die
Schätzungskommissions-Präsidenten, falls sie direkt angegangen werden,
üblicherweise für die richtige Verfahrenseinleitung. Wären indessen die
Schadenersatzbegehren für übermässige Einwirkungen aus dem Betrieb der
Nationalstrassen als Forderungen aus materieller Enteignung zu behandeln,
so wären einerseits die Eidgenössischen Schätzungskommissionen mangels
einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung zu deren Beurteilung gar
nicht zuständig (zur Publ. best. Entscheid vom 29. November 1989 i.S. G.,
E. 2b, BGE 114 Ib 146, 112 Ib 126 E. 2). Andererseits würde durch Anwendung
der geltenden Grundsätze über die materielle Enteignung der allgemeine
Entschädigungsanspruch der Nachbarn öffentlicher Werke eher verringert
als vergrössert, insbesondere wenn - wie offenbar dem Beschwerdeführer
vorschwebt - das in der Rechtsprechung über die formelle Enteignung
aufgestellte Erfordernis der Unvorhersehbarkeit der Immissionen auch
für die materielle Enteignung übernommen würde. Ein solches Ergebnis -
die weitere Einschränkung der Entschädigungsansprüche für übermässige
Immissionen - stünde aber in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers,
der die im Enteignungsgesetz enthaltenen Garantien ausdrücklich auch den
in ihren Nachbarrechten Verletzten bieten wollte.

    Schliesslich ist daran zu erinnern, dass nach Art. 5 EntG alle aus
dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte Gegenstand der Enteignung
sein können, somit nicht nur der Anspruch des Eigentümers auf Unterlassung
übermässiger Einwirkungen im Sinne von Art. 684 ZGB, sondern auch jener
auf Unterlassung von schädlichen Grabungen und Bauten (Art. 685 ZGB) und
der Änderung des natürlichen Wasserablaufs (Art. 689 Abs. 2 ZGB) sowie
die sich im Sinne von Art. 686 ZGB aus dem kantonalen Recht ergebenden
Abwehrrechte (BGE 113 Ib 36 f., 106 Ib 235 f. E. 3, nicht publ. Entscheid
vom 14. März 1989 i.S. Odermatt E. 3, s. auch BGE 108 Ib 485; HESS/WEIBEL,
aaO, N. 7 zu Art. 5 EntG). Wie mit diesen zu verfahren wäre, wird in der
Beschwerde nicht dargelegt.

Erwägung 3

    3.- Die Schätzungskommission hat im ersten Teil ihres Entscheides
übereinstimmend mit der bundesgerichtlichen Praxis ausgeführt, dass eine
Entschädigung für die von der Nationalstrasse ausgehenden Immissionen
nur geschuldet sei, wenn die Einwirkungen für den Gesuchsteller nicht
voraussehbar waren, ihn in spezieller Weise treffen und einen schweren
Schaden verursachen (vgl. etwa BGE 110 Ib 48 E. 4, 346 E. 2). In ihren
Erwägungen zur Voraussehbarkeit der Immissionen stützt sich die Kommission
zunächst ebenfalls auf die Rechtsprechung (vor allem auf BGE 111 Ib 236
und die dort zitierten Entscheide) und gelangt in richtiger Anwendung der
vom Bundesgericht aufgestellten Grundsätze zum - vorläufigen - Ergebnis,
dass die Strassenlärmimmissionen für K. P. voraussehbar gewesen seien. Sie
weist insbesondere darauf hin, dass die Überlandstrasse schon im Jahre
1954, als P. die fragliche Liegenschaft kaufte, eine der meistbefahrenen
Hauptstrassen der Schweiz gewesen sei. Der Grundeigentümer habe daher
zwar nicht den Nationalstrassenbau als solchen voraussehen, so doch damit
rechnen müssen, dass die Strasse in absehbarer Zukunft verbessert oder
vergrössert werde, um den anwachsenden Verkehr überhaupt aufnehmen zu
können. Selbst wenn keine Autobahn erstellt, sondern nur die Staatsstrasse
ausgebaut worden wäre, wäre die Lärmbelastung heute nicht wesentlich
geringer.

    Die Kommission ist hierauf aber noch einen Schritt weiter gegangen
und hat erklärt, obschon eine Zunahme der Lärmbeeinträchtigungen absehbar
gewesen sei, sei doch nicht voraussehbar gewesen, dass die Immissionen
ein unerträgliches Mass annehmen und sogar die Alarmwerte überschreiten
würden. Ein solches Ausmass der Immissionen sei offenbar auch von den
Fachleuten nicht vorausgesehen worden, da sonst zweifellos entsprechende
Schutzmassnahmen getroffen worden wären; die mangelnde Voraussicht der
Strassenbaufachleute dürfe nun aber nicht den betroffenen Grundeigentümern
angelastet werden.-- Insoweit ist der Schätzungskommission jedoch nicht
zu folgen.

    a) Wie das Bundesgericht in BGE 110 Ib 346 ff. E. 2 präzisiert hat,
bilden die Unvorhersehbarkeit der vom Schienen- und Strassenverkehr
ausgehenden Beeinträchtigungen, die Spezialität der Immissionen und
die Schwere des Schadens drei voneinander unabhängige Bedingungen,
die grundsätzlich kumulativ gegeben sein müssen, damit die Immissionen
als übermässig im Sinne von Art. 684 ZGB gelten können. Von diesen drei
Voraussetzungen sei jene der Spezialität insbesondere dann erfüllt, wenn
die Immissionen eine Intensität erreichten, die das Mass des Üblichen
und Zumutbaren übersteige. Dagegen beziehe sich die Voraussetzung der
Schwere auf den durch die Lärmbelastung entstehenden Schaden, wobei sich
die immissionsbedingte Entwertung eines Hauses nicht allein anhand der
Höhe des Schallpegels bemessen lasse, sondern unter Berücksichtigung der
Lage, der Art und der Umgebung der Bauten in jedem Einzelfall gesondert
festzulegen sei.

    Nun hat die Schätzungskommission im angefochtenen Entscheid aus dem
Umstand, dass die Immissionen auf dem Grundstück des Beschwerdeführers
die Alarmwerte übersteigen, auf die Unvorhersehbarkeit solcher
Beeinträchtigungen geschlossen. Die in der Lärmschutzverordnung vom
15. Dezember 1986 (Anhänge 3-6) festgelegten Alarmwerte sind jedoch Werte,
die der Beurteilung der Lärmintensität und insbesondere der Dringlichkeit
von Sanierungen dienen (Art. 19 USG). Sie können daher - wenn überhaupt
- im Enteignungsverfahren nur im Zusammenhang mit der Voraussetzung der
Spezialität und allenfalls bei der Bemessung des Schadens berücksichtigt
werden. Für die Voraussehbarkeit im hier massgeblichen Sinne, wie sie
von der Schätzungskommission an sich richtig umschrieben worden ist,
spielt es dagegen keine Rolle, welches Ausmass die Lärmimmissionen
erreichen und ob dieses im einzelnen vorausgeahnt werden konnte (BGE
110 Ib 51 E. 5). Ausschlaggebend ist allein, dass der Betroffene ein
an einer Hauptverkehrsader liegendes Grundstück erworben und damit die
übliche Verkehrsentwicklung und die sich daraus ergebenden Belästigungen
als Nachbar in Kauf genommen hat.

    Es ist denn auch - leider - keineswegs so, dass nur in äusserst
seltenen und aussergewöhnlichen Situationen die Alarmwerte überschritten
würden, so dass sich für diese eine Sonderbehandlung rechtfertigen
würde. Wie dem bei den Akten liegenden Untersuchungsbericht entnommen
werden kann, werden heute auch in den Dörfern in der Nähe der Stadt
Zürich entlang den Hauptstrassen tags durchwegs Lärmpegel im Bereich
des Alarmwertes und nachts Pegel zwischen den Immissionsgrenz- und den
Alarmwerten gemessen. Auch an der Überlandstrasse selbst erreichte die
Lärmbelastung schon vor dem Autobahnbau die Höhe der Alarmwerte.

    b) Die Schätzungskommission hat im übrigen erklärt, dass die
Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes und der Lärmschutzverordnung bei der
Inbetriebnahme der SN 1.4.4 noch nicht rechtsverbindlich gewesen seien,
es sich aber dennoch rechtfertigen lasse, die darin zum Ausdruck kommenden
Grundsätze im vorliegenden Enteignungsverfahren zu berücksichtigen.

    Hiezu ist festzuhalten, dass sich das Bundesgericht wohl bei der
Auslegung des Begriffes "übermässige Einwirkung" im Sinne von Art. 684 ZGB
von den Expertenberichten leiten lässt, welche im Rahmen der Vorbereitung
der eidgenössischen Umweltschutzgesetzgebung erstattet wurden und in
dieser ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BGE 114 Ib 36 E. 3,
110 Ib 346 ff.). Es darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden,
dass auch in Verfahren zur Expropriation nachbarlicher Abwehrrechte
gegenüber übermässigem Lärm nur die sich auf das Enteignungsgesetz
stützenden Begehren zu beurteilen sind. Dagegen kann es nicht Sache des
Enteignungsrichters sein, über Ansprüche zu befinden, die sich aus dem
Umweltschutzgesetz ableiten lassen (nicht publ. Entscheid vom 12. Juni 1989
i.S. Kanton Basel-Stadt E. 3). Die beiden Bundesgesetze verfolgen denn
auch, obschon sie verschiedene Berührungspunkte aufweisen, grundsätzlich
unterschiedliche Zwecke: Während das Umweltschutzgesetz die Menschen,
Tiere und Pflanzen gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen will
(Art. 1 Abs. 1 USG), dient das Enteignungsgesetz dazu, dem Gemeinwesen
zu ermöglichen, sich die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendigen
Güter - unter Einhaltung des Verhältnismässigkeitsgebotes und unter voller
Entschädigung der Enteigneten - zwangsweise zu beschaffen und allfällige
Hindernisse zu beseitigen (Art. 1 EntG; BGE 115 Ib 25, 111 Ib 98 E. 2c).

    c) Dem Beschwerdeführer ist somit insofern zuzustimmen, als er
geltend macht, die Schätzungskommission habe im vorliegenden Fall die
Unvorhersehbarkeit der Lärmimmissionen zu Unrecht bejaht. Dem Enteigneten
steht daher für die von der Nationalstrasse ausgehenden Immissionen
keine Entschädigung zu. Da kein anders begründetes Minderwertsbegehren
mehr im Streite liegt, ist der angefochtene Entscheid in Gutheissung der
Beschwerde aufzuheben und festzustellen, dass dem Enteigneten kein Anspruch
auf eine Minderwertsentschädigung für die Parzelle Nr. 2762 zusteht. Die
Sache ist zum Entscheid über die Kosten und die Parteientschädigung für
das vorinstanzliche Verfahren an die Eidgenössische Schätzungskommission
zurückzuweisen.

Erwägung 4

    4.- Obschon die Beschwerde des Enteigners gutgeheissen wird, ist dieser
in Anwendung von Art. 116 EntG zu verpflichten, dem Enteigneten für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten. Auf
die Erhebung von Gerichtskosten kann verzichtet werden.