Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IA 78



116 Ia 78

14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20.
Februar 1990 i.S. L. gegen Gemeinde Arosa und Regierung des Kantons
Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 86 Abs. 2 OG; Art. 33 RPG (Ortsplanungsrevision).

    Zu den Rechtsmitteln, die zur Erschöpfung des Instanzenzugs gemäss
Art. 86 Abs. 2 OG ergriffen werden müssen, gehören auch die Einsprachen
oder Beschwerden gegen die Zonenpläne der Gemeinden im kantonalen
Genehmigungsverfahren.

Sachverhalt

    A.- Die Stimmberechtigten der Gemeinde Arosa hiessen an der
Gemeindeabstimmung vom 4. Dezember 1988 eine Totalrevision der Ortsplanung
gut. Das Ergebnis der Urnenabstimmung wurde am 9. Dezember 1988 öffentlich
bekanntgemacht.

    B.- Nach Ablauf der Beschwerdefrist von 20 Tagen ersuchte der
Gemeinderat Arosa mit Schreiben vom 5. Januar 1989 die Regierung
des Kantons Graubünden um Genehmigung der revidierten Ortsplanung. Am
9. Januar 1989 gelangte auch L. an die Regierung, um darauf hinzuweisen,
dass die neue Ortsplanung sie in ihren verfassungsmässigen Rechten
verletze. Mit Beschluss vom 18. September 1989 genehmigte die Regierung
die Ortsplanung, wobei sie verschiedene, für das vorliegende Verfahren
jedoch nicht wesentliche Vorbehalte anbrachte. Aus dem Beschluss ergibt
sich auch, dass die Eingabe von L. nicht als Beschwerde entgegengenommen
und behandelt wurde.

    C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 26. Oktober 1989 gelangt L. an
das Bundesgericht, wobei sie geltend macht, die genehmigte Ortsplanung
verletze die Eigentumsgarantie. Auf einen Schriftenwechsel wurde verzichtet
(Art. 93 OG).

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition,
ob und gegebenenfalls in welchem Umfang auf die staatsrechtliche Beschwerde
einzutreten ist (BGE 114 Ia 308 E. 1a).

    a) Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass die neue Ortsplanung
erst mit Genehmigung durch die Regierung in Kraft trete (Art. 37 Abs. 3
des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 20. Mai 1973;
KRG). Soweit Erlasse von Gemeinden zu ihrer Verbindlichkeit der Genehmigung
durch die Regierung bedürften, könne der Genehmigungsbeschluss angefochten
werden. Dabei könne sie geltend machen, die Ortsplanung verletze ihre
verfassungsmässigen Rechte, selbst wenn sie die Gemeindeabstimmung über
die Bau- und Zonenordnung nicht angefochten habe.

    b) Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger
sind - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen - erst zulässig,
nachdem von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist
(Art. 86 Abs. 2 OG). Dass ein Gemeindeerlass erst mit Genehmigung durch
die Regierung in Kraft tritt, ändert daran nichts. Wesentlich ist allein,
ob gegen den Beschluss über den Erlass kantonale Rechtsmittel zur Verfügung
stehen, die zu dessen Aufhebung führen können (vgl. BGE 103 Ia 363).

    Das bündnerische Recht sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, gegen
Gemeindeabstimmungen über die Bau- und Zonenordnung innert 20 Tagen seit
der öffentlichen Bekanntgabe bei der Regierung Beschwerde zu führen
(Art. 37a KRG). Soweit es um Nutzungspläne geht, zu denen auch die
kommunalen Zonenpläne zählen, ist ein solches kantonales Rechtsmittel
bereits durch das Bundesrecht vorgeschrieben (Art. 33 RPG). Danach
sind Nutzungspläne öffentlich aufzulegen, und das kantonale Recht hat
wenigstens ein Rechtsmittel gegen Nutzungspläne vorzusehen, das die
Legitimation im gleichen Umfange wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht und die volle Überprüfung durch wenigstens eine
Beschwerdebehörde gewährleistet. Als Rechtsmittelinstanz kann die
Regierung, welche auch Genehmigungsbehörde ist, bezeichnet werden (BGE 114
Ia 235 E. 2b). Dieser Regelung entspricht das angeführte Bündner Recht.

    Mit der Beschwerde an die Regierung gegen den Gemeindebeschluss
können u.a. sämtliche Rügen vorgebracht werden, welche auch in einer
staatsrechtlichen Beschwerde erhoben werden können (Art. 37a Abs. 2
KRG). Auch kann die Regierung, wenn sie die Beschwerde ganz oder teilweise
gutheisst, die dem Beschwerdeführer zugefügten Nachteile beseitigen
(Art. 37a Abs. 3 KRG). Somit hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit
gehabt, ein kantonales Rechtsmittel gegen die Ortsplanung zu ergreifen, mit
welchem die behauptete Verletzung von Art. 22ter BV hätte behoben werden
können; hiezu gehören auch Einsprachen oder Beschwerden gegen Zonenpläne
der Gemeinden (BGE 112 Ia 183 E. 1c; 106 Ia 57 E. 1a; WALTER KÄLIN,
Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 281). Da
die Beschwerdeführerin es unterlassen hat, eine solche Beschwerde bei der
Regierung zu erheben, liegt kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid
über ihre Einwendungen vor (Art. 86 Abs. 2 OG). Somit darf auf ihre
staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden.