Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IA 345



116 Ia 345

54. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
31. Oktober 1990 i.S. Aktiengesellschaft Bar Amici gegen Gemeinde
Disentis/Mustér und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
(staatsrechtliche Beschwerden) Regeste

    Art. 31 und Art. 116 BV; Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit
zur Erhaltung des Rätoromanischen

    1. Aufgrund von Art. 116 BV besteht ein erhebliches öffentliches
Interesse an Massnahmen zur Erhaltung der heute noch bestehenden
rätoromanischen Sprachregionen. Dieses Interesse bildet ein zulässiges
Motiv für Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 5).

    2. Im konkreten Fall ergibt die Interessenabwägung, dass
ein überwiegendes öffentliches Interesse an einem Verbot
nicht-rätoromanischsprachiger Reklameschilder besteht (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Am 19. Januar 1989 wurde mit Sitz in Disentis/Mustér eine
Aktiengesellschaft mit der Firma "Aktiengesellschaft Bar Amici" gegründet.
Gemäss den Statuten bezweckt die Gesellschaft den Betrieb von Restaurants
und Bars. Sie kann zur Verfolgung dieses Zwecks Liegenschaften verwalten,
erwerben und veräussern. Mit Eingabe vom 17. November 1989 ersuchte
die Aktiengesellschaft Bar Amici die Gemeinde Disentis/Mustér um die
Bewilligung, an der Südfassade der "Casa Postigliun" in Disentis/Mustér
eine Leuchtreklame anbringen zu dürfen. Die beantragte Leuchtreklame
besteht aus der handschriftlichen Wiedergabe der einen Teil der Firma
darstellenden Worte "Bar Amici" und ist in roter Farbe gehalten.

    Mit Entscheid vom 4. Januar 1990 verweigerte der Gemeindevorstand
von Disentis/Mustér die Bewilligung. Einen von der Aktiengesellschaft Bar
Amici gegen diesen Entscheid ergriffenen Rekurs an das Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden wies dieses mit Entscheid vom 27. März 1990 ab.

    Am 25. Mai 1990 gelangte die Aktiengesellschaft Bar Amici gegen
diesen Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Durch den angefochtenen Entscheid wird der Beschwerdeführerin
untersagt, an der Casa Postigliun in Disentis/Mustér eine Leuchtreklame
mit dem Schriftzug "Bar Amici" anzubringen. Dieses Verbot berührt in
verschiedener Hinsicht grundrechtlich geschützte Positionen. Zunächst
stellt das Verbot insoweit eine Beschränkung des gemäss Art. 22ter BV
garantierten Eigentums dar, als eine bestimmte Nutzung des Eigentums
untersagt wird. Da die Leuchtschrift "Bar Amici" für das entsprechende
von der Beschwerdeführerin betriebene Lokal werben sollte, greift
das Verbot der Reklame in der gewünschten Form ausserdem in die der
Beschwerdeführerin zustehende Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV)
ein. Schliesslich ist denkbar, dass die Beschwerdeführerin bzw. die hinter
ihr stehenden natürlichen Personen (vgl. dazu JÖRG PAUL MÜLLER, Elemente
einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 92 f.) durch das
Verbot in ihrer als ungeschriebenes Freiheitsrecht der Bundesverfassung
anerkannten Sprachenfreiheit (BGE 106 Ia 302 E. 2a, 100 Ia 465 E. 2a;
91 I 486 E. 1; ZBl 83/1982, S. 358 E. 2b) betroffen werden. Das Verbot,
eine teilweise italienischsprachige Reklametafel anzubringen, bzw. der
Zwang, den italienischsprachigen Teil ins Rätoromanische zu übersetzen,
könnte für die hinter der Beschwerdeführerin stehenden und tatsächlich
am Betrieb der Bar in der Casa Postigliun beteiligten Personen nämlich
bedeuten, dass sie dadurch im Gebrauch ihrer Muttersprache (siehe zu
diesem Begriff ZBl 83/1982, S. 361 E. 3b), eingeschränkt würden.

    Die Beschwerdeführerin macht indessen weder eine Verletzung der
Sprachenfreiheit noch eine solche der Eigentumsgarantie geltend,
sondern beruft sich allein auf die Handels- und Gewerbefreiheit sowie
auf Art. 4 BV (Willkür). Da das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren vom
Rügeprinzip (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) beherrscht wird, ist somit einzig
zu untersuchen, ob der angefochtene Entscheid im Lichte der Vorbringen
der Beschwerdeführerin vor der Verfassung standhält.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das Verbot, die
Leuchtreklame mit dem Schriftzug "Bar Amici" anzubringen, verletze sie
in der Handels- und Gewerbefreiheit. Sie macht namentlich geltend, das
Verwaltungsgericht habe das Verbot aufgrund einer willkürlichen Auslegung
von Art. 77 Abs. 2 und 3 der Bauordnung der Gemeinde Disentis/Mustér
vom 27. Februar 1983 (BauO) geschützt; ausserdem werde durch das
Verbot in unverhältnismässiger Weise in die Handels- und Gewerbefreiheit
eingegriffen.

    Entsprechend den vorgebrachten Rügen und den
Zulässigkeitsvoraussetzungen für kantonalrechtliche Eingriffe in
die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 Abs. 2 BV; siehe BGE 115
Ia 121 E. 2b, 114 Ia 36 E. 2a, 113 Ia 40 E. 4a, 111 Ia 187 E. 2b)
ist im folgenden zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid, durch den
die umstrittene Bewilligungsverweigerung geschützt wurde, auf einer
gesetzlichen Grundlage beruht (E. 4), ob ein öffentliches Interesse an der
Bewilligungsverweigerung besteht (E. 5) und ob dieses als überwiegendes
öffentliches Interesse den Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit
zu rechtfertigen vermag (E. 6).

Erwägung 4

    4.- a) Das Verwaltungsgericht hat seinen Entscheid auf Art.  77 Abs. 2
und 3 BauO abgestützt. Die Bestimmung ist in rätoromanischer Sprache
abgefasst und lautet wie folgt:

    "Indrezs da reclama sin tetgs ein buca lubi. Reclamas glischontas ein
   lubidas mo vid il concernent local e mo per indicar il num dalla
   fatschenta.

    Il text da reclamas e d'inscripziuns sto esser romontschs."

    Das Verwaltungsgericht hat seinen Entscheid auf folgende übersetzte
Fassung der Bestimmung gestützt:

    "Reklameanlagen auf Dächern sind nicht gestattet. Leuchtreklamen
sind nur
   am betreffenden Gebäude erlaubt und nur um den Namen der Unternehmung
   anzuzeigen.

    Reklameanlagen sind romanisch zu beschriften."

    Die Beschwerdeführerin meint, diese übersetzte Fassung gebe den Sinn
der Bestimmung nicht richtig wieder und die auf sie gestützte Auslegung
der Vorschrift durch das Verwaltungsgericht sei daher willkürlich. Das
Verwaltungsgericht habe nicht zwischen der Anschrift von Namen von
natürlichen oder juristischen Personen und Reklametexten unterschieden,
obwohl Art. 77 Abs. 2 BauO Leuchtschriften für solche Namen zulasse
und Art. 77 Abs. 3 BauO nur davon zu unterscheidende nichträtoromanische
Reklametexte verbiete.

    b) Geht es wie im vorliegenden Fall um keinen besonders schweren
Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit und ist der angefochtene
Entscheid klarerweise aufgrund eines ordnungsgemäss erlassenen Gesetzes
im formellen Sinn wie der BauO ergangen, so überprüft das Bundesgericht
dessen Auslegung und Anwendung durch die kantonalen Behörden nur unter
dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 115 Ia 122 E. 2c mit Hinweis). Die
Rüge der Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit fällt insoweit mit
der Willkürrüge zusammen.

    c) Nach der Auslegung von Gemeinde und Verwaltungsgericht bezieht
sich die Bestimmung von Art. 77 Abs. 3 BauO, wonach der Wortlaut von
Reklamen und Anschriften (reclamas e inscripziuns) rätoromanisch sein
muss, auch auf die nach Art. 77 Abs. 2 BauO für den Namen des Geschäfts
(num dalla fatschenta) zulässigen Leuchtreklamen. Entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin ist aus dem unterschiedlichen Wortlaut von Abs. 2
und 3 des Art. 77 nicht zwingend abzuleiten, dass die Sprachvorschrift
von Art. 77 Abs. 3 BauO eine unterschiedliche Behandlung von Firmennamen
einerseits und weiteren Reklametexten andererseits statuieren wolle. Wenn
Gemeinde und Verwaltungsgericht davon ausgegangen sind, dass sich Art. 77
Abs. 3 auch auf die in Art. 77 Abs. 2 erwähnten Namen eines Geschäfts
beziehe, ist dies jedenfalls nicht unhaltbar.

Erwägung 5

    5.- Die Kantone dürfen die Handels- und Gewerbefreiheit im öffentlichen
Interesse beschränken, dabei indessen nicht den Grundsatz der Handels-
und Gewerbefreiheit beeinträchtigen (Art. 31 Abs. 2 BV). Untersagt sind
den Kantonen demnach grundsatzwidrige Massnahmen, d.h. solche, mit denen
in den freien Wettbewerb eingegriffen wird, um einzelne Gewerbegenossen
oder Unternehmensformen zu bevorteilen und das Wirtschaftsleben nach
einem festen Plan zu lenken (BGE 111 Ia 186 E. 2b mit Hinweis). Zulässig
sind dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete Massnahmen,
wie polizeilich motivierte Eingriffe oder sozialpolitisch begründete
Einschränkungen (BGE 113 Ia 40 E. 4a; 111 Ia 186 E. 2b, je mit Hinweisen).

    a) Ob ein solches grundsatzkonformes öffentliches Interesse an einer
Massnahme besteht und ob es als überwiegendes Interesse den Eingriff
zu rechtfertigen vermag, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Es
auferlegt sich jedoch eine gewisse Zurückhaltung, wenn es in erster Linie
den kantonalen Behörden zusteht, die als notwendig erachteten Massnahmen
zu ergreifen (BGE 111 Ia 187 E. 2c).

    b) Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, das Bestreben, die
rätoromanische Sprache zu erhalten, stelle ein öffentliches Interesse
dar, welches als zulässiges Motiv für einen staatlichen Eingriff in
die Handels- und Gewerbefreiheit wie die vorliegend zu beurteilende
Bewilligungsverweigerung dienen könnte.

    aa) Art. 116 Abs. 1 BV erklärt das Deutsche, das Französische, das
Italienische und das Rätoromanische zu Nationalsprachen der Schweiz. Nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gewährleistet Art. 116 Abs. 1
BV damit die überkommene sprachliche Zusammensetzung des Landes,
d.h. auferlegt den Kantonen die Pflicht, in ihren Grenzen über die
Erhaltung der Ausdehnung und Homogenität der gegebenen Sprachgebiete zu
wachen (sog. Territorialitätsprinzip; BGE 91 I 486 f. E. 2; vgl. BGE 106
Ia 303 E. 2a).

    bb) Die rätoromanische Sprache wird heute noch von knapp 1%
der Schweizer Bevölkerung (ca. 52 000 Personen) als Muttersprache
gesprochen. Dabei wird diese seiner geringen Verbreitung wegen an sich
schon problematische Lage des Rätoromanischen durch verschiedene andere
Umstände weiter erschwert. Von diesen seien hier nur einige erwähnt:
die Unterteilung des Sprachgebiets in drei geographisch getrennte
Untersprachgebiete mit verschiedenen Dialekten; die bloss partielle Geltung
der Sprache in wichtigen Lebens- und Arbeitsbereichen (Warenanschriften,
Gebrauchsanweisungen, Formulare etc.); die Überflutung des gesamten
Sprachgebiets durch anderssprachige Massenmedien; die schwache Stellung
des Rätoromanischen in der Sekundar- und Oberstufe der allgemeinbildenden
Schulen sowie in den Berufsschulen; die durchgehende Zweisprachigkeit
der erwachsenen Bündnerromanen sowie - und darauf ist besonders im
vorliegenden Fall hinzuweisen, bei dem es um eine Restaurantreklame
in einem Fremdenverkehrsort geht - der einschneidende wirtschaftliche
Strukturwandel im rätoromanischen Sprachgebiet mit einer Verlagerung vom
primären zum tertiären Wirtschaftssektor, d.h. mit einem rapiden Anwachsen
des Dienstleistungssektors, insbesondere der Fremdenverkehrsindustrie
(vgl. dazu Zustand und Zukunft der viersprachigen Schweiz, Abklärungen,
Vorschläge und Empfehlungen einer Arbeitsgruppe des Eidgenössischen
Departements des Innern, Bern 1989, S. 262 ff.). Der Sprachwissenschaftler
Heinrich Schmid hat in seinem 1983 zuhanden der Regierung des Kantons
Graubünden erstatteten Gutachten "über die Lage des Rätoromanischen in der
Schweiz" (Gutachten) zusammenfassend festgestellt, "dass sich die Situation
des Rätoromanischen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz in katastrophaler
Weise verschlechtert hat" (Gutachten, S. 38) und das Vorliegen einer
eigentlichen Notlage für das Rätoromanische bejaht (Gutachten, S. 39).

    cc) Soll das in Art. 116 Abs. 1 BV enthaltene Bekenntnis zur
Viersprachigkeit der Schweiz nicht toter Buchstabe bleiben, so ist
angesichts der geschilderten Bedrohungslage des Rätoromanischen ein ganz
erhebliches öffentliches Interesse an Massnahmen zur Erhaltung der heute
noch bestehenden rätoromanischen Sprachregionen sowohl hinsichtlich ihrer
Ausdehnung als auch ihrer Homogenität anzuerkennen. An der vorliegend zu
beurteilenden Massnahme, die der Stärkung des Rätoromanischen in einer
heute noch mehrheitlich rätoromanischsprachigen Gemeinde dient, besteht
somit bereits von Verfassungs wegen ein ganz erhebliches öffentliches
Interesse. Dabei kann offenbleiben, ob auch bei in ihrem Bestand
weniger oder überhaupt nicht gefährdeten Nationalsprachen bereits von
Verfassungs wegen ein erhebliches öffentliches Interesse am Schutz der
sprachlichen Homogenität in deren Verbreitungsgebiet besteht (vgl. dazu
ablehnend Zustand, S. 352 f. sowie die Kritik von ARTHUR HAEFLIGER, Die
Sprachenfreiheit in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Mélanges
Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 82, und von CHARLES-ALBERT MORAND, La
liberté de la langue, Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 177 an
BGE 91 I 480). Ebenso muss hier nicht darüber entschieden werden, ob sich
aus dem Territorialitätsprinzip sogar eine Pflicht des Kantons Graubünden
zu Massnahmen zur Erhaltung des Rätoromanischen ergibt (vgl. BGE 91 I
486 E. 2: "den Kantonen obliegt es") oder ob der Kanton nur zu solchen
Massnahmen befugt ist (vgl. BGE 106 Ia 303 E. 2a: "Die Kantone sind
befugt"; siehe dazu DANIEL THÜRER, Zur Bedeutung des sprachenrechtlichen
Territorialprinzips für die Sprachenlage im Kanton Graubünden; ZBl 85
(1984), S. 258 sowie - aus der Sicht der Sprachwissenschaft - Gutachten,
S. 39). Im vorliegenden Fall wurden nämlich spracherhaltende Massnahmen
ergriffen und die Beschwerdeführerin behauptet nicht, diese gingen zu
wenig weit, sondern ist im Gegenteil der Auffassung, diese seien - weil
unvereinbar mit der Handels- und Gewerbefreiheit - unzulässig.

Erwägung 6

    6.- Wie dargelegt bildet das direkt aus Art. 116 Abs. 1 BV abzuleitende
Territorialitätsprinzip und das damit bereits von Verfassungs wegen
bestehende öffentliche Interesse an der Erhaltung des Rätoromanischen
ein zulässiges Motiv für eine kantonal- oder wie im vorliegenden Fall
kommunalrechtliche Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit. Damit
der Eingriff sich als zulässig erweist, muss freilich das öffentliche
Interesse ein überwiegendes sein (BGE 114 Ia 36 E. 2a mit Hinweisen). Dabei
ist zum einen, soweit sich die Massnahme wettbewerbspolitisch nicht neutral
auswirkt, das an sich zulässige öffentliche Interesse an ihrer Durchführung
gegen das in Art. 31 BV normierte Interesse an der Wettbewerbsneutralität
kantonaler Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit abzuwägen. Je
stärkere Auswirkungen einer Massnahme auf den Wettbewerb zu erwarten sind,
umso stärker muss das den Eingriff motivierende Interesse sein, damit ein
überwiegendes Interesse angenommen werden kann (vgl. BGE 102 Ia 116 E. 5a;
RENÉ A. RHINOW, Kommentar zur BV, Basel 1988, N. 206 zu Art. 31 BV). Zum
andern muss das öffentliche Interesse am Eingriff in die Handels- und
Gewerbefreiheit das Interesse des Privaten an der ungestörten Ausübung
der durch die Handels- und Gewerbefreiheit geschützten wirtschaftlichen
Tätigkeit überwiegen.

    a) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, das Verbot, die
Leuchtreklame anzubringen, sei wettbewerbspolitisch nicht neutral. Die
Gemeinde Disentis/Mustér habe bereits früher andern Unternehmen
deutschsprachige Reklamen und Anschriften bewilligt. Es gehe nicht an,
nun ihr eine teilweise italienischsprachige Reklame zu verbieten und sie
gegenüber Konkurrenten, die früher entsprechende Bewilligungen erhalten
hätten, zu diskriminieren. Auch sei es angesichts ihres Geschäftsziels
- eine regionale oder gar gesamtschweizerische Verbreitung der von
ihr betriebenen Restaurationsbetriebe zu erreichen - unzulässig,
ihr in der Gemeinde Disentis/Mustér die Reklame für ihren Betrieb
in der von ihr gewünschten Form, die gesamtschweizerisch eingesetzt
werden und imagebildend wirken solle, zu verbieten. Gegenüber andern,
gesamtschweizerisch verbreiteten und bekannten Unternehmen mit
nichträtoromanischen Namen werde sie dadurch benachteiligt.

    aa) Damit der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen
im Sinne der Wettbewerbsneutralität der zu beurteilenden Massnahme
angerufen werden kann, verlangt die bundesgerichtliche Rechtsprechung,
dass ein direktes Wettbewerbsverhältnis besteht; der Grundsatz greift
nur bei Angehörigen der gleichen Branche, die sich mit den gleichen
Angeboten an dasselbe Publikum richten (BGE 106 Ia 274 E. 5, ZBl 84/1983,
S. 359 E. 5a). Ein solches Wettbewerbsverhältnis fehlt im vorliegenden
Fall hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin angeführten Betriebe,
denen angeblich früher nichträtoromanische Reklamen bewilligt worden sein
sollen (ein Reisebüro, ein technisches Unternehmen). Insoweit fällt somit
eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit ausser Betracht. Eine
Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots ist deshalb zu verneinen, weil sich
aus ihm in der Regel - und so auch im vorliegenden Fall - kein Anspruch
auf Gleichbehandlung im Unrecht ableiten lässt (BGE 114 Ib 240 E. 4c,
113 Ib 313 E. 3, 112 Ib 387 E. 6 mit Hinweisen). Wenn es die Behörden
ablehnen, eine in andern Fällen ausgeübte gesetzwidrige Praxis aufzugeben,
kann indessen ausnahmsweise ein Anspruch auf gesetzwidrige Behandlung
entstehen. Das Bundesgericht legt es der Gemeinde Disentis/Mustér daher
immerhin nahe, in Zukunft Art. 77 Abs. 2 und 3 BauO konsequent zur
Anwendung zu bringen.

    bb) Hinsichtlich des Vorwurfs der unzulässigen Benachteiligung
gegenüber bereits heute gesamtschweizerisch verbreiteten Unternehmen
mit nichträtoromanischen Namen ist der Beschwerdeführerin zuzugeben,
dass insoweit eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen ihr und
solchen bereits etablierten Unternehmen anzunehmen wäre, würde die
Gemeinde Disentis/Mustér gegenüber solchen Unternehmen eine andere
Bewilligungspraxis für Namensreklamen verfolgen. Das bringt die
Beschwerdeführerin jedoch nicht einmal vor, so dass sich ihre Rüge schon
deshalb als unbegründet erweist.

    Es sei indessen immerhin darauf hingewiesen, dass eine unterschiedliche
Behandlung etablierter und neuer Unternehmen sich wohl mit dem Grundsatz
der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen vereinbaren liesse. Während
nämlich das etablierte Unternehmen während längerer Zeit mit Hilfe
des Unternehmensnamens eine Marktposition aufgebaut hat, verfügt ein
neues Unternehmen noch über keine solche mit Hilfe des Namens erworbene
Marktmacht und damit auch über kein ebenso stark zu gewichtendes Interesse
am Gebrauch seines Namens. So hat das Bundesgericht denn auch bereits 1932
in einem den Kanton Tessin betreffenden Fall eine gesetzliche Regelung
für grundsätzlich unbedenklich erklärt, welche einen Übersetzungszwang
für nichtitalienischsprachige Anschriften statuierte, davon indessen
bestimmte, besonders bekannte nichtilianischsprachige Anschriften
ausnahm (nicht publiziertes Urteil vom 3. Juli 1932 i.S. Z. etc.). Ob
eine solche Unterscheidung im rätoromanischen Sprachgebiet freilich
verfassungsrechtlich geboten ist, ist eher fraglich. Da nämlich wie
dargelegt (E. 5) schon von Verfassungs wegen ein ganz erhebliches Interesse
an Massnahmen zur Erhaltung der rätoromanischen Sprache besteht und ein
Übersetzungszwang für Namensreklamen keinen besonders schweren Eingriff
in die Handels- und Gewerbefreiheit darstellt, spricht einiges dafür,
dass das Interesse an der Erhaltung der rätoromanischen Sprache auch
bei einem etablierten Unternehmen jenes am ungestörten Gebrauch des
Unternehmensnamens für Reklamezwecke überwiegen würde. Auch diese Frage
braucht indessen im vorliegenden Verfahren nicht beantwortet zu werden.

    b) Abgesehen von den wettbewerbsrelevanten Vorbringen ist die
Beschwerdeführerin der Auffassung, ihr privates Interesse an der Reklame
wiege derart schwer, dass sich das Verbot als unzulässig erweise. Sie
macht geltend, "Bar Amici" stelle eine Phantasiebezeichnung dar, deren
Übersetzung im Gegensatz zu einer Sachbezeichnung nicht verlangt werden
könne. Ausserdem bilde die Bezeichnung Bestandteil ihrer Firma und der
Sitz des Unternehmens befinde sich in der "Casa Postigliun", an welcher
die Reklame angebracht werden solle. Angesichts dessen, dass ihre Firma
als privatrechtlicher Anspruch durch die firmenrechtlichen Vorschriften
des OR gewährleistet sei, wiege ihr privates Interesse an der Reklame
derart schwer, dass sich das Verbot nicht rechtfertigen lasse.

    aa) Hinsichtlich des Gewichts des privaten Interesses an Reklame in
der Originalsprache der Firma ist zunächst entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin festzustellen, dass ein unterschiedliches Gewicht
des privaten Interesses, je nachdem ob es sich um eine reine oder, wie
im vorliegenden Fall, eine gemischte Phantasiefirma - d.h. eine Firma,
die als Bestandteil eine Phantasiebezeichnung enthält (GUHL/MERZ/KUMMER,
Das schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl., Zürich 1980, S. 788 f.) -,
einerseits oder eine Sachfirma andererseits handelt, nicht zu erkennen ist.
Soweit die reine oder gemischte Phantasiefirma übersetzbar ist - und dies
trifft bei der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Firmenbestandteils
"amici" zu -, kann ohne weiteres wie bei einer Sachfirma vom Überwiegen
des öffentlichen Interesses an der Übersetzung von Firmenreklamen
ins Rätoromanische ausgegangen werden. Das private Interesse an der
Nichtübersetzung der Firma wäre nur dann schwerer zu gewichten und die
Übersetzungspflicht als unzulässig anzusehen, wenn die Übersetzung einer
Personenfirma verlangt würde (z.B. Kupferschmied AG, Beiersdorf AG),
verlöre doch eine solche Firma mit der Übersetzung ihren Charakter als
Personenfirma. Ein solcher Fall liegt aber hier gerade nicht vor.

    bb) An diesem Ergebnis ändern auch die firmenrechtlichen Vorschriften
des OR (Art. 944-956) nichts. Die sich aus dem Firmenrecht ergebenden
privatrechtlichen Schutzansprüche, insbesondere der Anspruch auf
Schutz der Ausschliesslichkeit der Firma, führen entgegen der Meinung
der Beschwerdeführerin nicht dazu, dass der Gebrauch der Firma eines
Unternehmens nicht öffentlichrechtlichen Beschränkungen des kantonalen oder
wie im vorliegenden Fall kommunalen Rechts unterworfen werden darf. Von
einer abschliessenden Ordnung des Bundesprivatrechts (BGE 114 Ia 356
E. 4a, 113 Ia 311 E. 3b je mit Hinweis) kann insoweit nicht die Rede
sein. Freilich dürfen solche Beschränkungen nicht so weit gehen, dass
ein Unternehmen seine Firma aufgrund öffentlichrechtlicher Vorschriften
praktisch nicht mehr benutzen darf, würden doch ansonsten die Regeln des
Firmenrechts "leerlaufen", d.h. Bundesprivatrecht erheblich erschwert
oder gar vereitelt (BGE 114 Ia 356 E. 4a mit Hinweis). Ein solcher Fall
liegt hier indessen klarerweise nicht vor, wird der Beschwerdeführerin doch
lediglich die einen Teil ihrer Firma enthaltende Leuchtreklame untersagt,
hingegen keineswegs generell die Führung ihrer Firma verboten. Da wie
dargelegt (E. 5) ein ganz erhebliches Interesse an der Übersetzung der
Firmenreklame ins Rätoromanische besteht (vgl. BGE 114 Ia 356 E. 4a,
113 Ia 311 E. 3b, je mit Hinweis), ist daher davon auszugehen, dass die
Übersetzungspflicht sich mit den firmenrechtlichen Vorschriften des OR
vereinbaren lässt.