Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IA 335



116 Ia 335

52. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
31. Oktober 1990 i.S. Erbengemeinschaft X. und Mitbeteiligte gegen
Einwohnergemeinde Büsserach und Regierungsrat des Kantons Solothurn
(staatsrechtliche Beschwerden) Regeste

    Tragweite des Konzentrationsprinzips im Raumplanungsrecht; Ausscheidung
eines Reservegebiets inmitten einer Bauzone.

    1. Siedlungen sind im allgemeinen konzentriert anzulegen. Das
Konzentrationsprinzip steht zu einem wesentlichen Teil hinter den in
Art. 1 und Art. 3 RPG umschriebenen Zielen und Planungsgrundsätzen. Das RPG
schliesst indessen nicht aus, dass ausnahmsweise innerhalb einer Bauzone
kleinere Nichtbauzonen bezeichnet werden; dafür braucht es besonders
gewichtige Gründe (E. 4a).

    2. Aus dem Konzentrationsgrundsatz ergibt sich, dass Reservegebiete
im allgemeinen an den Siedlungsrand gehören (E. 4b).

    3. Drängt sich die Anordnung einer Reservezone inmitten der
Bauzone nicht geradezu auf, hält sie vor der Verfassung nur stand,
wenn kein anderes Gebiet vorhanden ist, das sich für die angestrebte
Redimensionierung der Bauzone in gleicher Weise oder gar besser eignet
(E. 4c und E. 5).

Sachverhalt

    A.- Im Gebiet Gartenstrasse in der Gemeinde Büsserach sind die Erben
des X. und Mitbeteiligte Eigentümer der Parzellen Nrn. 645, 647, 648,
650, 1446, 1447, 1565, 1808 und 1809. Die Liegenschaften gehörten nach
dem bisherigen Zonenplan der Gemeinde Büsserach vom 15./16. Dezember
1977 zur zweigeschossigen Wohn- und Gewerbezone. Der Gemeinderat
Büsserach beschloss am 18. Dezember 1987 einen neuen Zonenplan,
der die Bauzone wesentlich reduziert und die erwähnten Parzellen dem
Reservegebiet (§ 27 des kantonalen Baugesetzes vom 3. Dezember 1978, BauG)
zuweist. Die betroffenen Grundeigentümer erhoben dagegen Beschwerden
an den Regierungsrat. Der Regierungsrat wies diese mit Entscheid vom
4. September 1989 ab und genehmigte - unter Vorbehalt von hier nicht
interessierenden Ausnahmen - die neue Ortsplanung von Büsserach.

    X. und Mitbeteiligte haben in verschiedenen Eingaben staatsrechtliche
Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats erhoben. Das
Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer machen geltend, selbst wenn sich die Zuweisung
von Land ins Reservegebiet der Sache nach rechtfertigen lasse, gehe es
nicht an, eine Reservezone innerhalb des Siedlungsbereichs und auf einem
Areal, das von Bauzonen umgeben sei, auszuscheiden.

    a) Einer zweckmässigen Nutzung des Bodens und einer geordneten
Besiedlung des Landes (Art. 22quater Abs. 1 BV; Art. 1 Abs. 1
Satz 2 RPG) dient es im allgemeinen am besten, wenn die Siedlungen
konzentriert angelegt werden. Das Konzentrationsprinzip steht zu einem
wesentlichen Teil hinter den Zielen und Planungsgrundsätzen des Bundes,
wie sie in Art. 1 und 3 RPG umschrieben sind. Namentlich dient eine
Konzentration auch dem fundamentalen Anliegen der Raumplanung, das
Bau- von Kulturland zu trennen. Sie stellt ferner im allgemeinen eine
wesentliche Voraussetzung für eine optimale Anlage und Ausnützung der
Infrastruktur dar. Konzentrierte Siedlungen lassen sich im weiteren
eher vor Immissionen schützen und damit wohnlich erhalten (Art. 1
Abs. 2 lit. b sowie Art. 3 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 lit. c RPG). Eine
Konzentration verlangt schliesslich vor allem das fundamentale Gebot,
den Boden haushälterisch zu nutzen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG).

    Das Konzentrationsprinzip findet auch Ausdruck in den Vorschriften und
der Praxis zu den Ausscheidungskriterien für die einzelnen Nutzungszonen
(Art. 15-17 RPG): Die "Weitgehende Überbauung" im Sinne von Art. 15
lit. a RPG will den Kernbestand der Bauzone bezeichnen (BGE 113 Ia 450
ff. E. 4d), wie er auch im Begriff der "vorläufigen Bauzone" gemäss Art. 36
Abs. 3 RPG enthalten ist; und die Konzentration ermöglicht, "grössere
zusammenhängende Flächen" für Landwirtschaftszonen (Art. 16 Abs. 2 RPG)
auszuscheiden. Im Blick darauf sind Kleinbauzonen als unerwünschte
Streubauweise grundsätzlich abzulehnen (BGE 111 Ia 21 E. 2c; 107 Ia 241
ff. E. 3; Urteil vom 22. Januar 1988 in BVR 1988, S. 391 ff. E. 5b/bb;
Urteil vom 23. Mai 1984 in BVR 1984, S. 296 ff. E. 6).

    Das Konzentrationsgebot stellt allerdings lediglich einen Grundsatz
dar. Es darf davon abgewichen werden. Das Raumplanungsgesetz schliesst
es nicht aus, dass bei besonderen, triftigen Gründen innerhalb der
Bauzonen kleinere Nichtbauzonen bezeichnet werden, z.B. im Zusammenhang
mit einer sogenannten Bauernhofzone (vgl. Art. 85 des Baugesetzes des
Kantons Bern vom 9. Juni 1985 und dazu Urteil vom 13. Juni 1989 i.S. BRP
gegen C.K. E. 4c). Grossräumig gesehen kommt es sogar öfters vor, dass
Nichtbauzonen ganz oder teilweise von Siedlungen umgeben sind; man denke
an Trennflächen zwischen verschiedenen Dörfern. Eine solche Ausnahme ist
vor allem dort gerechtfertigt, wo eine Auflockerung der traditionellen
Siedlungsstruktur entspricht und eine entsprechende planerische Absicht
deutlich festgelegt ist (vgl. auch BGE 113 Ia 452 E. 4d/db).

    b) Nach dem Gesagten gehören Reservegebiete im allgemeinen an den
Siedlungsrand (vgl. Urteil vom 12. Februar 1986 in ZBl 88/1987, S. 133
E. 4b). Im vorliegenden Fall wurde von dieser Regel abgewichen. Wenn
auch das streitige Gebiet keine Baulücke darstellt, so lässt sich
jedenfalls nicht sagen, es liege am Siedlungsrand von Büsserach, da
es von eingezontem und weitgehend überbautem Wohnbau- und Gewerbeland
umgeben ist; allerdings ist das Reservegebiet im Nordosten über das
Gebiet Niedergrabenweg zur Nichtbauzone hin offen. Mit dieser Lage wird
nach Auffassung der Beschwerdeführer die Streubauweise gefördert.

    Für die Anordnung des Reservegebiets inmitten der Bauzone spricht,
dass das streitige Areal praktisch unüberbaut, rund 2,3 ha gross und
planerisch gesehen weitgehend unerschlossen ist. Auch beeinträchtigt
diese Zonierung die Infrastruktur der Umgebung nicht. Das Gebiet
zwischen dem streitigen Bereich Gartenstrasse und der Gemeindegrenze
kann strassenmässig erfasst werden. Ebenso bestehen für dieses Gebiet
bereits Kanalisations- und Wasseranschluss, und auch der Energieanschluss
ist unproblematisch. Demgegenüber wäre eine Verkleinerung des Baugebiets
durchaus auch durch die Ausscheidung einer Reservezone am Siedlungsrand
möglich. Eine Randlage wäre umso günstiger, als noch offen ist, ob die
Fläche nicht doch als Kulturland benötigt wird. Aus der Siedlungsstruktur
drängt sich der Ort des Reservegebiets ebensowenig auf, lässt sich doch
die bestehende lockere Überbauung auf Zufälligkeiten wie die jeweiligen
Eigentumsverhältnisse und Erschliessungsmöglichkeiten zurückführen.
Auch ist der Einwand, die Lage des Reservegebiets zementiere die
Streubauweise, nicht ganz unbegründet.

    c) Unter den gegebenen Umständen kann zusammenfassend nicht gesagt
werden, die Anordnung der Reservezone inmitten der Bauzone dränge sich
geradezu auf. Indessen hat die Gemeinde - wie bereits erwähnt - ihre
Bauzone zu verkleinern. Bei Berücksichtigung dieses Gesichtswinkels
ist die angefochtene Zonierung jedenfalls dann verfassungsrechtlich
haltbar, wenn kein Gebiet vorhanden ist, das sich für die angestrebte
Redimensionierung in gleicher Weise oder gar besser eignet. Dies wird im
folgenden im Rahmen der Rechtsgleichheit und der von den Beschwerdeführern
in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise vorgebrachten Rügen
zu prüfen sein.

Erwägung 5

    5.- (Prüfung der Frage, ob ein für die Redimensionierung in gleicher
Weise oder besser geeignetes Gebiet vorhanden ist. Frage verneint.)