Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IA 328



116 Ia 328

51. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9.
Oktober 1990 i.S. K. gegen Gemeinde Stäfa und Regierungsrat des Kantons
Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV und Art. 15 RPG; Zuweisung eines Grundstücks zur Reservezone
gemäss § 65 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich.

    1. Die Zuweisung zu einer Reservezone setzt eine bundesrechtskonforme
Ausscheidung der Grundnutzungszonen voraus. Insbesondere ist Land, das
nach der gesetzlichen Vorschrift in die Bauzone gehört, in eine Bauzone
und nicht in eine Reservezone einzuweisen (E. 3).

    2. Bei der Bauzonendimensionierung auf 15 Jahre ist auch das gehortete
Bauland der Wohnbaulandreserve anzurechnen (E. 4).

Sachverhalt

    A.- K. ist Eigentümer der 18 743 m2 grossen Parzelle Nr. 8553 im Gebiet
Rütihof/Fangen des Ortsteils Uerikon der Gemeinde Stäfa. Die Parzelle
ist Bestandteil eines rund 5,5 ha grossen Gebiets, das sich im Süden vom
Rand der bestehenden Überbauung und vom untern Rand der Geländekuppe bis
zum Rebhang im Norden und zum Torlentobel im Osten erstreckt. Nach dem
bisherigen Zonenplan der Gemeinde Stäfa vom 7. Februar 1974 war dieses
Gebiet der zweigeschossigen Wohn- und der Landhauszone zugeteilt. Das
Gebiet ist praktisch unüberbaut, aber groberschlossen und mit einem
vom Regierungsrat am 20. August 1980 genehmigten, rechtskräftigen
und vollzugsbereiten Quartierplan versehen. Die Kosten für das
Quartierplanverfahren wurden bereits geleistet.

    Am 4. Juli 1985 beschloss die Gemeindeversammlung von Stäfa einen
neuen kommunalen Nutzungsplan. Dabei teilte sie das fragliche Gebiet
einer Reservezone zu. Auf Beschwerden von Grundeigentümern hob die
Baurekurskommission II des Kantons Zürich die Reservezone in den Bereichen
Torlen (Parzelle Nr. 5928) und des Rebhanges (Parzelle Nr. 8493), die
nördlich des hier in Frage stehenden Gebiets liegen, auf, ebenso für die
südlich der Rütihofstrasse gelegenen Quartierplangrundstücke. Dagegen
bestätigte die Baurekurskommission die Reservezone im hier streitigen
Bereich. Einen gegen diesen Entscheid u.a. von K. eingereichten Rekurs
wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 20. Dezember 1989 ab, soweit
er darauf eintrat.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. Februar 1990 beantragt K.,
der Entscheid des Regierungsrats vom 20. Dezember 1989 sei insoweit
aufzuheben, als sein Grundstück Nr. 8553 und das insgesamt vom Quartierplan
Rütihof/Fangen erfasste Gebiet der Reservezone zugewiesen werden. Das
Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer hält die Einweisung seiner Parzelle in
die Reservezone für willkürlich. Nach der Rechtsprechung verletzt ein
Entscheid das Willkürverbot und steht in Widerspruch zu Art. 4 BV, wenn er
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft (BGE 115 Ia 332 E. 3a).

    a) Das Raumplanungsgesetz sieht in erster Linie Bau-, Landwirtschafts-
und Schutzzonen vor (Art. 14 Abs. 2 RPG). Es ermächtigt die Kantone,
weitere Nutzungszonen vorzusehen und Vorschriften zu erlassen über Gebiete,
deren Nutzung noch nicht bestimmt ist oder in denen eine bestimmte Nutzung
erst später zugelassen wird (Art. 18 Abs. 1 und 2 RPG). Darunter fallen
kantonalrechtliche Reservezonen, die dazu dienen, übergrosse Bauzonen zu
verkleinern (BGE 115 Ia 347 ff. E. 5d und e, 114 Ia 366 ff. E. 3; ALFRED
KUTTLER, Festsetzung und Änderung von Nutzungsplänen, in: Festschrift
für Ulrich Häfelin zum 65. Geburtstag, Zürich 1989, S. 491 f.).

    Das Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich vom 7. September 1975
(PBG) stellt für die Reservezone in § 65 folgende Vorschriften auf:

    "Die Reservezone umfasst jene Flächen, welche keiner andern Zone
   zugewiesen sind.

    Bauten und Anlagen sind nur zulässig, wenn sie der in den Richtplänen
   vorgesehenen Zweckbestimmung nicht zuwiderlaufen, keine sonstigen
   überwiegenden öffentlichen Interessen verletzt werden und ein sachlich
   begründetes Bedürfnis nachgewiesen wird.

    Für Bauten und Anlagen besteht kein Erschliessungsanspruch gegenüber
dem

    Gemeinwesen; vorbehalten bleiben besondere Bestimmungen. Gleiches
gilt für
   die Inanspruchnahme öffentlicher Versorgungs- und
   Erschliessungsanlagen."

    b) Solche Reservezonen dürfen jedoch nur ausgeschieden werden,
wenn sie die Ordnung der bundesrechtlichen Nutzungsausscheidung (Art. 14
ff. RPG) nicht verletzen (BGE 110 Ib 267). Das bedeutet einerseits, dass
die Reservezone die zwingende, bundesrechtliche Beschränkung der Bauzone
nicht durchbrechen darf. Diese Gefahr besteht im vorliegenden Fall nicht,
da die zürcherische Reservezone eine Nichtbauzone ist. Andererseits darf
die Reservezone nicht auf Kosten der Bau-, Landwirtschafts- oder Schutzzone
ausgeschieden werden; die Reservezonierung setzt eine bundesrechtskonforme
Ausscheidung dieser Grundnutzungszonen voraus. Insbesondere ist Land, das
nach der gesetzlichen Vorschrift in die Bauzone gehört, in eine Bauzone
und nicht in eine Reservezone einzuweisen. Das hat das Bundesgericht
insbesondere hinsichtlich Land entschieden, das weitgehend überbaut ist
(Art. 15 lit. a RPG; BGE 115 Ia 338 f. E. 4), das benötigt wird (Art. 15
lit. b RPG; BGE 112 Ia 156 ff.) und das erschlossen wird (Art. 15 lit. b
RPG; BGE 110 Ia 53 f. E. 4).

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid
verletze die bundesrechtliche Vorschrift über die Ausscheidung von
Bauzonen nach dem Bedarf der nächsten 15 Jahre (Art. 15 lit. b RPG)
in willkürlicher Weise.

    a) Zu Recht macht der Beschwerdeführer nicht geltend, ein Gesamtplan
stehe dem Regierungsratsentscheid entgegen. Nach dem kantonalen Gesamtplan
befindet sich das fragliche Gebiet im Siedlungsgebiet bzw. teilweise im
Anordnungsspielraum und nach dem kommunalen Gesamtplan im Trenngebiet,
was einer Reservezone nicht entgegensteht (BGE 110 Ia 53 E. 4a). Umgekehrt
lassen sich weder aus dem kommunalen noch aus dem kantonalen Gesamtplan
Gründe für eine Erweiterung der Bauzone im Gebiet Rütihof/Fangen ableiten.

    b) Bauzonen sollen Land umfassen, das sich für die Überbauung eignet
und das weitgehend überbaut ist (Art. 15 lit. a RPG) oder voraussichtlich
innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird (Art. 15 lit. b RPG). An
Massnahmen, die geeignet sind, das Entstehen überdimensionierter Bauzonen
zu verhindern oder solche zu verkleinern, besteht ein öffentliches
Interesse (BGE 115 Ia 386 f. E. 4a, 114 Ia 369, 107 Ia 242 E. 3a). Im
vorliegenden Fall ist streitig, wie der Baulandbedarf der nächsten 15
Jahre zu ermitteln ist.

    aa) Es ist unbestritten, dass der Regierungsrat den Bedarf an sich
korrekt durch einen Vergleich des Baulandverbrauchs der letzten Jahre mit
den vorhandenen Baulandreserven ermittelt hat. Er gelangte so aufgrund
des Baulandverbrauchs der letzten 12 1/2 Jahre (Mitte 1976-1988) zu einem
durchschnittlichen Bedarf von 2,14 ha pro Jahr, dem er eine Reserve von
57,85 ha unüberbauter Wohnzonenfläche gegenüberstellte. Daraus schloss er,
der Baulandbedarf für die nächsten 15 Jahre werde bei weitem abgedeckt.

    bb) Der Beschwerdeführer greift diese Berechnungsmethode als solche
an, weil sie nicht den tatsächlichen Marktverhältnissen von Angebot und
Nachfrage entspreche. Im streitigen Gebiet hätten nach den Berechnungen
des Regierungsrates 150 Einwohner Platz. Tatsächlich würden dort einmal
nur 34 Personen leben, wenn man den heute vorhandenen und den noch
möglichen Baubestand in Betracht ziehe. Die regierungsrätliche Methode
dürfe nicht massgebend sein, da sie auf praxisfernen, irrealen und
theoretischen Kriterien beruhe. Das als Wohnbaureserve ausgewiesene Land
von rund 57 ha sei tatsächlich gar nicht käuflich. Es werde gehortet und
müsse erst noch in einem Quartierplanverfahren baureif gemacht werden,
so dass es in den nächsten zehn Jahren bestimmt nicht überbaut werden
könne. Es sei willkürlich, das zur Überbauung bereite Land des bauwilligen
Beschwerdeführers von der Bauzone auszuschliessen und gleichzeitig Land,
das in absehbarer Zeit gar nicht überbaut werden könne, in die Bauzone
aufzunehmen.

    cc) Das effektive Angebot kann die tatsächliche Nachfrage nach Bauland
klarerweise nicht befriedigen. Dies wird aller Voraussicht nach auch in
Zukunft so sein, da die pessimistische Beurteilung der Attraktivität
Stäfas durch die Gemeinde aufgrund ihrer ausgezeichneten Lage und des
erfolgten Ausbaus der Infrastruktur in der Agglomeration Zürich (S-Bahn)
kaum verständlich ist.

    Dass das Land des Beschwerdeführers nach Quartierplanung,
Erschliessung und Bauinteresse unmittelbar überbaut werden kann,
rechtfertigt für sich allein eine Einzonung nicht. Die Gemeinde ist von
Gesetzes wegen verpflichtet, ihre Bauzone zeitgerecht zu erschliessen
und gegebenenfalls eine Landumlegung anzuordnen und durchzuführen
(Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 RPG). Die kantonale Behörde hat darüber
zu wachen, dass sie ihre Erschliessungsaufgaben erfüllt (Art. 21
f. RPV). Die Gemeinde Stäfa ist insgesamt groberschlossen; einzig die
Feinerschliessung ist noch nicht abgeschlossen. Die Erschliessungspflicht
gilt indessen auch für die Feinerschliessung (Art. 4 und 5 des Wohnbau-
und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974). In der Gemeinde Stäfa
bestehen zur Zeit 15 Quartierpläne, wovon acht noch nicht rechtskräftig
sind. In diesem Umfang wird somit weiteres Bauland baureif werden oder
durch Veranlassung der Gemeinde baureif gemacht werden müssen. Es ist
allerdings einzuräumen, dass sich das Problem der Baulandverknappung so
nur mildern, nicht jedoch eigentlich lösen lässt.

    Das fehlende Baulandangebot ist hauptsächlich darauf zurückzuführen,
dass aus privaten Überlegungen kein Bauland freigegeben, sondern dieses
gehortet wird. Nach den Aussagen an der Instruktionsverhandlung werden
von der Wohnbaulandreserve von rund 57 ha etwa 20 bis 30 ha oder mehr,
das heisst ungefähr die Hälfte, gehortet. Der Beschwerdeführer will
jedoch nicht horten, sondern sein Land auf den Markt bringen. Er wendet
im Grunde ein, es sei widersprüchlich, über Baulandknappheit zu klagen,
aber gleichzeitig mit theoretischen und weltfremden Kriterien den Bedarf
zu bestreiten.

    c) Solche Spannungen zwischen der Nachfrage nach Bauland und der
Begrenzung der Bauzone hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen;
sonst hätte er zusätzlich Instrumente für die Baulandverflüssigung
anbieten müssen. Daraus folgt nicht, dass sich die Bauzonenfläche
ausschliesslich nach den privaten Wünschen der jeweils interessierten
Privaten richtet. Die Bauzone nach dem Verhältnis von Baulandverbrauch
zur Baulandreserve zu dimensionieren heisst nicht, allein dem
Marktautomatismus zu gehorchen. Würde man das gehortete Land nicht der
Wohnbaulandreserve anrechnen, hätte dies einerseits einen weiteren Anreiz
zur Baulandhortung zur Folge und andererseits würde die Bauzonenplanung dem
Gemeinwesen entzogen und in die Hand der hortungswilligen Grundeigentümer
gelegt. Auch sachlich ist eine rein an Bauinteressen orientierte Planung
unmöglich. In einer gut gelegenen Agglomerationsgemeinde findet sich nie
genug Bauland, um die Nachfrage ganz zu befriedigen. Sie wird regional
oder überregional immer neu genährt; die Baulandnachfrage lässt sich
aus bloss lokaler Sicht meist nicht sachgerecht beurteilen. Der Boden
ist knapp und der Lebensraum beschränkt, weshalb die Bauzonen nicht
überall, gleichzeitig und unbeschränkt wachsen können. Deshalb gilt es,
die natürlichen Gegebenheiten sowie die Bedürfnisse von Bevölkerung und
Wirtschaft gesamthaft zu betrachten (Art. 1 Abs. 1 Satz 3 RPG) und den
Boden haushälterisch zu nutzen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RPG).

    Raumplanung bedingt, dass das Gemeinwesen in einem rechtlich
geleiteten, sachlich-politischen Entscheid eine Ordnung der Besiedlung
schafft, die auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtet ist
(Art. 22quater Abs. 1 BV, Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG). Dieses Konzept
verlangt eine umfassende Abwägung und Abstimmung aller räumlich
wesentlichen Interessen und Gesichtspunkte (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG,
Art. 1-3 RPV; BGE 115 Ia 386, 114 Ia 368 f. E. 4).

    Die Dimensionierung der Bauzonenfläche auf 15 Jahre (Art. 15 lit. a
RPG) will einen Massstab schaffen, der dieser Ordnungsidee gerecht wird:
sie soll sich sowohl nach der privaten Bauentwicklung richten, als
auch diese mit Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang begrenzen, um eine
ausgewogene Lösung zustande zu bringen. Ein blosser Nachfrageüberhang
rechtfertigt eine Bauzonenerweiterung noch nicht. Zusätzlich wären
besondere Gründe erforderlich, die sich aufgrund einer umfassenden
Abwägung und Abstimmung sowie aufgrund der vorwiegend regional und
überregional erwünschten Entwicklung aufdrängen. Diese Anforderung
hatte der Regierungsrat im Auge, als er von einer objektivierten Methode
sprach. Der Regierungsrat ist daher zu Recht vom Vergleich zwischen dem
Wohnbaulandverbrauch und der Wohnbaulandreserve ausgegangen.

    d) Im vorliegenden Fall fehlt es an solchen besonderen Gründen für
eine Bauzonenerweiterung; sie lässt sich auch mit keinen übergeordneten
Vorstellungen im Gesamtplan rechtfertigen. Der Regierungsrat durfte
im Gegenteil ohne Willkür die Nichteinzonung des 5,5 ha grossen,
zusammenhängenden, durch Gelände, Strasse, Tobel und Wald sinnvoll
abgegrenzten, praktisch unüberbauten, am Siedlungsrand gelegenen Gebiets
schützen. Erschliessungsstand und Lage verlangen keine Einzonung. Würde
das Interesse an erhältlichem Bauland sowie am Schutz des privaten
Kostenaufwandes stärker gewichtet, liesse sich das bundesrechtliche
Gebot der Baulandbegrenzung unter solchen Umständen generell nicht mehr
durchsetzen.

    Ein Entscheid ist schliesslich nur dann aufzuheben, wenn er im
Ergebnis unhaltbar ist und nicht schon dann, wenn sich die Begründung als
willkürlich erweist (BGE 113 Ib 311 f. E. 2a). Darum ist es im vorliegenden
Fall unerheblich, ob der Antragsteller an der Gemeindeversammlung einem
"planerischen Missverständnis" unterlegen sei.