Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 IA 321



116 Ia 321

49. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9.
November 1990 i.S. X. und Y. gegen Steueramt und Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Rechtsgleichheit bei der Besteuerung des Eigenmietwertes.  Art. 4 BV;
§ 20 des zürcherischen Gesetzes vom 8. Juli 1951 über die direkten Steuern
(Steuergesetz, StG).

    1. Nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 StG ist es zulässig, bei der Festsetzung
des Eigenmietwertes der Stockwerkeigentümer vom marktüblichen Mietzins 30%
abzuziehen (E. 2).

    2. Die vollständige Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung ohne
ausgleichende Massnahmen würde Art. 4 BV verletzen. Es steht den Kantonen
aber frei, bei der Festsetzung des Eigenmietwertes vom Marktmietwert
abzuweichen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- X. und Y. fügten in ihrer Steuererklärung 1987 einerseits den
Ertrag aus der Nutzung der gemieteten Wohnung dem Einkommen unter Abzug
von 30% hinzu; anderseits zogen sie die Mietzinse vom Einkommen ab.
Per Saldo zogen sie damit 30% der Miete ab.

    Die Steuerbehörde rechnete in der ausserordentlichen Haupteinschätzung
1986 und in der Einschätzung 1987 den Abzug bei der Staats- und
Gemeindesteuer wieder auf. X. und Y. erhoben dagegen erfolglos
Einsprache bei der Steuerkommission Oetwil am See und Rekurs bei der
Steuerrekurskommission des Kantons Zürich. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich wies die gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission
erhobene Beschwerde am 3. Oktober 1989 ab.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 13. November 1989 beantragen
X. und Y. sinngemäss, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach § 20 Abs. 1 StG gehören auch Naturaleinkünfte mit
Einschluss der Eigennutzung von Liegenschaften zu den steuerbaren
Einkünften. § 20 Abs. 2 StG verpflichtet den Regierungsrat, die für
eine durchschnittlich gleichmässige Bemessung des Eigenmietwertes
selbstgenutzter Liegenschaften und Wohnungen notwendigen Dienstanweisungen
zu erlassen. Der Regierungsrat erliess am 8. September 1982 diese
Dienstanweisungen und publizierte sie in der Zürcher Gesetzessammlung.

    Nach den Dienstanweisungen sind die Mietwerte von Eigentumswohnungen
durch Vergleich mit für ähnliche Objekte erzielten Mietzinsen zu
schätzen. Von den so ermittelten Ausgangswerten sind 30% abzuziehen,
damit Stockwerkeigentümer gegenüber den Eigentümern ganzer Liegenschaften
nicht benachteiligt werden. Die gleiche Berechnungsart gilt auch für
die vom Eigentümer selbst benützten Wohnungen in Mehrfamilienhäusern
ohne Stockwerkeigentum.

    b) § 20 Abs. 1 StG schreibt nicht vor, dass die Eigennutzung von
Liegenschaften entsprechend dem marktüblichen Mietzins zu bewerten
wäre. Der Regierungsrat darf auch eine vom Marktwert abweichende
Festsetzung des Eigenmietwertes vorsehen. Der in den Dienstanweisungen
gewährte Abzug von 30% gegenüber dem marktüblichen Mietzins und die
damit verbundene unterschiedliche Behandlung von Wohnungsmietern und
Wohnungseigentümern widerspricht nicht dem Wortlaut des Gesetzes. Das
angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt somit die Bestimmungen
des Steuergesetzes nicht.

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführer machen auch gar nicht geltend,
das Verwaltungsgericht habe mit seinem Urteil das Steuergesetz
verletzt. Sie berufen sich vielmehr auf die Grundsätze der
Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz
der Verhältnismässigkeit der Steuerbelastung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. Diese Grundsätze würden im Kanton Zürich gemäss den
Dienstanweisungen des Regierungsrates verletzt, weil bei der Festsetzung
des massgeblichen Eigenmietwertes vom marktüblichen Mietzins ein Abzug
von 30% gemacht werden müsse. Die Praxis der Steuerbehörden gehe noch
darüber hinaus.

    b) Die erwähnten Grundsätze folgen zunächst aus Art. 19 Abs. 1 und
4 KV. Diese Bestimmung enthält den Grundsatz der Allgemeinheit und der
Verhältnismässigkeit der Steuern, welcher auch aus Art. 4 BV folgt. Die
Regel der Zürcher Kantonsverfassung geht daher nicht weiter als die
Bundesverfassung, auch wenn sie ein verfassungsmässiges Recht einräumt
(vgl. BGE 105 Ia 358 E. 3c; ASA 53, 16 f.).

    c) Ein Erlass verstösst gegen das Gebot der Rechtsgleichheit, wenn er
rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den
zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen
unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also
Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht
nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird, wobei sich dies
auf wesentliche Tatsachen beziehen muss. Die Frage, ob für eine rechtliche
Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen
ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet
werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem
Gesetzgeber bleibt damit im Rahmen der aufgeführten Grundsätze ein weiter
Spielraum der Gestaltung, in den das Bundesgericht nicht eingreift (BGE
115 Ia 287 E. 6, mit Hinweisen).

    d) Wie die Beschwerdeführer zutreffend ausführen, wird Art. 4
BV auf dem Gebiet der Steuern konkretisiert durch die Grundsätze der
Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz
der Verhältnismässigkeit der Steuerbelastung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. Der Gesetzgeber hat aber auch im Abgaberecht
weitgehende Gestaltungsfreiheit. Nach dem Prinzip der Allgemeinheit
der Besteuerung ist allerdings eine sachlich unbegründete Ausnahme
einzelner Personen oder Personengruppen von der Besteuerung unzulässig,
da der Finanzaufwand des Gemeinwesens für die allgemeinen öffentlichen
Aufgaben grundsätzlich von der Gesamtheit der Bürger getragen werden soll
(BGE 112 Ia 244 E. 4c, mit Hinweisen).

    Nach diesen Grundsätzen würde die vollständige und undifferenzierte
Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwertes ohne ausgleichende
Massnahmen den Wohnungseigentümer mit hohem Selbstfinanzierungsgrad
gegenüber andern Steuerpflichtigen mit gleicher finanzieller
Leistungsfähigkeit in einer Weise begünstigen, welche vor Art. 4 BV nicht
standhält (BGE 112 Ia 244 E. 5a). Die genaue Bestimmung des Eigenmietwertes
lässt sich hingegen nicht unmittelbar aus Art. 4 BV ableiten. Das
ist Sache des Gesetzgebers (vgl. das Urteil des Bundesgerichts vom
9. November 1990 i.S. S. c. Staat Bern); bei dessen Stillschweigen steht
den Vollzugsbehörden ein entsprechender Spielraum zu.

    e) Beim marktüblichen Mietzins handelt es sich um einen
Durchschnittswert, von dem in einzelnen Fällen die tatsächlich bezahlte
Miete weit, unter Umständen auch nach unten, abweichen kann. Die
Beschwerdeführer führen aber nicht aus, dass die Mietwerte für ähnliche
Wohnungen in der Gemeinde Oetwil von der Miete, welche sie selbst
bezahlen müssen, abweichen. Es genügt nicht, dass die Beschwerdeführer
mit Durchschnittswerten für den ganzen Kanton Zürich darlegen, dass die
Mieter benachteiligt werden; sie müssen das vielmehr für ihre eigene
Situation anhand der Zahlen in ihrer Wohngemeinde tun. Die Beschwerde
ist schon aus diesem Grunde nicht genügend begründet.

    f) Die Besteuerung des Mietwertes verletzt im übrigen Art. 4 BV
noch nicht, wenn der Gesetzgeber Lösungen trifft oder zulässt, die
Fragen aufwerfen oder nicht in jeder Hinsicht der wirtschaftlichen
oder juristischen Überlegung folgen, nach welcher der Eigenmietwert dem
Marktwert entspricht. Art. 4 BV und damit das Rechtsgleichheitsgebot sind
nur dann verletzt, wenn die Unterscheidungen offensichtlich sinnlos sind
(BGE 115 Ia 287 E. 6, mit Hinweisen). Das Steuerrecht folgt oft nicht
strengen wirtschaftlichen oder juristischen Überlegungen. So werden
beispielsweise Schuldzinse regelmässig zum Abzug zugelassen, auch wenn
sie nicht Gewinnungskosten sind. Oft werden auch Wertsteigerungen auf
Privatvermögen nicht besteuert. Ebenso wird die Eigennutzung von Fahrnis
nicht besteuert, obschon sie wirtschaftlich ins Gewicht fällt. Eine
Ausnahme macht nur die Nutzung des Grundeigentums. Das wird damit
begründet, dass jeder ein Dach über dem Kopf braucht.

    g) Die Nutzung des eigenen Vermögens wird im allgemeinen nur dann
besteuert, wenn es sich dabei um die selbst genutzte Wohnung handelt. Die
Eigennutzung einer Wohnung ist grundsätzlich kein Einkommen in Geld. Auch
ist ein Mieter bei der Auswahl einer Wohnung freier als ein Eigentümer,
der mit seiner Wohnung enger verbunden ist. Unter diesen Umständen mag es
ohne Verletzung von Art. 4 BV noch angehen, der kleineren Disponibilität
des Nutzens einer eigenen Wohnung bei der Festsetzung des Mietwertes
Rechnung zu tragen.

    Damit verstösst es nicht gegen Art. 4 BV, den steuerbaren Eigenmietwert
gegenüber dem marktüblichen Mietzins herabzusetzen und in diesem Sinne
Wohnungseigentümer und Wohnungsmieter zahlenmässig nicht gleich zu
behandeln, soweit die pauschale Herabsetzung des Eigenmietwertes mässig
bleibt. Ob die Differenzen, welche sich bei der zürcherischen Praxis
ergeben, noch verfassungsmässig sind, muss jedoch nicht überprüft werden;
in jedem Falle liegt die Grenze nicht bei 10%, und sie ist auch nicht durch
administrative Bedürfnisse allein bedingt, wie die Beschwerdeführer rügen.

    h) Die Beschwerdeführer äussern sich nicht näher zur Frage, ob,
inwieweit und warum das Ermessen des Gesetzgebers beschränkt ist. Das
dürfte, was zum Beispiel die Förderung des Wohneigentums angeht, auch von
den konkreten Gegebenheiten in einem Kanton abhängen. Auf die Frage ist
daher nicht einzutreten, da die Rügen in dieser Beziehung nicht genügend
begründet sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).