Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 V 437



115 V 437

62. Urteil vom 17. August 1989 i.S. B. gegen Öffentliche Arbeitslosenkasse
des Kantons Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
Regeste

    Art. 336c Abs. 2 OR, Art. 11 Abs. 3 AVIG.

    - Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bei Erkrankung nach Kündigung
des Arbeitsvertrages. Berechnung der Kündigungsfrist gemäss Art. 336c
Abs. 2 OR (Erw. 2c und 3).

    - Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber für die Dauer der Verlängerung
des Arbeitsverhältnisses nach Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR Arbeit anzubieten,
wenn er für diese Zeit einen Lohnanspruch erheben will (Erw. 5 und 6).

Sachverhalt

    A.- Am 1. März 1985 trat Beatrice B. bei der Firma B. & Co.
eine Stelle als Montagearbeiterin an. Am 13. Juni 1985 wurde
ihr auf 31. Juli 1985 gekündigt. Vom 1. bis 12. Juli 1985 war sie
krankheitshalber vollständig arbeitsunfähig. In der Folge stellte sie
Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 5. August 1985. Die Öffentliche
Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn verneinte das Bestehen eines
Leistungsanspruchs mit der Begründung, der Versicherten stünden noch
Lohnansprüche gegenüber ihrer Arbeitgeberin zu, so dass kein anrechenbarer
Arbeitsausfall vorliege (Verfügung vom 10. Oktober 1985).

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 1. April 1986 ab. Zur Begründung
führte das Gericht im wesentlichen aus, das unterjährige Arbeitsverhältnis
der Versicherten habe unter Beachtung einer einmonatigen Kündigungsfrist
am 13. Juni 1985 auf Ende Juli 1985 gekündigt werden können. Weil die
Versicherte vom 1. bis 12. Juli 1985 krank gewesen sei, habe der Lauf der
Kündigungsfrist in dieser Zeit geruht. Da die Kündigungsfrist am ersten
Tag des Kündigungsmonats zu laufen begonnen habe (und nicht ab Empfang
der Kündigung), sei das Ende der Kündigungsfrist auf den 12. August
1985 gefallen. Der Arbeitsvertrag sei demnach erst am nächstfolgenden
Endtermin, nämlich am 31. August 1985 abgelaufen. Damit stehe fest,
dass der Versicherten für den Monat August 1985 noch Lohn zustehe, was
zur Verneinung der Anspruchsberechtigung führe.

    C.- Beatrice B. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
es sei in Aufhebung des kantonalen Entscheides und der Kassenverfügung
festzustellen, dass sie auch für die Zeit vom 1. August bis 31. August
1985 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe. Zur Begründung macht
sie in der Hauptsache geltend, die Kündigungsfrist beginne vom Datum
der Zustellung der Kündigung an zu laufen, so dass trotz des wegen ihrer
Krankheit unterbrochenen Ablaufs der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis
bereits Ende Juli 1985 beendigt worden sei.

    Das kantonale Arbeitsamt Solothurn beantragt Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und
Arbeit stellt keinen Antrag.

    D.- Das Eidg. Versicherungsgericht führte zu den
arbeitsvertragsrechtlichen Grundsatzfragen des vorliegenden Falles einen
Meinungsaustausch mit der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts durch.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Zu den Voraussetzungen für den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung gehört gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG, dass der
Versicherte unter anderem ganz oder teilweise arbeitslos ist (lit. a) und
einen anrechenbaren Verdienstausfall erlitten hat (lit. b). Gemäss Art. 10
Abs. 1 AVIG gilt als ganz arbeitslos, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht
und eine Vollzeitbeschäftigung sucht. Nach Art. 10 Abs. 2 AVIG gilt als
teilweise arbeitslos, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und lediglich
eine Teilzeitbeschäftigung sucht (lit. a) oder eine Teilzeitbeschäftigung
hat und eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung sucht
(lit. b). Nach Art. 11 Abs. 3 AVIG ist derjenige Arbeitsausfall nicht
anrechenbar, für welchen dem Arbeitslosen Lohnansprüche oder wegen
vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses Entschädigungsansprüche
zustehen.

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin erleidet für den Monat August 1985
keinen anrechenbaren Verdienstausfall, wenn ihr für diese Zeitspanne
Lohn- oder Entschädigungsansprüche gegenüber ihrer Arbeitgeberfirma B. &
Co. zustehen (Art. 11 Abs. 3 AVIG). Ob das zutrifft, hängt unter anderem
von der Beantwortung der Frage ab, ob das Arbeitsverhältnis bis Ende
August 1985 gedauert hat.

    b) Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis
in den ersten vier Wochen einer durch unverschuldete Krankheit oder
unverschuldeten Unfall verursachten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers
nicht kündigen (Art. 336e Abs. 1 lit. b OR in der bis 31. Dezember 1988
gültigen und im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung des Gesetzes;
neu mit Änderungen unter Art. 336c Abs. 1 lit. b OR). Die Kündigung,
die während dieser Sperrfrist erklärt wird, ist nichtig; ist dagegen
die Kündigung vor Beginn der Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis
dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst
nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt (alt Art. 336e Abs. 2 OR;
neu inhaltlich unverändert unter Art. 336c Abs. 2 OR). Gilt für die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines
Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der
fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis
zum nächsten Endtermin (alt Art. 336e Abs. 3 OR; neu unverändert unter
Art. 336c Abs. 3 OR; im folgenden wird, wo nichts anderes vermerkt ist,
anstelle von alt Art. 336e Abs. 2 und 3 OR die neue Zuordnung zu Art. 336c
Abs. 2 und 3 OR zitiert).

    c) Es stellt sich die Frage, was unter Kündigungsfrist gemäss Art. 336c
Abs. 2 OR zu verstehen ist bzw. ab welchem Zeitpunkt diese läuft. Die
Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die Kündigungsfrist
vom Empfang der Kündigung an zu laufen beginne; demnach setze in ihrem
Fall der Lauf der Kündigungsfrist von einem Monat (alt Art. 336a Abs. 1
OR) am 14. Juni 1985 ein und ende am 14. Juli 1985. Infolge der vom
1. bis 12. Juli 1985 währenden Arbeitsunfähigkeit gelte indes für diese
Zeitspanne die Sperrfrist gemäss Art. 336c Abs. 2 OR, weshalb sich die
normale Kündigungsfrist um zwölf Tage bis zum 26. Juli 1985 verlängere und
das Arbeitsverhältnis demzufolge auf den 31. Juli 1985 zu Ende gegangen
sei. Die Vorinstanz vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der
Beginn der Kündigungsfrist durch Rückrechnung vom Kündigungsendtermin
aus festzulegen sei; die einmonatige Kündigungsfrist habe deshalb
hier frühestens am 1. Juli 1985 zu laufen begonnen, sei indes vom 1.
bis 12. Juli 1985 stillgestanden, so dass das Ende der um diese zwölf Tage
verlängerten Monatsfrist auf den 12. August 1985 und der nächstfolgende
mögliche Endtermin demzufolge auf den 31. August 1985 gefallen sei.

Erwägung 3

    3.- a) In der kantonalen Rechtsprechung und in der Literatur zu alt
Art. 336e Abs. 2 OR (bzw. neu Art. 336c Abs. 2 OR) sind zu dieser Frage
beide Lösungen anzutreffen. Die Auffassung, dass die Kündigungsfrist mit
dem Zugang der Kündigungserklärung zu laufen beginne, wird vertreten vom
Kantonsgericht Zug (Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts/JAR 1985
S. 223) und von BRÜHWILER (Handkommentar zum Einzelarbeitsvertrag, N. 7a
zu Art. 336e, S. 191) sowie STREIFF (Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht,
4. Aufl., N. 2 zu Art. 336e-f, S. 244). Demgegenüber haben sich
das Appellationsgericht Basel-Stadt (JAR 1985 S. 232 bzw. BJM 1985
S. 149), das Arbeitsgericht Zürich (JAR 1985 S. 238 bzw. ZR 1985 Nr.
120) und das Genfer Tribunal des prud'hommes (SJ 1987 S. 557 Ziff. 5)
dafür ausgesprochen, dass der Beginn der Kündigungsfrist retrospektiv vom
Endtermin aus zu berechnen ist. Dieser Standpunkt wird ferner geteilt von
AUBERT (La jurisprudence sur le contrat de travail à Genève en 1985, in
SJ 1986 S. 297 ff.) und KUHN (Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche
Praxis, Band II, Teil 7, Kapitel 2.4.1., S. 8).

    b) Für die Beantwortung der Streitfrage ist vom Sinn und Zweck des
Art. 336c Abs. 2 OR auszugehen, der darin besteht, dass dem gekündigten
Arbeitnehmer trotz zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit eine ungekürzte
Kündigungsfrist garantiert werden soll, damit er in der Lage ist,
sich nach einer neuen Stelle umzusehen (BGE 109 II 332 Erw. 2b mit
Hinweisen). Der Arbeitnehmer ist aber gerade gegen Ende seines gekündigten
Arbeitsverhältnisses darauf angewiesen, dass eine allfällige Krankheit ihn
beim Suchen einer Stelle möglichst nicht behindert. Das trifft insbesondere
dann zu, wenn die Stellen in seiner Branche regelmässig kurzfristig
besetzt werden. Der vom Gesetzgeber mit Art. 336c Abs. 2 OR verfolgte
Zweck lässt sich demzufolge in befriedigender Weise nur verwirklichen, wenn
die Möglichkeit der Stellensuche während der Schlussphase des bisherigen
Arbeitsverhältnisses gewährleistet wird. Der Beginn der Kündigungsfrist
gemäss Art. 336c Abs. 2 OR ist daher notwendigerweise durch Rückrechnung
vom Endtermin aus zu bestimmen (JAR 1985 S. 235 und 242; AUBERT, aaO,
S. 298; soweit das Eidg. Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten
Urteil G. vom 30. Oktober 1985 anders entschieden hat, kann daran nicht
festgehalten werden).

    c) Zu den Zielsetzungen des Art. 336c Abs. 1 lit. b in Verbindung
mit Art. 336c Abs. 3 OR gehört ferner, dass es zwischen dem alten
und dem neuen Arbeitsverhältnis nach Möglichkeit zu keinem Unterbruch
kommen soll, damit die Kontinuität des Erwerbseinkommens (während der
Krankheitsperiode allenfalls über Art. 324a OR) erhalten bleibt. Würde
nun aber die Kündigungsfrist vor dem Kündigungstermin ablaufen und
das Arbeitsverhältnis demzufolge ohne Rücksicht auf eine allfällige
Arbeitsunfähigkeit enden, bestünde in erhöhtem Masse die Gefahr, dass
der unterbruchsfreie Anschluss an ein neues Arbeitsverhältnis nicht
gelingt, weil sich der Arbeitnehmer in der Schlussphase des bisherigen
Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht oder nur eingeschränkt der
Stellensuche widmen oder weil er der Krankheit wegen eine neue Stelle nicht
antreten kann. Die Lösung, welche die Kündigungsfrist mit dem Empfang der
Kündigungserklärung einsetzen lässt, hätte schliesslich zur Folge, dass die
Kündigungsfrist unter Umständen mehrere Wochen oder Monate vor Beendigung
des Arbeitsverhältnisses ablaufen würde. Damit würde bei frühzeitiger
Kündigung eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gemäss Art. 336c
Abs. 2 OR zu Lasten des Arbeitnehmers weitgehend ausgeschaltet bzw. nur
noch bei langdauernden Arbeitsunfähigkeitsperioden in Frage kommen. Zwar
stände dem Arbeitnehmer auch in diesen Fällen für die Stellensuche die
der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist entsprechende Zeit
zur Verfügung. Doch ist nach dem oben Gesagten entscheidend, dass der
Arbeitnehmer auch in der Schlussphase des bisherigen Arbeitsverhältnisses
ausreichend Zeit für die Stellensuche haben soll.

    d) Gegen die Methode der Rückrechnung ist eingewendet worden, dass
sie den Arbeitgeber in exzessiver Weise belaste, weil jede auch noch so
kurze Krankheit des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist praktisch
immer eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um einen ganzen Monat
bewirke (JAR 1985 S. 224). Nach Art. 336c Abs. 2 OR hemmt indes auch eine
kurze Arbeitsunfähigkeit den Lauf der Kündigungsfrist, denn nichts lässt
darauf schliessen, dass der Gesetzgeber den Kündigungsschutz nur für
Arbeitsunfähigkeit von einer gewissen Mindestdauer gewähren wollte. Im
Lichte des anzustrebenden Interessenausgleichs zwischen Arbeitnehmer
und Arbeitgeber (Botschaft zum Arbeitsvertragsrecht vom 25. August 1967,
BBl 1967 II 379; siehe auch BGE 113 II 262 Erw. 2a, 109 II 333 Erw. 2b)
lässt sich allerdings fragen, ob der Arbeitnehmer auch dann in den Genuss
dieses Schutzes kommen soll, wenn die Dauer der Arbeitsunfähigkeit
ganz unbedeutend ist und die oben dargelegten Arbeitnehmerinteressen
dadurch praktisch nicht berührt werden. Dieser unter dem Blickwinkel des
Rechtsmissbrauchs (Art. 2 ZGB) zu prüfende Sachverhalt ist jedoch kein
hinreichender Grund, für den Regelfall nicht jener Lösung den Vorzug zu
geben, die dem mit Art. 336c OR angestrebten Arbeitnehmerschutz am besten
gerecht wird.

    e) Aus dem Gesagten folgt, dass sich das Arbeitsverhältnis der
Beschwerdeführerin mit der Firma B. & Co., wie von der Vorinstanz
festgestellt, aufgrund von Art. 336c Abs. 2 OR bis 31. August 1985
verlängerte.

Erwägung 4

    4.- a) Damit bleibt zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im Monat
August 1985 einen anrechenbaren Verdienstausfall erlitten hat, da die
Erstreckung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund von Art. 336c Abs.
2 OR nicht ohne weiteres bedeutet, dass der Arbeitnehmer für die Dauer
der verlängerten Kündigungsfrist einen Lohnanspruch hat. Art. 336c Abs. 2
Satz 2 OR regelt nur die Frage der Unterbrechung und der Fortsetzung des
Kündigungsfristenlaufs, nicht auch die Frage der Lohnzahlungspflicht
während des erstreckten Arbeitsverhältnisses. Das Gesetz enthält zu
letzterem keine besonderen Normen, so dass die ordentlichen konstitutiven
Voraussetzungen des Lohnanspruchs massgebend sind.

    b) Nach Art. 361 Abs. 1 OR darf von Art. 336c OR durch Abrede weder zu
Ungunsten des Arbeitgebers noch des Arbeitnehmers abgewichen werden. Das
heisst, dass die Parteien beim Abschluss oder bei einer Änderung des
Arbeitsvertrages nicht zum voraus auf den Kündigungsschutz verzichten
dürfen. Dagegen kann praxisgemäss trotz zwingender Kündigungsvorschriften
ein Aufhebungsvertrag nach Art. 115 OR zulässig sein. Die Parteien
können mithin das Arbeitsverhältnis vor Beginn oder während einer durch
die Kündigungsbeschränkung gesetzten Sperrfrist durch gegenseitige
Übereinkunft auflösen (BGE 110 II 170 Erw. 3a, 102 Ia 417; Botschaft zum
Arbeitsvertragsrecht vom 25. August 1967, BBl 1967 II 382; BRÜHWILER, aaO,
Einleitung Art. 336e, S. 190; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 9.
Aufl., S. 104; STREIFF, aaO, N. 2 und 8 zu Art. 336e-f, S. 244 ff.;
HOFMANN, Verzicht und Vergleich im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1985,
S. 195; RENZ, Die Saldoquittung und das Verzichtsverbot im schweizerischen
Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1979, S. 140; SCHUMACHER, Der Vertragsbruch
nach neuem Arbeitsvertragsrecht, Diss. Bern 1974, S. 90). Indes darf
eine solche Vereinbarung nicht zu einer klaren Umgehung des zwingenden
gesetzlichen Kündigungsschutzes führen (BGE 110 II 170 Erw. 3a, 102 Ia
417). Im vorliegenden Fall besteht demnach kein Lohnanspruch für den
Monat August 1985, wenn die Arbeitgeberfirma und die Beschwerdeführerin
im gesetzlich zulässigen Rahmen ausdrücklich oder stillschweigend
übereingekommen sind, auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses
während der verlängerten Kündigungsfrist zu verzichten.

    c) Der Firma B. & Co. war anscheinend nicht entgangen, dass ein
Tatbestand nach Art. 336c Abs. 2 OR vorlag. Sie war jedoch an einer
Weiterbeschäftigung der Beschwerdeführerin nicht interessiert und liess
es deshalb bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses per Ende Juli
1985 stillschweigend bewenden. Die Beschwerdeführerin anderseits zog
eine Wiederaufnahme der Arbeit im August 1985 nicht in Erwägung, weil
sie der rechtsirrtümlichen Meinung war, das Arbeitsverhältnis habe trotz
Verlängerung der Kündigungsfrist per Ende Juli 1985 geendet, weshalb sie
anfangs August nicht zur Arbeit erschien und auch nichts mehr von sich
hören liess. Damit bekundete sie, dass sie das Arbeitsverhältnis mit
dem 31. Juli 1985 als abgeschlossen betrachtete. Ob die Arbeitgeberin,
die nicht wusste, aus welchen Motiven die Beschwerdeführerin auf die
Geltendmachung des Kündigungsschutzes verzichtete, aus diesem Verhalten auf
die Absicht zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung bzw. auf eine Offerte
zu abredeweiser Verkürzung der gesetzlich verlängerten Kündigungsfrist
schliessen durfte, ist fraglich, kann indes offenbleiben. Denn selbst wenn
kein Aufhebungsvertrag zustande kam, hätte die Beschwerdeführerin aufgrund
der nachstehenden Erwägungen für den Monat August 1985 keinen Lohnanspruch.

Erwägung 5

    5.- a) Wird ein Arbeitsverhältnis aufgrund von Art. 336c Abs.  2 OR
erstreckt, so bestehen die bisherigen vertraglichen und gesetzlichen Rechte
und Pflichten der Parteien unverändert fort. Der Arbeitnehmer ist nach
wiedererlangter Arbeitsfähigkeit zur Leistung von Arbeit im Dienste des
Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet (Art. 319
Abs. 1 OR). Kommt der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht nach
und liegen keine anerkannten Verhinderungsgründe vor, so gerät er wegen
Nichterfüllung des Vertrages in Verzug (Art. 102 ff. OR). Der Arbeitgeber
kann in diesem Fall für die Dauer der fehlenden Arbeitsleistung den Lohn
verweigern (Art. 82 OR; REHBINDER, aaO, S. 52; VISCHER, Der Arbeitsvertrag,
in Schweizerisches Privatrecht VII/1, S. 385). Ebenso gelten die Regeln
über den Annahmeverzug des Arbeitgebers. Kann die Arbeit infolge des
Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus
andern Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt
er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer
zur Nachleistung verpflichtet ist (Art. 324 Abs. 1 OR). Arbeitgeberverzug
liegt grundsätzlich erst vor, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit eindeutig
angeboten hat (SCHWEINGRUBER, Kommentar zum Arbeitsvertrag, S. 103;
VISCHER, aaO, S. 381; BRÜHWILER, aaO, N. 3 zu Art. 324, S. 83).

    b) Die Beschwerdeführerin hat nach ihrer Genesung die Arbeit bei
der Firma B. & Co. nicht mehr angetreten und der Firma ihre Dienste
auch nicht angeboten. Sie ist deshalb (in der Hypothese, dass das
Arbeitsverhältnis nicht durch Aufhebungsvertrag vorzeitig beendet wurde,
sondern bis Ende August 1985 Rechtsbestand hatte) mit der Arbeitsleistung
in Verzug geraten. Eine Mahnung seitens der Arbeitgeberin war für
den Eintritt des Verzuges nicht notwendig (MIESCHER, Die Folgen nicht
vertragsgemässer Arbeitsleistung nach dem Dienstvertragsrecht und nach
den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts, Diss. Zürich 1968,
S. 43). Die Beschwerdeführerin hat deshalb nach den oben dargelegten
Grundsätzen für den Monat August 1985 keinen Lohnanspruch.

Erwägung 6

    6.- a) Dagegen kann nicht eingewendet werden, es liege eine durch
die Arbeitgeberin verschuldete Unmöglichkeit der Arbeitsleistung
vor. Ein Arbeitgeber gerät grundsätzlich nicht in Annahmeverzug, wenn
er es unterlässt, den Arbeitnehmer aufzufordern, seine Arbeit während
des nach Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR verlängerten Arbeitsverhältnisses
weiterzuführen (anders Gewerbliches Schiedsgericht Basel-Stadt/JAR
1983 S. 170; STREIFF, aaO, N. 2 zu Art. 336e-f, S. 245). Vielmehr ist
es Sache des Arbeitnehmers, seine Dienste anzubieten, und erst wenn
diese abgelehnt werden, kommt der Arbeitgeber in Verzug (siehe auch
Kantonsgericht St. Gallen/JAR 1984 S. 168; Arbeitsgericht Zürich/JAR
1986 S. 97). Beizufügen bleibt, dass sich die fehlende Aufforderung zur
Arbeitsaufnahme oder die fehlende Erkundigung der Arbeitgeberfirma nach
den Motiven für das Fernbleiben der Beschwerdeführerin von ihrer Arbeit
auch nicht als Freistellung von der Arbeit während der Kündigungsfrist
interpretieren lässt.

    b) Entgegen der in einem Teil der kantonalen Judikatur (Basel- Stadt:
JAR 1986 S. 174 f. und 1983 S. 170; Genf: SJ 1987 S. 554) und von AUBERT
in SJ 1987 S. 557 vertretenen Auffassung liegt ein rechtsgenügliches
Arbeitsangebot nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitgeber aufgrund der
Umstände zu vermuten hat, dass der Arbeitnehmer während der verlängerten
Kündigungsfrist für eine weitere Beschäftigung an sich zur Verfügung
stünde. Von einem tatsächlichen Angebot kann nur gesprochen werden,
wenn der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unmissverständlich die Absicht
bekanntgibt, für ihn während der verlängerten Kündigungsfrist tätig
zu sein. Die Bekundung genereller Arbeitsbereitschaft - lediglich
dargetan durch die Tatsache, dass der arbeitsfähige Arbeitnehmer nach
Ablauf der ursprünglichen Kündigungsfrist ohne Arbeit ist oder sich
bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hat -
stellt zum einen keine an den früheren Arbeitgeber gerichtete Mitteilung
dar und bringt zum andern auch nicht ohne weiteres zum Ausdruck, dass
der Arbeitnehmer tatsächlich bereit und willens ist, weiterhin für den
bisherigen Arbeitgeber tätig zu sein. Es ist Sache des Arbeitnehmers,
hier im Interesse seines Lohnanspruchs die notwendige Klarheit zu schaffen,
was nur durch ein konkretes Arbeitsangebot an die Adresse des bisherigen
Arbeitgebers geschehen kann. Der Kündigungsschutz nach Art. 336c Abs. 2
Satz 2 OR geht nicht so weit, dass der Arbeitnehmer, der während der
verlängerten Kündigungsfrist auf Stellensuche ist oder für Arbeit an sich
verfügbar wäre, unter Wahrung eines Lohnanspruchs untätig zuwarten kann,
bis er vom bisherigen Arbeitgeber zur Arbeitsaufnahme aufgefordert wird.
Es ist auch hier ein billiger Ausgleich zwischen den Interessen des
Arbeitgebers und Arbeitnehmers anzustreben (siehe dazu genannte Botschaft,
aaO, S. 379; BGE 113 II 262 Erw. 2a, 109 II 333 Erw. 2b).

    c) Dass der Arbeitnehmer auf die Verlängerung der Kündigungsfrist
gemäss Art. 336c Abs. 2 OR aufgrund von Art. 361 Abs. 1 OR nicht
zum voraus ganz oder teilweise verzichten darf, verpflichtet den
Arbeitgeber ebenfalls nicht zur Lohnzahlung schon dann, wenn bloss
eine generelle Arbeitsbereitschaft erkennbar ist. Wie oben dargelegt,
regelt Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR nicht die rechtlichen Voraussetzungen
der Lohnzahlungspflicht in diesem Bereich, weshalb sich daraus kein
Lohnanspruch unter erleichterten Bedingungen ableiten lässt.

    Ebensowenig ist im vorliegenden Fall das Verzichtsverbot nach
Art. 341 OR beachtlich. Danach kann der Arbeitnehmer während der Dauer
des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung auf
Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes
ergeben, nicht verzichten. Diese Vorschrift betrifft den Verzicht
bereits entstandener Forderungen des Arbeitnehmers (siehe BGE 110 II 168,
105 II 39; HOFMANN, aaO, S. 195, N. 28 mit Kritik an BGE 102 Ia 417;
RENZ, aaO, S. 139) oder Rechtspositionen, welche später eintretende
Ansprüche begründen und auf die der Arbeitnehmer nicht zum voraus
einseitig verzichten kann (siehe BGE 110 II 168, 102 Ia 417). Art. 341
OR schützt jedoch nicht vor Lohnverlusten, die ein Arbeitnehmer erleidet,
weil er aus Gründen, die nicht vom Arbeitgeber zu vertreten sind, die
arbeitsvertraglichen Lohnvoraussetzungen nicht erfüllt.

    d) Am Gesagten vermag nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin
wegen eines Rechtsirrtums während der verlängerten Kündigungsfrist die
Arbeit bei der Firma B. & Co. nicht fortgesetzt hatte. Ein Arbeitgeber
ist in der Regel nach allgemeinen obligationenrechtlichen Grundsätzen
nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf seine Rechte - hier auf
den Kündigungsschutz - aufmerksam zu machen und sich im Hinblick auf
solche Informationen die notwendigen Rechtskenntnisse anzueignen, so
dass eine solche Unterlassung grundsätzlich nicht zu Verzugsfolgen
führt (siehe auch Arbeitsgericht Zürich/JAR 1986 S. 98 und RENZ,
aaO, S. 49). Eine Verpflichtung zu solchem Handeln ergibt sich auch
nicht aus den Bestimmungen zum Kündigungsschutz oder einer allgemeinen
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (siehe dazu REHBINDER, aaO, S. 74). Ob
sich allenfalls aus allgemeiner Fürsorgepflicht oder als Ausfluss aus dem
Gebot des Handelns nach Treu und Glauben eine Aufklärungspflicht dann
ergäbe, wenn der Arbeitgeber den Irrtum des Arbeitnehmers bemerkt oder
bemerken müsste und gleichzeitig erkennt, dass der Arbeitnehmer durch die
Nichtgeltendmachung des Kündigungsschutzes einen irreparablen Nachteil
erleidet (wie das Arbeitsgericht Zürich in JAR 1986 S. 98 f. erkannte;
siehe auch RENZ, aaO, S. 49 mit Hinweisen auf die Lehre), kann im
vorliegenden Fall offenbleiben. Die Firma B. & Co. wusste nämlich nicht,
weshalb die Beschwerdeführerin während der verlängerten Kündigungsfrist
der Arbeit fernblieb. Daraus ergibt sich, dass die Arbeitgeberin gegen
keine gesetzliche Verpflichtung verstiess, weil sie die Beschwerdeführerin
über den Kündigungsschutz nicht aufklärte und sich auch nicht danach
erkundigte, weshalb diese die Gelegenheit zur Arbeit im Monat August 1985
nicht wahrnahm.

Erwägung 7

    7.- Aus dem Gesagten folgt, dass Verwaltung und Vorinstanz zu Unrecht
das Bestehen eines Lohnanspruchs für den Monat August 1985 bejaht und
die Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung für diesen Monat
verneint haben. Die Sache geht an die Verwaltung zurück, damit diese
über das Leistungsgesuch der Beschwerdeführerin unter dem Blickwinkel
der weiteren Anspruchsvoraussetzungen befinde.