Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 V 395



115 V 395

54. Urteil vom 16. Oktober 1989 i.S. Krankenkasse des Personals des
Bundes und der schweizerischen Transportanstalten gegen Bundesamt für
Sozialversicherung und Eidgenössisches Departement des Innern Regeste

    Art. 4 KUVG, Art. 2 Vo V, Art. 5 Abs. 1 VwVG, Art. 129 Abs. 1 lit. a
OG: Gerichtliche Überprüfung von Statutenbestimmungen der Krankenkassen.

    - Frage offengelassen, ob der Verwaltungsakt des Bundesamtes für
Sozialversicherung betreffend die Genehmigung von Kassenstatuten und
Reglementen eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VwVG darstellt
(Erw. 1).

    - Kassenstatuten und Reglemente sind Erlassen nach Art. 129 Abs. 1
lit. a OG gleichzustellen (Erw. 2).

    - Gegen den Entscheid des Eidgenössischen Departementes des Innern
betreffend die Nichtgenehmigung von Kassenstatuten bzw. Reglementen ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig (Erw. 3). Die gerichtliche
Überprüfung von Statutenbestimmungen erfolgt erst bei der Anwendung im
Einzelfall im Rahmen der inzidenten Normenkontrolle (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Der Zentralvorstand der Krankenkasse des Personals des Bundes
und der schweizerischen Transportanstalten (KPT) erliess am 23. März
1987 das Reglement über die Senioren-Spitalversicherung, das am 1. Juli
1987 in Kraft trat. Gemäss Art. 4 Abs. 2 des Reglementes beginnt die
Bezugsberechtigung erst nach Ablauf von zwölf Versicherungsmonaten. Mit
"Verfügung" vom 21. April 1988 verweigerte das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV) die Genehmigung des Reglementes mit der
Begründung, die vorgesehene Karenzzeit von zwölf Monaten verstosse gegen
Art. 13 Abs. 1 KUVG, wonach diese nicht mehr als drei Monate betragen
dürfe.

    B.- Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) wies
die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 23. November
1988 ab. Laut Rechtsmittelbelehrung unterlag der Entscheid der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht.

    C.- Die KPT führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen,
der Entscheid des EDI sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die
reglementarisch vorgesehene Karenzzeit von zwölf Monaten nicht gegen
Art. 13 Abs. 1 KUVG verstosse.

    EDI und BSV beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Angefochten ist der Entscheid des EDI vom 23. November
1988, mit welchem die Nichtgenehmigung des Reglementes der KPT
über die Senioren-Spitalversicherung durch das BSV bestätigt wurde
(vgl. Art. 4 KUVG in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung V über die
Krankenversicherung betreffend die Anerkennung von Krankenkassen und
Rückversicherungsverbänden sowie ihre finanzielle Sicherheit). Ob
der Gegenstand des Departementsentscheides, d.h. die Überprüfung der
Gesetzmässigkeit des Verwaltungsaktes vom 21. April 1988, gemäss Art. 98
lit. b in Verbindung mit Art. 128 OG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
dem Eidg. Versicherungsgericht zur Beurteilung vorgelegt werden kann,
ist als Eintretensvoraussetzung von Amtes wegen - und ohne Bindung an
die im Entscheid des EDI enthaltene Rechtsmittelbelehrung - zu prüfen
(BGE 114 V 242 Erw. 3a mit Hinweisen). Dabei spielt es keine Rolle,
ob die Vorinstanz die Beschwerde im Sinne der Art. 44 ff. VwVG oder als
Aufsichtsbeschwerde nach Art. 71 VwVG behandelte, war sie doch im einen
wie im andern Fall zuständig. Die Frage, ob es sich beim Verwaltungsakt
des BSV vom 21. April 1988 um eine Verfügung nach Art. 5 Abs. 1 VwVG
handelt, kann im vorliegenden Fall offengelassen werden, wie sich aus
der nachstehenden Erwägung ergibt.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 129 Abs. 1 lit. a OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig gegen "Verfügungen über
die Genehmigung von Erlassen". Den Erlassen im Sinne von generellen und
abstrakten Regelungen bestimmten Inhaltes (GYGI, Verwaltungsrecht, S. 89;
vgl. auch IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
6. Aufl., Bd. I, S. 35) sind Satzungen gleichgestellt, wenn sie kraft
gesetzlich begründeter Ermächtigung von öffentlichrechtlichen Anstalten,
öffentlichen Körperschaften oder beliehenen Organisationen statuiert
werden (GYGI, Verwaltungsrecht, S. 92). Dazu gehören die Statuten
bzw. Reglemente anerkannter Krankenkassen (MAURER, Schweizerisches
Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 140).

    Die Genehmigung von Erlassen im Sinne von Art. 129 Abs. 1
lit. a OG ist Mitwirkung bei einem Rechtssetzungsakt (GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 105 und 227). Die
gerichtliche Überprüfung von Statutenbestimmungen erfolgt erst bei
der Anwendung im Einzelfall im Rahmen der inzidenten Normenkontrolle
(vgl. RKUV 1986 Nr. K 693 S. 415 Erw. 3; BGE 112 V 287 Erw. 3 und 292
Erw. 1 in fine bezüglich Tarifen gemäss Art. 129 Abs. 1 lit. b OG bzw.
konkret angewandter Tarifpositionen).

Erwägung 3

    3.- a) Aus dem Gesagten folgt, dass auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der KPT gegen den Entscheid des EDI vom 23.
November 1988 betreffend die Nichtgenehmigung des Reglementes über die
Senioren-Spitalversicherung vom 23. März 1987 (im Sinne von Art. 4 KUVG
in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung V) nicht eingetreten werden kann.

    b) Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung bindet, wie bereits gesagt,
das Eidg. Versicherungsgericht nicht; es dürfen daraus den Parteien aber
keine Nachteile erwachsen (Art. 107 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 132
OG). Da gegen Entscheide des EDI die Beschwerde an den Bundesrat zulässig
ist (Art. 72 lit. a in Verbindung mit Art. 74 lit. a VwVG), hat das
Eidg. Versicherungsgericht die Beschwerde dem Bundesrat zu übermitteln.