Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 V 337



115 V 337

44. Urteil vom 22. November 1989 i.S. F. gegen Ausgleichskasse Zürcher
Arbeitgeber und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 9 Abs. 2 AHVG, Art. 18 Abs. 3 AHVV, Art. 82 BVG, Art. 7 Abs. 1
BVV 3: Abzüge vom rohen Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit.

    Für die Belange der AHV-Beitragserhebung dürfen die Einlagen des
Selbständigerwerbenden in der individuell gebundenen beruflichen Vorsorge
(Säule 3a) nicht vom Brutto-Erwerbseinkommen abgezogen werden.

Sachverhalt

    A.- Am 25. März 1988 meldete das Steueramt des Kantons Zürich der
Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber für Arthur F. ein Einkommen aus
selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 109'713.-- im Jahre 1985 und von
Fr. 130'143.-- im Jahre 1986. Gestützt darauf und nach Aufrechnung der
persönlichen Beiträge ermittelte die Ausgleichskasse ein durchschnittliches
Jahreseinkommen von Fr. 127'110.--, auf dem sie für die Jahre 1988 und
1989 vom Versicherten persönliche Sozialversicherungsbeiträge erhob
(Verfügung vom 7. Juni 1988).

    B.- Beschwerdeweise machte Arthur F. gegenüber der AHV-Rekurskommission
des Kantons Zürich geltend, im Sinne von Art. 18 Abs. 3 AHVV müssten
Einlagen von Selbständigerwerbenden in anerkannte Formen der gebundenen
Selbstvorsorge (Säule 3a) als geschäftsmässig begründeter Aufwand vom
rohen Einkommen abgezogen werden. In seinem Fall habe sich diese Einlage
im Jahre 1986 auf Fr. 17'402.-- belaufen.

    Mit Entscheid vom 10. März 1989 hat die Rekurskommission die Beschwerde
abgewiesen.

    C.- Der Versicherte erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, "es seien die geleisteten persönlichen Vorsorge- Beiträge
vollumfänglich vom AHV-pflichtigen Einkommen abzuziehen"; eventuell
seien diese Beiträge "im Umfange der finanzierten Personal-Beiträge"
zum Abzug zuzulassen. Zur Begründung bringt der Beschwerdeführer im
wesentlichen vor: Es sei willkürlich und widerspreche dem Sinne des BVG,
wenn nach Art. 18 Abs. 3 AHVV lediglich die persönlichen Einlagen in
Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (2. Säule), nicht aber Beiträge
an die Säule 3a als geschäftsmässig begründeter Aufwand betrachtet und
abgezogen werden könnten. Das BVG anerkenne die Beiträge der Arbeitgeber an
Vorsorgeeinrichtungen ausdrücklich als Geschäftsaufwand. Die Säulen 2 und
3a hätten die gleichen Zielsetzungen. Bei beiden Säulen seien die Beiträge
gebunden. Der freiwillig versicherbare Selbständigerwerbende könne zwischen
dem Anschluss an die eine oder andere Vorsorgeeinrichtung frei wählen.
Durch die Verwaltungspraxis werde die 2. Säule entgegen der Absicht
des Gesetzgebers bevorzugt behandelt. Wenn zudem die Steuerbehörden
die Abzüge gemäss Art. 18 Abs. 3 AHVV "nach den Vorschriften über
die direkte Bundessteuer" zu ermitteln haben, müsse daraus geschlossen
werden, dass auch die Beiträge an Vorsorgeeinrichtungen der Säule 3a als
Geschäftsaufwand voll abziehbar seien. Die zitierte Verordnungsbestimmung
schränke lediglich den Abzug von Beiträgen an die 2. Säule ein.

    Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine Vernehmlassung zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
deren Abweisung beantragt.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Kognition)

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 9 Abs. 1 AHVG ist Einkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger
Stellung geleistete Arbeit darstellt. Es wird ermittelt, indem das rohe
Einkommen um die in Art. 9 Abs. 2 lit. a bis e AHVG aufgeführten Abzüge
vermindert wird. Der Bundesrat ist befugt, nötigenfalls weitere Abzüge vom
rohen Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zuzulassen (Art. 9 Abs.
2 letzter Satz AHVG). In diesem Sinne hat der Bundesrat mit Verordnung vom
15. Dezember 1986 in Art. 18 Abs. 3 AHVV folgende Vorschrift erlassen:
Vom rohen Einkommen sind persönliche Einlagen an Einrichtungen der
beruflichen Vorsorge in dem Ausmasse abzuziehen, das üblicherweise dem
Arbeitgeberanteil solcher Einlagen entspricht, wobei es den kantonalen
Steuerbehörden obliegt, diese Abzüge nach den Vorschriften über die direkte
Bundessteuer zu ermitteln. Diese Verordnungsbestimmung ist am 1. Januar
1987 in Kraft getreten. Laut Übergangsbestimmung zur Verordnung gilt die
durch Art. 18 Abs. 3 geschaffene Abzugsmöglichkeit für alle Einkommen
aus selbständiger Erwerbstätigkeit, die seit dem 1. Januar 1985 erzielt
worden sind.

    Aufgrund von Art. 18 Abs. 3 AHVV können die Selbständigerwerbenden
vom rohen Einkommen in dem Umfang Beiträge an Einrichtungen der
2. Säule für ihre persönliche berufliche Vorsorge abziehen, wie sie
üblicherweise als Arbeitgeber Beiträge an die berufliche Vorsorge ihrer
Arbeitnehmer leisten. Unter Einrichtungen der beruflichen Vorsorge sind
im Sinne der Terminologie des BVG ausschliesslich solche der 2. Säule zu
verstehen. Anlass zu dieser Regelung bildete in erster Linie das Gebot
der rechtsgleichen Behandlung von Selbständigerwerbenden und Arbeitnehmern
(vgl. KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV,
S. 172, Rz. 8.19); denn so wie die vom Arbeitgeber übernommenen Einlagen
in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge seiner Arbeitnehmer nicht zu
deren für die paritätischen Sozialversicherungsbeiträge massgebendem Lohn
gehören, so wenig sollen die vom Selbständigerwerbenden für sich persönlich
geleisteten Einlagen an Einrichtungen der 2. Säule als massgebendes und
damit abgabepflichtiges Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit
gelten. Vielmehr sollen sie als geschäftsmässig begründeter Aufwand vom
rohen Erwerbseinkommen abgezogen werden dürfen (vgl. ZAK 1987 S. 5 f.).

    Dagegen sieht weder Art. 9 Abs. 2 AHVG noch Art. 18 Abs. 3 AHVV vor,
dass die Einlagen des Selbständigerwerbenden in Einrichtungen der Säule
3a (andere der beruflichen Vorsorge dienende, anerkannte Vorsorgeformen)
vom Bruttoerwerbseinkommen abgezogen werden dürfen. Keine der beiden
einschlägigen Bestimmungen erwähnt den in Art. 82 BVG für die steuerlichen
Belange vorgesehenen Abzug von Beiträgen für weitere anerkannte Formen
der gebundenen Vorsorge. Der Bundesrat hat es ausdrücklich abgelehnt,
in der AHVV Einlagen der Selbständigerwerbenden in die Säule 3a von der
Beitragserhebung auszunehmen (ZAK 1987 S. 6 und 350).

    b) Zwar kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des
Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen
abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen. (Es folgen Ausführungen
über die Überprüfung der Verordnungen des Bundesrates.)

    Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist es nicht willkürlich,
wenn die AHVV nicht vorsieht, dass Beiträge des Selbständigerwerbenden
an die Säule 3a nicht vom Bruttoerwerbseinkommen abgezogen werden
können. Das Fehlen einer solchen Abzugsmöglichkeit stützt sich vielmehr
auf ernsthafte Gründe und trifft bewusst eine Unterscheidung, die sich
sachlich rechtfertigen lässt:

    Die 3. Säule steht zwar verfassungsrechtlich als gleichwertige
Vorsorgeträgerin neben der 1. und der 2. Säule. In ihren Wirkungen
geht sie jedoch über die Sozialversicherung der 2. Säule hinaus. Sie
ist Selbstvorsorge, die hauptsächlich im individuellen Sparen besteht
(BBl 1971 II 1598; BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in
der Schweiz, S. 174 f., N. 35/36; RIEMER, Das Recht der beruflichen
Vorsorge in der Schweiz, S. 30, N. 15). Einlagen in die Säule 3a sind,
obwohl steuerlich bevorzugt behandelt, AHV-rechtlich als Aufwendungen
der privaten Lebenshaltung zu betrachten. Das gilt sowohl für den
Selbständigerwerbenden als auch für den Arbeitnehmer. Kosten der privaten
Lebenshaltung können vom Bruttoerwerbseinkommen des Arbeitnehmers nicht
abgezogen werden. Würde man die Einlagen der Selbständigerwerbenden in
die 3. Säule anders qualifizieren, so liefe dies auf eine Bevorzugung und
somit auf eine Ungleichbehandlung der Selbständigerwerbenden gegenüber
den Arbeitnehmern hinaus. Demzufolge wäre es unzulässig, die Beiträge
Selbständigerwerbender für anerkannte Vorsorgeformen der gebundenen
Vorsorge im Sinne von Art. 82 BVG für die Belange der AHV-Beitragserhebung
zum Abzug vom Bruttoerwerbseinkommen zuzulassen.

    An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die Beiträge der Arbeitnehmer
und der Selbständigerwerbenden an anerkannte Vorsorgeformen in dem
durch die Verordnung umschriebenen Ausmass steuerlich abziehbar sind
(vgl. Art. 82 BVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 BVV 3 und Art. 22
Abs. 1 lit. i BdBSt). Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass die
3. Säule auch mittels der 1. Säule durch Abzug der Einlagen in anerkannte
Vorsorgeformen vom rohen Einkommen zu fördern wäre.

    Nach dem Gesagten erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
als unbegründet.