Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 V 191



115 V 191

28. Urteil vom 28. Juni 1989 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen B.
und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel Regeste

    Art. 21 IVG, Ziff. 6 HVI-Anhang. Das Cochlea-Implantat, eine
elektronische Hörhilfe, füllt nicht unter den Begriff des Hilfsmittels
nach Art. 21 IVG (Erw. 2).

    Art. 12 IVG, Art. 2 Abs. 1 IVV. Voraussetzungen, unter denen
die Invalidenversicherung das Cochlea-Implantat bei Erwachsenen als
medizinische Eingliederungsmassnahme zu übernehmen hat (Erw. 4-6).

Sachverhalt

    A.- Die 1928 geborene Ruth B. erlitt im Alter von 20 Jahren
infolge der Behandlung einer Nierenkrankheit mit Streptomyzin eine
Akustikusschädigung mit völliger Taubheit. Seither litt sie wiederholt
an reaktiven Depressionen, die auf Ende Januar 1981 zur Aufgabe der
Erwerbstätigkeit als medizinische Laborantin am Kantonsspital B. und zur
vorzeitigen Pensionierung führten. Seit 1. Mai 1981 bezieht sie eine
ganze Invalidenrente. Bereits früher hatte die Invalidenversicherung
die Kosten für ein Tonbandgerät sowie für die Montage/Demontage von
optischen Signalanlagen in der Wohnung übernommen und 1983 leihweise ein
Schreibtelefon mit Lichtsignalanlage abgegeben.

    Am 18. Juni 1986 ersuchte Prof. P., Vorsteher der Universitätsklinik
und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kantonsspital
B., die Invalidenversicherungs-Kommission, Ruth B. die Kosten für ein
Cochlea-Implantat in der Höhe von rund 27'000 Franken zu vergüten. Beim
Cochlea-Implantat (CI) handelt es sich um eine Verbindung zwischen
Chirurgie und Hörprothetik. Dabei wird einerseits chirurgisch eine
Stimulationselektrode bzw. ein Elektrodenbündel ans runde Fenster
der Schnecke eingelegt und fixiert. Anderseits trägt der Patient
einen computergesteuerten Prozessor bei sich, der Sprachsignale
in geeignete Reizströme umwandelt, die transkutan induktiv auf das
Implantat übertragen werden. Dies verhilft zur Erkennung einfacher
prosodischer Sprachelemente (Rhythmus, Betonung, Melodie) und ermöglicht
eine rudimentäre Diskrimination von Sätzen, Wörtern und Phonemen. Die
Implantation wurde am 12. August 1986 vorgenommen. Gestützt auf eine
Stellungnahme des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) beschloss
die Invalidenversicherungs-Kommission, das Gesuch abzuweisen; das
Einsetzen der elektronischen Gehörprothese stelle im heutigen Zeitpunkt
keine Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung dar, weil der
therapeutische Erfolg in bezug auf die Kommunikationsfähigkeit noch
nicht ausgewiesen sei. Mit dieser Begründung verfügte die Ausgleichskasse
Basel-Stadt am 5. Januar 1987 die Ablehnung des Leistungsbegehrens.

    B.- Die Versicherte führte hiegegen Beschwerde mit dem Antrag,
die Invalidenversicherung sei zur Übernahme der Kosten der Prothese
zu verpflichten. In Gutheissung der Beschwerde hob die Kantonale
Rekurskommission für die Ausgleichskassen Basel-Stadt die angefochtene
Verfügung auf und verhielt die Invalidenversicherung, das CI als
Hilfsmittel abzugeben (Entscheid vom 11. Juni 1987).

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das BSV, der
vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.

    Ruth B. schliesst sinngemäss auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Ausgleichskasse verzichtet
auf eine Vernehmlassung und verweist auf die Stellungnahme der
Invalidenversicherungs-Kommission, welche das Rechtsbegehren des BSV
unterstützt.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Invalidenversicherung
für die Kosten des CI aufzukommen hat. Dabei fällt eine Übernahme als
Hilfsmittel nach Massgabe von Art. 21 IVG oder als medizinische Massnahme
gemäss Art. 12 IVG in Betracht.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG hat der Versicherte im Rahmen einer
vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel,
deren er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in
seinem Aufgabenbereich, für die Schulung die Ausbildung oder zum Zwecke
der funktionellen Angewöhnung bedarf. Ferner bestimmt Art. 21 Abs. 2 IVG,
dass der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung,
für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge
kostspieliger Geräte bedarf, im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden
Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche
Hilfsmittel hat.

    Die Befugnis zur Aufstellung der Hilfsmittelliste und zum Erlass
ergänzender Vorschriften im Sinne von Art. 21 Abs. 4 IVG hat der
Bundesrat in Art. 14 IVV an das Eidgenössische Departement des Innern
übertragen, welches die Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln
durch die Invalidenversicherung (HVI) mit anhangsweise aufgeführter
Hilfsmittelliste erlassen hat. Laut Art. 2 HVI besteht im Rahmen der im
Anhang aufgeführten Liste Anspruch auf Hilfsmittel, soweit diese für die
Fortbewegung, die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die
Selbstsorge notwendig sind (Abs. 1); Anspruch auf die in dieser Liste mit
* bezeichneten Hilfsmittel besteht, soweit diese für die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung,
die Ausbildung, die funktionelle Angewöhnung oder für die bei einzelnen
Hilfsmitteln ausdrücklich genannte Tätigkeit notwendig sind (Abs. 2).

    Nach Ziff. 6.01 HVI-Anhang gibt die Invalidenversicherung Hörapparate
ab, sofern bei hochgradiger Schwerhörigkeit durch den Einsatz eines solchen
Gerätes eine wesentliche Verbesserung des Hörvermögens erreicht werden
kann. Laut Ziff. 6.02* besteht Anspruch auf Abgabe eines Hörapparates,
sofern bei Schwerhörigkeit durch den Einsatz eines solchen Gerätes die
Schulung, Ausbildung oder Berufsausübung erleichtert wird.

    b) Die im Anhang zur Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln
durch die Invalidenversicherung (HVI) enthaltene Liste ist insofern
abschliessend, als sie die in Frage kommenden Hilfsmittelkategorien
aufzählt. Dagegen ist bei jeder Hilfsmittelkategorie zu prüfen, ob die
Aufzählung der einzelnen Hilfsmittel (innerhalb der Kategorie) ebenfalls
abschliessend oder bloss exemplifikatorisch ist (BGE 108 V 5 Erw. 1b,
105 V 25 Erw. 1).

    c) Praxisgemäss ist unter einem Hilfsmittel des IVG ein Gegenstand
zu verstehen, dessen Gebrauch den Ausfall gewisser Teile oder Funktionen
des menschlichen Körpers zu ersetzen vermag (BGE 112 V 15 Erw. 1b mit
Hinweis). Daraus ist zu schliessen, dass der Gegenstand ohne strukturelle
Änderung ablegbar und wieder verwendbar sein muss. Dieses Erfordernis
bezieht sich jedoch nicht nur auf den Gegenstand selbst, sondern auch
auf den menschlichen Körper und dessen Integrität. Ein Gegenstand, der
seine Ersatzfunktionen nur erfüllen kann, wenn er zuerst durch einen
eigentlichen chirurgischen Eingriff ins Körperinnere verbracht wird und
nur auf gleiche Weise wieder zu ersetzen ist, stellt kein Hilfsmittel
im Sinne des Gesetzes dar (BGE 101 V 269 Erw. 1b; vgl. auch ZAK 1986
S. 527 Erw. 2b). Sowenig die Rechtsprechung künstlichen Herzklappen (EVGE
1965 S. 262), Schrittmachern für Herzfunktionen (ZAK 1966 S. 49) oder
Rückenmarkstimulatoren (BGE 101 V 267) Hilfsmittelcharakter zuerkannt
hat, sowenig weist das CI diese Eigenschaft auf. Daran ändert nichts,
dass nur die Stimulationselektrode chirurgisch ins Ohr eingepflanzt und
das zentrale Element, der elektronische Sprachprozessor, extrakorporell
getragen wird. Denn der Prozessor ist nur ein Bestandteil der gesamten
Anlage. Er wäre ohne die mittels eines chirurgischen Eingriffs ins Ohr
eingepflanzte Stimulationselektrode nutzlos. Es kann ihm daher keine
Ersatzfunktion für den Ausfall einer Sinneswahrnehmung zukommen. Zwar
liesse sich die Ansicht vertreten, die gesamte Anlage stelle eine
Kombination von medizinischer Eingliederungsmassnahme (Implantat) und
Hilfsmittel (Prozessor) dar. Der Prozessor lässt sich jedoch nicht in eine
Hilfsmittelkategorie der HVI einordnen. Wohl sind von der Zielsetzung
her Ähnlichkeiten mit einem Hörapparat im Sinne von Ziff. 6 HVI-Anhang
zu erkennen; doch ist der Prozessor von seinem technischen Aufbau her
nicht mit einem herkömmlichen Hörapparat zu vergleichen.

    d) Kommt dem CI somit entgegen der Auffassung der Vorinstanz kein
Hilfsmittelcharakter zu, ist zu entscheiden, ob die Invalidenversicherung
Leistungen im Rahmen medizinischer Eingliederungsmassnahmen, zu welchen
sowohl die operative Vorkehr wie auch das CI gehören, zu erbringen hat.

Erwägung 3

    3.- Der Versicherte hat laut Art. 12 Abs. 1 IVG Anspruch auf
medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an
sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und
geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern
oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Behandlung des
Leidens an sich ist rechtlich jede medizinische Vorkehr, sei sie auf
das Grundleiden oder auf dessen Folgeerscheinungen gerichtet, solange
labiles pathologisches Geschehen vorhanden ist. Eine solche Vorkehr
bezweckt nicht unmittelbar die Eingliederung. Durch den Ausdruck labiles
pathologisches Geschehen wird der juristische Gegensatz zu wenigstens
relativ stabilisierten Verhältnissen hervorgehoben. Erst wenn die Phase des
labilen pathologischen Geschehens insgesamt abgeschlossen ist, kann sich -
bei volljährigen Versicherten - die Frage stellen, ob eine medizinische
Vorkehr Eingliederungsmassnahme sei. Die Invalidenversicherung übernimmt
daher in der Regel nur unmittelbar auf die Beseitigung oder Korrektur
stabiler Defektzustände oder Funktionsausfälle gerichtete Vorkehren,
sofern sie die Wesentlichkeit und Beständigkeit des angestrebten Erfolges
im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG voraussehen lassen (BGE 112 V 349 Erw. 2,
105 V 19 und 149, 104 V 82 Erw. 1).

Erwägung 4

    4.- a) Die bei der Beschwerdegegnerin als Folge einer medikamentösen
Therapie seit dem 20. Altersjahr bestehende Taubheit stellt einen stabilen
Defektzustand dar und ist medizinischen Eingliederungsmassnahmen der
Invalidenversicherung daher grundsätzlich zugänglich. Diese Massnahmen
müssen nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt
sein und den Eingliederungserfolg in einfacher und zweckmässiger Weise
anstreben (Art. 2 Abs. 1 IVV).

    b) Zu prüfen ist vorab, ob es sich beim CI um eine nach bewährter
Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigte Massnahme handelt.

    Im sozialen Krankenversicherungsrecht ist die gesetzliche
Leistungspflicht der Krankenkassen für Krankenpflege auf die
wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen beschränkt (Art. 12 Abs. 2
Ziff. 1 lit. b und Ziff. 2 sowie Abs. 5 KUVG in Verbindung mit Art. 21
und 26 Vo III, Vo 8 und 9 zum KUVG; BGE 108 V 254 Erw. 1a/b, vgl. auch
BGE 113 V 44 Erw. 4b, 112 V 305 Erw. 2b; RKUV 1987 Nr. K 707 S. 8 Erw. 2
mit Hinweisen).

    Nach der Rechtsprechung gilt eine Behandlungsart dann als bewährter
Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft entsprechend, wenn sie von
Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis
anerkannt ist. Das Schwergewicht liegt auf der Erfahrung und dem Erfolg
im Bereich einer bestimmten Therapie (BGE 114 V 260 Erw. 2, 105 V 185
Erw. 3; vgl. auch BGE 113 V 45 Erw. 4d/aa mit Hinweisen; RKUV 1989 Nr. K
790 S. 4 Erw. 2b): Diese im Gebiet der Krankenpflege geltende Definition
der Wissenschaftlichkeit findet grundsätzlich auch auf die medizinischen
Massnahmen der Invalidenversicherung Anwendung (BGE 114 V 22 Erw. 1a).

    c) In seiner Stellungnahme zuhanden der
Invalidenversicherungs-Kommission äusserte sich das BSV zum CI am
10. November 1986 wie folgt:

    "Das Cochlea-Implant wurde weltweit bei über 500 Personen angewendet.

    Die Methode ist an sich geeignet, auf das Innenohr resp. den Hörnerv
   einzuwirken und insofern wohl wissenschaftlich anerkannt. Wie bei jeder

    Anwendung einer Neuheit dürfte, besonders am Anfang, ein gewisser
Anteil
   aus Erprobung, Verbesserung und Fortentwicklung bestehen. Zweifellos
   liegt der Zeitpunkt der funktionellen Perfektionierung noch in weiter

    Ferne.

    Wichtigstes Element beim Cochlea-Implant ist unseres Erachtens im
   heutigen Zeitpunkt aber die Frage des genügenden therapeutischen

    Erfolges dieses Hörgerätes in bezug auf die Kommunikationsfähigkeit
   (Proportion des Kommunikationsgewinns: reines

    Lippenablesen/Cochlea-Implant mit anschliessendem intensivem
Hörtraining).

    Das System erlaubt bis jetzt nur eine grobe akustische
Diskrimination. Als

    Hauptgewinn ist der neue akustische Kontakt mit der Umwelt zu
sehen. Das

    Lippenablesen wird unterstützt, wobei die Erfolge, trotz strenger

    Indikationsstellung, sehr unterschiedlich ausfallen
können. Kommunikation
   ohne visuellen Kontakt (d.h. ohne Zuhilfenahme des Lippenablesens)
   ist bisher nur rudimentär (bekannter Gesprächspartner, einfache
   Mitteilungen) und bei weitem nicht in allen Füllen möglich. Auch
   wenn die

    Wiedererlangung eines auch nur minimalen Sinneseindrucks subjektiv von
   sehr grosser Bedeutung sein mag, ist nach unserem Erachten der

    Kommunikationsgewinn dieser Methode im Vergleich zum reinen

    Lippenablesen noch zuwenig ausgeprägt, um Leistungen der

    Invalidenversicherung erwirken zu können."

    In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hält das BSV im wesentlichen
an seinem Standpunkt fest. Zwar anerkennt es die Wissenschaftlichkeit
der Methode, vertritt aber die Auffassung, dass die sehr kostspielige
Versorgung in keinem vertretbaren Verhältnis zum erreichbaren Nutzen
stehe. Schliesslich verweist es auf die Ausführungen der Eidgenössischen
Fachkommission für Fragen der medizinischen Eingliederung in der
Invalidenversicherung, welche in einer Stellungnahme vom 8. Dezember
1988 die vorbehaltlose Übernahme des CI durch die Invalidenversicherung
abgelehnt hatte.

    d) Aufgrund der medizinischen Unterlagen ist die vorgeschriebene
Wissenschaftlichkeit des CI zu bejahen. Prof. A., Chefarzt der
Hals-Nasen-Ohrenklinik am Kantonsspital L., legte in einem anderen,
vom Eidg. Versicherungsgericht gleichzeitig beurteilten Fall (vgl. BGE
115 V 202) diesbezüglich dar, dass bisher weltweit etwa 3000 taube
Patienten implantiert worden sind. In der Schweiz seien bis Ende 1987
20 CI-Operationen an den Hals-Nasen-Ohrenkliniken Zürich, Genf, Basel
und Luzern vorgenommen worden. Dies zeige, dass es sich nicht um ein
Experimentierstadium, sondern um eine mittlerweile sehr differenzierte
und ausgereifte Heilmassnahme zur Rehabilitation bestimmter tauber
Patienten handle, die aufgrund einer ausführlichen Voruntersuchung für
eine Implantation in Frage kommen. Die Methode sei in den USA anerkannt
und zugelassen und werde in verschiedenen europäischen Staaten von den
Krankenkassen übernommen (Stellungnahme vom 23. März 1988).

    e) Zu prüfen ist des weiteren, ob die Massnahme den
Eingliederungserfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstrebt,
wie dies nach Art. 2 Abs. 1 IVV verlangt wird.

    aa) In tatbeständlicher Hinsicht steht fest, dass die
Beschwerdegegnerin eine normale Sprachentwicklung durchgemacht hat und
die vollständige Ertaubung erst postlingual, im Alter von 20 Jahren,
eingetreten ist. Die bei der Beschwerdegegnerin durchgeführte elektrische
Stimulation ergab, dass durch Stromimpulse subjektive Töne und Geräusche
verschiedener Frequenz und wechselnder Intensität ausgelöst werden
können. Aufgrund der Voruntersuchungen von Prof. P. durfte angenommen
werden, dass die auditive Rehabilitation der Versicherten durch ein CI
möglich ist.

    bb) Im Hinblick auf die geforderte Zweckmässigkeit der Versorgung
mit einem CI als medizinische Eingliederungsmassnahme nach Art. 12 IVG
in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 IVV gilt folgendes (vgl. namentlich
SPILLMANN und DILLIER, Cochlea-Implantate bei Gehörlosen: Indikation,
Methode, Resultate, in: Schweizerische Rundschau für Medizin (Praxis), 74
(1985), Nr. 9, S. 211 f.; Bericht über den 3. Internationalen Kongress der
Schwerhörigen vom 3. bis 8. Juli 1988 in Montreux, S. 51, 54, 60 und 66):

    - Das CI kommt nur für Patienten in Frage, die so hochgradig
schwerhörig bzw. gehörlos sind, dass eine konventionelle Versorgung
erfolglos bleibt; Patienten, die noch über Hörreste verfügen, scheiden aus.

    - Die Gehörlosigkeit darf nicht durch einen sensoriellen,
sondern muss durch einen neuralen oder einen cerebralen Ausfall bedingt
sein. Voraussetzung für die Versorgung mit einem CI ist, dass der Hörnerv
und das zentrale Hörsystem auf elektrische Reize reagieren und subjektive
Hörempfindungen auslösen können.

    - Die Auswirkungen der Gehörlosigkeit auf das Kommunikationsvermögen
hängen entscheidend davon ab, ob die Ertaubung vor oder nach der
Sprachentwicklung, die etwa mit 14 Jahren abgeschlossen ist, eingetreten
ist (prälinguale, d.h. congenitale oder vor der Sprachentwicklung
erworbene, oder postlinguale Taubheit). Das CI eignet sich vor allem für
den postlingual Ertaubten mit guten Kenntnissen der Muttersprache.

    - Schliesslich sind auch der Intelligenzgrad und die Motivation des
Patienten massgebend.

    cc) Art. 2 Abs. 1 IVV verlangt sodann, dass die medizinische
Massnahme den therapeutischen Erfolg in einfacher Weise anstrebt. Dieser
Verhältnismässigkeitsgrundsatz beschlägt die Relation zwischen
den Kosten der medizinischen Massnahme einerseits und dem mit der
Eingliederungsmassnahme verfolgten Zweck anderseits (BGE 103 V 16 Erw. 1b,
101 V 53 Erw. 3d; vgl. auch BGE 112 V 399 und 99 V 35 Erw. 1). Eine
betragsmässige Begrenzung der notwendigen Massnahmen käme mangels einer
ausdrücklichen gegenteiligen Bestimmung bloss in Frage, wenn zwischen der
Massnahme und dem Eingliederungszweck ein derart krasses Missverhältnis
bestände, dass sich die Übernahme der Eingliederungsmassnahme schlechthin
nicht verantworten liesse (in diesem Sinne BGE 107 V 87 Erw. 2 bezüglich
des Anspruchs auf Vergütung der Transportkosten bei der Sonderschulung).

    Schliesslich hat der Versicherte nur Anspruch auf die dem jeweiligen
Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber
auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn die
Eingliederungsmassnahmen sind lediglich insoweit zu gewähren, als dies im
Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (BGE 112 V 399 mit Hinweisen;
ZAK 1985 S. 172 Erw. 3a).

Erwägung 5

    5.- Ob die in Erw. 4e/bb und cc dargelegten Voraussetzungen
hinsichtlich Zweckmässigkeit und Einfachheit der Vorkehr bei der
Beschwerdegegnerin, die eine ganze Invalidenrente bezieht und im
Zeitpunkt der Versorgung mit dem Gerät 58 Jahre alt war, erfüllt sind,
kann offengelassen werden; denn wie aus den nachstehenden Darlegungen
erhellt, muss die von Art. 12 Abs. 1 IVG geforderte Wesentlichkeit des
Eingliederungserfolges verneint werden.

    a) Der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung
ist - im Gegensatz zu demjenigen auf eine Rente - an keinen bestimmten
Invaliditätsgrad gebunden. Dieser Grundsatz gilt indessen u.a. nicht
auf dem Gebiet der medizinischen Massnahmen. Denn der Versicherte kann
laut Art. 12 Abs. 1 IVG nur medizinische Massnahmen beanspruchen, die
geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wesentlich zu verbessern oder vor
wesentlicher - auch drohender (Art. 8 Abs. 1 IVG) - Beeinträchtigung zu
bewahren (BGE 101 V 58 Erw. 2a).

    Wesentlich im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG ist der durch eine
Behandlung erzielte Nutzeffekt nur dann, wenn er in einer bestimmten
Zeiteinheit einen erheblichen absoluten Grad erreicht (BGE 98 V 211
Erw. 4b). Durch die medizinischen Massnahmen soll in der Regel innerhalb
einer gewissen Mindestdauer eine gewisse Mindesthöhe an erwerblichem Erfolg
erwartet werden können. Inwieweit der voraussichtliche Eingliederungserfolg
noch als wesentlich bezeichnet werden kann, lässt sich nicht generell
sagen, sondern ist aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles
zu entscheiden. Dabei werden Massnahmen, die nur eine geringfügige
Verbesserung der Erwerbsfähigkeit bewirken, von der Invalidenversicherung
nicht übernommen. Es muss vorausgesetzt werden, dass eine noch bedeutende
Erwerbsfähigkeit vor wesentlicher Beeinträchtigung bewahrt wird. Die Frage
nach der Wesentlichkeit des Eingliederungserfolges hängt ferner ab von der
Schwere des Gebrechens einerseits sowie von der Art der vom Versicherten
ausgeübten bzw. im Sinne bestmöglicher Eingliederung in Frage kommenden
Erwerbstätigkeit anderseits; persönliche Verhältnisse des Versicherten,
die mit seiner Erwerbstätigkeit nicht zusammenhängen, sind dabei nicht
zu berücksichtigen (BGE 101 V 52 Erw. 3c und 58 Erw. 2a).

    b) Der Begriff Erwerbsfähigkeit in Art. 8 Abs. 1, 12 Abs. 1 und
auch 17 Abs. 1 IVG ist in einem weiten Sinne zu verstehen; er erfasst
gegebenenfalls auch die Eingliederung in den bisherigen Aufgabenbereich
gemäss Art. 5 Abs. 1 IVG (BGE 108 V 212 Erw. 1c). Praxisgemäss
steht die Tatsache, dass eine versicherte Frau für die Belange der
Invaliditätsschätzung als Erwerbstätige behandelt worden ist, der
Gewährung medizinischer Massnahmen nach Art. 12 IVG zur Eingliederung
in den hausfraulichen Aufgabenbereich nicht entgegen. Überdies setzt die
Zusprechung einer Eingliederungsmassnahme grundsätzlich nicht voraus, dass
diese den für den Rentenanspruch massgebenden Invaliditätsgrad beeinflusst
(BGE 108 V 212 Erw. 1d mit Hinweisen).

    c) Das Eidg. Versicherungsgericht hat denn auch wiederholt entschieden,
dass die Ausrichtung einer halben oder sogar einer ganzen Rente die
Gewährung von Eingliederungsmassnahmen nicht von vornherein ausschliesst,
sofern wenigstens ein vernünftiges Verhältnis zwischen deren Kosten und
Nutzen besteht (BGE 108 V 212 Erw. 1d; EVGE 1964 S. 238; MEYER-BLASER, Zum
Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern
1985, S. 84 und 126). Zu berücksichtigen ist allerdings - wie erwähnt -,
dass Art. 12 IVG hinsichtlich der Eingliederungswirksamkeit Wesentlichkeit
voraussetzt. Das heisst, dass medizinische Massnahmen nach Art. 12 IVG
von der Invalidenversicherung nicht übernommen werden können, wenn sie die
Erwerbsfähigkeit nur geringfügig zu verbessern vermögen. Namentlich sieht
das Gesetz in diesem Bereich keine Massnahmen vor, um einen kleinen und
unsicheren Rest von Erwerbsfähigkeit zu erhalten (BGE 101 V 52 Erw. 3c;
MEYER-BLASER, aaO, S. 126). Dies wird gerade bei Bezügern ganzer Renten,
also Versicherten mit einem Invaliditätsgrad von mindestens zwei Dritteln,
häufig der Fall sein.

    d) Im Lichte dieser Erwägungen muss bei der 1928 geborenen
Beschwerdegegnerin, die bei einem Invaliditätsgrad von 100% eine ganze
Invalidenrente bezieht, 1981 vorzeitig pensioniert wurde und auch nach
der Versorgung mit dem CI Rentenbezügerin bleibt, die Wesentlichkeit des
Eingliederungserfolges der Vorkehr verneint werden. Der vorinstanzliche
Entscheid ist daher in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde des
BSV aufzuheben.

Erwägung 6

    6.- a) Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das CI das Resultat
einer biotechnischen Entwicklung darstellt, welche die kommunikativen
Fähigkeiten eines postlingual Ertaubten hinsichtlich Sprachverständnis
und Sprachverständlichkeit in bisher nicht gekanntem Ausmass zu verbessern
vermag. Laut Ausführungen von Prof. P., Vorsteher der Universitätsklinik
und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kantonsspital
B. (Bericht über den 3. Internationalen Kongress der Schwerhörigen vom
3. bis 8. Juli 1988 in Montreux, S. 56), ist es unter der Voraussetzung,
dass postoperativ ein intensives Hör- und Sprachtraining durchgeführt
wird, möglich, dass der Gehörlose durch ein CI folgendes erreicht: Er
kann Umgebungsgeräusche erkennen und voneinander unterscheiden; sein
Sprachverständnis wird bei gleichzeitigem Lippenablesen ganz erheblich
gebessert; auch ohne visuelle Hilfsmittel wird in vielen Fällen ein
sozial ausreichendes, in manchen Fällen sogar vollständiges offenes
Sprachverständnis wiedererlangt; der Patient erhält die Möglichkeit, seine
eigene Sprache auditiv zu kontrollieren und dadurch die Verständlichkeit
seiner Sprache zu verbessern und teilweise völlig zu normalisieren.

    Daraus sind bezüglich der Übernahme des CI als medizinische
Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung nach Art. 12 IVG
folgende Schlüsse zu ziehen: Im Anwendungsbereich dieser Bestimmung,
d.h. in der Regel bei spätertaubten Erwachsenen, bei welchen das CI
bezüglich kommunikativer Rehabilitation, die hier als Erfolg nicht
genügt, den grössten Nutzen bringen kann, müssen sowohl hinsichtlich
der prognostischen Beurteilung des Eingliederungserfolges als auch
der Eingliederungswirksamkeit die vom Gesetz aufgestellten und von der
Rechtsprechung konkretisierten Anforderungen erfüllt sein.

    b) Das BSV wird - unter Berücksichtigung der Stellungnahme der
Eidgenössischen Fachkommission für Fragen der medizinischen Eingliederung
- die Weiterentwicklung der medizinischen Erfahrung und der Technologie
zu verfolgen und aufgrund konkreter Fälle zu beurteilen haben, wie
und wo das CI eingliederungswirksam eingesetzt werden kann. Dabei
erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das CI in die Hilfsmittelliste
aufgenommen bzw. zwischen dem medizinischen Teil der Implantation und
dem Sprachprozessor als Hilfsmittel unterschieden wird. Unter welchen
Voraussetzungen dies zu geschehen hat, wird das BSV in enger Zusammenarbeit
mit der medizinischen Wissenschaft und Praxis zu formulieren haben.

    c) Wie das BSV mit Recht bemerkt, fehlen einerseits konkrete
Kriterien zur prognostischen Beurteilung der Eingliederungswirksamkeit,
und andererseits kann die Frage noch nicht generell beantwortet werden,
ob die Methode bereits genügend entwickelt ist, dass im allgemeinen von
einem hinreichenden therapeutischen Erfolg des Systems hinsichtlich der
Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit gesprochen werden kann. Dabei
ist prospektiv zu fragen, wie der Eingliederungserfolg ausfallen wird,
d.h. in welchem Umfang der Versicherte nach der Versorgung mit dem
CI wieder hören kann ("minimaler" Erfolg in Form von Wahrnehmung von
Geräuschen und Tönen - "maximaler" Erfolg mit der Möglichkeit, mit oder
ausnahmsweise ohne Lippenablesen Sprache zu verstehen). Entscheidend
sind der Zeitpunkt der Ertaubung (vor oder nach dem Spracherwerb)
sowie die Dauer der Gehörlosigkeit. Wie weit über Einzelfälle hinaus
neben dem Erlangen von Höreindrücken und dem Erkennen von Stimmen
und Geräuschen sowie der Identifikation isoliert gesprochener Worte
ohne Lippenablesen ein offenes Sprachverständnis erreicht bzw. mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann, ist schwierig
zu beurteilen. Im Hinblick auf die vom Gesetz (namentlich von Art. 12
IVG) geforderte Eingliederungswirksamkeit darf der Kommunikationsgewinn
sich jedenfalls nicht bloss auf die Wiedererlangung eines geringen
Sinneseindruckes beschränken, so bedeutsam ein solcher subjektiv für
eine vollständig taube Person auch sein mag. Aufgrund der vor der
Versorgung durchzuführenden Vorabklärungen wird in jedem Einzelfall
versucht werden müssen, den voraussichtlichen therapeutischen Erfolg
bezüglich Kommunikationsfähigkeit und damit die Wesentlichkeit des
Eingliederungserfolges zu ermitteln.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid
der Kantonalen Rekurskommission für die Ausgleichskassen Basel-Stadt vom
11. Juni 1987 aufgehoben.