Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 V 111



115 V 111

17. Auszug aus dem Urteil vom 18. April 1989 i.S. W. gegen
Personalfürsorgestiftung der K. AG und Obergericht des Kantons Aargau
Regeste

    Art. 331a Abs. 2, Art. 339b Abs. 1 OR: Forderung des
Arbeitnehmers. Anteil an den Arbeitgeberbeiträgen bei Austritt und späterem
Wiedereintritt in die gleiche Firma.

Sachverhalt

    A.- Jörg W. (geb. 1932) arbeitete seit 1. Mai 1961 bei der K.  AG und
gehörte der Personalfürsorgestiftung dieser Firma an. Ende Oktober 1970
trat er auf seine Kündigung hin aus der K. AG aus und war zwei Monate bei
einer anderen Firma tätig. Am 4. Januar 1971 nahm er bei der K. AG die
frühere Stelle wieder an. Am 20. März 1985 kündigte die Arbeitgeberfirma
das Arbeitsverhältnis auf Ende Juni 1985.

    B.- Die Rekurskommission für Sozialversicherungssachen des Obergerichts
des Kantons Aargau wies mit Entscheid vom 16. Dezember 1986 die von
Jörg W. gegen die Personalfürsorgestiftung der K. AG am 15. Oktober 1985
erhobene Klage ab, womit beantragt wurde, die Beklagte sei zu verpflichten,
auf das Konto des Klägers bei der Aargauischen Beamtenpensionskasse
Fr. 14'951.10 nebst Zins zu 5% seit 1. Juli 1985, entsprechend 24
Dienstjahren und 94% der Arbeitgeberbeiträge, zu überweisen. Das kantonale
Gericht folgte dabei der Auffassung der Personalfürsorgestiftung, die
dem Kläger einen Anspruch auf 42% der Arbeitgeberbeiträge aufgrund von
14 Dienstjahren (1971 bis 1985) zubilligte.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Jörg W. den vor der
Vorinstanz gestellten Antrag - unter Aufhebung des kantonalen Entscheides
- erneuern.

    Die Personalfürsorgestiftung der K. AG beantragt Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat
keine Bemerkungen anzubringen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Streitig ist, welchen Anteil der Beschwerdeführer an den
Arbeitgeberbeiträgen beanspruchen kann.

    a) Neben dem Randtitel Forderung des Arbeitnehmers bei
Spareinrichtungen (um eine solche handelt es sich entgegen der
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Meinung bei der
Beschwerdegegnerin laut ihrem Reglement in der hier anwendbaren Fassung
vom Dezember 1980, gültig ab 1. Januar 1981) bestimmt Art. 331a Abs. 2 OR
folgendes: "Sind vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber oder, aufgrund einer
Abrede, von diesem allein für fünf oder mehr Jahre Beiträge geleistet
worden, so entspricht die Forderung des Arbeitnehmers, ausser seinen
eigenen Beiträgen, einem der Anzahl der Beitragsjahre angemessenen Teil
der Beiträge des Arbeitgebers, in beiden Füllen samt Zins."

    Diese Bestimmung ist in dem Sinne zwingend, als sie nicht zu Ungunsten
des Arbeitnehmers abänderbar ist (Art. 362 OR).

    b) Das Reglement der Beschwerdegegnerin ordnet in Art. 19 den Anspruch
auf die Sparkapitalien bei vorzeitigem Dienstaustritt. Laut Ziff. 1
hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung, wenn das
Dienstverhältnis mit der Stifterfirma vor Erreichen des Rücktrittsalters
aufgelöst wird. Die Freizügigkeitsleistung entspricht gemäss Ziff. 2
einerseits den Beiträgen des Arbeitnehmers (inkl. eingebrachte
Freizügigkeitsleistung) samt Zins und Zinseszins und anderseits einem
Teil der Beiträge der Stifterfirma samt Zins und Zinseszins. Dieser Teil
bestimmt sich aufgrund einer Skala, wobei nur die "seit letztem Eintritt
in die Firma zurückgelegten Dienstjahre" angerechnet werden.

    c) Im vorliegenden Fall fragt sich, ob der nach dem Austritt von Ende
Oktober 1970 auf Anfang 1971 erfolgte Wiedereintritt des Beschwerdeführers
in die Firma als Weiterführung oder Neubeginn des Arbeitsverhältnisses zu
qualifizieren ist, was die Höhe des Arbeitgeberanteils beeinflusst. Der
Beschwerdeführer beansprucht gestützt auf 24 Dienstjahre laut der erwähnten
Skala in Art. 19 Ziff. 2 des Reglements 94% der Arbeitgeberbeiträge. Die
Beschwerdegegnerin richtete demgegenüber aufgrund von nur 14 Dienstjahren
42% aus, weil die Dienstjahre nur seit letztem Eintritt in die Firma
(d.h. von 1971 bis 1985) zählen würden.

    d) aa) Laut Auffassung des Beschwerdeführers bestimmt sich seine
Forderung aufgrund des Wortlauts des Art. 331a Abs. 2 OR nach den
Beitragsjahren. Es sei unbestritten, dass sein Verhältnis zur Stiftung -
trotz der zweimonatigen Abwesenheit - nie unterbrochen worden sei. Die
Berücksichtigung der Dienstjahre gemäss Reglement der Beschwerdegegnerin
stehe nur dann nicht im Widerspruch zu den relativ zwingenden Bestimmungen
des Art. 331a OR, wenn der zweimonatige Arbeitsunterbruch Ende 1970
unberücksichtigt bleibe.

    Aus dieser Argumentation kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Es kann offenbleiben, ob der Begriff Dienstjahr laut
Reglement dem Begriff Beitragsjahr im Sinne von Art. 331a Abs. 2 OR
entspricht und in welcher Richtung der gesetzliche Begriff auszulegen
ist. Denn entscheidend ist in diesem Zusammenhang nicht, wie viele
Beitragsjahre bzw. Dienstjahre der Beschwerdeführer zurückgelegt hat,
sondern wie viele es seit dem letzten Eintritt in die K. AG sind.

    bb) Somit ist zu prüfen, ob beim Wiedereintritt des Beschwerdeführers
in die K. AG auf Anfang 1971 das alte Arbeitsverhältnis fortgesetzt
oder ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Die Vorinstanz
hat erwogen, beide Parteien seien "gleich glaubwürdig"; deshalb sei zu
Ungunsten derjenigen Partei zu entscheiden, welche die Beweislast für die
behauptete Forderung trage (Art. 8 ZGB). Hier sei dies der Kläger. Der
Standpunkt der Stiftung, seit dem letzten Eintritt in die Firma seien
nur 14 Jahre verflossen, sei zu schützen. - Dieser Betrachtungsweise kann
sowohl hinsichtlich der laut Art. 8 ZGB angewandten Beweisregel als auch
im Ergebnis nicht gefolgt werden.

    Gemäss Art. 73 Abs. 2 BVG stellt der kantonale Richter den Sachverhalt
von Amtes wegen fest. Es gilt somit der Untersuchungsgrundsatz. Dieser
schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast
begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die
Parteien (abgesehen von besonderen Regelungen, wie sie beispielsweise
die Art. 5 Abs. 1 MVG und 141 Abs. 3 AHVV vorsehen) eine Beweislast nur
insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten
jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt
Rechte ableiten wollte (BGE 96 V 96; vgl. auch BGE 111 V 201 oben, 107
V 163 Erw. 3a mit Hinweisen).

    cc) Nach der Rechtsprechung zum Begriff des Arbeitsverhältnisses im
Rahmen der Abgangsentschädigung im Sinne von Art. 339b Abs. 1 OR bestimmt
der Parteiwille, ob bei Unterbrechung und Wiederaufnahme der Arbeit die
neue Tätigkeit das ursprüngliche Vertragsverhältnis fortsetzt oder auf
einem neuen Verhältnis gründet. Dieser Parteiwille kann sowohl vor als
auch nach Unterbruch der Arbeit kundgetan werden; dies kann ausdrücklich
oder durch konkludentes Verhalten geschehen. Wird die Arbeit für längere
Zeit unterbrochen, so wird nach der Rechtsprechung bei Wiederaufnahme der
Arbeit ein neues Arbeitsverhältnis vermutet (BGE 112 II 53 Erw. 3a/aa, 110
II 270 Erw. 2a mit Literaturzusammenstellung). Umgekehrt spricht eine kurze
Unterbrechung für die Fortsetzung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses.

    Der Beschwerdeführer nimmt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
die vor Vorinstanz aufgestellte Behauptung nicht wieder auf, er habe
mit dem damaligen Firmeninhaber der K. AG verabredet, die während zwei
Monaten Ende 1970 bei einer andern Firma ausgeübte Tätigkeit gelte als
unbezahlter Urlaub bzw. bereits bei seinem Austritt habe man einen
allfälligen Wiedereintritt ins Auge gefasst. Dennoch rechtfertigt sich
entgegen der Auffassung der Vorinstanz und gestützt auf die zutreffenden
Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgrund der besonderen
Umstände des vorliegenden Falles die Annahme, der Beschwerdeführer sei
während 24 Jahren in der K. AG tätig gewesen:

    - Der Arbeitsunterbruch dauerte nur zwei Monate.

    - Bei der K. AG handelt es sich um eine kleine Firma, bei der das

    Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eng war.

    - Beim Wiedereintritt des Beschwerdeführers wurde kein neuer
   schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen.

    - 1971 konnte der Beschwerdeführer offiziell das zehnjährige

    Dienstjubiläum feiern.

    - Die Beschwerdegegnerin erstellte Ende Oktober 1970 keine

    Austrittsabrechnung; das Konto des Beschwerdeführers wurde per

    1. Januar 1971 weitergeführt.

    dd) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im
Hinblick auf die Berechnung seiner Forderung laut Art. 331a Abs. 2 OR
in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 des Reglements der Beschwerdegegnerin
während 24 Dienstjahren in der K. AG tätig gewesen war. Er kann somit 94%
der Arbeitgeberbeiträge beanspruchen.