Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 65



115 IV 65

14. Urteil des Kassationshofes vom 4. Januar 1989 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons St. Gallen gegen N. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 42 Abs. 1 MPG (SR 661); Art. 64 StGB.

    Wer mit dem Argument, keinen Beitrag zu Krieg und Tötung von
Menschenleben leisten zu wollen, die Bezahlung des Militärpflichtersatzes
verweigert, handelt nicht aus achtenswerten Beweggründen im Sinne von
Art. 64 StGB.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Kantonsgericht stellt in tatsächlicher Hinsicht verbindlich
fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP), der Beweggrund des Beschwerdegegners
für die Weigerung, Militärpflichtersatz zu bezahlen, gründe in seiner
Überzeugung, "keinen Beitrag für Militär und Krieg und damit letztlich
zur Tötung von Menschen leisten zu können". Es billigte ihm, da dieser
Beweggrund, jedenfalls was die Ablehnung des Krieges und der damit
notwendig verbundenen Tötung von Menschen betreffe, ethisch wertvoll sei,
ein Handeln aus achtenswerten Beweggründen zu und milderte daher die
Strafe in Anwendung von Art. 64 StGB.

    Die Staatsanwaltschaft rügt, das Kantonsgericht habe durch die
Anwendung von Art. 64 StGB Bundesrecht verletzt.

Erwägung 2

    2.- Ob der Beweggrund achtenswert sei, beurteilt sich nach der
Rangordnung ethischer Werte, die von der Gemeinschaft anerkannt werden. Der
Beweggrund ist an sich unabhängig von der Tat und ihrem Verhältnis zum
verfolgten Zweck; denn er, nicht die Tat muss achtenswert sein (BGE 107
IV 30 E. 2a mit Hinweisen).

    a) Das Streben, Krieg und damit verbundene Tötung von Menschen
nicht zu unterstützen, entspringt als solches fraglos einer ethisch
zu rechtfertigenden Gesinnung. Es bildet deshalb einen achtenswerten
Beweggrund im Sinne von Art. 64 StGB (BGE 97 IV 80 E. 2a).

    b) Als Strafmilderungsgrund vermag der achtenswerte Beweggrund
nur in Betracht zu fallen, wenn er effektiv die Schuld herabsetzt, den
Täter deswegen ein erkennbar wesentlich geringerer Schuldvorwurf trifft
als den andern, ohne diesen Beweggrund handelnden. Das folgt aus der
systematischen Stellung der Strafmilderungsgründe und der Ordnung ihrer
Rechtsfolgen innerhalb der Strafzumessungsregeln sowie aus der blossen
Befugnis des Richters (und nicht einer vorgeschriebenen Pflicht), die
Strafe zu mildern (Art. 64 StGB; BGE 101 IV 390 E. c mit Hinweisen). Wo
die achtenswerten Beweggründe gegenüber der verübten Tat vollständig in
den Hintergrund treten, mit dieser in keiner besonderen Beziehung mehr
stehen, hat eine Strafmilderung zu unterbleiben (BGE 106 IV 340 E. 2;
101 IV 390 E. c). So verhält es sich hier.

    Der Militärpflichtersatz stellt eine Ersatzabgabe dar, welche anstelle
der Naturallast, der Militärdienstleistung aufgrund der allgemeinen
Wehrpflicht, tritt und in bezug auf diese die Rechtsgleichheit herstellen,
also einen öffentlichrechtlichen Pflichtenausgleich verwirklichen
soll. Die aus dem Militärpflichtersatz stammenden Mittel werden nicht
direkt und ausschliesslich zur Deckung der Militärausgaben verwendet,
sondern fliessen wie beispielsweise Steuern in die allgemeine Bundeskasse
(WALTI, Der schweizerische Militärpflichtersatz, Diss. 1979 Zürich, S. 50
f., N. 119, 120, 121, 123, 124 und 129 mit Hinweisen auf die Literatur
und Rechtsprechung; BBl 1958 II S. 340 f.). Wer den Militärpflichtersatz
schuldhaft nicht bezahlt, handelt deshalb, auch wenn er es aus Gründen
der Vermeidung von Krieg und der Rettung von Menschenleben zu tun erklärt,
völlig sachfremd, mit einer Haltung also, die sein Verschulden gegenüber
jenem anderer, aus keinem solchen speziellen Grunde säumig gewordener Täter
nicht erkennbar verringert. Ihm achtenswerter Beweggründe wegen die Strafe
zu mildern, verstösst deshalb klar gegen den Sinn des Gesetzes. Art. 64
StGB ist in solchen Fällen nicht anwendbar.