Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 26



115 IV 26

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Januar 1989 i.S. A.
gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 32 und 145 StGB, Art. 737 ZGB; Sachbeschädigung,
Rechtfertigungsgrund aus Dienstbarkeitsvertrag.

    Das dingliche Recht des Dienstbarkeitsberechtigten an einer fremden
Sache ändert nichts daran, dass diese für ihn zivilrechtlich und damit
auch im Sinne von Art. 145 StGB fremd bleibt (E. 2a).

    Art. 737 ZGB bildet jedenfalls für die positiven Dienstbarkeiten
einen Rechtfertigungsgrund. Der Dienstbarkeitsberechtigte darf im Rahmen
der Servitutsberechtigung auf dem belasteten Grundstück insbesondere
Unterhalts-, Reparatur- und Erneuerungsarbeiten ausführen, ohne vorgängig
den Rechtsweg beschreiten zu müssen (E. 3a).

Sachverhalt

    A.- A. ist Eigentümer der Parzelle Nr. 105 in X. Ein
Dienstbarkeitsvertrag bestimmt zugunsten der Parzelle Nr. 105 ein
unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht über die Parzelle Nr. 115, welche
C. gehört.

    Am 24. Juni 1987 schickte sich A. an, in einer Kurve des Fahrwegs
Erdmaterial abzutragen und wegzuschaffen. Dabei entfernte er die Grasnarbe
an der Böschung, welche die dienstbarkeitsbelastete Fläche der Wiese
abgrenzt.

    Das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. verurteilte A. am
30. August 1988 wegen Sachbeschädigung, nahm jedoch von Strafe
Umgang. Dagegen erhebt A. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag, das Urteil aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Obergericht führte aus, durch das Abtragen der Erde habe
der Beschwerdeführer in das Eigentum des Beschwerdegegners eingegriffen
und dadurch seine Rechte aus der Dienstbarkeit überschritten. Er habe
dabei die Grasnarbe an der Böschung, welche die dienstbarkeitsbelastete
Fläche von der Wiese des Beschwerdegegners abgrenze, entfernt und so
deren Substanz verändert. Er habe auch die Ansehnlichkeit der Böschung
beeinträchtigt, weshalb der objektive Tatbestand der Sachbeschädigung
erfüllt sei. Der Vorsatz sei ebenfalls zu bejahen. Abweichend von
der ersten Instanz könne im übrigen nicht von einem Rechtsirrtum des
Beschwerdeführers ausgegangen werden; wegen des Verbots der reformatio
in peius müsse jedoch in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils von
einer Bestrafung Umgang genommen werden.

    b) Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, er habe in
seiner Eigenschaft als Servitutsberechtigter verschiedentlich eine
Instandstellung des Weges verlangt. Auf einer bereits bestehenden
Unebenheit habe der Beschwerdegegner "schikanös zusätzlich schlechtes
Erdmaterial und Steine aufgetragen". Wegen der Erfolglosigkeit seiner
Bemühungen habe er sich angeschickt, den hinderlichen "Buckel" abzutragen
und wegzuschaffen. Im Hinblick auf seine Servitutsberechtigung stelle sich
die Frage, ob überhaupt von einer fremden Sache im Sinne von Art. 145
StGB gesprochen werden könne. Auch sonst sei die tatbestandsmässige
Handlung nicht erfüllt: Grund und Boden des Beschwerdegegners seien
überhaupt nicht beschädigt, sondern die Sache vielmehr objektiv verbessert
worden. Entsprechend fehle auch der Schädigungsvorsatz. Überdies habe die
Vorinstanz einen Verbotsirrtum zu Unrecht verneint und eventualiter sei der
Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen anzunehmen.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 145 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer eine fremde Sache
beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht.

    a) Fremd ist eine Sache, wenn sie im Eigentum eines andern als des
Täters steht (THORMANN/VON OVERBECK, Art. 145 N. 4 i.V.m. Art. 137 N. 6;
HAFTER, Schweizerisches Strafrecht BT, S. 218; LOGOZ, Art. 145 Ziff. 2a;
NOLL, Schweizerisches Strafrecht, BT I, S. 165). Die Liegenschaft, über
welche der Feldweg führt, steht im Eigentum des Beschwerdegegners. Daran
ändert auch das Fahrwegrecht des Beschwerdeführers nichts. Diese Servitut
erlaubt dem Berechtigten nur, die fremde Liegenschaft im Rahmen der
Dienstbarkeit zu benützen, ändert jedoch nichts daran, dass die belastete
Liegenschaft für den Berechtigten zivilrechtlich fremd bleibt. Hinsichtlich
des Tatbestandsmerkmals der fremden Sache ist somit das angefochtene
Urteil bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

    Allerdings wird durch die Einräumung einer Dienstbarkeit das
Eigentum im Umfang des beschränkten dinglichen Rechts beschränkt. Auf
diesen Gesichtspunkt ist bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit des dem
Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens zurückzukommen.

    b) Die Tathandlung besteht im Beschädigen, Zerstören oder
Unbrauchbarmachen. Eine Beschädigung ist immer gegeben, wenn in die
Substanz der Sache eingegriffen wird (THORMANN/VON OVERBECK, Art. 145 N. 6;
LOGOZ, Art. 145 Ziff. 2b; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT I,
3. Aufl., S. 221; REHBERG, Strafrecht III, 4. Aufl., S. 72). Vorliegend
stellte die Vorinstanz verbindlich fest (Art. 273 Abs. 1 lit. b und
277bis Abs. 1 BStP), dass der Beschwerdeführer die Grasnarbe an der
Böschung entfernt und so deren Substanz verändert habe. Damit hat sie
die Tathandlung zu Recht bejaht.

    Eine Beschädigung liegt überdies vor, wenn die Ansehnlichkeit der
Sache beeinträchtigt wird (STRATENWERTH, aaO, S. 222; REHBERG, aaO,
S. 73). Die Vorinstanz hielt fest, dass auch die Ansehnlichkeit der
Böschung beeinträchtigt wurde. Der Tatbestand ist somit auch in dieser
Hinsicht erfüllt.

    Die Vorinstanz ging nicht davon aus, der Beschwerdeführer habe
nur einen hinderlichen Buckel abgetragen und die Sache verbessert,
weshalb nach NOLL (aaO, S. 165) eine Sachbeschädigung ausgeschlossen
sein könnte. Auf die diesbezügliche Rüge des Beschwerdeführers kann somit
nicht eingetreten werden.

Erwägung 3

    3.- Zu prüfen bleibt, ob sich der Beschwerdeführer auf einen
Rechtfertigungsgrund berufen kann.

    a) Zunächst ist zu erörtern, ob sich für den Beschwerdeführer aus
der Dienstbarkeit ein Rechtfertigungsgrund ergibt, womit anderseits
der Beschwerdegegner zur Duldung des entsprechenden Eingriffs
verpflichtet wäre. Der Beschwerdeführer hat in seiner Eigenschaft
als Servitutsberechtigter gehandelt. Gemäss Art. 737 Abs. 1 ZGB ist der
Servitutsberechtigte befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung
der Dienstbarkeit nötig ist. Er ist jedoch verpflichtet, sein Recht in
möglichst schonender Weise auszuüben (Abs. 2). Der Belastete darf nichts
vornehmen, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert
(Abs. 3). In der Literatur wird angenommen, wer das Recht zur Benutzung
eines gebahnten Fahrweges habe, sei auch befugt, diesen Weg so auszubauen
und zu unterhalten, dass er den Zweck des Wegrechtes erfüllt (LIVER,
Zürcher Kommentar, 2. Aufl., Art. 737 N. 12; PIOTET, Schweizerisches
Privatrecht V/1, S. 583). Wer ein Wegrecht hat, ist befugt, das Trassee
durch Reutung und Zurückschneiden von Sträuchern, Baumästen und Zweigen
freizumachen (LIVER, Art. 737 N. 13). Zur Berechtigung, alles zu tun, was
zur Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist, gehört etwa beim Quellenrecht,
dass der Berechtigte das Wasser der Quelle fassen und sich zuleiten,
und damit auf dem belasteten Grundstück Anlagen errichten, unterhalten,
erneuern und gegebenenfalls auch erweitern darf (LIVER, Art. 737 N. 10).

    Es stellt sich die Frage, ob der Dienstbarkeitsberechtigte diese
Handlungen im Streitfall auch gegen den Willen des Eigentümers des
belasteten Grundstücks vornehmen darf oder ob er den Rechtsweg beschreiten
muss (Besitzesschutz oder actio confessoria, vgl. LIVER, Art. 737 N. 126
ff., N. 173 ff.). Nach der Art der Berechtigung ist der Grundeigentümer
entweder verpflichtet, Handlungen des Dienstbarkeitsberechtigten zu dulden,
die er als Eigentümer abwehren könnte, wenn sein Grundstück frei von
Lasten wäre (positive oder affirmative Dienstbarkeit), oder Handlungen
zu unterlassen, zu denen er als Eigentümer berechtigt wäre, wenn sein
Grundstück frei von dieser Last wäre (negative Dienstbarkeit mit der
Befugnis des Berechtigten zu einem Verbieten) (vgl. LIVER, Art. 730 N. 4).

    Der Berechtigte ist befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und
Ausübung der Dienstbarkeit erforderlich ist (Art. 737 Abs. 1 ZGB). Unter
Erhaltung ist nicht etwa die Verteidigung der Dienstbarkeit im Besitzes-
oder Rechtsschutzverfahren zu verstehen; erhalten wird vielmehr die
Dienstbarkeit, indem auf dem dienenden Grundstück der tatsächliche
Zustand hergestellt, aufrechterhalten oder wiederhergestellt wird,
welcher die ungehinderte Ausübung der Dienstbarkeit ermöglicht (LIVER,
Art. 737 N. 38 f.). Dazu gehören insbesondere Unterhalts-, Reparatur-
und Erneuerungsarbeiten an den Dienstbarkeitsanlagen auf dem belasteten
Grundstück. Jedenfalls für den Bereich der affirmativen Dienstbarkeiten
wird man deshalb annehmen müssen, dass der Servitutsberechtigte, der
die geschilderten Handlungen zur Erhaltung der Dienstbarkeit unternimmt,
nicht gezwungen ist, den Rechtsweg einzuschlagen, sondern kraft seiner
Stellung als (beschränkt) dinglich Berechtigter vorgehen darf.

    Daraus ergibt sich, dass vorliegend zunächst der Inhalt der
Servitutsberechtigung zu prüfen ist. Da die Vorinstanz diesbezüglich keine
Feststellungen getroffen hat, ist der Fall an sie zurückzuweisen. Sie wird
also abklären müssen, welche Rechte dem Beschwerdeführer aufgrund seiner
Stellung als Dienstbarkeitsberechtigtem zustanden, insbesondere, ob das dem
Beschwerdeführer vorgeworfene Abtragen von Erde zur Ausübung des Wegrechts
notwendig und sinnvoll war und ob die "Wegbereinigung" gemäss Art. 737
Abs. 2 ZGB in möglichst schonender Weise ausgeübt wurde. Kommt sie zum
Schluss, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Servitutsberechtigung
gehandelt hat, hat sie ihn freizusprechen. Verneint sie dies, wird sie sich
insbesondere zur Frage des Vorsatzes auszusprechen haben. Denn ebenso wie
der Irrtum über ein Eigentumsrecht, also etwa die irrtümliche Annahme,
eine Sache stehe im Eigentum des Täters, als vorsatzausschliessender
Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 19 StGB zu qualifizieren ist (vgl. BGE 85
IV 192 f.), wäre ein Irrtum des Beschwerdeführers in bezug auf den Umfang
seiner Dienstbarkeit als vorsatzausschliessender Irrtum zu werten.

    b) Andere Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. So kann sich der
Beschwerdeführer nicht über seine in Art. 737 ZGB umschriebene Berechtigung
hinaus auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Ebensowenig
hilft ihm der Hinweis auf eine mutmassliche Einwilligung des Verletzten,
nachdem der Beschwerdegegner gemäss ausdrücklicher Feststellung der
Vorinstanz in die verlangte Änderung des Weges nicht eingewilligt hatte.