Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 189



115 IV 189

43. Urteil des Kassationshofes vom 8. November 1989 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Glarus gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 117 und 125 StGB; Verkehrssicherungspflicht der Bergbahn-
und Skiliftunternehmen.

    Für Piste und Pistenrand einerseits sowie für Nebenflächen andererseits
trifft die Verantwortlichen eine unterschiedliche Verkehrssicherungspflicht
(Präzisierung der Rechtsprechung). Vor Gefahren auf Nebenflächen sind
Skifahrer durch eine unmissverständliche Signalisation zu schützen,
die sicherstellt, dass sie wissen, wo die offiziellen, gesicherten
Pisten verlaufen (E. 3). Anforderungen an diese Signalisation, wenn
"wilde Pisten" entstehen und auf diesen Lawinengefahr herrscht (E. 3d
u. 5). "Abtretungsversuche" als ungenügende Vorkehrungen gegen die
Lawinengefahr (E. 4).

Sachverhalt

    A.- X. war im Jahre 1985 bei den Sportbahnen Elm AG für die
Pistensicherung verantwortlich. Sowohl bei der Tal- als auch bei der
Bergstation der Pleusbahn warnten anfangs Februar 1985 Tafeln vor der
"lokalen Schneebrettgefahr". Weitere Hinweisschilder mahnten bei der
Bergstation, dass der Fahrer an den entsprechenden Stellen das markierte
und kontrollierte Skigebiet verlasse.

    Nach der Behebung eines technischen Defektes gab X. die Pleusbahn
am 3. Februar 1985, um ca. 13.00 Uhr, für den Betrieb frei. Um 14.45
Uhr löste sich am Südwesthang zwischen dem Schabellgipfel und dem Gelb
Chopf auf einer Länge von ca. 500 m eine Lawine, die die Pleus-Skipiste
auf einer Breite von ca. 300 m verschüttete. Mehrere Skifahrer, die sich
teilweise auf der präparierten und markierten Piste, teilweise aber auch
im Lawinenhang oberhalb der Piste befanden, wurden erfasst. Einer dieser
Variantenfahrer war A., der sich vom Plateau bei der Bergstation in den
Neuschnee begeben hatte und der am Abend nur mehr tot aus den Schneemassen
geborgen werden konnte. Zunächst auf, dann aber ab dem Doppelmast
12/13 ebenfalls oberhalb der Piste war B. gefahren, der sich leichte
Körperverletzungen zuzog. Die übrigen Verschütteten blieben unverletzt.

    B.- Das Polizeigericht des Kantons Glarus büsste X. am 7. April
1987 wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung mit
Fr. 400.--. In Gutheissung einer Appellation hob das Obergericht des
Kantons Glarus den erstinstanzlichen Entscheid am 7. März 1988 auf und
sprach X. von Schuld und Strafe frei.

    Dagegen richtet sich die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde
der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil
sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Angeklagten an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Vorinstanz und Beschwerdegegner beantragen die Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner bei der Pleusbahn
für die Pistensicherung verantwortlich war. Die Vorinstanz ging jedoch
davon aus, ihm könne keine Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen werden und es
fehle überdies am Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem
Tod bzw. der Verletzung der beiden Skifahrer.

Erwägung 2

    2.- Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger
Körperverletzung setzt voraus, dass der Betroffene die Folgen seines
Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf
nicht Rücksicht genommen hat; pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit
dann, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den
Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist
(Art. 18 Abs. 3 StGB). Ein fahrlässiges Erfolgsdelikt kann auch durch
Unterlassung verübt werden; Voraussetzung ist in diesem Fall erstens eine
Rechtspflicht zur Vornahme der unterlassenen Handlung (Garantenstellung)
und zweitens die Möglichkeit, diese Handlung vorzunehmen. Zwischen der
Unterlassung und dem Erfolg besteht dann ein Kausalzusammenhang, wenn
bei Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg mit einem hohen Grad der
Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre; die blosse Möglichkeit des
Nichteintrittes des Erfolges bei Vornahme der gebotenen Handlung reicht
zur Bejahung dieses hypothetischen Zusammenhanges nicht aus (BGE 109 IV
139 E. 2, 108 IV 7 E. 2, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 113 IV 72 E. 5a;
TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989,
N. 41 zu Art. 1).

Erwägung 3

    3.- a) Es ist allgemein anerkannt, dass Bergbahn- und
Skiliftunternehmen eine Verkehrssicherungspflicht trifft. Wer Skipisten
erstellt und diese für den Skilauf öffnet, ist grundsätzlich verpflichtet,
zur Gefahrenabwehr die zumutbaren Vorsichts- und Schutzmassnahmen
vorzukehren (vgl. PADRUTT, Grenzen der Sicherungspflicht für Skipisten,
ZStR 103/1986, S. 385 mit Hinweisen). Diese Sicherungspflicht erstreckt
sich zunächst auf die eigentliche Pistenfläche und den Pistenrand
(vgl. dazu BGE 113 II 247 E. 3, 111 IV 16 E. 2, je mit Hinweisen). Soweit
Gefahren drohen, haben die Verantwortlichen durch geeignete Sicherungs-
bzw. Warnungsmassnahmen dafür zu sorgen, dass Skifahrer im Pisten-
und Pistenrandbereich nicht zu Schaden kommen (vgl. dazu PADRUTT, aaO
S. 391 ff. mit Hinweisen). Was insbesondere die Lawinengefahr betrifft,
muss der Verantwortliche diese beheben oder allenfalls die Piste sperren;
hat er alles in seiner Möglichkeit Stehende vorgekehrt und verwirklicht
sich die Gefahr dennoch, obwohl dies nicht vorhergesehen werden konnte,
kann er nicht zur Rechenschaft gezogen werden (PADRUTT, aaO S. 395 unten
mit Hinweisen).

    b) Nebenflächen einer Skipiste fallen nicht in gleicher Weise unter
die Verkehrssicherungspflicht wie die Piste und der Pistenrand selber
(vgl. dazu PADRUTT, aaO S. 400 ff.). In bezug auf Variantenfahrer trifft
die für die Sicherung Verantwortlichen ebenfalls nicht dieselbe Pflicht
zur Gefahrenabwehr wie hinsichtlich der Pistenbenützer. Wer eine nicht
gekennzeichnete Abfahrt befährt, tut dies in aller Regel in eigener
Verantwortung und auf eigenes Risiko (PADRUTT, aaO S. 406 und S. 387 mit
Hinweisen). Es muss jedoch durch eine unmissverständliche Signalisation
sichergestellt werden, dass die Skifahrer wissen, wo die offiziellen,
gesicherten Pisten verlaufen. Sie müssen davor geschützt werden,
irrtümlich Routen für die Talfahrt zu wählen, auf denen sie sich vor
Gefahren sicher wähnen. Dies kann z.B. durch eine Hinweistafel geschehen,
die die Aufschrift trägt: "Achtung, hier verlassen Sie das markierte und
kontrollierte Skigebiet" (vgl. dazu PADRUTT, aaO S. 406 ff.; vgl. auch
Ziff. 6 der Mindestsicherheitsvorschriften für Wintersportorte der FIS,
zitiert in STIFFLER, Schweizerisches Skirecht, 1978, S. 443).

    Zu der Signalisationspflicht gehört es, die Benützer des Skilifts
in hinreichender Weise vor besonderen oder aussergewöhnlichen Gefahren
zu warnen. Wenn das Verlassen der Skipisten mit solchen speziellen
Gefahren verbunden ist, müssen auch besonders hohe Anforderungen
an die Signalisationspflicht gestellt werden. So bestimmt Ziff. 19
der Richtlinien der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf
Skiabfahrten (SKUS) für Anlage und Unterhalt von Skiabfahrten vom September
1976 beispielsweise, dass im Falle von Gletscherpisten der Skifahrer
auf den Orientierungs- und Panoramatafeln "strikte" (d.h. besonders
eindringlich) davor zu warnen ist, die Pisten zu verlassen, "unter
deutlichem Hinweis darauf, dass ausserhalb der Pisten die Gefahr von
Absturz in Gletscherspalten besteht" (zitiert in STIFFLER, aaO S. 446).

    c) Ein besonderes Problem bilden in diesem Zusammenhang die
sogenannten "wilden Pisten". Wenn diese auch nicht in gleicher Weise
wie eine markierte Piste und deren Rand der Verkehrssicherungspflicht
unterworfen werden können, so ist es doch insbesondere wegen der
weniger erfahrenen und ortsunkundigen Skiläufer geboten, im Bereich
von abzweigenden wilden Abfahrten mit einer ausdrücklichen Warntafel
oder einer Wimpelschnur das Ausscheren in eine nicht gesicherte Strecke
mit atypischen Gefahren zu verhindern (PADRUTT, aaO S. 407). Die Grenze
dieser Pflicht bildet die Zumutbarkeit, wobei ein Mindeststandard an Schutz
und Markierungsmassnahmen immer gewährleistet sein muss (vgl. PADRUTT,
aaO S. 388 f. mit Hinweis). Wenn sich z.B. im Fall der obengenannten
Gletscherpiste durch regelmässiges weisungswidriges Verhalten der Benützer
eine eigentliche "wilde Piste" bildet und dies den Verantwortlichen bekannt
ist, so genügt es nicht, eine strikte Warnung auf den Orientierungs-
und Panoramatafeln anzubringen, sondern muss verlangt werden, dass die
Warnung (nach Möglichkeit verbunden mit einer Absperrung) an der Stelle
wiederholt wird, wo die "wilde" Piste von der offiziellen abzweigt. Nach
PADRUTT (aaO S. 408) ist eine entsprechende Warnung oder Absperrung sogar
immer geboten, wenn "eine wilde Piste entsteht" und diese nicht in eine
offizielle umgewandelt wird.

    Im in BGE 109 IV 99 ff. beurteilten Fall stiess ein Skifahrer 90
m ausserhalb der präparierten Piste, wo sich immer wieder Skiläufer
aufhielten, mit einem quer zum Hang gespannten Heuseil zusammen; das
Bundesgericht ging bei dieser Unfallstelle von einer Nebenfläche der
Piste aus, für die wie für die Skipiste eine Verkehrssicherungspflicht der
Bahnunternehmung bestehe. Die Begründung dieses Entscheides stiess in der
Literatur auf Kritik (SCHULTZ, ZBJV 121/1985 S. 38 ff.; PADRUTT, aaO S. 400
f.; BODENMANN, Nicht mehr erfüllbare Anforderungen an die Sicherung von
Skipisten und Abfahrten?, Referat anlässlich der Generalversammlung der
Walliser Vereinigung der Seilbahn- und Skilift-Unternehmungen vom 10. Juni
1985). Es ist einzuräumen, dass die damals vertretene Betrachtungsweise
zu einer zu starken Ausweitung der Begriffe "Piste" und "Pistenrand"
bzw. "unmittelbare Nebenfläche" führt, die abzulehnen ist. Vielmehr
ist im Sinne der obigen Ausführungen von einer unterschiedlichen
Verkehrssicherungspflicht des Bergbahnunternehmens für Piste und Pistenrand
einerseits sowie für Nebenflächen andererseits auszugehen. Auch danach
ist der zitierte Entscheid im Ergebnis aber zutreffend, wie in der Kritik
anerkannt wird. Das Heuseil bildete ein atypisches künstliches Hindernis
und eine heimtückische Gefahrenquelle, die sich für den ahnungslosen
Fahrer als eigentliche Falle entpuppte (PADRUTT, aaO S. 390); es befand
sich zudem an einer Stelle, die häufig von Skiläufern befahren wurde,
also im Bereich einer "wilden Piste". Unter diesen Umständen wären die
Verantwortlichen verpflichtet gewesen, durch eine seitliche Abschrankung
das Verlassen der Piste zu unterbinden oder, wenn dies unmöglich gewesen
wäre, das atypische und heimtückische Hindernis in hinreichender Weise zu
kennzeichnen (SCHULTZ, aaO S. 38). Dies wäre mit geringem Aufwand möglich
gewesen (BGE 109 IV 102).

    d) Für den Fall akuter Lawinengefahr hat grundsätzlich folgendes
zu gelten: Ist den Verantwortlichen einer Bergbahn oder eines
Skiliftes bekannt, dass im Bereich der von ihnen betriebenen Skipisten
befindliche und von Lawinen akut bedrohte Hänge regelmässig von den
Skiliftbenützern befahren werden, so haben sie diese Hänge durch am
Pistenrand aufgestellte Tafeln zu sperren. Ein solches Schild kann
z.B. analog dem Strassenverkehrssignal "Allgemeines Fahrverbot" mit
dem Zusatz "Akute Lawinengefahr" ausgestaltet werden. Sofern zumutbar,
sind überdies Zugangssperren (z.B. durch gekreuzte Gefahrenstangen
oder Fähnchen an einer Schnur) zu errichten. Es genügt nicht, nur durch
generelle Hinweistafeln in der Talstation und am Ende des Skilifts vor
der generellen Lawinengefahr im gesamten Skigebiet zu warnen (vgl. das
Beispiel aus dem Kanton Wallis bei PADRUTT, aaO S. 408).

Erwägung 4

    4.- a) Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist zunächst davon
auszugehen, dass dem Beschwerdegegner das vom Eidg. Institut für Schnee-
und Lawinenforschung Weissfluhjoch-Davos am 1. Februar 1985 herausgegebene
Lawinenbulletin bekannt war. Danach bestand (insbesondere auch in der hier
interessierenden Region) "eine grosse, örtliche Schneebrettgefahr, und zwar
im allgemeinen für Hänge oberhalb 1500 m, wobei alle Hangexpositionen als
kritisch einzustufen waren". Die erhebliche Gefahr war den Verantwortlichen
offenbar auch bewusst, da sie am 1. Februar 1985 "im Gegenhang des
nachmaligen Lawinenhanges durch Rakrohrbeschiessung zwei Lawinen und
im Schabell durch Abtreten eine Lawine" auslösten. Unerheblich ist,
dass am 3. Februar 1985 keine Anhaltspunkte für eine "noch kritischere
Beurteilung der Lawinensituation" vorlagen; entscheidend ist, dass die
Situation ganz allgemein kritisch war.

    b) Die Vorinstanz stellte fest, der Lawinenhang sei am Unfalltag "im
hinteren Teil" vom erfahrenen und ortskundigen Pistenchef Y. nochmals
durch "Abtretungsversuche" geprüft worden, die jedoch negativ
verlaufen seien. Das "Abtreten" stelle eine geeignete und verbreitete
Sicherungsmassnahme dar, weshalb Pistenchef Y. und der Beschwerdegegner "im
Rahmen eines seit Jahren angewandten und bewährten Sicherungsdispositivs"
gehandelt hätten und kein Anlass bestanden habe, am Unfalltag davon
abzuweichen.

    Mit dieser Annahme stellte die Vorinstanz eine Behauptung auf, von
deren Richtigkeit sie aufgrund der - von ihr angenommenen - allgemeinen
Erfahrung überzeugt war. Ein solcher Erfahrungssatz ist zwischen Tatsache
und Rechtsnorm einzuordnen und kann im vorliegenden Verfahren grundsätzlich
überprüft werden (vgl. RAPHAEL VON WERRA, Die tatsächliche Feststellung
im Sinne von BStP Art. 277bis Abs. 1 Satz 2, ZStR 1984/101, S. 273 ff.,
insbes. S. 276 f.).

    Zunächst fällt auf, dass Pistenchef Y. nur "im hinteren Teil" des
Lawinenhanges Abtretungsversuche unternahm; im angefochtenen Entscheid
wird nicht ausgeführt, warum dies nach der Auffassung der Vorinstanz
genügte. Diese scheint zur Hauptsache darauf abstellen zu wollen, dass
die von den Verantwortlichen gewählte Sicherungsmethode seit Jahren schon
angewendet worden und deshalb bewährt sei; eine solche Überlegung wäre
schon deshalb verfehlt, weil eine Methode auch dann fehlerhaft sein kann,
wenn sie üblicherweise angewandt wird und es aus irgendwelchen Gründen
während Jahren nie zu Unfällen kam (BGE 88 II 421 mit Hinweis).

    Indem sich die Vorinstanz einfach auf die angeblich bewährte Übung
bezog, setzte sie sich kurzerhand über die bei den Akten befindlichen
und in ihren Aussagen und Schlussfolgerungen deutlichen Expertisen des
Eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung hinweg. Dieses Institut
wies bereits anlässlich der Begutachtung des Konzessionsgesuches am
26. Mai 1981 darauf hin, bei Lawinengefahr bestehe einerseits "zur
Sicherung des Gastes auf dem Skilift oder auf der Abfahrt die passive
Methode der Betriebseinstellung bzw. der Pistensperrung" und als
prophylaktische Massnahme nach Schneefall- oder Triebschneeperioden
sowie im Frühling eventuell auch nach Wärme- und Strahlungseinfluss
sei "in erster Linie das Mittel der künstlichen Auslösung gefährlicher
Schneemassen" (d.h. "die Handsprengung und das Rak.Rohr") gegeben; für
die hier interessierenden Hänge vom Schabellgipfel bis Punkt 2132 seien
"Versuche zur künstlichen Auslösung sowohl mit Handsprengungen vom Grat
als auch mit dem Rak.Rohr von der Bergstation aus möglich", wobei die
Erfahrung zeigen werde, "welcher Methode der Vorzug zu geben" sei. Das
Gutachten schliesst mit der Feststellung, sofern die vorgeschlagenen
Schutzmassnahmen ausgeführt und vor allem der operationelle Lawinenschutz
(d.h. Handsprengung oder Einsatz des Rakrohrs) seriös betrieben werde,
"sollten sich im neu zu erschliessenden Skigebiet im Bereich von Bahn-
und Skiabfahrten keine Lawinenunglücke zutragen". Das Eidg. Verkehrs-
und Energiewirtschaftsdepartement erteilte seine Konzession denn auch
am 29. Oktober 1981 mit der Auflage, die Bahn sei gemäss dem eben
zitierten Gutachten zu schützen (Art. 6 Ziff. 2), wofür die Konzessionärin
verantwortlich sei (Art. 14 Ziff. 2). Davon, dass das "Abtreten" eine
geeignete Sicherungsmassnahme darstelle, ist nirgends die Rede.

    Dies wird denn auch durch das nach dem Lawinenunglück erstellte
Gutachten desselben Institutes vom 15. November 1985 bestätigt. Die
Experten führten aus, die in der obenerwähnten Expertise vorgeschlagenen
Handsprengungen hätten bei der herrschenden grossen Lawinengefahr
(s. oben E. 4a) "vom Grat aus an verschiedenen Stellen des nachträglichen
Lawinenhanges" durchgeführt werden müssen; demgegenüber sei "die
Sicherungsmassnahme mit Abtreten durch Patrouilleure ungenügend, - dies
speziell für einen rund 600 m langen und gegliederten Hang".

    Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Vorinstanz von einem
unrichtigen "Erfahrungssatz" ausging. Es genügte nicht, im hinteren
Teil des Lawinenhanges "Abtretungsversuche" vorzunehmen, sondern der
Beschwerdegegner hätte veranlassen müssen, dass die nach der Erfahrung
einzig richtige Methode der Handsprengung angewendet worden wäre. Indem
er einerseits dies unterliess und andererseits den Betrieb der Pleusbahn
auch nicht einstellte, verletzte er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht
gemäss Art. 18 Abs. 3 StGB.

Erwägung 5

    5.- a) Im vorliegenden Fall steht nun aber fest, dass sich die
beiden geschädigten Skifahrer zum Unfallzeitpunkt weder auf der Piste
noch in deren Randbereich, sondern ausserhalb derselben, d.h. oberhalb im
eigentlichen Lawinenhang aufhielten. Es wäre nicht zweifelhaft, dass der
Beschwerdegegner für verletzte oder getötete Pistenbenützer einzustehen
hätte. Zu prüfen ist, welche sorgfaltswidrigen Unterlassungen dem
Beschwerdeführer in bezug auf die Variantenfahrer angelastet werden können.

    b) Wie in E. 3d dargelegt, trifft den Verantwortlichen für die
Pistensicherung die Pflicht, die Benützer einer Bergbahn durch eine
deutliche und klare Signalisation vor der Lawinengefahr an einem nicht
zur Piste gehörenden, aber regelmässig von Bahnbenützern mit den Skiern
befahrenen Hang zu schützen. Die Vorinstanz äussert sich nicht darüber,
ob und gegebenenfalls von welchen Stellen aus der Südwesthang zwischen dem
Schabellgipfel und dem Gelb Chopf häufig von Variantenfahrern benützt
wurde. Dies wird sie noch nachzuholen haben (vgl. immerhin Urteil
Polizeigericht S. 15: "Das Befahren der Schabellhänge ist ... eine
alltägliche Situation, die von der Bahn seit eh und je toleriert wurde
...").

    c) Nach den Feststellungen der Vorinstanz waren sowohl bei der Tal-
als auch bei der Bergstation Warntafeln angebracht, die auf "lokale
Schneebrettgefahr" hinwiesen. Dem entsprechenden Bild bei den Akten ist
zu entnehmen, dass es sich dabei um recht kleine Schilder handelte,
wobei dasjenige bei der Bergstation überdies nur von den Sesseln der
Pleusbahn aus ersichtlich war. Diese Warnung war ungenügend. Zum einen
waren die Tafeln zu unscheinbar, um einen genügenden Eindruck zu machen,
sofern sie überhaupt zur Kenntnis genommen wurden. Zum anderen standen sie
nicht an Stellen, an denen der Bahnbenützer dringend auf die bestehende
Gefahr aufmerksam gemacht werden musste, nämlich dort, wo er sich beim
Verlassen der offiziellen Skipiste der Lawinengefahr aussetzte.

    Bei der Einfahrt in den Lawinenhang wurde durch eine weitere Warntafel
darauf hingewiesen, dass der Fahrer hier das markierte und kontrollierte
Skigebiet verlasse. Diese Tafel war zwar am richtigen Ort plaziert und
grösser, auffälliger und farbig ausgestaltet. Bei Beachtung der Tafel
wurde dem Fahrer jedoch nur bewusst, dass er das dahinter befindliche
Gelände im Hinblick auf die fehlende Pistenpräparierung und -markierung auf
eigene Gefahr befahre. Auf die akute Lawinengefahr wurde er demgegenüber
nicht aufmerksam gemacht. Auch diese Hinweistafel muss als ungenügend
bezeichnet werden.

    Wenn am fraglichen Hang zum Unfallzeitpunkt trotz der
Abtretungsversuche mit akuter Lawinengefahr gerechnet werden musste
(vgl. E. 4), wäre jedenfalls dann, wenn dem Beschwerdegegner das häufige
Auftreten von Variantenfahrern bekannt war (s. E. 5b), eine eigentliche
Sperrung des gefährdeten Gebietes im oben in E. 3d umschriebenen Sinn
unerlässlich gewesen. Aufgrund der in den Akten befindlichen Bilder
ist anzunehmen, dass bei der Bergstation eine eigentliche Abschrankung
z.B. durch fähnchenbewehrte Seile oder gekreuzte Stangen durchaus möglich
und zumutbar gewesen wäre. Wie sich dies weiter unten (z.B. im Bereich
des Doppelmastes 12/13) verhielt, ergibt sich weder aus dem angefochtenen
Urteil noch aus den Akten.

    d) Ein Schuldspruch verlangt schliesslich, dass Zwischen der
Unterlassung und dem eingetretenen Erfolg ein Kausalzusammenhang
besteht. Nach dem in E. 2 Gesagten ist dies zu bejahen, wenn A. und B. mit
einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nicht getötet bzw. verletzt worden
wären, sofern das gefährdete Gebiet in rechtsgenügender Weise abgesperrt
worden wäre. Nach der allgemeinen Erfahrung steht ausser Zweifel, dass
bei der zu verlangenden Signalisation und Absperrung mit Sicherheit
weit weniger Skifahrer einen lawinengefährdeten Hang befahren. Es darf
deshalb auch mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, A. hätte
die verhängnisvolle Fahrt unterlassen, wenn er zu Beginn der wilden Piste
bei der Bergstation unmissverständlich auf die Gefahr aufmerksam gemacht
worden wäre. Wie es sich damit bei B. verhält, der die Piste erst beim
Doppelmast 12/13 verliess, steht nicht fest. Es ist nicht auszuschliessen,
dass auch er durch hinreichende Signalisations- und Sperrungsmassnahmen
bei der Bergstation bereits hinreichend gewarnt gewesen wäre, so dass
er auf seine Variantenfahrt verzichtet hätte. Die Vorinstanz wird sich
dazu noch aussprechen müssen. Sie wird im Lichte der obigen Ausführungen
auch zu prüfen haben, ob sich für den Beschwerdegegner allenfalls sogar
im Bereiche des Doppelmastes 12/13 eine Absperrung hätte aufdrängen sollen.

    Was die Vorinstanz in bezug auf den Kausalzusammenhang ausführt, geht
an der Sache vorbei. Ob die verhängnisvolle Lawine spontan oder durch
Variantenfahrer ausgelöst wurde, ist nicht von Belang, da angesichts
der erheblichen Lawinengefahr mit beidem in gleicher Weise gerechnet
werden musste; dem Gutachten des Eidg. Institutes für Schnee- und
Lawinenforschung vom 15. November 1985 ist diesbezüglich zu entnehmen,
die Wahrscheinlichkeit, dass es trotz einiger Handsprengungen entlang
dem Hang zu einem Lawinenniedergang komme, liege bei negativer Sprengung
höchstens bei etwas mehr als einem Prozent und bei Lawinenauslösung sei die
Wahrscheinlichkeit noch wesentlich kleiner. Im übrigen stellen weder das
Variantenfahren an sich noch die durch ein solches Verhalten verursachte
Auslösung einer Lawine derart aussergewöhnliche Umstände dar, die den
Kausalzusammenhang unterbrechen würden (vgl. 115 IV 102). Der Bereich
der Eigenverantwortung eines Skifahrers beginnt schliesslich erst dann,
wenn er sich über klare Signalisationen und Absperrungen (die in casu
jedoch fehlten) hinwegsetzt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus
wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom
29. Februar/7. März 1988 aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an
die Vorinstanz zurückgewiesen.