Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 175



115 IV 175

40. Urteil des Kassationshofes vom 21. September 1989 i.S. X. gegen
Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB; Einziehung von Drogenerlös.

    Die Einziehung kann sich nicht nur gegen den Täter selber oder einen
Teilnehmer richten, sondern unter Umständen auch gegen eine Drittperson,
die einen Vorteil aus einem von einem anderen begangenen Delikt erlangt
hat (E. 2b/aa).

    Geld, das als Bezahlung für eine tatsächlich erbrachte Leistung
und ohne Kenntnis des kriminellen Hintergrundes von einer Drittperson
entgegengenommen worden ist, kann bei dieser Drittperson nicht eingezogen
werden (E. 2b/bb).

    Ob und inwieweit dem Betroffenen im Falle einer nachträglich
ungerechtfertigten Vermögensbeschlagnahme ein Zins zusteht, beurteilt
sich nach den Regeln betreffend Schadenersatz für ungerechtfertigte
strafprozessuale Massnahmen, soweit es nicht um laufende, von der
Vermögensbeschlagnahme ebenfalls erfasste Zinserträge geht (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Der Uhrenhändler X. erhielt von Y. am 13. bzw. 16. Mai 1983
zwei Geldüberweisungen über insgesamt Fr. 350'000.-- auf sein Konto
bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) Biel, welche mit Valuta vom
16. bzw. 18. Mai 1983 gutgeschrieben wurden und die erwiesenermassen
aus einem Drogenhandel des Y. stammten. Am 17. Mai 1983 eröffnete
die Untersuchungsrichterin I von Biel gegen den Uhrenhändler eine
Strafuntersuchung wegen vermuteter Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz
über die Betäubungsmittel (BetmG). Am 19. Mai 1983 ersuchte die
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt das Polizeikommando Bern, alle Konten
des X. bei der SKA zu sperren, was gleichentags durch Verfügung der
Untersuchungsrichterin geschah. Schliesslich wurden die Fr. 350'000.--
am 14. Juni 1983 beschlagnahmt.

    Der zunächst bestehende Verdacht, X. sei aktiv an Heroingeschäften
beteiligt gewesen oder er habe bei seinen Transaktionen zumindest Kenntnis
davon gehabt, dass ein Teil des Geldes Erlös aus Drogengeschäften
gewesen sei, bestätigte sich nicht. Die Untersuchungsrichterin II von
Biel beantragte deshalb am 1. November 1988 dem Bezirksprokurator des
Seelandes, die gerichtliche Strafverfolgung aufzuheben; die beschlagnahmten
Fr. 350'000.-- seien jedoch gemäss Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB einzuziehen,
da das Geld aus Heroingeschäften stamme. Der Staatsanwalt des Seelandes
stimmte diesem Antrag am 9. November 1988 bei.

    X. rekurrierte (unter anderem) gegen die Einziehungsverfügung. Die
Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern hiess den Rekurs am
17. März 1989 in einem hier nicht interessierenden Punkt gut und wies ihn
im übrigen insbesondere in bezug auf die Einziehung der Fr. 350'000.-- ab.

    Mit der vorliegenden eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde beantragt
X., der Entscheid der Anklagekammer sei hinsichtlich der Anwendung von
Art. 58 StGB aufzuheben und die Sache zur vorbehaltlosen Freigabe der
Fr. 350'000.-- inklusive eines Zinses von 3,5% ab dem 10. Juni 1983 an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB verfügt der Richter ohne
Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung
von Gegenständen und Vermögenswerten, die durch eine strafbare Handlung
hervorgebracht oder erlangt worden sind, an oder mit denen eine strafbare
Handlung begangen wurde oder die zur Begehung einer strafbaren Handlung
bestimmt waren, soweit die Einziehung zur Beseitigung eines unrechtmässigen
Vorteils oder Zustandes als geboten erscheint.

    Es ist unbestritten, dass es sich bei den heute in Frage stehenden Fr.
350'000.-- um Geld handelt, das Y. bei Heroingeschäften eingenommen
hatte. Folglich steht auch fest, dass der Vermögenswert durch strafbare
Handlungen des Y. erzielt worden ist. Ebenfalls unbestritten ist, dass
es sich bei der Gutschrift auf einem Bankkonto um einen grundsätzlich
einziehbaren Vermögenswert handelt (BGE 110 IV 8 f.; STRATENWERTH, AT II,
§ 14 N. 49; TRECHSEL, Kurzkommentar, N. 5 zu Art. 58). Insoweit sind die
Voraussetzungen der Einziehung des auf dem Konto des Beschwerdeführers
befindlichen Vermögenswertes gemäss Art. 58 StGB gegeben.

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschlagnahme sei
ausdrücklich "zum Verfahren Y." erfolgt; Art. 58 StGB beziehe sich
ausschliesslich auf die Einziehung bei Tätern oder Teilnehmern, deren
Tathandlung allerdings nicht unbedingt zu einer Strafe führen müsse; er sei
demgegenüber weder Täter noch Teilnehmer gewesen, weshalb er als "Dritter"
angesehen werden und Art. 58bis StGB zum Zuge kommen müsse. Weiter
bringt der Beschwerdeführer vor, die Zahlung der Fr. 350'000.-- habe
keinen unrechtmässigen Vorteil für ihn bewirkt, da der Betrag - nach der
eigenen Feststellung der Vorinstanz - eine Zahlung für gelieferte Uhren
dargestellt habe.

    b) aa) Die in Frage stehenden Fr. 350'000.-- waren bereits dem Konto
des Beschwerdeführers gutgeschrieben, als sie beschlagnahmt wurden,
weshalb die Vorinstanz zu Recht von einem Anwendungsfall von Art. 58
Abs. 1 StGB ausging. Nach dieser Bestimmung wird die Einziehung der
Vermögenswerte ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten
Person verfügt. Voraussetzung ist jedoch immer, dass der Täter eine vom
Gesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen hat. Die Einziehung kann sich
hingegen nicht nur gegen den Täter selber oder einen Teilnehmer richten,
sondern unter Umständen auch gegen eine Drittperson, die einen Vorteil
aus einem von einem anderen begangenen Delikt erlangt hat (GAUTHIER,
in Lebendiges Strafrecht, Festgabe für Hans Schultz, Bern 1977, S. 369;
SCHULTZ, AT II, S. 209; REHBERG, Strafrecht II, 3. Aufl., S. 85; vgl. auch
STRATENWERTH, AT II, § 14 N. 76). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut
der Gesetzesbestimmung, insbesondere auch in seiner französischen Fassung
("Alors même qu'aucune personne déterminée n'est punissable, le juge
prononcera ..."). Der Vermögensvorteil muss jedoch ein unrechtmässiger
sein und die Einziehung zur Beseitigung dieses unrechtmässigen Vorteils
als geboten erscheinen (Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB).

    bb) Im vorliegenden Fall hat Y. durch den Verkauf der Betäubungsmittel
eine vom Gesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen. In der Folge überwies
er den Erlös auf ein Konto des Beschwerdeführers. Dieser hat somit durch
die Gutschrift auf seinem Konto einen Vorteil aus dem von Y. begangenen
Betäubungsmittelhandel erlangt. Nach den verbindlichen Feststellungen der
kantonalen Behörden stellte das beschlagnahmte Geld eine Gegenleistung
für tatsächlich vom Beschwerdeführer in die Türkei gelieferte Uhren dar;
weiter ist davon auszugehen, dass er nicht um die kriminelle Herkunft
des Geldes wusste.

    Bei dieser Sachlage verhält es sich prinzipiell wie bei jedem
Verkäufer, der einem von ihm nicht als solchen erkannten Drogenhändler
einen Gegenstand verkauft, ohne zu wissen, dass das als Bezahlung
entgegengenommene Geld aus dem Betäubungsmittelhandel stammt. Es ist
ausgeschlossen, dass in derartigen Fällen das Geld, das als Bezahlung für
eine tatsächlich erbrachte Leistung und ohne Kenntnis des kriminellen
Hintergrundes entgegengenommen worden ist, vom Staat eingezogen
werden könnte. Nach der Ansicht von STRATENWERTH und REHBERG endet die
Unrechtmässigkeit des Vorteils durch den gutgläubigen Eigentumserwerb
eines Dritten (STRATENWERTH, AT II, § 14 N. 56; REHBERG, Strafrecht
II, S. 85); dies muss ohne Zweifel jedenfalls dann gelten, wenn der
Erwerber wegen einer von ihm erbrachten Gegenleistung einen Anspruch auf
das Erworbene hat. Es kann nicht Sinn und Zweck der Einziehung sein, in
Rechte von Dritten einzugreifen, die einen Vermögenswert durch ein legales
Rechtsgeschäft und ohne das Bewusstsein, er sei krimineller Herkunft,
erworben haben. In einem solchen Fall kann von einem unrechtmässigen
Vermögensvorteil nicht gesprochen werden. Indem die Vorinstanz den
Geldbetrag von Fr. 350'000.-- mit der Bestimmung, dass er dem Staat
verfalle, einzog, verletzte sie Bundesrecht.

    Ob bei einem nachgewiesenen Umgehungsgeschäft anders zu entscheiden
wäre, kann offenbleiben, weil die Vorinstanz ein solches zumindest
implizite ausgeschlossen hat.

    Weil der Geldbetrag bei Y., der durch ihn einen unrechtmässigen
Vermögensvorteil erlangt hat und bei dem er einzuziehen wäre, nicht
mehr vorhanden ist, wird allenfalls diesem gegenüber und im Verfahren
gegen ihn eine Ersatzforderung des Staates gemäss Art. 58 Abs. 4 StGB
festzulegen sein.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer beantragt die Zusprechung eines Zinses auf den
seit dem 14. Juni 1983 beschlagnahmten Fr. 350'000.--. Die Beschlagnahme
dieses Vermögenswertes stellte eine vorläufige strafprozessuale Massnahme
dar, die vom kantonalen Recht beherrscht wird. Soweit die Beschlagnahme
nicht nur den Vermögenswert von Fr. 350'000.-- betroffen haben sollte,
sondern überdies die daraus entstehenden laufenden Zinserträge, wären
diese zusammen mit dem beschlagnahmten Betrag freizugeben. Im übrigen ist
die Frage, ob und inwieweit dem Beschwerdeführer ein Zins zusteht, nach
den Regeln betreffend Schadenersatz für nachträglich ungerechtfertigte
strafprozessuale Massnahmen zu beurteilen. Diese Regeln ergeben sich nicht
aus dem eidgenössischen materiellen Recht; vielmehr ist die Frage aufgrund
des kantonalen Rechts, gegebenenfalls unter Rückgriff auf allgemeine
Rechtsgrundsätze, zu prüfen. Das Zinsbegehren ist deshalb abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann.